- Die späte Schwangerschaft
Am 22. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe 2019 widmete sich Prof. Dr. med. Olav Lapaire, Basel, dem immer wichtiger werdenden Thema der späten Schwangerschaft.
Im Jahr 1970 waren 33.1 % der Mütter unter 25-jährig und nur 11.3% 35 Jahre alt oder älter. Im Jahr 2018 waren dagegen nur 5.9% unter 25- jährig und 33% 35-jährig oder älter. Die Gründe dafür sind Multiparität, Lifestyle Choice, Berufstätigkeit und Vereinbarkeit, stellte Prof. Dr. med. Olaf Lapaire, Basel, fest. Obwohl die Fekundität (Anzahl erfolgreicher Schwangerschaften pro Frau) bereits ab 25 Jahren zu sinken beginnt, ist in einem Alter von 35 Jahren der Wendepunkt erreicht, an dem die Fekundität steil abfällt und die Spontanabortrate stark zuzunehmen beginnt (Moffat R et al. Swiss Med Forum. 2018;18(43):875-880). Bis zum 30. Lebensjahr werden noch 400 von 1000 Frauen pro Jahr Mutter, während die Fekundität im Alter von 45 Jahren auf unter 50 von 1000 Frauen pro Jahr absinkt. Wichtig ist ein ausführliches Beratungsgespräch und das Ersttrimester-Screening zur Bestimmung des Risikos für eine Trisomie 21 anhand der Nackenfaltenmessung.
Präeklampsie
Ferner ist dem Risiko für eine Präeklampsie Rechnung zu tragen, wie der Referent ausführte. Die Präeklampsie gilt als Hauptursache mütterlicher und perinataler Morbidität und Mortalität. Als Risikofaktoren gelten: Frauen mit einer Präeklampsie in der Vorgeschichte haben ein 4-fach höheres Risiko für eine spätere Hypertonie und ein 2-fach höheres Risiko für eine ischämische Herzerkrankung, einen Schlaganfall oder Thromboembolien. Dieses Risiko scheint insbesondere erhöht, wenn die Präeklampsie vor der 34. Schwangerschaftswoche auftritt.
Es gilt als erwiesen, dass die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) einer Präeklampsie vorbeugen kann. Die prophylaktische Gabe von ASS ergibt eine Senkung der Inzidenz einer frühen Präeklampsie (< 32 SSW) um 82% und eine Senkung der Inzidenz einer frühgeburtlichen Präeklampsie um 62% (< 37 SSW), wie der Referent darlegte.
Mit dem mütterlichen Alter und mit dem Gestationsalter nimmt auch die Wahrscheinlichkeit eines intrauterinen Fruchttods zu und zwar bis zum fünffachen Wert, wie der Referent zeigte.
Aetiologie einer Intrauterinen Wachstumsretardierung (IUGR)
Die Ursachen für eine fetale Wachstumsretardierung sind vielfältig und können im Wesentlichen in mütterliche, plazentäre und fetale Ursachen gegliedert werden.
Foetal: Malformationen, Aneuploidien, Syndrome, Infekte, Mehrlinge, konstitutionell, Entbindung Kaiserschnitt.
Plazentär: Plazentationsstörung, Insertio velamentosa, Infarkte, Lösung, Pl. praevia, Uterusmalformation.
Maternal: Extrinsisch: Medikamente, Nikotin, Alkohol etc. Intrinsisch: konstitutionell, arterielle Hypertonie, Präeklampsie, Thrombophilie, Autoimmunerkrankungen, Diabetes mellitus, maternales Alter.
Relatives Risiko einer Kaiserschnittgeburt
Das fortgeschrittene mütterliche Alter ist mit mehreren ungünstigen Schwangerschaftsausgängen verbunden, weshalb diese Schwangerschaften als «hohes Risiko» betrachtet werden. Dazu gehören Ineffizienz des alternden Myometriums, verringerte Anzahl von Oxytocin-Rezeptoren, medizinische Krankheiten wie Präeklampsie und Gestationsdiabetes, klinische Schwellenwerte für geburtshilfliche Eingriffe, Hoch-Risiko-Bezeichnung und Mütterliche Ängste, sowie medizinisch-rechtliche Bedenken., wie der Referent zeigte (Bayrampour H and Heaman M, Birth 2010;37:219-26).
Fazit
- Präkonzeptionelle Beratung – Folsäure Gabe.
- Beachte: Abfall der Fertilität und Anstieg der Abortrate!
- Ausführliche Beratung (inkl. Ersttrimester Screening, NIPT, invasive Diagnostik, Präeklampsie-Screening, Aspirin Gabe).
- Beachte Risiken (Präeklampsie, Gestationsdiabetes, IUGR (intrauterine Wachstumsretardierung), Frühgeburtlichkeit).
- Anstieg des IUFD (intrauteriner Fruchttod) Risikos am Termin – Einleitung diskutieren.
- Ausführliche Besprechung der Geburtsmodalität.
- Cave: Risiko einer postpartalen Hämorrhagie.
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen
Quelle: 22. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe, 7.-8. November 2019, Näfels