- Endometriose und Fertilität: Diagnostische und therapeutische Einblicke
Prof. Dr. Michael von Wolff von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern, präsentierte eine umfassende Analyse zur Bedeutung von Endometriose und Adenomyose in Bezug auf den Kinderwunsch. Sein Vortrag umfasste aktuelle diagnostische und therapeutische Ansätze, Risiken im Zusammenhang mit der Schwangerschaft sowie die Rolle der Laparoskopie und medikamentöser Behandlungen. Prof. von Wolff stellte die neuesten Leitlinien und evidenzbasierten Maßnahmen vor, die die Auswirkungen dieser Erkrankungen auf die Chancen einer natürlichen Empfängnis und der IVF-Erfolgsrate beleuchten.
Diagnostische Einblicke in Endometriose und Adenomyose

Endometriose und Adenomyose zählen zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen, die Frauen im reproduktiven Alter betreffen und die Fruchtbarkeit erheblich beeinträchtigen können. Aktuelle Studien belegen den Einfluss dieser Erkrankungen auf die Fortpflanzungsgesundheit: Bei asymptomatischer Adenomyose beträgt die Odds Ratio (OR) für Fehlgeburten 1,81 (95% KI 1,35–2,44), während die Lebendgeburtenrate auf eine OR von 0,66 (95% KI 0,53–0,77) gesenkt ist. Noch deutlicher fällt der Effekt bei symptomatischer Adenomyose aus, wo die Fehlgeburtsrate mit einer OR von 2,48 (95% KI 1,28–4,82) höher ist. Diese Resultate verdeutlichen, dass sowohl die Diagnose als auch das Management dieser Erkrankungen besondere Aufmerksamkeit erfordern, um die Chancen für eine Lebendgeburt zu optimieren.
Laparoskopie bei Kinderwunschpatientinnen mit Endometriose
Laparoskopische Eingriffe stellen einen zentralen diagnostischen und therapeutischen Ansatz dar. Laut ESHRE-Leitlinien kann eine operative Behandlung in frühen Endometriose-Stadien (I/II) die Wahrscheinlichkeit für eine Spontanschwangerschaft erhöhen, da die Tubenfunktion verbessert wird. Allerdings zeigt die Evidenz auch, dass die laparoskopische Entfernung der Endometriose keine signifikante Verbesserung der IVF-Erfolgsraten bringt. Hinsichtlich Endometriomen – einer häufigen Manifestation der Endometriose – bleibt unklar, ob deren Entfernung die Wahrscheinlichkeit einer natürlichen Konzeption erhöht. Die Datenlage weist darauf hin, dass sich die IVF-Erfolgsraten durch die Entfernung von Endometriomen eher verschlechtern, da die ovariellen Reserven und die Eierstockfunktion beeinträchtigt werden können. Prof. von Wolff betont, dass die komplette Entfernung der Zystenwand sinnvoller ist als lediglich eine Fenestrierung oder eine Vaporisierung mittels Laser, um eine erneute Zystenbildung zu vermeiden.
Neue diagnostische Ansätze: Der Endometriose-Speicheltest (Endotest®)
Ein vielversprechender, neuer Ansatz in der Endometriose-Diagnostik ist der Speicheltest Endotest®. Erste Studien zeigen eine hohe Sensitivität und Spezifität, doch bestehen noch Fragen zur Anwendbarkeit bei Frauen ohne Endometriose-Symptome oder bei Patientinnen mit Adenomyose. Die deutsche AGE und die SGGG empfehlen derzeit, den Test vorerst nicht routinemäßig einzusetzen, bis Validierungsstudien weitere Erkenntnisse zur Zuverlässigkeit des Tests liefern.
Endometriose Fertility Index (EFI) als Prognosetool
Der Endometriose Fertility Index (EFI) wird verwendet, um bei Patientinnen mit Endometriose die individuelle Empfängniswahrscheinlichkeit abzuschätzen. Prof. von Wolff sieht den EFI als nützlich an, um die Erfolgsaussichten einer natürlichen Empfängnis besser einschätzen zu können, weist jedoch darauf hin, dass der prognostische Mehrwert begrenzt ist, da ähnliche Schätzungen auch ohne den Score vorgenommen werden können. Zudem ist eine Laparoskopie zur Berechnung des EFI erforderlich, was den Einsatz des EFI auf Patientinnen beschränkt, die sich einer diagnostischen oder therapeutischen Laparoskopie unterziehen.
Schwangerschaftsrisiken bei Endometriose und Adenomyose
Endometriose erhöht nachweislich das Risiko für diverse Schwangerschaftskomplikationen. Die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt steigt um 70% (OR 1,70; 95% KI 1,40–2,06), und auch das Risiko für Gestationsdiabetes (OR 1,26; 95% KI 1,03–1,55) und Präeklampsie (OR 1,18; 95% KI 1,01–1,39) ist bei Frauen mit Endometriose erhöht. Zudem besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Blasensprünge (OR 2,33; 95% KI 1,39–3,90) und plazentare Komplikationen wie abruptio placentae (OR 1,87; 95% KI 1,65–2,13). Bei Adenomyose zeigt sich ein ähnliches Risikoprofil, allerdings mit einem signifikant höheren Risiko für postpartale Blutungen, das bei Frauen mit Adenomyose dreifach erhöht ist (OR 2,90; 95% KI 1,39–6,05, Nirgiankais et al., 2021).
Optimierung der Therapieansätze bei Kinderwunsch
Die Therapie bei Endometriose sollte darauf abzielen, die Zyklusdauer und den Zeitraum bis zur Schwangerschaft zu minimieren. Eine intrauterine Insemination (IUI) in Kombination mit hormoneller Stimulation bietet eine höhere Erfolgsrate als ein abwartendes Vorgehen. Die Empfehlung lautet, maximal drei IUI-Zyklen durchzuführen, um die Belastung für die Patientin zu minimieren. Bei höheren Stadien der Endometriose zeigen sich die IVF-Erfolgsraten deutlich reduziert, was auf eine verringerte Oozytenanzahl und eine gestörte endometriale Funktion zurückzuführen ist. Prof. von Wolff weist darauf hin, dass bei Adenomyose-Patientinnen die temporäre Hypoöstrogenisierung durch GnRH-Analoga vor einer IVF möglicherweise vorteilhaft sein könnte, um die Adenomyoseaktivität zu verringern und so die Erfolgsrate der IVF zu erhöhen.
Dienogest, Ryeqo und Medical/Social Freezing als Präventionsstrategien
Für die langfristige Therapie von Endometriomen bietet sich Dienogest an, das sich als wirksam zur Reduktion des Endometriomvolumens erwiesen hat. Laut einer Studie (Sugimoto et al., 2015) kann durch die Einnahme von 2 mg Dienogest über zwei Jahre das Zystenvolumen auf durchschnittlich 30% des ursprünglichen Volumens reduziert werden. Der Referent erwähnte außerdem das neu zugelassene Medikament Ryeqo, das Relugolix, Estradiol und Norethisteronacetat kombiniert und zur Behandlung von Myomen und Endometriose zugelassen ist. Allerdings betonte er, dass es aktuell nur als «Second-Line»-Option betrachtet wird, da bisher noch begrenzte klinische Erfahrungen mit Ryeqo vorliegen. Frauen mit bilateralen Endometriomen und einem Kinderwunsch wird darüber hinaus empfohlen, die Möglichkeit eines Medical/Social Freezings zu erwägen, um ihre Fruchtbarkeit langfristig zu erhalten.
Take-Home Message:
Endometriose und Adenomyose sind mit erhöhten Fehlgeburts- und verringerten Lebendgeburtenraten verbunden. Eine laparoskopische Behandlung kann bei frühen Endometriose-Stadien die Chancen auf eine Spontanschwangerschaft verbessern, beeinflusst jedoch die IVF-Erfolgsrate nicht. Dienogest bietet einen bewährten Ansatz zur Endometriose-Progressionskontrolle. Die ESHRE-Guidelines und der EFI-Score bieten wichtige Anhaltspunkte zur Therapieplanung, während der neue Speicheltest Endotest® und das Medikament Ryeqo noch weiter validiert werden müssen.
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