Editorial

Erschöpfungszustände und integrales Kapazitätsmanagement



«Ich bin so müde» – mehrmals am Tag höre ich diese Aussage von Patientinnen, von KollegInnen von FreundInnen.

Viele sprechen v.a. von einer emotionalen Müdigkeit, einer Erschöpfung, Antriebslosigkeit, auch eine körperliche Müdigkeit wird beklagt. Nicht selten wird die Corona-Pandemie mit den entsprechenden Massnahmen immer noch als Grund angefügt. Die Notwendigkeit, in der Familie maximale Flexibilität gegenüber z.B. dem Home­schooling, den Familienmitgliedern – erkrankt oder in Quarantäne – zu zeigen, hat erschöpft.
Dazu kommen Veränderungen am Arbeitsort, viele notfallmässige Einsätze v.a. im Spital, da KollegInnen oder Angehörige erkrankt sind.
Seit wir im Spital die Maske nicht mehr tragen müssen, fällt mir zudem auf, dass ich über zwei Jahre die Patientinnen und meine Kolleginnen nur mit hoher Konzentration richtig verstehen konnte, da mit der Maske ein grosser Teil der Mimik und somit der nonverbalen Kommunikation wegfiel.

Es war ermüdend, einen ganzen Tag Sprechstunde zu halten, die Maske klebte einem immer mehr am Mund und Sauerstoffmangel machte sich bemerkbar.

Im Spital hat die Müdigkeit, die Erschöpfung beim Personal bereits grosse Auswirkungen. Es besteht ein erheblicher Personalmangel in verschiedenen Spitälern v.a. beim Pflegepersonal. Es werden wesentliche Bemühungen durchgeführt, um diese Engpässe abzuschwächen, sei es mit attraktiveren Arbeitsbedingungen und somit leichterem Rekrutieren oder mit Professionalisierung des Kapazitätsmanagements der Spitäler. Dieses sogenannte integrale Kapazitäts­management (IKM) beinhaltet ein gemeinsames Disponieren und Abstimmen der verschiedenen Organisationseinheiten wie Operationskapazität, Betten­kapazität und Ips bereits bei der Planung. Kennzahlen werden erhoben und gesammelt, Abläufe simuliert, um mit den Annahmen für die prospektive Planung möglichst nahe an der Realität zu sein, v.a. in einem Betrieb mit reichlich Notfalleintritten. So sollen auch Mitarbeitende vor Überlastung geschützt werden.

Das Ganze funktioniert vor allem dann, wenn sich alle Berufsgruppen als Team verstehen. Wird bekannt, dass es an gewissen Orten akut oder auch längerfristig zu wenig Personal hat, muss dies gemeinsam gelöst werden, mit gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung. Dann geben erfahrungsgemäss alle ihr Bestes und suchen nach konstruktiven Lösungen.

Manchmal ist die Müdigkeit aber auch Krankheits­bedingt, dies gilt es nicht zu verpassen. Deshalb lege ich Ihnen den Artikel der Kolleginnen Dr. med. Frey und KD Dr. med. Weber sehr ans Herz.

Und nun wünsche ich viel Kraft und Energie für einen wunderbaren Sommer. Mit herzlichem Gruss

 

KD Dr. med. Stephanie von Orelli
stephanie.vonorelli@stadtspital.ch

KD Dr. med. Stephanie von Orelli

Stadtspital Triemli
Frauenklinik
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

stephanie.vonorelli@zuerich.ch

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  • Vol. 12
  • Ausgabe 3
  • Juni 2022