- Föderal in die Sackgasse
Die Medizin hat sich stark entwickelt. Die Innovation hat bessere Therapien geschaffen. Die personalisierte Medizin schaffte in den letzten zehn Jahren fast Unglaubliches. Die Heilungsraten der Krebstherapien sind nicht nur um 5, sondern teilweise um 10 bis 20% und in einzelnen Bereichen sogar noch stärker angestiegen. Leider haben wir es nicht geschafft, Effizienz und Arbeitsergonomie im Gleichschritt mit dem medizinischen Fortschritt zu innovieren. Gesundheitspersonal verbringt heute zunehmend mehr Zeit im Büro und am Computer und weniger bei den Patienten. Es herrscht der Irrglaube, dass mit mehr Dokumentation, längeren krankenkassenfragebogen und noch mehr Qualitätskontrolle die Patienten besser behandelt werden. Es herrscht der Irrglaube, dass Fortschritt, Innovation, verbesserte Qualität zu gleichen oder niedrigeren Tarifen erfüllt werden kann. Der Nachwuchs wünscht sich wertvolle Arbeitsinhalte, eine Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf und sieht ein in Traditionen verhaftetes Arbeitssystem mit alten Hierarchien und Aufruf zu Durchhaltewillen, Berufsethos und Patientenzentriertheit. Die nationale Gesundheitspolitik fährt föderal in die Sackgasse und lässt Mut und Innovationskraft vermissen, anstatt Synergien und Effizienz in überkantonalen Gesundheitsregionen zu schaffen.
Wie würde die Arbeit der Gesundheitsberufe wohl aussehen, wenn nur 1% der Gelder, die in die Pharmaforschung fliessen, zur Erforschung und Veränderung der Arbeitswelt in den Gesundheitsinstitutionen eingesetzt würde. Ich wünsche mir die Innovationskraft der Hightech- und Pharmabranche in der Gesundheitsbranche und der Arbeitswelt unserer Spitäler. Ich wünsche mir den Mut der SpitalmanagerInnen, die Erkenntnisse aus dieser Forschung in den Alltag umzusetzen. Braucht es wirklich noch mehr Krise bis sich substantiell etwas verändert?
Prof. Dr. med. Gabriel Schär
Aarau
gabriel.schaer@usz.ch