Fortbildung

Indikationen und Durchführung der Cerclage

Eine Cerclage ist der operative Verschluss der Zervix zur Verhinderung eines Spätabortes oder einer Frühgeburt. Eine Tabaksbeutelnaht wird in die Zervix gelegt, um eine vorzeitige Dilatation zu verhindern. Trotz der teils widersprüchlichen Resultate von retrospektiven Studien bezüglich der Indikationen der Operation wird dieses Verfahren als Bestandteil einer systematischen Behandlung sowohl zur Prävention als auch zur Therapie der Frühgeburtlichkeit angewendet.



A cerclage is the surgical closure of the cervix to prevent late abortion or premature birth. A purse-string suture is placed in the cervix to prevent premature dilatation. Despite the sometimes conflicting results of retrospective studies regarding the indications for surgery, this procedure is being used as part of a systematic treatment for both prevention and treatment of preterm birth.
Key Words: cerclage, cervix, surgical closure

Geschichte

Die erste zervikale Operation zur Behandlung von rezidivierenden Aborten wurde 1902 von Herman dokumentiert. Er beschrieb damals seine Erfahrung mit nur drei Frauen, welche eine Trachelo­rhaphie nach Emmet bei rezidivierenden Aborten bekommen hatten (1). In den 1950er-Jahren entwickelte zuerst Shirodkar und später McDonald eine operative Technik zur Behandlung der Zervixinsuffizienz (2). Die letzten werden bis heute nach geringfügiger Modifikation weiterhin im klinischen Alltag durchgeführt.

Zervixinsuffizienz

Die Zervixinsuffizienz ist die schmerzfreie Erweichung und Verkürzung der Zervix (<25mm) in der Folge mit Eröffnung des Zervixkanals, welche im 2. oder 3. Trimester auftritt. Aufgrund der oft fehlenden Symptomatik ist sie mit erhöhten Spätabort- oder Frühgeburtsraten und deren Folgen assoziiert.

Goldstandard zur Diagnose der Zervixinsuffizienz ist die sonographische Messung der Zervixlänge entweder transvaginal oder transabdominal. Neben der Zervixlänge können auch weitere Charakteristika wie die Weichheit der Zervix oder die Präsenz einer Trichterbildung mitbeurteilt werden.

Falls keine relevanten Risikofaktoren wie zum Beispiel Status nach Spätabort oder Frühgeburt bestehen, ist die erste reguläre Messung der Zervixlänge im Rahmen der zweiten Ultraschalluntersuchung zwischen der 20. und 23. Schwangerschaftswoche empfohlen.

Falls anamnestisch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Zervixinsuffizienz vorliegt, ist eine sonographische Messung der Zervix bereits mit 16 Schwangerschaftswochen empfohlen. Ebenfalls sollte regelmässig eine sorgfältige klinische Untersuchung mit Ausschluss einer urogenitalen Infektion durchgeführt werden. Ähnliches Vorgehen ist bei Auftreten von Symptomen wie Unterleib- oder Rückenschmerzen, vaginalen Blutungen oder sonstigen vaginalen Beschwerden unabhängig von der geburtshilflichen Anamnese empfohlen.

Die optimale Betreuung von Schwangeren sowohl mit positiver Anamnese von Zervixinsuffizienz/Frühgeburt in vorangehenden Schwangerschaften als auch mit Zervixinsuffizienz in der aktuellen Schwangerschaft besteht aus der Kombination von medikamentösen und falls indiziert, operativen Massnahmen (Abb. 1).

Indikationen der Cerclage

Es gibt gemäss FIGO 2021 drei Indikationen zur Anlage einer Cerclage (3):

1. Eine prophylaktische Cerclage sollte Schwangeren mit Einlingsgravidität angeboten werden, welche Status nach 3 Frühgeburten und/oder Spätaborten in der Anamnese erlitten haben. Gemäss Literatur wurden die Frühgeburtsraten vor der 33. Schwangerschaftswoche in dieser Gruppe deutlich reduziert (15% mit versus 32% ohne Cerclage) (4). Eine prophylaktische Cerclage sollte am Anfang des zweiten Trimenons (zwischen der 13. Und 16. Schwangerschaftswoche) angelegt werden.

2. Eine therapeutische Cerclage sollte Schwangeren mit Einlingsgravidität angeboten werden, bei welchen eine Zervixinsuffizienz in der aktuellen Schwangerschaft (Zervixlänge <25mm) vor der 24.Schwangerschaftswoche diagnostiziert wurde und der Status nach einer oder mehr Frühgeburten oder Spätaborten in einer vorangehenden Schwangerschaft besteht (5). Bei Schwangeren mit einer Zervixinsuffizienz in der aktuellen Schwangerschaft ohne positive Anamnese einer Frühgeburt oder Spätabort ist eine therapeutische Cerclage gemäss der aktuellen Literatur nicht empfohlen. In dieser Situation kann jedoch eine Operation nach individueller Beurteilung der Risikosituation und ausführlicher Beratung der Schwangeren in Erwägung gezogen werden (6).

3. Eine notfallmässige Cerclage sollte bei Schwangeren mit einer prolabierenden Fruchtblase durch eine Dilatation der Zervix vor der 24. Schwangerschaftswoche in der aktuellen Schwangerschaft angeboten werden. Ein systematisches Review zeigte eine deutlich erhöhte Überlebensrate der Neugeborenen nach einer notfallmässiger Cerclage-Anlage (7).

Durchführung der Cerclage

Methoden der Wahl für die Durchführung einer transvaginalen Cerclage sind nach McDonald und nach Shirodkar benannt. Alternativ kann in bestimmen Situationen ein laparoskopisches, abdominales Vorgehen bevorzugt werden (siehe unten). Präoperativ muss eine urogenitale Infektion bzw. Amnioninfektions­sydrom ausgeschlossen werden. Für die Operation wird die Patientin in Steinschnittlage im Operationssaal gelagert. Eine perioperative intravenöse Antibiotikumprophylaxe ist empfohlen. Eine transvaginale Sonographie wird zur Beurteilung der Zervixlänge ggf. Trichterbildung und zur Darstellung umliegender anatomischer Strukturen wie beispielsweise die Blasenumschlagsfalte direkt präoperativ durchgeführt. Ebenfalls erfolgt prä- und postoperativ die Überprüfung der Vitalität des Feten. Die Operation kann entweder in Regionalanästhesie oder Intubationsnarkose durchgeführt werden.

1. Methode nach McDonald

Nach Desinfektion der Vagina werden die vordere und hintere Muttermundslippe mit atraumatischen Organfasszangen gefasst und die Blasenumschlagsfalte wird dargestellt. Es folgt das Ein­stechen mit dem Ethibondfaden bei 12 Uhr im Bereich der Blasenumschlagsfalte und zirkuläre, subepitheliale Führung der Nadelspitze im Gegenuhrzeigersinn mit Ein- und Ausstichen bei 9, 6 und 3 Uhr im Sinne einer Tabaksbeutelnaht um die äussere Zervix (8). Anschliessend wird ein Knoten des Fadens bei 12 Uhr nach digitaler Kontrolle gelegt. Optimal kann zusätzlich ein Luftknoten für die einfachere Entfernung der Cerclage gelegt werden. (Abb. 2.)

2. Methode nach Shirodkar

Nach der Desinfektion der Vagina werden die vordere und hintere Muttermundslippe mit atraumatischen Organfasszangen gefasst. Dann erfolgt die vordere Kolpotomie unterhalb der Blasenumschlagsfalte und die Harnblase wird stumpf distanziert. Es folgt das Eingehen mit dem armierten Mersilene-Band durch die Kolpotomie und das subepitheliale Durchziehen des Bandes unter Ein- und Ausstichen bei 9, 6 und 3 Uhr. Anschliessend wird ein Knoten des Fadens sowie ein Luftknoten gelegt. Die vordere Kolpotomie wird mit absorbierbarem Faden reepithelialisiert (Abb.3).

Die Methode nach Shirodkar zeigt sich im Vergleich zu der nach McDonald effektiver in der Senkung der Frühgeburtsraten (9).

Notfallcerclage (Abb. 4.)

Im Falle einer prolabierenden Fruchtblase durch eine eröffnete Zervix (bis maximal 3 cm) wird die Patientin präintraoperativ in einer Kopftieflage gelagert. Damit kann die Fruchtblase besser reponiert werden. Nach Einstellen der Portio wird die Fruchtblase mit einem Foley Katheter vorsichtig zurückgedrängt. Der Katheter wird mit 10-20 ml NaCl gefüllt. Die Cerclage Anlage kann mit einer der oben beschriebenen Methoden erfolgen, je nach Erfahrung des Operateurs. Die vaginal angelegte Cerclage kann in der 37. Schwangerschaftswoche ohne Anästhesie entfernt werden. Falls keine anderen Kontraindikationen vorliegen, ist eine vaginale Entbindung nach der Entfernung der Cerclage möglich.

3. Abdominale Cerclage

Bei Versagen der vaginalen Methode in einer vorangehenden Schwangerschaft oder bei deutlich verkürzter Portio postoperativ kann alternativ ein abdominales Verfahren angewendet werden. Die Cerclage kann entweder per Laparotomie oder Laparoskopie eingelegt werden (Abb. 5). Bei Schwangeren wird auf die Einlage eines Uterusmanipulators verzichtet. Bei nicht Schwangeren wird ein 10 mm Hegar Stift intrauterin gelegt. Das ermöglicht eine bessere Mobilisation des Uterus und verhindert, dass die Naht zu fest angezogen wird. Für die Cerclage-Anlage wird zuerst das Peritoneum der Excavatio vesicouterina eröffnet. Danach werden die Parametrien auf beiden Seiten unmittelbar oberhalb der Uteringefässe präpariert. Dorsal wird das Peritoneum der Hinterwand oberhalb der Ligamentum sacrouterinum eröffnet und vorgeschoben. Danach wird ein Ethibond 6 Faden zirkulär angelegt und ventral geknotet. Anschliessend erfolgt die Retro­peritonealisierung des Cerclagefadens mit einer fortlaufenden Naht Vicryl 3-0 dorsal und ventral.

Falls eine Cerclage abdominal angelegt wird, sollte als Geburtsmodus eine Sectio caesarea durchgeführt werden. Falls weiterhin Kinderwunsch besteht, kann die Cerclage in situ belassen werden für eine nächste Schwangerschaft.

Das abdominale Verfahren ist mit tieferen Frühgeburtsraten assoziiert. Dies am ehesten bedingt durch die proximale Lokalisation der Cerclage im Bezug zum Os internum, sowie der Absenz des vaginalen Fremdkörpers. Das laparoskopische Vorgehen scheint ein besseres perinatales Outcome zu haben, abhängig auch von der Erfahrung des Operateurs. Im Gegensatz dazu gehen die abdominalen Verfahren mit erhöhter mütterlicher Morbidität im Vergleich zu den transvaginalen Techniken einher (10).

Komplikationen

Die peri- und postoperative Komplikationsrate einer Cerclage-Anlage beläuft sich generell auf ca. 6% der Fälle. Die häufigsten davon sind die iatrogene Frühgeburt, der vorzeitige Blasensprung, die Chorioamnionitis, die vorzeitige Wehentätigkeit oder selten eine zervikovaginale oder vesikovaginale Fistelbildung.

Kontraindikationen

Kontraindikationen für die Durchführung einer Cerclage(-Anlage) sind vorzeitige Kontraktionen, vaginale (uterine) Blutungen oder ein vorzeitiger Blasensprung. Zusätzlich ist von einer Operation bei Verdacht auf urogenitalen Infekt bzw. Amnioninfektsyndrom abzuraten.

Totaler Muttermundsverschluss

Im Rahmen einer prophylaktischen Cerclage bietet die Durchführung eines gleichzeitigen totalen Muttermundsverschlusses eine zusätzliche Option zur Prolongation der Schwangerschaft durch eine Barrierefunktion gegen eine transzervikal aufsteigende Infektion.

Systematische Behandlung

Die Anlage einer Cerclage sollte nicht als einzelne prophylaktische oder therapeutische Massnahme durchgeführt werden, sondern als Bestandteil einer systematischen Behandlung angewendet werden. Die Behandlung besteht neben der fortlaufenden, lokalen Infektionsprophylaxe zusätzlich in einer vaginalen Applikation von Progesteron 200mg täglich als Unterstützung der Zervix bis zur 36. Schwangerschaftswoche. Bei Frühgeburtsbestrebungen zwischen der 24+0 und 33+6 Schwangerschaftswoche ist zusätzlich eine antenatale Steroidtherapie empfohlen. In dieser Situation wäre ebenfalls die Verlegung der Schwangeren in ein Perinatalzentrum zur interdiszipliären Betreuung in Erwägung zu ziehen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dipl. med.Stylianos Kalimeris

Oberarzt Kantonsspital Graubünden
Department Gynäkologie und Geburtshilfe
Lürlibadstrasse 118
7000 Chur

stylianos.kalimeris@ksgr.ch

Dr. med. Carolin Blume

Chefärztin Geburtshilfe Kantonsspital Graubünden
Frauenklinik Fontana
Departement Gynäkologie und Geburtshilfe
Lürlibadstrasse 118
7000 Chur

carolin.blume@ksgr.ch

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Zervixinsuffizienz stellt ein häufiges geburtshilfliches Krankheitsbild dar, welches potenziell mit erhöhter perinataler Morbidität und Mortalität assoziiert ist
◆ Die Cerclage ist eine operative Technik zur Verminderung des Risikos von Frühgeburt bzw. Spätabort durch den Verschluss der Zervix mit einem nicht absorbierbaren vaginal oder transabdominal gelegten Faden.
◆ Die Cerclage kann im Rahmen einer systematischen Betreuung entweder als prophylaktische oder therapeutische Massnahme appliziert werden.
◆ Eine ausführliche und individuelle Beratung der Schwangeren (der Eltern) über die Möglichkeit der Cerclage-Anlage sowie über den Ablauf, Nutzen und potenzielle Komplikationen der Methode sollte, falls indiziert, präoperativ stattfinden.

1. Herman, G. Ernest. “Note on Emmet’s Operation as a preventive of abortion.” BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology 2.3 (1902): 256-257.
2. Fox NS, Chervenak FA. Cervical cerclage: a review of the evidence. Obstet Gynecol Surv. 2008 Jan;63(1):58-65. doi: 10.1097/OGX.0b013e31815eb368. PMID: 18081941.
3. Shennan, A, Story, L, Jacobsson, B, Grobman, WA; the FIGO Working Group for Preterm Birth. FIGO good practice recommendations on cervical cerclage for prevention of preterm birth. Int J Gynecol Obstet. 2021; 155: 19– 22. https://doi.org/10.1002/ijgo.13835
4. Macnaughton MC, Chalmers IG, Dubowitz V, et al. Final report of the Medical Research Council/Royal College of Obstetricians and Gynaecologists multicentre randomised trial of cervical cerclage. MRC/RCOG Working Party on Cervical Cerclage, Br J Obstet Gynaecol, 1993;100(6) 516-523
5. Owen J, Hankins G, lams Multicenter randomized trial of cerclage for preterm birth prevention in high-risk women with shortened midtrimester cervical length. Am J Obstet Gynecol. 2009;201(4):375.e1-375.e8
6. Berghella V, Odibo AO, To MS, Rust OA, Althuisius SM, Cerclage for short cervix on ultrasonography: meta-analysis of trials using individual patient-level data. Obstet Gynecol.2005;106(1):181-189
7. Ehsanipoor R M Seligman NS, Saccone G, et al Physical examination-indicated cerclage: a systematic review and meta-analysis. Obstet Gynecol. 2015;126(1):125-135.
8. OP-Manual Gynäkologie und Geburtshilfe. Uhl B, Brunnert K, Krause M, Lehmanski M, Wunsch M, ed 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2013. doi:10. 1055/b-002-29657
9. McAuliffe, L, Issah, A, Diacci, R, Williams, KP, Aubin, A-M, Phung, J, et al. McDonald versus Shirodkar cerclage technique in the prevention of preterm birth: A systematic review and meta-analysis. BJOG. 2023; 00: 1– 11. https://doi.org/10.1111/1471-0528.17438
10. Vissers J, van Kesteren PJ, Bekedam DJ. Laparoscopic abdominal cerclage during pregnancy: Report on two cases using a McCartney tube. J Obstet Gynaecol 2017; 37:383