- Kardiovaskuläre Aspekte der geschlechtsangleichenden Hormontherapie
Es gibt Menschen deren Geschlechtsidentität nicht mit dem biologischen Ursprungsgeschlecht übereinstimmt, es besteht eine Inkongruenz, die zu einem erheblichen Leiden führen kann, zur Geschlechtsdysphorie. Sowohl die Geschlechtsinkongruenz als auch die Geschlechtsdysphorie kann mit einer Hormontherapie behandelt werden.
Il y a des personnes dont l’ identité sexuelle ne correspond pas au genre biologique d’ origine. L’ incongruité peut conduire à des souffrances considérables, à une dysphorie de genre. L’ hormonothérapie permet de traiter à la fois l’incongruité et la dysphorie de genre.
Die Hormontherapie führt im besten Fall zur äusserlichen und inneren Angleichung an das gefühlte, erlebte Geschlecht.
Prinzip der geschlechtsangleichenden Hormontherapie
Die Produktion der Sexualhormone Estradiol, Testosteron und Progesteron wird bei allen Geschlechtern v.a. über die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse reguliert. Durch die Gabe von synthetisch hergestellten Sexualhormonen wird die Eigenproduktion der Hormone in den Gonaden über den Feedback-Mechanismus reduziert. Das Wirkprinzip entspricht dem der hormonellen Kontrazeption. Die Suppression der Gonaden ist abhängig vom Einsatz des Sexualhormons und von der Dosierung. Das zugeführte Hormon führt dann zur Virilisierung bei angeborener weiblicher Biologie (Transmann, Frau-zu-Mann bzw. FzM) und Feminisierung bei angeborener männlicher Biologie (Transfrau, Mann-zu-Frau bzw. MzF).
Grundsätzlich können auch GnRH-Analoga eingesetzt werden plus Zugabe des gewünschten Hormons. Diese Therapie ist aber sehr teuer und deswegen im Erwachsenenbereich nicht üblich (1).
Virilisierende Hormontherapie
Bei Frau-zu-Mann-Transidentität und Wunsch nach Vermännlichung wird Testosteron gegeben. In der Schweiz steht Testosteron in Form von Injektionen und Gelen zur Verfügung (Tab. 1). Die orale Form ist in der Behandlung heute obsolet, da dies zu starken Schwankungen der Serumkonzentrationen führen kann und die Leber durch den First-Pass-Effekt unnötig belastet würde. Mit den üblichen Dosierungen, wie bei der Behandlung des Hypogonadismus bei Männern (2) erreicht man der männlichen Norm entsprechende Testosteronspiegel. Testostoren ist quasi das dominante Sexualhormon und genügt meist allein, um auf hypophysärer Ebene via negativem feedback Mechanismus zu blockieren und damit die Ovarfunktion zu supprimieren. Ausdruck dafür ist das Sistieren des Menstruationszyklus, was meist in den ersten Wochen bis Monaten passiert. Falls die Blutungen weiter bestehen, kann ein Gestagen dazu gegeben werden, wie z.B. Prodafem, Primolut N, oder ein GnRH-Analogon. Innerhalb kurzer Zeit kommt es zur Virilisierung. Die Muskelmasse nimmt zu, der Fettanteil im Körper ab. Körper- und Gesichtsbehaarung beginnen zu wachsen, es kommt zur verstärkten Seborrhoe. Durch die Verdickung und Vergrösserung der Stimmlippen kommt es zum Stimmbruch, die Stimme wird deutlich tiefer. Auch die Klitoris vergrössert sich unter der Testosterontherapie (Tab. 2).
Kardiovaskuläre Auswirkungen
Die wenigen Studien, mit eher kleinen Fallzahlen, die kardiovaskuläre Risiko-Parameter wie Blutdruck, Lipidprofil und BMI untersucht haben, zeigen teils widersprüchliche Ergebnisse. So gab es eine Studie vor und nach Testosterontherapie, die einen Abfall, eine weitere, die einen Anstieg, eine dritte die keine Änderung der Blutdruckwerte feststellte. Obwohl teils signifikant, waren die Veränderungen klinisch irrelevant, da die Werte im normotonen Bereich lagen (3, 5, 18).
Lipidprofil
Konstant sind die Veränderungen im Lipidprofil. Die Triglyceride steigen an, das HDL-Cholesterin nimmt ab, das LDL-Cholesterin und das Gesamtcholersterin bleiben im Wesentlichen gleich (3-5). In den wenigen Langzeit-Erhebungen zur Mortalität und Morbidität ergibt sich daraus kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko (6-8).
Sonstige Nebenwirkungen
Unangenehme Nebenwirkungen sind die häufig vorkommende Akne und die gelegentliche Alopezie. Selten kommt es zu einer therapiebedürftigen Polyglobulie.
Feminisierende Hormontherapie
Die Feminisierung eines testosterongeprägten Körpers ist deutlich schwieriger. Bei Mann-zu-Frau-Transidentität und Wunsch nach Verweiblichung ist die Gabe von alleine Östrogenen meist nicht ausreichend. Estradiolpräparate, die als Tabletten, Gel und Patch zur Verfügung stehen blockieren auf Hypophysenebene ungenügend, so dass ein artefizielles Gestagen dazugegeben wird (Tab. 3). Es bietet sich an, dafür das seit langem bekannte Cyproteronacetat zu verwenden, welches als Einzelsubstanz zur Verfügung steht, das Androcur®. Androcur in einer Dosierung von 10-50 mg/ Tag bewirkt eine Suppression der Gonadotropinsekretion und daraus folgend eine Abnahme der Spermienproduktion und des Testosteronspiegels. Ausserdem hat es peripher eine direkte antiandrogene Wirkung und vermindert das Körperhaarwachstum. Der Bartwuchs wird nicht wesentlich beeinflusst, so dass meist eine Bart-Laserepilation notwendig ist. Die einsetzende Feminisierung bedeutet eine Umverteilung des Fettgewebes und Abnahme der Muskelmasse. Haare und Haut werden feiner, es kommt zum Brustwachstum. (Tab. 4). In den USA wird als «Antiandrogen» Spironolacton verwendet, da Androcur® von der FDA nicht zugelassen ist. Spironolacton, ein Aldosteron-Rezeptorantagonist, wird als Kalium sparendes Diuretikum zur Blutdrucksenkung eingesetzt. Es hemmt die Testosteronsynthese in Hoden und Nebenniere und verhindert die Anbindung der Androgene am Rezeptor.
Kardiovaskuläre Auswirkungen
Venöse Ereignisse: Bei der feminisierenden Hormontherapie stehen durch die Östrogene bedingt thromboembolische Ereignisse im Vordergrund. Man kann davon ausgehen, dass die häufigen Thrombosen und Lungenembolien bei Transfrauen in der Vergangenheit durch das Ethinylestradiol verursacht wurden, welches in einer Dosierung von 100 mcg / Tag verabreicht wurde. Seit nur noch natürliche Östrogene eingesetzt werden, Estradiol oder Estradiolvalerat, sind die thromboembolischen Ereignisse deutlich zurückgegangen. Das zeigen Daten einer retrospektiven Studie von 1989 aus Holland im Vergleich mit einer Follow-up Analyse von 1997 und Daten aus den letzten Jahren, seit das Ethinylestradiol in der feminisierenden Hormontherapie obsolet ist (10, 11, 16, 17). Das thromboembolische Risiko kann durch die transdermale Gabe per Gel oder Patch weiter reduziert werden, was bei Transfrauen die älter als 40 Jahre sind, auch dringend zu empfehlen ist (12, 15, 20).
Arterielle Ereignisse: Östrogene haben einen günstigen Einfluss auf das Lipidprofil, das LDL-Cholesterin sinkt, das HDL-Cholesterin steigt an. Die Glucosetoleranz wird durch Östrogene verbessert. Des Weiteren haben sie einen direkten günstigen Einfluss auf die Endothelfunktion der Gefässe, einschliesslich der Koronararterien durch ihre antioxidative und gefässdilatierende Wirkung (9). Ein kardioprotektiver Effekt durch die Östrogene ist aber in Kollektiven von Transfrauen nicht ersichtlich. In neueren Erhebungen scheint das Risiko für zerebrovaskuläre Insulte erhöht. Herzinfarkte traten häufiger auf als in einem vergleichbaren Kollektiv von Frauen aber gleichhäufig wie bei Männern (8, 16, 17).
Unter der feminisierenden Hormontherapie kommt es zur Gewichtszunahme, das HDL-Cholesterin aber auch die Triglyceride steigen an. In einer Studie mit allerdings kleinem Kollektiv hat man einen Anstieg des Blutdrucks festgestellt, der aber klinisch nicht relevant war (19).
Sonstige Nebenwirkungen
Unter der feminisierenden Hormontherapie kommt es häufig zur Hyperprolaktinämie, Prolaktinome sind selten.
Schlussfolgerungen
Die geschlechtsangleichende Hormontherapie ist eine weitgehend sichere Therapie (6-8, 23, 24). In einer retrospektiven Studie aus Holland von 2011, mit über 1000 Transpersonen, 816 Transfrauen und 293 Transmännern, unter geschlechtsangleichender Hormontherapie liegt die Mortalität korrigiert nach Geschlecht und Alter, nicht höher als bei der übrigen holländischen Bevölkerung (6).
In den bisherigen Erhebungen war das kardiovaskuläre Risiko für Transmänner durch die Testosterontherapie nicht erhöht. Das erhöhte kardiovaskuläre Risiko bei Transfrauen ergibt sich durch den Einsatz der Östrogene. Vor Beginn der feminisierenden Hormontherapie ist eigen- und familienanamnestisch das Thromboserisiko abzuklären. Eine Aufklärung zum Thromboserisiko wie in der menopausalen Hormontherapie oder der Kontrazeption mit kombinierten Pillen ist obligat. Obwohl eine vorausgegangene Thrombose oder Embolie grundsätzlich als absolute Kontraindikation gilt, ist in Einzelfällen eine Dauerantikoagulation angezeigt, wodurch nach Abwägen der Risiken eine Hormontherapie möglich wird.
Die Datenlage zu Transmenschen ist dünn und teils widersprüchlich, es zeigt sich aber, dass die metabolischen Veränderungen und die Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System durch die geschlechtsangleichende Hormontherapie eher gering sind (21, 22).
Das Thromboembolierisiko der Östrogene kann und sollte durch die transdermale Gabe minimiert werden.
Im ersten Jahr der Transition sind 3 monatliche klinische Kontrollen üblich, mit Kontrolle der Laborwerte: Blutbild, Leberwerte und bei über 35 Jährigen Blutfette und Glucose, sowie Gewicht und Blutdruck. Danach einmal jährlich, auch zur Evaluation neu aufgetretener Krankheiten oder kardiovaskulärer Risiken, die letztendlich bei allen Geschlechtern mit dem Alter steigen.
Klinik für Reproduktions-Endokrinologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich
Lucia.Wehrle@usz.ch
Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
- Die geschlechtsangleichende Hormontherapie ist eine weitgehend sichere Therapie.
- Metabolische Veränderungen und Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System durch die geschlechtsangleichende Hormontherapie scheinen gering zu sein.
- Es besteht ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei Transfrauen.
Messages à retenir
- L’hormonothérapie de réattribution sexuelle est une thérapie généralement sûre.
- Les changements métaboliques et les effets sur le système cardiovasculaire dus à l’hormonothérapie de réattribution sexuelle semblent être faibles.
- Il existe un risque cardiovasculaire élevé chez «hommes vers femmes».
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- Ausgabe 1
- Februar 2019