Aktuelles Interview

Begegnung mit Dr. med. Pierre Villars

Leiter Tarifwesen SGGG und Vorstandsmitglied des Swiss Laos Hospital Project



Dr. med. Pierre Villars
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe mit eigener Praxis in Zürich seit 1988
Leiter Tarifwesen SGGG, Vorstandsmitglied SLHP

Lieber Pierre, wer bist du?

Ich wurde in Genf geboren, deshalb auch meine französische Muttersprache. Die Schulausbildung und das Studium habe ich in Zürich absolviert. Seit 1988 führe ich eine eigene Praxis in Zürich mit gynäkologischer und geburtshilflicher Belegarzttätigkeit. Ich bin Vater von zwei Töchtern. Die Ältere hat an der ETH in Health Science über Agonisten und Antagonisten des Appetitzentrums promoviert. Die Jüngere, Master of Cancer Biology, sollte demnächst ihre Dissertation über CAR-T-Zelltherapie bei Glioblastomen abschliessen. Keine wollte in die Fussstapfen des Vaters treten und Medizin studieren, um später meine Praxis zu übernehmen. Viel wichtiger ist jedoch, dass beide mit ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit glücklich sind.

Wie bringst du deine berufliche Tätigkeit mit den standespolitischen Aktivitäten in Einklang?

Ich hatte das Glück, mit Prof. Renzo Brun del Re, Prof. Albert Huch und Dr. Giovanni Bass gute Mentoren gehabt zu haben, die mich für die standespolitische Tätigkeit motivierten. Diese bedeutet für mich einen intellektuellen Ausgleich zur Praxistätigkeit, auch wenn sie oft mit zusätzlicher Arbeit verbunden ist. Ich gönne mir jedoch genügend Ferien, um auszuspannen, und ich nehme mir Zeit für Reisen und mein Hobby, die Fotografie.

Du hast dir in den letzten Jahren national und international einen Ruf als äusserst geschickter Entferner von schwierigen Hormonimplantaten gemacht. So wurde kürzlich im hoch angesehenen amerikanischen «Contraception» eine Originalarbeit publiziert (Contraception 2021;104:577-580), die auf deinen Erfahrungen und Daten basieren. Was war dabei der häufigste Einlegefehler, der eine schwierige Entfernung zur Folge hatte?

Meine Daten wurden von der Kollegin Samia El Hadad ausgewertet. Dabei stellten wir fest, dass knapp 60% der Implanons subfaszial und knapp ein Drittel weit weg von der Insertionsstelle lagen, was mit einer fehlerhaften Insertionstechnik zu erklären ist. Beim alten Implanon war es möglich, den Applikator-Stempel vorzuschieben, anstatt die Kanüle über dem Stempel zurückzuziehen.

Was muss jede Einlegerin und jeder Einleger von Hormonimplantaten berücksichtigen, dass keine schwierige Entfernung nötig wird?

Wichtig ist die korrekte subdermale Lage. Das lässt sich leichter erzielen, wenn die Haut beim Einstechen der Insertionskanüle mit zwei Fingern etwas angehoben wird. Das neue Implanon NXT sollte verhindern, dass das Stäbchen irrtümlich vorgeschoben wird und damit zu tief zu liegen kommt. Zudem gilt es die neu empfohlene Insertionsstelle weiter dorsal am Oberarm zu beachten, um weniger Nervenschädigungen zu riskieren.

Du hast eine volle Praxis und kümmerst dich zudem an
vorderster Front um eine qualitativ hochstehende Frauenheilkunde in der Schweiz mit fairen Tarifen. Dabei kämpfst du seit Jahren für eine Modernisierung des TARMED. Woran liegt es, dass die Reformverhandlungen zwischen den Tarifpartnern so harzig laufen?

Das lag vor allem an der Konstellation der Verhandlungspartner innerhalb von Tarmedsuisse und der Blockade der Kostenträger bei vielen Reformvorschlägen. Man fürchtete, dass dringend nötige Anpassungen des TARMED zu einem Kostenschub führen könnten. Mir kam es oft vor wie das Vetorecht innerhalb des UNO-Sicherheitsrates.

Zusätzlich zum angestrebten Einzeltarifwerk TARDOC wird auch über die Einführung von ambulanten Pauschalen diskutiert. Wo liegen die Vor- und Nachteile dieser beiden Entschädigungsmethoden?

Der Vorteil von Pauschalen liegt bei der vereinfachten Abrechnung und besseren Kontrollmöglichkeit. Damit kann eine missbräuchliche Mengenausweitung verhindert werden. Pauschalen eignen sich jedoch nur für standardisierte Prozesse, wie z.B. einer ambulant durchgeführten Konisation oder einfachen Hysteroskopie mit Curettage. Ein Einzelleistungstarif ist transparenter, dafür durch die Kumulationsmöglichkeiten schwieriger zu kontrollieren.

Du arbeitest auch beim Swiss Laos Hospital Project mit. Was ist das Swiss Laos Hospital Project (SLHP)?

Das SLHP ist ein ZEWO-zertifiziertes humanitäres Hilfsprojekt zur Verbesserung der Gesundheit von Mutter und Kind in Laos, einem der ärmsten Länder der Welt, mit einer der weltweit höchsten Kinder- und Müttersterblichkeit. Es wurde im Jahr 2000 von Dr. med. Urs Lauper gegründet. Dank finanzieller Unterstützung konnten wir die Infrastruktur in diversen Spitälern verbessern (Gebärabteilungen, OP, Neonatologie) und, was ebenso wichtig ist, die laotischen Ärzte und das Pflegepersonal schulen. Bedingt durch die Pandemie, haben wir in letzter Zeit diverse Webinare durchgeführt, die bei den laotischen Ärzten auf grosses Interesse stiessen.

Welche Rolle hast du beim Swiss Laos Hospital Project?

Ich bin im Vorstand des SLHP und u.a. für den Kontakt zu den niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen verantwortlich. Zudem habe ich mich für die Schulung und für die materielle Ausstattung in endoskopischer Gynäkologie eingesetzt. Wir haben z.B. interessierten Oberärzten einen Studienaufenthalt in Vietnam finanziert, um dem Ärztepersonal vor Ort eine endoskopische Ausbildung zu ermöglichen.

Was ist deine Leibspeise?

Ich kann mich nicht auf eine einzige Leibspeise beschränken. Ich liebe die französische und die italienische sowie die asiatische Küche. Einem Eintopf (in der Cocotte) mit Lamm, frischen Teigwaren und feiner Sauce oder einer thailändischen Tom Kha Gai bin ich nie abgeneigt.

Und dein Lieblingsgetränk?

Unter der Woche Assam- oder Grüntee. Bei besonderer Gelegenheit oder am Wochenende gerne ein Glas Bordeaux, vor allem Pauillac und Saint Estèphe als Essensbegleiter. In letzter Zeit habe ich auch die spanischen Weine aus dem Priorat und die Blanc de Blanc Champagner entdeckt.

Herzlichen Dank für das Interview und den Einblick in Deine Aktivitäten bei der SGGG und dem SLHP!

Prof. em. Dr. med. Bruno Imthurn

Senior Consultant Kinderwunschzentrum
360° Zürich

bruno.imthurn@uzh.ch

info@gynäkologie

  • Vol. 12
  • Ausgabe 2
  • April 2022