- Management menopausaler Symptome nach hormonabhängigen Tumoren
Patientinnen mit hormonabhängigen Tumoren leiden therapiebedingt häufig unter menopausalen Symptomen wie Hitzewallungen, vaginaler Trockenheit, depressiven Verstimmungen und Schlafstörungen. Prof. Dr. med. Jens Huober, St. Gallen, und Prof. Dr. med. Petra Stute, Bern, zeigten in ihren Vorträgen auf, weshalb meist keine Hormonersatztherapie eingesetzt werden sollte und welche Alternativen es gibt.
Prof. Dr. med. Jens Huober, Kantonsspital, St. Gallen, begann seinen Vortrag mit einem Fallbeispiel. Bei einer 62-jährigen Patientin war ein Hormonrezeptor-positives (ER 70%, PgR 40%), HER-negatives linksseitiges Mammakarzinom (pT2pN0) diagnostiziert worden. Nach einer brusterhaltenden chirurgischen Therapie mit Sentinel-Lymphknotenbiopsie erhielt sie eine Strahlentherapie. In deren Anschluss wurde eine endokrine Therapie mit einem Aromatasehemmer begonnen. Sechs Monate nach Behandlungsbeginn klagte sie über Hitzewallungen (Grad 2), Arthralgien (Grad 1) und vaginale Trockenheit (Grad 2). Zur Therapie ihrer Beschwerden wurde ein pflanzliches Präparate (Cimicifuga-racemosa-Extrakt) sowie ein nicht-hormonhaltiges Gleitgel zur Befeuchtung der vaginalen Schleimhäute eingesetzt.
Tumortherapien führen zu Östrogenmangel-Symptomen
«In der Behandlung von Patientinnen mit einem Mammakarzinom setzen wir mehrere Therapieoptionen ein, welche letztendlich die Östrogene herunterregulieren und Symptome einer Östrogendeprivation, wie bei der vorgestellten Patientin, auslösen können», erklärte Prof. Huober. So könne eine Chemotherapie zu einer frühzeitigen Menopause führen und mit einer endokrinen Therapie bei prämenopausalen Frauen die Ovarfunktion ausgeschaltet werden. «Bei postmenopausalen Patientinnen schliesslich, die bereits eine Hormonersatztherapie erhalten, muss diese nach der Diagnose eines Mammakarzinoms oft abgesetzt werden», so der Redner. Menopausale Symptome wie Hitzewallungen, Arthralgien, vaginale Trockenheit/Irritationen und sexuelle Dysfunktionen seien insbesondere bei der Anwendung von LHRH-Analoga zu beobachten. «Kombinieren wir diese mit einem Aromatasehemmer oder Tamoxifen, werden die Symptome oft noch stärker», erläuterte Prof. Huober.
Hormonersatztherapie verschlechtert Prognose
Ein 2022 publizierter systematische Review mit Meta-Analyse untersuchte die Sicherheit einer Hormonersatztherapie (HRT) bei Brustkrebsüberlebenden, die unter menopausalen Symptomen litten (1). In die Analyse konnten vier Studien eingeschlossen werden, bei dreien umfasste die Studienpopulation hauptsächlich Patientinnen mit Hormonrezeptor-positiven Tumoren. In der vierten Studie waren nur Frauen mit Hormonrezeptor-negativen Tumoren untersucht worden. Die Meta-Analyse ergab, dass die Anwendung einer HRT einen nachteiligen Effekt auf die Prognose der Patientinnen hatte, insbesondere bei einer Hormonrezeptor-positiven Erkrankung (1). «In der Gesamtpopulation führte die Anwendung einer HRT zur Erhöhung des Rezidivrisikos um das 1,3- bis 2,4-fache», führte Prof. Huober aus. Bei Patientinnen mit Hormonrezeptor-negativen Tumoren zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) spricht sich daher in ihren neuesten Empfehlungen auch gegen eine HRT bei Patientinnen mit einem Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom aus (2). «Bei Patientinnen mit Hormonrezeptor-negativen Tumoren kann sie in Einzelfällen in Betracht gezogen werden», so der Redner. Nicht empfohlen wird von der AGO zudem Tibolon. «In Einzelfällen kann aber durchaus auch Estriol zur topischen vaginalen Behandlung einsetzt werden.»
Erste Wahl: nicht hormonelle Optionen
In seinem abschliessenden Worten griff Prof. Huober nochmals die wichtigsten Punkte seiner Ausführungen auf:
- Eine Östrogensubstitution ist zur Linderung von menopausalen Symptomen hoch wirksam. Bei Patientinnen mit einem Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom stellt eine Östrogendeprivation jedoch eine sehr gut wirkende Behandlungsoption dar.
- Daher sollten in solchen Fällen nicht hormonelle Ansätze in der Behandlung von menopausalen Symptomen die erste Wahl darstellen.
- Sollten die Symptome trotzdem persistieren und die Lebensqualität der Patientin stark einschränken, kann eine HRT in Betracht gezogen werden, vor allem bei Patientinnen mit Hormonrezeptor-negativen Tumoren. Stets sind jedoch Nutzen und Risiken abzuwägen.
- Zur Aufrechterhaltung der Knochengesundheit stehen Optionen wie Bisphosphonate oder Denosumab zur Verfügung.
Nicht hormonelle Optionen bei Hitzewallungen
Prof. Dr. med. Petra Stute, Inselspital, Bern, ging im Anschluss noch eingehender auf das Thema der nicht-hormonellen Behandlung menopausaler Symptome ein. «Zu den häufigsten Symptomen, die ich bei Tumorpatientinnen antreffe, gehören Hitzewallungen und nächtliche Schweissausbrüche, Stimmungsveränderungen, v.a. in Richtung Depressivität, sowie Schlafstörungen», erklärte sie. Zur nicht-hormonellen Pharmakotherapie von Hitzewallungen und nächtlichen Schweissausbrüchen werden international verschiedene Optionen empfohlen, deren Einsatz in der Schweiz aber off-label ist (3). Dazu gehören SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, z.B Paroxetin) und SNRI (selektive Serotonin-und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, z.B. Venlafaxin). «Bei Patientinnen, die Tamoxifen erhalten, ist Venlafaxin vorzuziehen, da es mit Paroxetin zu Interaktionen kommen kann», betonte Prof. Stute. Neben den Antidepressiva werden auch Antikonvulsiva wie Gabapentin oder Pregabalin empfohlen. «Die Dosis von Gabapentin wird dabei langsam alle 3 Tage von 300 auf 600 und dann auf 900 mg pro Tag gesteigert. Meist bleibt man dann bei 900 mg, obwohl theoretisch auch noch höhere Dosen möglich sind», erläuterte sie. Das gleiche Vorgehen empfahl sie für Pregabalin: von 50 mg/Tag, abends, langsam bis auf 150 mg/Tag steigern.
Als weitere Optionen zur Behandlung von Hitzewallungen können Antihypertensiva, hier v.a. Clonidin, und Anticholinergika (Oxybutynin) eingesetzt werden. «Eine gute pflanzliche Alternative stellen Extrakte der Traubensilberkerze dar, da diese keinen Einfluss auf die Östrogensignalwege ausübten», führte Prof. Stute weiter aus. Auch Akupunktur oder eine Blockade des Ganglion stellatum seien einen Versuch wert. «Nach eine Ganglion-stellatum-Blockade reduzieren sich die Hitzewallungen innerhalb von 3 bis 4 Tagen deutlich. Allerdings muss die Blockade alle 6 bis 8 Wochen wiederholt werden.»
Linderung von Schlafstörungen
Als erste Wahl zu Behandlung von Schlafstörungen empfiehlt die deutsche S3-Leitlinie die kognitive Verhaltenstherapie.4 «Selbstverständlich können wir aber auch Alternativen einsetzen wie pflanzliche Präparate oder aber Melatonin», betonte Prof. Stute. Eine weitere Möglichkeit stellen Antihistaminika wie Diphenhydramin und Doxylamin dar. «Hier muss jedoch die Halbwertszeit beachtet werden, da es sonst morgens zu einem Überhang kommen kann», so die Rednerin. Benzodiazepine (Lormetazepam), Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten (Zolpidem) und sedierende Antidepressiva (z.B. Trazadon, Mirtazapin) sind ebenfalls effektiv in der Behandlung von Schlafstörungen, jedoch werden sie nur für den kurzzeitigen Einsatz (3 bis 4 Wochen) empfohlen (4). «Daneben macht es auch Sinn, abends hochdosiert Magnesium zu geben, z.B. Magnesiumorotat, oder es können auch CBD-Tropfen versucht werden», sagte Prof. Stute. Weitere gute Optionen seien 5-Hydroxytryptophan (250mg, abends) sowie Arginin (1g morgens, 2g abends). «Sollte ich mit diesen Optionen nicht weiterkommen, schicke ich die Patientinnen in eine Schlafklinik», ergänzte sie.
Mögliche Optionen bei depressiven Verstimmungen
Im letzten Teil ihres Vortrags ging Prof. Stute auf die verschiedenen Möglichkeiten der nicht-hormonellen Behandlung von menopausalen depressiven Verstimmungen ein. »Offiziell von Leitlinien empfohlen sind hier Psychoedukation, Pharmakotherapie und
Psychotherapie», sagte sie dazu. Daneben spiele Sport und allenfalls auch eine Lichttherapie eine grosse Rolle. Als pflanzliche Alternative hat sich Johanniskraut bewährt (5). «Hier auf mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten achten, welche die Patientin einnimmt», betonte Prof. Stute. «Aus dem Bereich der Mikronährstoffe sind bei depressiven Verstimmungen schliesslich 5-Hydroxytryptophan und S-Adenosyl-Methionin einen Versuch wert», schloss sie ihre Ausführungen.
1. Poggio F et al. Safety of systemic hormone replacement therapy in breast cancer survivors: a systematic review and meta-analysis. Breast Cancer Res Treat. 2022;191:269-275
2. Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO). Gynäkologische Probleme bei Mammakarzinompatientinnen. Empfehlungen gynäkologische Onkologie Kommission Mamma. Version 2022.1D. Online verfügbar unter https://www.ago-online.de/en/leitlinien-empfehlungen/leitlinien-empfehlungen/kommission-mamma , letzter Zugriff 28. Juli 2022.
3. Santen RJ et al. Menopausal hot flushes. www.uptodate.com, letzter Zugriff 28. Juli 2022.
4. AWMF. S3 Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Insomnie bei Erwachsenen. Update 2016, gültig bis 30.12.2022. Online verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/063-003.html , letzter Zugriff 28. Juli 2022.
5. Apaydin EA et al. A systematic review of St. John’s wort for major depressive disorder. Syst Rev. 2016;5:148.
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- Vol. 12
- Ausgabe 6
- Dezember 2022