- Maternales Geburtstrauma: Warum sollte es uns wichtig sein?
Im Rahmen der Veranstaltungen zum 7. Hauptthema, das der Prävention von perinealen Traumata gewidmet war, sprach Prof. Dr. med. Hans P. Dietz, Sydney, über die Bedeutung des maternalen Geburtstraumas.

Bei der Mehrheit aller Frauen kommt es während der Geburt zu einem Trauma am Beckenboden mit Damm- und Scheidenrissen. Die Konsequenzen sind langfristig enorm. In den USA erfolgten in 2010 200 000 Operationen wegen Prolaps, 120 000 wegen Harninkontinenz und 10 000 wegen Analinkontinenz, so Prof. Dr. Dietz. Das relative Risiko steigt mit der Anzahl Geburten, wobei die erste vaginale Geburt jedoch generell den meisten Schaden anrichtet.
Die Identifikation und Behandlung von Dammrissen Grad III-IV ist ein Schwerpunkt der geburtshilflichen Ausbildung. «In den letzten 10 Jahren ist jedoch klar geworden, dass der Begriff Beckenbodentrauma eine zusätzliche Kategorie von Verletzungen umfasst, die meist verborgen bleiben und nur selten unter der Geburt diagnostiziert werden», so der Referent. Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik, insbesondere in der Kernspin- und 3-D-/4-D-Ultraschalldiagnostik, ermöglichen dem Geburtshelfer heute die routinemässige Darstellung des M. levator ani, vor allem des M. puborectalis (Abb. 1). Es ist inzwischen klar, dass das Puborectalis-Trauma recht häufig ist und Avulsionen bei bis zu 30% aller vaginalen Geburten vorkommen. «Dies könnte der numerisch wichtigste Faktor in der Pathogenese von Prolapsbeschwerden sein und damit der wichtigste modifizierbare Risikofaktor», folgerte Prof. Dietz.
Der Referent präsentierte einen Überblick des aktuellen Standes der klinischen Forschung auf diesem Gebiet. Darin eingeschlossen waren Levatorschäden wie auch neue Erkenntnisse zu Sphinktertraumata. Für beide Formen von Geburtstrauma ist die Zangenentbindung bei weitem der wichtigste Risikofaktor, hob Prof. Dietz hervor.
Die Abteilung von Prof. Dietz in Sydney hat in den letzten 15 Jahren tomographische Ultraschallverfahren zur Beurteilung solcher Schäden entwickelt, welche zunehmend globale Verbreitung erfahren (Abb. 1 und 2).
Der Referent zeigte neue Ansätze für Prävention und chirurgische Behandlung von Levator-Traumata, eine bisher vollständig vernachlässigte Form des Geburtstraumas, auf. Bei Sphinkter-Traumata bietet die gezeigte tomographische Diagnostik sowohl in der klinischen Praxis als auch in der Forschung umfassende neue Möglichkeiten.
Fazit des Referenten
Avulsion ist häufig (2-30%), meist okkult, wahrscheinlich im Zunehmen, und der wichtigste modifizierbare Risikofaktor für Prolaps.
OASI (obstetrical anal sphincter injury) ist häufiger als bisher bekannt (2-20%) und oft übersehen oder ungenügend versorgt.
Der wichtigste modifizierbare Risikofaktor für beide Trauma-Formen ist die Zangenentbindung.
Das optimale diagnostische Verfahren ist der tomographische 4-D Ultraschall. Dies bedeutet minimalen Aufwand für Patient und Arzt, da schnell und nichtinvasiv, und mit vorhandenem Gerät durchführbar.
Quelle: SGGG-Jahreskongress, 28. Juni 2019, St. Gallen
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