- Bedeutung von zirkadianen Rhythmen in der Pathogenese der chronischen Erkrankungen
Die zirkadiane Rhythmik wird von der modernen Gesellschaft weitgehend ignoriert. Als Folge nehmen die chronischen Erkrankungen weiter zu. Es ist bekannt, dass die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen in Abhängigkeit von der Tageszeit variiert und desynchronisierte Nahrungszufuhr und ein unregelmässiger Schlafrhythmus Risikofaktoren für Gewichtszunahme und Typ-2-Diabetes sind. Die Verwendung einer Aufwachhilfe gilt als erster klinischer Indikator für Desynchronisation und entsprechendes Krankheitsrisiko.
Brauchen Sie einen Wecker zum Aufwachen am Morgen? Letzteres ist eine immer noch unterlassene Frage in der Anamnese während einem Check-up-Gespräch oder generell bei der Betreuung von medizinischen Patienten.
Seit Menschengedenken dreht sich die Erde während gut 24h um ihre eigene Achse und führt damit zu einem steten Wechsel von Licht und Dunkelheit. Diese Rhythmik hat während Jahrtausenden das menschliche Dasein bestimmt: Während der Lichtphase war Aktivität, in der Dunkelphase Ruhe angezeigt. Dies sicherte die Überlebenschancen. Dieser natürlicher 24h-Rhythmus spiegelt sich u. a. auch in der metabolischen Aktivität und Flexibilität, in der Genexpression, den Tageschwankungen der Körpertemperatur, des Hormonspiegels oder auch der Plasma-Glukose-Konzentration. Die Mehrheit der physiologischen Regelkreise, Organ- respektive Zellsysteme unterliegt dieser zirkadianen Rhythmik. Im klinischen Alltag hat sich diese im Rahmen der Interpretation von 24h-Blutdruckmessungen schon etabliert und der nächtliche Blutdruckabfall stellt ein zentrales Kriterium in der Beurteilung eines 24h-Blutdruckprofils dar. So ist ein fehlender nächtlicher Abfall des Blutdrucks mit einem höheren kardiovaskulären Risiko verbunden (1, 2).
Der rhythmische Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit steuert die gesamte lebende Materie auf Erden, im Besonderen auch Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen (3, 4). Das heutige Genom des Menschen entstand während Tausenden von Jahren und war für das Überleben entscheidend. Seit der Erfindung der Glühbirne durch Joseph Swan und deren Perfektionierung durch Thomas Edison wurde die Nacht zum Tag und das uralte Genom des Menschen zum gesundheitlichen Handicap. Die pathophysiologischen Auswirkungen dieser Erfindung auf den Lebensstil kennen wir bestens von unseren Patienten.
Historische «Erinnerungshilfen»
Seit es Menschen gibt, waren diese «ungewollt» der zirkadianen Rhythmik unterworfen. In der heutigen, hektisch-profitorientierten Welt wird diese Rhythmik ignoriert, um nicht zu sagen mit Absicht verdrängt bzw. ein Nichtbeachten derselben dem Menschen aufgezwungen. Aufgrund der heutigen Erkenntnisse kann angenommen werden, dass der Mensch nur dank dieser Rhythmik und seiner Anpassung an diese Rhythmik bis heute so gut überlebt hat (5). Als Erinnerungshilfe sollen ein paar geschichtliche Fakten und Kuriositäten erwähnt werden: dass physiologische Regelkreise durch Licht beeinflusst werden ist seit langem bekannt und wurde in der Medizin seit Jahrtausenden berücksichtigt, wie z.B. in der chinesischen oder auch indischen Medizin. So ist die «Harmonie zwischen Mensch und Natur» ein zentrales Konzept in der traditionellen chinesischen Medizin und das grundlegende «Licht-Dunkelheit» Prinzip spiegelt sich auch seit Jahrtausenden in der graphischen Darstellung vom Yin und Yang (6).
Auch Alexander der Grosse beobachtete, dass sich die Äste des Tamarind-Baumes in der Nacht «entspannen» und sich sozusagen zum nächtlichen Ausruhen und Entspannen nach unten senken (7). Diese Astbewegungen von Bäumen, wie z.B. bei einer bestimmten Palme in Faridpur (Bangladesh) mit einem extremeren zirkadianen Bewegungsmuster der Äste, wurden als Wunder betrachtet und man interpretierte – ohne das heutige Wissen zu haben – , dass die Palme «betet». Diese Palme ist entsprechend als «The Praying Palm of Faridpur» bekannt. Auch Darwin beschrieb diese Bewegungen der Blätter und Äste. Diese Bewegungen können heute mit Lasertechnologie genau erfasst werden und man weiss, dass diese Bewegungsmuster unter anderem von der geographischen Lage (i.e. der Intensität des Lichtes / Lichteinfalls) abhängig sind und in einer vor kurzem publizierten Arbeit wird erwähnt, dass auch Bäume «schlafen» müssen (8, 9). Die Ursache für diese Ast- respektive Blattbewegungen liegt wahrscheinlich in der zirkadianen Variation des Wasserdruckes in der Pflanze und Blättern, wobei der zugrundeliegende Auslöser der Wechsel von Hell-Dunkel darstellt.
Jeder kennt die sprichwörtliche Aussage «Du bist so empfindlich wie eine Mimose». Die Blätter der Mimose reagieren auf diverse exogene Reize (u.a. Erschütterungen). Vor beinahe 300 Jahren beschrieb der französische Physiker und Astronom Jean Jacques d’ Ortous de Mairan (1678-1771) rhythmische Bewegungen der Fiederblätter der Mimose und postulierte damit als einer der Ersten die Existenz von zirkadianen Rhythmen (7). Es verstrichen allerdings fast 100 Jahre bis der Genfer Botaniker und Forscher Augustin-Pyrame de Candolle (1778-1841) feststelle, dass die Mimose eine endogene Tagesrhythmik aufweist und sich die Blätter mit einer approximativen Freilaufzeit von ca. 24 Stunden öffnen und schliessen (7). Weitere Jahre verstrichen bis im Jahre 1972 nachgewiesen wurde, dass bei Tieren mit abladierten Nucleus Suprachiasmaticus eine Desynchronisation verschiedenster Körperfunktionen resultierte. Somit war die Existenz einer zentralen inneren Uhr erwiesen. Im Jahre 1998 konnte der damals in Genf tätige Schweizer Chronobiologe Ueli Schibler erstmalig zeigen, dass auch periphere Zellen einen endogenen zirkadianen Rhythmus aufweisen und sich deren Genexpression zirkadian verändert (10). Mittlerweile sind verschiedene Zeitgeber (wie z.B. Licht, Nahrungszufuhr, körperliche Aktivität u.a.) identifiziert worden, die diese natürlichen endogenen Rhythmen positive oder negativ beeinflussen können. Trotz dem enormen Gesundheitspotential werden diese Rhythmen zunehmend auf gesellschaftlicher und individueller Ebene ignoriert. Menschen (viele sind bereits durch diese Mechanismen zu Patienten mutiert) sind auf Störungen dieser Rhythmik um einiges empfindlicher als Mimosen. Im Folgenden sollen ein paar ausgewählte Aspekte für unseren Praxisalltag näher angesprochen werden.
Die Mechanismen der zirkadianen Rhythmik
Trotz vielseitiger Kenntnis der regulativen Mechanismen der zirkadianen Rhythmik, ist nach wie vor vieles noch im «Dunkeln». Der Wechsel von Helligkeit-Dunkelheit werden durch spezifische nicht visuelle Rezeptoren auf der Retina registriert und gezielt an den Nukleus Suprachiasmaticus (SCN) weitergeleitet (3). Dieser im ventralen Hypothalamus liegender Kern stellt die «Innere Uhr» (Master-Clock) dar, und ist der Hauptzeitgeber für eine Vielzahl von endogenen physiologischen Rhythmen. Es handelt sich dabei um eine relativ kleine Anzahl von Zellen, welche die retinalen «Licht-/Dunkel-Signale» erhalten, verarbeiten und durch eine Signalkaskade via diverse andere Hirnkerne zu den peripheren Zellen und Organsystemen weiterleiten. Eine lokale Läsion des SCN oder die Nicht-Respektierung der exogenen Licht-Dunkel Rhythmik, führt zu einer Desynchronisation verschiedenster Körperfunktionen und zu Krankheit. Die Helligkeit-/Dunkelheit-Signale führen zu einer rhythmischen Aktivierung und Deaktivierung von Transkriptions-Translations-Feedback Schlaufen im SCN und stellen die molekulare Grundlage der Verarbeitung der Lichtimpulse und der daraus resultierenden Signalkaskade dar (11, 12). Für den Nachweis dieser Mechanismen wurde 2017 der Medizin Nobelpreis vergeben (13).
Die Master-Clock ist hierarchisch organisiert und der wichtigste Zeitgeber stellt der natürliche Wechsel von Hell und Dunkel infolge der Erdrotation dar. Die Nahrungszufuhr hat ebenfalls eine kritische Bedeutung als Zeitgeber, wobei im Besonderen die in den peripheren Geweben lokalisierten Uhren im Sinne eines Resettings beeinflusst werden (14). Wenn die zentrale Master-Clock und die peripheren Clocks eine «unterschiedliche Zeit» aufweisen, sind Probleme vorprogrammiert. Chronobiologische Aspekte der Nahrungszufuhr / Substratzusammensetzung bekommen somit eine zunehmende präventivmedizinische und therapeutische Bedeutung.
Blutdruck und zirkadiane Rhythmik
Ein erhöhter Blutdruck und unkontrollierte Hypertonie gehören zu den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen. Seit langem ist bekannt, dass die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen in Abhängigkeit von der Tageszeit variiert. So treten – wie wir alle aus unserem Alltag wissen – Myokardinfarkte oder auch Schlaganfälle mehrheitlich in den frühen Morgenstunden auf (15). Nebst anderen Faktoren spielt für diese tageszeitliche Häufung die Blutdruck-Variabilität im Verlaufe eines Tages eine nicht zu unterschätzende Rolle: nach dem nächtlichen Absinken des Blutdrucks (sogenanntes Dipping) steigt der systolische und der diastolische Blutdruck in den frühen Morgenstunden vor dem Aufwachen an, dies entspricht dem sogenannten «morning surge». Dieser Anstieg korreliert mit dem erhöhten morgendlichen Risiko für das Auftreten eines Myokardinfarktes. So sind nicht nur klinisch manifeste Ereignisse in den frühen Morgenstunden am häufigsten, sondern auch stumme Infarkte. Ein Grossteil der Hypertonie-Patienten zeigen kein Dipping. Nebst genügend Schlaf mit regelmässigen Schlafzeiten stellt auch die abendliche Gabe eines blutdrucksenkenden Medikaments eine erfolgversprechende Massnahme zur Optimierung des Blutdrucks (mit erneuter Etablierung eines Dippings) dar (16).
Die Blutdruck Tagesrhythmik ist auch während der Schwangerschaft erhalten und verschwindet typischerweise in Abhängigkeit vom Schweregrad einer Präeklampsie. Entsprechend ist die Blutdruck Messung mittels 24h-ABPM gerade auch während der Schwangerschaft, im Besonderen bei Hinweisen auf eine Risikoschwangerschaft, indiziert (17). Die optimale Berücksichtigung des zirkadianen Rhythmus während der Schwangerschaft ist pathophysiologisch von hoher Bedeutung (18), u.a. wird dadurch auch das Risiko einer postpartalen Depression deutlich reduziert (19). Die Nicht-Beachtung der zirkadianen Rhythmik beeinflusst auch das Risiko für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes (20). So erhöht sich das Risiko für einen Gestationsdiabetes bei Kurz-Schläferinnen, aber auch bei Schwangeren mit einem späten «Midpoint of Sleep» (unabhängig von der Schlafdauer) (21). Die Desynchronisation während der Schwangerschaft beeinflusst nicht nur die mütterliche Gesundheit, sondern auch das Krankheitsrisiko der Kinder (18, 22).
Diese wenigen Beispiele zeigen, dass wir ein hohes Potential hätten, den Gesundheitszustand der Mutter und ihrer Nachkommen zu beeinflussen. Dies – wohlbemerkt – kostenfrei. Weil es kostenlos ist, werden diese Massnahmen kaum gefördert und unsere Gesellschaft akzeptiert und fördert einmal mehr pathophysiologisch hochrelevante Risikofaktoren.
Herzmuskelzellen und zirkadiane Rhythmik
Eine optimale Funktion der Herzmuskulatur wird als Selbstverständlichkeit betrachtet und eine Ischämie des Muskels stellt ein meist unerwartetes fatales Ereignis dar. Aufgrund der kontinuierlichen Kontraktion des Herzmuskels ist dieser wie kaum ein anderes Organ auf eine kontinuierliche optimale Versorgung mit Energiesubstraten angewiesen. Die Herzmuskelzellen produzieren den grössten Teil ihrer Energie durch die mitochondriale Oxidation von freien Fettsäuren (FFA) (ca. 70% der Energie für die Herzmuskelzellen stammen aus der FFA Oxidation). Auch wenn es noch viele offene Fragen bezüglich des Energiestoffwechsels der Herzmuskelzellen gibt, wissen wir, dass die Verfügbarkeit der Energiesubstrate, deren Metabolite und auch der metabolische Flux / metabolische Flexibilität je nach Tageszeit unterschiedlich sind. Diese Variabilität hängt zum Teil von der Nahrungszufuhr, Schlafmuster und auch Muster der körperlichen Aktivität ab. Wie in anderen Organen zeigt auch die Herzmuskelzelle eine zirkadiane intrinsische Rhythmik des Stoffwechsels, im Besonderen auch des Energiestoffwechsels. Eine Störung oder auch aktive Missachtung dieser zirkadianen Rhythmik (z.B. bei Schichtarbeitern oder auch als Folge von sozialem Jetlag) führen früher oder später zu verschiedensten Störungen des kardialen Energie-Stoffwechsels und Herzerkrankungen (von Rhythmusstörungen bis hin zu den bekannten MACE Endpunkten) (23). Neue tierexperimentelle Daten zeigen, dass die Substratoxidationsraten am Herzen tageszeitlich variieren und der Zeitpunkt der Zufuhr von grösseren Mengen an verzweigtkettigen Aminosäuren (d.h. Leucin, Isoleucin und Valin) je nach Funktionszustand der Herzmuskelzellen u.U. negative Effekte haben können. So zeigte eine Forschungsgruppe von der University Birmingham (USA), dass die abendliche Zufuhr einer proteinreichen Nahrung mit einem hohen Anteil an verzweigtkettigen Aminosäuren (mehrheitlich im Fleisch, Nüsse, Eier oder auch Fisch zu finden) bei herzinsuffizienten Tieren eine dramatische Verminderung der Kontraktilität bewirkte und das Fortschreiten der Herzinsuffizienz förderte (24). Falls sich diese Resultate bestätigen, müsste bei Herzinsuffizienz Patienten die proteinreiche Nahrungszufuhr auf den Morgen verlegt werden. Die morgendliche Zufuhr von Aminosäuren hatte keine negativen Effekte auf das kardiale Remodelling und ist in Einklang mit chronomedizinischen Empfehlungen die Hauptnährstoffzufuhr in der ersten Tageshälfte zu machen. Diese neuen Arbeiten erlauben einen faszinierenden Einblick und Ausblick in die Bedeutung der zirkadianen Rhythmik für die Herzgesundheit. In Einklang mit dieser Beobachtung zeigten Studien mit kurzwirksamen ACE-Hemmern lediglich bei abendlicher Einnahme (im Gegensatz zur morgendlichen) einen günstigen Effekt auf das kardiale Remodelling (dies bei identischer Blutdrucksenkung). Dies würde bedeuten, dass die meisten hochprozessierten Frühstückszerealien und abendliche Proteindrinks (zur Prävention der Sarkopenie) für Patienten mit Herzinsuffizienz mit grosser Wahrscheinlichkeit obsolet sein sollten. Auch die Kohlenhydrate und Fette zeigen bezüglich der kardialen Verstoffwechselung eine ausgeprägte Tagesrhythmik, die aber hier nicht im Detail diskutiert werden soll.
«Eating-Jetlag» vermeiden
Auch der Energieverbrauch, die Substartoxidationsraten und auch der Appetit unterliegen einer zirkadianen Rhythmik. Eine desynchronisierte Nahrungszufuhr («Essen on the Go» oder auch eine riesige Hauptmahlzeit abends oder am späteren Abend / Nacht) und / oder ein unregelmässiger Schlafrhythmus, gelten als etablierter Risikofaktor für eine Gewichtszunahme und Übergewicht / Adipositas oder auch Diabetes Type 2. Ein sozialer Jetlag und auch ein «Food-Jetlag» (oder «Eating Jetlag») erhöhen das Risiko für Übergewicht oder auch Diabetes mellitus Typ 2 (25). Auch gesunde Menschen sind in der Nacht «insulinresistenter» und entsprechend ist bei langdauerndem (meist lebenslänglichem) Konsum der Hauptmahlzeit abends das Diabetes Risiko unabhängig vom Körpergewicht deutlich erhöht.
Wirksame Prävention und zirkadianer Rhythmus
Wir sprechen in allen Bereichen der modernen Gesellschaft von Nachhaltigkeit, heutzutage gerade auch bezüglich der Klima- und Umweltveränderungen. Nachhaltigkeit sollte aber auch Aspekte der eigenen Gesundheit betreffen. Diese Nachhaltigkeit beginnt in der Beibehaltung der zirkadianen Rhythmik. Die präventiven Ernährungs-Empfehlungen beinhalten nur qualitative und quantitative Aspekte. Von ähnlich hoher Bedeutung wäre aber auch der Zeitpunkt des Essens (siehe oben). Letzteres ist in den letzten Jahren in Zusammenhang mit dem intermittierenden Fasten ins Zentrum des Interesses gerückt. Aufgrund der zirkadianen Komponenten der physiologischen Regelkreise des Essens (sogar des Appetits), Verdauung und Substratmetabolismus sollte immer zu demselben Zeitpunkt des Tages gegessen werden (allerdings mit Minimierung des CHO Anteil abds). Der konstante Zeitpunkt der Nahrungszufuhr gewährleistet eine optimale Funktion der verschiedenen Aspekte der Verdauung und Substratverarbeitung. Dies ist auch von Bedeutung, da die Atherosklerose mehrheitlich ein postprandiales Phänomen darstellt. Dies bedeutet, dass man nicht zu häufig Essen sollte und dass man nur bei Gewährleistung einer optimalen Substratverarbeitung essen solle. Die moderne Gesellschaft isst mehrheitlich «on the go» und entsprechend sind viele Menschen bis zu 80% des Tages postprandial, also in einem proatherogenen metabolischen Zustand. Kein Wunder, dass die atherosklerotischen Herzkreislauferkrankungen immer noch die wichtigste Morbiditäts- und Mortalitätsursache darstellen.
Das propagierte und stark beworbene Snacking ist aus naheliegenden Gründen obsolet. An arbeitsfreien Tagen wird meist noch unregelmässiger gegessen, was einen sogenannten «eating jet lag» am Weekend bewirkt, der dann anfangs Woche metabolische Störungen potenziert. Man spricht auch von einer metabolischen Desynchronisierung. Es ist keine Überraschung, dass durch die zeitliche Diskrepanz der Nahrungszufuhr zwischen Wochentagen und dem Weekend, zusammen mit der Verschiebung von Schlafrhythmus und Schlafhygiene, die Blutzucker Einstellung von Diabetikern anfangs Woche am schlechtesten ist (26). Der erste Schritt zur Kontrolle von metabolischen Störungen und des Gewichts stellt die konsistente Respektierung der zirkadianen Rhythmik dar.
Zweitabdruck aus der informierte arzt 01-2022
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Universitätsspital Zürich
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Der Autor hat deklariert, keine Interessenskonflikte mit diesem Artikel zu haben.
◆ Die moderne Gesellschaft ignoriert die zirkadiane Rhythmik, da jegliche Form von Konsum zur Profitgenerierung möglichst weit in die Nacht
ausgedeht werden muss.
◆ «The business must go on», auch wenn dies auf Kosten der Gesundheit geht. Eine weitere Zunahme der Patienten mit den klassischen chronischen Erkrankungen ist somit (leider) «sichergestellt».
◆ Wir diskutieren die Bedeutung der translationalen Forschung und Medizin, damit wir gesünder werden, ignorieren dabei aber Grundkonzepte der
Physiologie und Beschränken unsere Empfehlungen weiterhin auf kostenpflichtige Massnahmen.
◆ So werden die meisten von uns weiterhin in zunehmenden Mass eine
Aufwachhilfe in Form eines Weckers benötigen.
◆ Die Verwendung einer Aufwachhilfe gilt als erster feiner klinischer Hinweis auf Desynchronisation und Misalignement und somit Krankheitsrisiko.
◆ Falls Sie auch einen Wecker benötigen, dann sollten sie sich mit dem
zirkadianen Rhythmus erneut «befreunden».
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- Vol. 12
- Ausgabe 3
- Mai 2022