- Cardio Flash
In dieser Rubrik werden wichtige Studien und Themen von den Herausgebern dieser Zeitschrift kurz zusammengefasst und kommentiert. Wir hoffen, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, diese Information schätzen.
Den Ursachen der Myokarditis nach der Covid-Impfung auf der Spur
Ungefähr 1-2/100‘000 mit den mRNA-Geimpften entwickeln meist nach der zweiten Impfung eine Myokarditis. Am häufigsten sind männliche Jugendliche betroffen. Die Pathogenese ist bis jetzt ungeklärt. Als Ursache wurden immunologische Phänomene, wie eine überschiessende oder fehlgeleitete Immunantwort, eine durch das Testosteron veränderte T-Zell-Antwort oder die Entwicklung von Autoantikörper gegen das α-Myosin diskutiert. Jetzt bringen die Resultate einer Untersuchung des Immunprofils bei 61 Adoleszenten (16 mit Myokarditis, 45 ohne Myokarditis) nach der COVID-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff neue Erkenntnisse bezüglich der Ursachen der Myokarditis. Das Immunprofil zeigte keine Unterschiede in Bezug auf Immunantwort oder T-Zell-Antwort zwischen den Adoleszenten und jungen Erwachsenen mit oder ohne Myokarditis. Es fanden sich auch keine Autoantikörper, keine exzessive Antikörperproduktion oder gleichzeitige andere virale Infektionen. Im Falle einer Myokarditis einhergehend mit der entsprechenden Erhöhung der Zytokine fanden sich jedoch frei zirkulierende Spike-Proteine, die bei der Kontrollgruppe nicht nachgewiesen werden konnten. Es scheint, dass eine ungenügende Entfernung des Antigens (=Spike-Proteins), welches durch die lysosomale mRNA der Impfung produziert wurde, in der Pathogenese der Myokarditis eine Rolle spielt. Der genaue Charakter dieser immunologischen Dysregulation bleibt allerdings noch zu klären. Dass das Spike-Protein per se die Myokarditis verursacht, ist eher unwahrscheinlich, da auch andere Impfungen (Pocken, Grippe) eine Myokarditis auslösen können. Beruhigend ist auch die Erkenntnis, dass die Myokarditis nach der COVID-Impfung sich klar von dem multisystemischen inflammatorischen Syndrom (MIS-C), das nach einer COVID-19 Infektion vorwiegend bei Kindern auftreten kann, unterscheidet. Beim MIS-C finden sich keine freien Spike-Proteine, sondern Spike-Protein-Immunkomplexe, welche die massive systemische Inflammation auslösen.
Prof. Franz Eberli (FE)
Circulation 2023, doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.122.061025
Erhöhte kardiovaskuläre Mortalität bei initial konservativer Therapie der chronisch stabilen koronaren Herzkrankheit
Die ISCHEMIA-Studie ist die aktuellste und eine der grössten Studien, welche eine initial invasive mit einer initial konservativen Therapiestrategie zur Behandlung der chronisch stabilen Herzkrankheit verglich (1). Wie in den meisten vorausgehenden Studien erwies sich im kurzfristigen Verlauf eine initial medikamentöse Therapie, d.h. der Einsatz einer invasiven Abklärung und Revaskularisation nur bei Auftreten von schweren Symptomen oder einem akuten Koronarsyndrom, als prognostisch vergleichbar mit einer primär invasiven Abklärung. Die kardiovaskulären Ereignisse waren nicht signifikant verschieden. Aber obwohl die Gesamtzahl an peri-prozeduralen plus spontanen Myokardinfarkten statistisch nicht verschieden war, so war eine konservative Behandlungsstrategie doch mit einer vermehrten Anzahl von spontanen Myokardinfarkten im Verlauf von 3,2 Jahren verbunden (1). Verglichen mit peri-prozeduralen Myokardinfarkten sind spontane Infarkte mit einer erhöhten Mortalität verbunden, was sich auch in der ISCHEMIA Studie bestätigte (2). Deshalb besteht die Sorge, dass eine initial konservative Behandlungsstrategie im Langzeitverlauf zu einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität führt. Diese Sorge wurde bestärkt durch eine Meta-analyse von 25 randomisierten Studien, welche eine 21% erhöhte kardiovaskuläre Mortalität bei einer initial konservativen versus invasiven Strategie ergab (3). Die ISCHEMIA-EXTEND Studie untersucht deshalb die Mortalität der ISCHEMIA Patienten im Langzeitverlauf (4). Die erste Interimsanalyse nach 5,7 Jahren hat nun bestätigt, dass die kardiovaskuläre Mortalität bei der initial konservativ behandelten Patienten um 22% (8.6% vs. 6.4%) erhöht ist. Aufgrund dieser Zahlen kann abgeschätzt werden, dass 45 Patienten invasiv untersucht werden müssen, um einen kardiovaskulären Todesfall zu verhindern (NNT 45). Überraschend und unerklärt ist auf der anderen Seite bei den initial invasiv behandelten Patienten die nicht-kardiovaskuläre Mortalität höher ausgefallen als bei den initial konservativ behandelten Patienten (5.6% vs. 4.4%). Die erhöhte nicht-kardiovaskuläre Mortalität war durch vermehrte Karzinomleiden und Pneumonien bedingt.
Eine initial konservative Therapie kann nach diesen Resultaten der ISCHEMIA-EXTEND Studie nicht mehr unbedacht allen Patienten mit chronisch stabiler Therapie empfohlen werden. Die gegenwärtige Studiendauer und -grösse erlaubte leider keine Risikoabwägung, wer am meisten von einer invasiven Abklärung profitiert und bei wem ein konservatives Vorgehen möglich ist. Es ist zu hoffen, dass wir nach der geplanten 10-jährigen Nachbeobachtung dazu mehr Informationen erhalten.
FE
1. Maron DJ, Hochman JS, Reynolds HR, Bangalore S, O’Brien SM, Boden WE, et al. Initial Invasive or Conservative Strategy for Stable Coronary Disease. N Engl J Med. 2020;382(15):1395-407.
2. Chaitman BR, Alexander KP, Cyr DD, Berger JS, Reynolds HR, Bangalore S, et al. Myocardial Infarction in the ISCHEMIA Trial: Impact of Different Definitions on Incidence, Prognosis, and Treatment Comparisons. Circulation. 2021;143(8):790-804.
3. Navarese EP, Lansky AJ, Kereiakes DJ, Kubica J, Gurbel PA, Gorog DA, et al. Cardiac mortality in patients randomised to elective coronary revascularisation plus medical therapy or medical therapy alone: a systematic review and meta-analysis. Eur Heart J. 2021;42(45):4638-51.
4. Hochman JS, Anthopolos R, Reynolds HR, Bangalore S, Xu Y, O’Brien SM, et al. Survival After Invasive or Conservative Management of Stable Coronary Disease. Circulation. 2023;147(1):8-19.
Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
franz.eberli@triemli.zuerich.ch