Cardio Flash

In dieser Rubrik werden wichtige Studien und Themen von den Herausgebern dieser Zeitschrift kurz zusammengefasst und kommentiert. Wir hoffen, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, diese Information schätzen.



Good News für sportbegeisterte HOCM-Patienten

Die Frage nach der zumutbaren Trainingsintensität gehört zu den brennendsten Fragen sportbegeisterter Patienten mit hyper­tropher obstruktiver Kardiomyopathie (HOCM). Aus Angst ein zu intensives körperliches Training könnte ventrikuläre Tachykardien oder gar einen plötzlichen Herztod provozieren, werden die Betroffenen meist angemahnt möglichst hohe Trainingsintensitäten zu meiden. Ob dies gerechtfertigt ist, ist unklar.

Im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie wurden nun 1600 HOCM-Patienten gemäss ihren Trainingsgewohnheiten als nicht-intensiv Sporttreibende oder intensiv Sporttreibende klassifiziert. In der Gruppe der intensiv Sporttreibenden beteiligten sich 37% in kompetitiven Sportarten. Während der Beobachtungszeit erreichten 4.6% der nicht-intensiv Sporttreibenden und 4.7% der intensiv Sporttreibenden den präspezifizierten kombinierten Endpunkt bestehend aus Tod, Reanimation, rhythmogener Synkope oder adäquatem Defibrillator-Schock. Dies entspricht einer Ereignisrate von 15.3, respektive 15.9 pro 1000 Personen-Jahren und unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen.
Fazit für die Praxis: Obwohl das Arrhythmie-Risiko bei HOCM-Patienten bekanntermassen erhöht ist, scheinen intensive sportliche Aktivitäten dieses Risiko nicht weiter zu erhöhen. Diese Erkenntnisse helfen in der differenzierten Beratung von sport­begeisterten HOCM-Patienten.

Prof. Otmar Pfister

Lampert R et al. JAMA Cardiology, May 17, 2023

Heilung der ATTR Amyloidose durch Antikörper

Für die progressive kardiale Transthyretin Amyloidose (ATTR) steht bis jetzt ausser den supportiven Massnahmen (Herzinsuffizienztherapie und Schittmachertherapie) Tafamidis als ­Stabilisator der falsch gefalteten Transthyretinproteine als einziges Medikament, das den Krankheitsverlauf verlangsamt und die Mortalität mittelfristig verbessert, zur Verfügung. Die Suche nach neuen Therapien ist jedoch intensiv und verschiedene Therapie­ansätze werden verfolgt (siehe Tabelle). Wünschenswert wäre neben dem Unterdrücken der Produktion von TTR Amyloid und dem Verhindern des Einlagerns der Amyloidfibrillen eine Therapie, welche die Amyloidose im Myokard und anderen Geweben rückgängig macht.

Kürzlich wurde die überraschende Spontanheilung von drei Patienten mit dokumentierten ATTR Kardiomyopathie beobachtet (Perugini Grad II in der DPD Szintigrafie und typische Befunde im kardialen MRI) (1). Obwohl die Patienten keine spezifische Therapie, insbesondere kein Tafamidis erhielten, verbesserte sich ihr Zustand. In den bildgebenden Verfahren konnte ein Rückgang der Amyloideinlagerung und eine beinahe Normalisierung der
Dimension und Funktion des Myokards dokumentiert werden. Als Ursache wurde eine Immunantwort gegen das Amyloid gefunden, welches die drei Patienten spontan entwickelt hatten. Es fanden sich hohe Titer von polyklonalen IgG Antikörper gegen das TTR Amyloid.

Bereits vor einigen Jahren wurde festgestellt, dass Antikörper gegen humanes Amyloid P Protein Amyloidfibrillen abbauen können (2). Des Weiteren hat eine Forschergruppe bei gesunden älteren Patienten das Immunrepertoire gegen Amyloid untersucht und Antikörper identifiziert, welche gegen das TTR Amyloid gerichtet sind (3). Inzwischen haben sich zwei voll humane Anti­körper als wirksam erwiesen: der Antikörper NN6019-001 (früher PRX004 genannt) und der Antikörper NI006. Die Antikörper binden an die ATTR Amyloidfibrillen. Der Antikörperkomplex induziert eine Phagozytose und dadurch kommt es zu einem Abbau der Amyloidfibrillen. Nun sind die Resultate der Dosisfindungsstudie des NI006 Antikörpers veröffentlich worden (4). Dabei wurden 40 Patienten randomisiert zu Placebo oder steigenden Dosen von NI006 mit monatlicher Infusion des Antikörpers über ein Jahr. Es kam bei keinem Patienten zu ernsthaften Nebenwirkungen, was die erhoffte Sicherheit dieser Therapie bestätigte. Insbesondere entwickelte kein Patient Antikörper gegen den Antikörper NI006. Bei einer Dosis von mehr als 10mg des NI006 pro kg Körpergewicht kam es zu einer Abnahme der Traceraufnahme in der DPD Szintigrafie und einer Abnahme des extrazellulären Volumens im MRI, beides indirekte Zeichen für den Rückgang der Masse an Amyloid im Myokard. Diese morphologische Verbesserung ging einher mit einer Abnahme des nt-proBNP und des Troponins.

Wenn sich diese ausgezeichneten Resultate in kommenden Studien bestätigen, wäre mit Hilfe der Antikörpertherapie mit NI006 eine Reversion der Amyloideinlagerung bei der kardialen ATTR Kardiomyopathie möglich. Eine weitgehende Heilung der ATTR Kardiomyopathie könnte man sich dann mit der Kombinationstherapie Antikörpertherapie plus genbasierte Unterdrückung der TTR Produktion (TAB. 1) vorstellen.

Prof. Franz Eberli

1. Fontana M. et al. New Engl J Med 2023;388(23):2199-2201
2. Bodin K. et al. Nature 2010;468:93-7
3. Michalon A. et al. Nature Commun 2021;12:3142
4. Garcia-Pavia P. et al. New Engl J Med 2023; DOI:10.1056/NEJMoa2303765

Keine erhöhte nicht-kardiale Mortalität nach Revaskularisation beim chronischen Koronarsyndrom

Eine Meta-analyse der Studien und die grosse ISCHEMIA EXTEND Studie, welche die elektive Revaskularisation plus optimale medikamentöse Therapie (OMT) gegen medikamentöse allein untersucht haben, fanden eine verminderte kardiovaskuläre Mortalität nach Revaskularisation gegenüber der Patienten welche mit OMT allein behandelt wurden (1, 2). In der ISCHEMIA EXTEND Studie stand diesem Vorteil der Revaskularisation auf die kardiale Mortalität eine erhöhte (unerklärte) Mortalität nicht kardialer Ursachen gegenüber (2). Sollte diese Beobachtung der ISCHEMIA EXTEND Studie sich als allgemeingültig erweisen, wäre der Wert einer koronaren Revaskularisation durch PCI oder Bypassoperation in Frage gestellt. Eine Meta-analyse von 18 Studien der Revaskularisation plus OMT oder OMT allein bei insgesamt >16‘000 Patienten, ist nun der Frage nachgegangen, ob die Revaskularisation in der Tat mit einer erhöhten nicht-kardialen Mortalität einhergeht, oder ob die Ergebnisse des ISCHEMIA-EXTEND zufällig waren (3). In den 18 Studien betrug die Rate an nicht-kardialer Mortalität bei den revaskularisierten Patienten 4.68% und bei den initial medikamentös behandelten Patienten 4.17% (RR 1.09; p=0.26). Der nicht signifikante Unterschied war allein durch die ISCHEMIA EXTEND Studie getrieben. Ohne die ISCHEMIAS EXTEND Studie war die nicht-kardiale in den anderen 17 Studien identisch (RR 1.0). Multiple Sensitivitätsanalysen zeigten die Robustheit dieses Resultates. So war die nicht-kardiale Mortalität auch bei langer Nachbeobachtungszeit nicht erhöht.
Diese Resultate sind vorerst beruhigend. Es scheint, dass die Beobachtung in der ISCHEMIA EXTEND Studie ein Ausreisser ist. Die Revaskularisation beim chronischen Koronarsyndrom führt zu einer Abnahme der kardialen Mortalität und zu keiner Zunahme der nicht-kardialen Mortalität, z.B. durch Krebserkrankungen. Auf der anderen Seite machen die ISCHEMIA EXTEND Studie und die nun vorliegende Meta-analyse klar, dass in kardialen Interventionsstudien die Todesursache bei allen Todesfällen sorgfältig dokumentiert und adjudiziert werden muss. Nur so können unerwartete Langzeitfolgen einer Intervention erkannt und bei deren Auftreten erklärt und gezielt angegangen werden.

Prof. Franz Eberli

1. Navarese EP, Lansky AJ, Kereiakes DJ, et al. Cardiac mortality in patients randomised to elective coronary revascularisation plus medical therapy or medical therapy alone: a systematic review and meta-analysis. Eur Heart J. 2021;42(45):4638-51.
2. Hochman JS, Anthopolos R, Reynolds HR et al. Survival After Invasive or Conservative Management of Stable Coronary Disease. Circulation. 2023;147(1):8-19.
3. Navarese EP, Lansky AJ, Farkouh ME et al. Effects of Elective Coronary Revascularization vs Medical Therapy Alone on Noncardiac Mortality. JACC Cardiovascular Intervention 2023;16(10):1144-1156.

Prof. Dr. med. Otmar Pfister

Otmar.pfister@usb.ch

Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

info@herz+gefäss

  • Vol. 13
  • Ausgabe 3
  • Juni 2023