- Die renale Denervierung
Bluthochdruck zählt zu den Hauptrisikofaktoren für Schlaganfall und Herzinfarkt. Wird er nicht entsprechend behandelt, können die Nervenbahnen zwischen Niere und Gehirn überaktiv werden. Mit der renalen Denervierung wurde eine neue Möglichkeit der Regulation einer Hypertonie geschaffen, die von einer Medikamenteneinnahme unabhängig ist und zu einer dauerhaften Blutdrucksenkung führt. Die renale Denervierung ist ein sicheres endovaskuläres Verfahren ohne signifikante kurz- oder langfristige unerwünschte Wirkungen, basierend auf Daten, die bis zu 3 Jahre zurückliegen. Sie gilt mittlerweile als evidenzbasierte Option zur Behandlung des Bluthochdrucks zusätzlich zu Lebensstiländerungen und, falls notwendig, blutdrucksenkender Medikation. Sie ist keine konkurrierende Behandlungsstrategie, sondern eine Alternative oder Ergänzung zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten.
Herr Prof. Valgimigli, die renale Denervierung ist eine innovative Therapie zur Behandlung von Patienten mit hohem Blutdruck. Können Sie uns genauer erklären, worum es sich dabei handelt und worin der Nutzen für den Patienten besteht?
Prof. Valgimigli: Bei der renalen Denervierung handelt es sich um ein perkutanes, minimalinvasives Verfahren, bei dem Energie an die Nerven um die Nierenarterien herum abgegeben wird. Die Nieren sind Teil des Blutdruckkontrollmechanismus des Körpers. Eine Überaktivität der Nerven, die zu den Nieren führen, kann hohen Blutdruck verursachen. Diese Nerven können herunterreguliert werden, damit die Nieren den Blutdruck besser kontrollieren können. Da die arterielle Hypertonie ein bekannter kardiovaskulärer Risikofaktor ist, der mit Herzinfarkten, Schlaganfällen und Herzinsuffizienz in Verbindung gebracht wird, trägt eine bessere Kontrolle des arteriellen Drucks dazu bei, das Risiko für diese unerwünschten Ereignisse zu verringern.
Was halten Sie von dem neuen ESH-Positionspapier (PP) zu RDN? Was sind die wichtigsten Erkenntnisse/Botschaften aus diesem Papier?
Dieses aktuelle Positionspapier unterstreicht die Tatsache, dass diese Behandlung funktioniert und mit einer Senkung des ambulanten Blutdrucks um 10 mmHg verbunden ist. Es wird erwartet, dass dieser Behandlungseffekt zu einer signifikanten und klinisch bedeutsamen Senkung des kardiovaskulären Risikos führt. In der Vergangenheit herrschte eine gewisse Verwirrung über die objektive Wirksamkeit dieser Behandlung. Neuere Daten haben gezeigt, dass diese Behandlung wirksam ist und sowohl kurz- als auch langfristig sicher ist.
Können wir auf der Grundlage dieser Arbeit sagen, dass RDN als Therapie zur Senkung der Hypertonie funktioniert? Ist sie sicher?
Sie wirkt und ist zweifelsfrei sicher.
Wie wichtig ist die Patientenpräferenz und wie sollte sie in die Diskussion einbezogen werden?
Die Patientenpräferenz ist natürlich von grösster Bedeutung. Der Patient muss die mit der arteriellen Hypertonie verbundenen Risiken vollständig verstehen. In den meisten Fällen akzeptieren die Patienten nicht, dass die Erstlinienbehandlung in einer Umstellung der Ernährung und des Lebensstils besteht. Daher werden Massnahmen wie eine Reduzierung des Salzkonsums und ein gesünderer Lebensstil einschliesslich der Aufgabe des Rauchens, ein eingeschränkter Alkoholkonsum und regelmässige körperliche Betätigung von den Patienten nicht konsequent umgesetzt, obwohl dies als Erstbehandlung empfohlen wird. Ebenso wenig akzeptieren die Patienten die Notwendigkeit einer lebenslangen täglichen Einnahme von Medikamenten zur Blutdrucksenkung und deren Folgen. Daher wird eine Behandlung wie die renale Denervierung, die zwar invasiv ist, aber einen einmaligen Eingriff darstellt, als sehr gute Option angesehen. Letztendlich ist es nicht wichtig, wie man eine bessere Kontrolle des Blutdrucks erreicht, solange man die Ziele auf die eine oder andere Weise erreicht.
Wie wählt man den richtigen Patienten für die RDN aus?
In welchen Fällen sollte RDN verschrieben werden?
Diese Behandlung ist meines Erachtens den Patienten vorbehalten, die trotz Änderungen des Lebensstils und der Medikamente keine stabil niedrigen Blutdruckwerte erreichen oder beibehalten können oder andere Behandlungsmöglichkeiten ablehnen.
Für welche Patientenkategorien würden Sie RDN in Betracht ziehen: jung/alt, Patienten mit kardiovaskulärem Risiko, Patienten, die bereits starke Medikamente einnehmen?
Ich glaube nicht, dass das Alter bei der Auswahl der Patienten eine grosse Rolle spielt, aber natürlich würde man die Behandlung eher Patienten anbieten, deren Lebenserwartung mehr als 5 bis 10 Jahre beträgt und bei denen man davon ausgeht, dass die Auswirkungen der Behandlung auf das Ergebnis grösser sind. Aber auch bei älteren Menschen, die trotz medikamentöser Behandlung unter hohen oder sehr hohen Druckwerten leiden, sollte die Behandlung in Erwägung gezogen werden, wenn man bedenkt, dass ein schwerer Bluthochdruck den Patienten auch kurzfristig einem Risiko für Schlaganfälle und intrakranielle Blutungen aussetzt.
Kann RDN bei Patienten, die ihre medikamentöse Behandlung nicht einhalten, also nicht-adhärenten Patienten, verschrieben werden?
Ja, es ist eine gute Option für diese Patienten. Die Schwierigkeit besteht oft darin, dass der Patient ehrlich zugibt, dass er die verordneten Medikamente nicht regelmässig annimmt. Viele Patienten nehmen die Tabletten erst kurz vor den Arztbesuchen ein und brechen die Behandlung zwischen den Konsultationen ab.
Sollte RDN als Erstlinientherapie verschrieben werden?
Wenn ja, in welchen Fällen?
Ich denke, nur bei Patienten, die andere Behandlungen ganz klar ablehnen. Sie funktioniert als Erstlinientherapie, und die jüngsten Erkenntnisse sprechen für ihren Einsatz in diesem Bereich. Allerdings handelt es sich dabei um eine teure und invasive Behandlung, die nicht routinemässig bei nicht selektierten Patienten als Erstlinientherapie eingesetzt werden kann.
Haben Sie einen Vorschlag für Ihre Kollegen, die mit der RDN beginnen möchten?
Meine Empfehlung ist, diese Behandlung anzubieten. Es gibt immer noch Skepsis in der Gemeinschaft, aber sobald man damit anfängt, merkt man, dass die Behandlung für die Patienten von Nutzen ist und von diesen sogar leichter akzeptiert wird, als die Ärzte vielleicht denken.
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