Fortbildung

Erweiterung der Indikation für TAVI

Dramatische Reduktion der Komplikationen

Die klinische Einführung der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) hat in den letzten 18 Jahren einen regelrechten Paradigmen-Wechsel in der Behandlung der degenerativen Aortenklappenstenose herbeigebracht. Seit der weltweit ersten TAVI in 2002 haben signifikante Verbesserungen in Material und Technik sowie die zunehmende Erfahrung der Operateure zu einer dramatischen Reduktion der Komplikationen geführt. Dank der sehr guten Resultate einer Reihe von publizierten randomisierten Studien hat sich die TAVI als wertvolle Alternative zum chirurgischen Aortenklappen-Ersatz bei Patienten mit hohem und intermediärem chirurgischem Risiko etabliert. Das wachsende Portfolio randomisierter Studien deutet im Moment zudem auf eine Ausweitung der Indikationen auf Patienten mit tiefem chirurgischem Risiko, sowie jüngere und asymptomatische Populationen. Der folgende Übersichtsartikel orientiert über zukünftige Indikationsbereiche der TAVI sowie bestehende Limitationen und offene Fragen.



L’  introduction clinique de l’ implantation de la valve aortique par transcathétérisme (TAVI) a entraîné un changement de paradigme dans le traitement de la sténose dégénérative de la valve aortique au cours des 18 dernières années. Depuis le premier TAVI au monde en 2002, des améliorations significatives du matériel et de la technique ainsi que l’ expérience croissante des chirurgiens ont permis de réduire considérablement les complications. Grâce aux excellents résultats de plusieurs études randomisées publiées, le TAVI s’ est imposé comme une alternative valable au remplacement chirurgical des valves aortiques chez les patients à risque chirurgical élevé et intermédiaire. Le portefeuille croissant d’ études randomisées indique également que les indications sont actuellement étendues aux patients à faible risque chirurgical et aux populations jeunes et asymptomatiques. L’ article de synthèse suivant fournit des informations sur les futures indications pour le TAVI, les limitations existantes et les questions ouvertes.

Seit den Anfängen der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) im Jahre 2002 hat diese Technologie zu einem Umdenken in der Behandlung der degenerativen Aortenklappenstenose geführt. Die fortwährende Verbesserung der Prothesen und des Implantations-Materials, die zunehmende Erfahrung der Operateure und die Simplifizierung der technischen Schritte haben zu dramatischen Reduktionen der Komplikationsraten und guten und reproduzierbaren Resultaten geführt. Eine Reihe von prospektiv randomisierten Studien bei Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose und prohibitivem, hohem oder intermediären chirurgischen Risiko haben die Überlegenheit der TAVI gegenüber konservativen Therapieformen, sowie die Ebenbürtigkeit (in gewissen Studien sogar Überlegenheit) gegenüber dem chirurgischen Aortenklappenersatz (cAKE) belegt (Abb. 1). Einhergehend mit der Ausweitung der TAVI-Indikationen auf Tief-Risiko-Populationen zeigt sich auch eine Reduktion der 30-Tage-Mortalität von 5 – 8% (bei Hochrisiko-Patienten) auf < 1% (Abb. 2). Eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse der bisher publizierten randomisierten TAVI-Studien zeigte eine signifikante 12%ige relative Reduktion der Gesamt-Mortalität, sowie eine 19%ige relative Reduktion des Hirnschlag-Risikos im Vergleich zum cAKE (1). Dieser Effekt war konsistent über das gesamte Risikospektrum und unabhängig vom verwendeten Prothesentyp. Als Folge dessen empfehlen die Europäischen Richtlinien die TAVI bei Patienten mit mehr als moderatem chirurgischen Risiko (> 4% STS Risiko) sofern gute femorale Zugangswege vorhanden sind (2). In der Schweiz zeigt sich innerhalb der letzten Dekade eine deutliche Zunahme der TAVI-Prozeduren (> 1’ 500/ Jahr aktuell), bei abnehmendem kalkulierten Risiko der Patienten (3). Folgende Indikationserweiterungen werden aktuell untersucht:

Patienten mit tiefem chirurgischem Risiko

Die erste randomisierte Studie bei Tief-Risiko-Patienten (< 4% STS Risiko) war NOTION, eine kleine investigator-gesponserte all-comer Studie mit 280 Patienten, welche trotz tiefem chirurgischen Risiko (mittl. STS score 3.0%) bis zu 5 Jahre nach Randomisierung keine Unterschiede im primären Endpunkt (Tod, Myokardinfarkt, Stroke) zwischen dem TAVI (CoreValve)- und dem cAKE-Arm zeigte (4). Die beiden grösseren industrie-gesponserten Studien waren PARTNER-3 und Evolut Low-Risk (LR). In PARTNER-3 wurden 1’ 000 Tief-Risiko-Patienten (mittl. STS score 1.9%) zu TAVI (Edwards SAPIEN-3) versus cAKE randomisiert (5): Nach einem Jahr war der primäre Endpunkt (Tod, Stroke, Rehospitalisation) signifikant tiefer in der TAVI-Gruppe (8.5% versus 15.1%). Nach 30 Tagen kam es in der TAVI-Gruppe zu weniger Todesfällen und Hirnschlägen (1.0% versus 3.3%) und die Dauer der Gesamthospitalisation war kürzer. Ähnliche Resultate zeigten sich in der Evolut LR Studie mit der selbstexpandierbaren CoreValve Evolut R oder Evolut PRO (6): Eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunkts Tod/Hirnschlag nach 30 Tagen (0.8% versus 2.6%) in der TAVI-Gruppe. Diese hervorragenden Resultate konnten auch unter «Real-World»-Bedingungen in prospektiven Beobachtungsstudien reproduziert werden (7). Ausserdem wurden deshalb die beiden Prothesen offiziell für diese Indikation in den USA zugelassen (FDA approved for low risk patients). Inwieweit die TAVI-Indikation auch auf jüngere Patienten (< 75 Jahren) erweitert werden kann, muss in künftigen Studien (z.B. NOTION-2, NCT02825134) geklärt werden. Offene Fragen sind unter anderem die Dauerhaftigkeit der TAVI Klappenprothesen sowie die optimale antithrombotische Therapie nach einer TAVI Prozedur.

Asymptomatische Patienten, mittelschwere Stenosen

Asymptomatische Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose wurden bisher konservativ behandelt, da die Progression der Erkrankung sehr variabel sein kann und bisher keine Daten für einen cAKE bei asymptomatischen Patienten mit normaler systolischer LV-Funktion vorliegen. Mit der Einführung der TAVI als Tief-Risiko-Prozedur wird dieses Paradigma in Frage gestellt. Eine kürzlich publizierte kleinere randomisierte Studie bei 145 asymptomatischen Patienten mit sehr schwerer Aortenklappenstenose (mittl. Druckgradient ≥ 50 mmHg) zeigte eine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität durch cAKE im Vergleich zu einem konservativ-expektativen Prozedere (8). Es ist zu erwarten, dass diese Resultate mit TAVI ähnlich ausfallen werden. Diese Hypothese soll in der EARLY-TAVR Studie (NCT03042104) getestet werden. Dazu werden 1’109 asymptomatische Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose zu TAVI vs. konservativ-expektativem Vorgehen randomisiert werden. Eine eingeschränkte linksventrikuläre (LV) Auswurffraktion findet sich häufig in Kombination mit einer schweren Aortenklappenstenose und stellt eine Klasse I-Indikation für einen cAKE dar (2). Bei einer mittelschweren Aortenklappenstenose mit eingeschränkter LV Funktion gibt es jedoch keine Empfehlungen. Die TAVR UNLOAD Studie (NCT02661451) möchte diese Frage klären: 300 symptomatische Patienten mit reduzierter LV Funktion und mittelschwerer Aortenstenose werden zu TAVR versus medikamentöser Therapie randomisiert werden. Die ersten Resultate werden 2022 erwartet.

Bikuspide Aortenklappen

Bikuspide Aortenklappen sind mit einer Reihe ungünstiger anatomischer Eigenschaften für die perkutane Behandlung assoziiert: exzentrischer ovaler Anulus, asymmetrische schwere Verkalkungen, Dilatation von Sinus und Aorta ascendens, und eine horizontale Aortenlage. Daher wurden bikuspide Aortenklappen systematisch von randomisierten Studien ausgeschlossen und galten als Domäne der Chirurgie. Die ersten TAVI Prozeduren bei Hochrisikopatienten mit bikuspider Anatomie zeigten mehr paravalvuläre Insuffizienzen sowie insgesamt eine höhere Komplikationsrate als bei trikupiden Aortenklappen (9, 10). Eine kürzlich publizierte propensity-score-adaptierte Analyse aus dem STS/ACC TVT Register mit einer modernen ballon-expandierbaren Prothese fand für bikuspide Aortenklappen jedoch keine signifikant höhere 30-Tage und 1-Jahres-Mortalität als bei trikuspiden Klappen, jedoch leicht höhere postoperative Hirnschlag-Raten sowie eine höhere Konversion zur offenen Herzchirurgie (11). Eine detaillierte Analyse der Aortenklappen-Anatomie in der CT Angiographie vor dem Eingriff ist besonders bei den bikuspiden Klappen für die Planung des Eingriffs entscheidend. Es ist davon auszugehen, dass spezifische Charakteristika wie z.B. der Raphe-Typ oder die Kommissuralität Auswirkungen auf die prozeduralen Resultate haben und dies im Detail noch untersucht werden muss (Abb. 3).

Aortenklappeninsuffizienz

Eine reine Insuffizienz der nativen Aortenklappe gilt in der Regel als Kontraindikation für TAVI. Meist sind die Aorten-Anuli sehr gross und Verkalkungen zur sicheren Fixierung der Prothese fehlen. Das hohe Pendelvolumen zwischen Aorta und LV stellt ebenfalls eine grosse Herausforderung für eine kontrollierte Implantation dar. Die meisten kommerziell erhältlichen TAVI-Prothesen sind nicht für die Behandlung der reinen nativen Aortenklappeninsuffizienz konzipiert. Die Erfahrungen mit TAVI beschränken sich daher auf einige Fallserien und Registerdaten. Mit Zweit-Generation Prothesen (meist selbstexpandierbare Prothesen) zeigten sich jedoch bei ausgewählten Fällen gute Resultate (87– 96% device success) mit sehr geringen Komplikationsraten und günstigem Outcome (<2% intraoperative Mortalität, 30-d Mortalität 9.6 – 13.3%, 30-d Hirnschlagrisiko 1.5 – 3.7%) (12). Die J-ValveTM (JC Medical) und die JenaValveTM Transkatheter Klappe (JenaValve Technology) verfügen über spezifische Metallbügel, welche eine anatomische Verankerung der Klappe im Aorten-Sinus ermöglichen. Letztere ist als einzige Prothese in Europa für die Behandlung der reinen nativen Aorteninsuffizienz zugelassen (CE Mark approval 2013), seit 2016 ist jedoch das transapikale System nicht mehr verfügbar, und das transfemorale System befindet sich noch in den Zulassungsstudien. Die native Aortenklappeninsuffizienz ist also nach wie vor eine chirurgische Domäne. Die TAVI stellt jedoch bei ausgewählten Patienten mit hohem chirurgischen Risiko nach interdisziplinärer Diskussion im HeartTeam eine mögliche Alternative dar (Abb. 4).

Valve-In-Valve

Die Valve-In-Valve (ViV)-TAVI hat in den letzten Jahren als therapeutische Option bei degenerierten Bioprothesen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Resultate des ViV International Registry (VIVID), der PARTNER 2 nested and continued access registries und der CoreValve US Expanded Use Study belegen eine hohe prozedurale Erfolgsrate mit geringen Komplikationsraten mit sowohl ballon- wie auch selbstexpandierbaren Prothesen (13-15). Das Langzeitüberleben in den ViV-Kohorten ist vergleichbar zur TAVI-Behandlung bei nativen Aortenklappenstenosen in Risiko-gematchten Kollektiven (1-Jahresmortalität 12 – 16.8%, 3-Jahresmortalität 28.6 – 32.7%). Im PARTNER 2 Register zeigte sich auch ein deutliche Verbesserung der Symptomatik nach ViV (von 90.4% in NYHA-Klasse III/IV auf 7.9% nach 3 Jahren). Wiederum spielt bei ViV-TAVI die präoperative Planung des Eingriffs eine entscheidende Rolle. Koronar-Verschlüsse aufgrund von Verdrängung der Klappentaschen in Richtung der Koronarostien durch den Frame der TAVI-Prothese sind eine gefürchtete Komplikation. Das Risiko steigt bei engem Sinus, tiefgelegenen Koronarostien, «stentless» oder supra-anulär implantierten Bioprothesen. Sehr kleine Bioprothesen (<21mm) oder ein signifikanter Patient-Prosthesis-Mismatch (PPM) stellen eine besondere Herausforderung dar und sind idR. auch mit schlechterem Outcome nach ViV-TAVI verbunden. In gewissen Fällen kann der Ring der Bioprothese mit einem Hochdruckballon gesprengt werden, um dann eine grösssere TAVI-Prothese implantieren bzw. einen niedrigeren Gradient erreichen zu können.
Neuere chirurgische Bioprothesen haben spezifische Expansions-Zonen, welche eine spätere ViV-TAVI vereinfachen sollen.

Prof. Dr. med. Oliver Gaemperli, FESC
PD Dr. med. Patric Biaggi

Dr. med. Thierry Aymard
Prof. Dr. med Jürg Grünenfelder
Prof Dr. med. Roberto Corti
Prof. Dr. med. Peter M. Wenaweser, FESC
HerzKlinik Hirslanden
Witellikerstrasse 40, 8032 Zürich

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Prof. Dr. med. Oliver Gaemperli

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PMW: TAVI Proctor Edwards Lifesciencies und Medtronic

  • Die TAVI ist heute eine etablierte Therapie für die Behandlung der schweren Aortenklappenstenose.
  • Durch die Vereinfachung der Implantations-Technik und die Abnahme der Komplikationsrate ist eine Erweiterung der Indikationen auf andere Bereiche wie Tief-Risiko-Patienten, bikuspide Anatomien, Aortenklappeninsuffizienz, Valve-In-Valve, moderate Stenosen und asymptomatische Patienten möglich.
  • Gerade in solchen Grenz-Indikationen ist jedoch in jedem Falle eine Diskussion der therapeutischen Möglichkeiten sowie eine metikulöse Planung des Eingriffs anhand aller präoperativen Befunde in einem erfahrenen Klappen-Herz-TEAM absolut entscheidend, wo auch der minimal-invasive chirurgische Aortenklappenersatz zum Standard gehört.

Messages à retenir

  • Aujourd’ hui, le TAVI est une thérapie établie pour le traitement des sténoses valvulaires aortiques sévères.
  • En simplifiant la technique d’ implantation et en réduisant le taux de complications, il est possible d’ étendre les indications à d’ autres domaines tels que les patients à faible risque, l’ anatomie bicuspide, l’ insuffisance valvulaire aortique, la valve dans la valve, la sténose modérée et les patients asymptomatiques
  • Toutefois, dans ces indications limites, il est absolument essentiel de discuter des options thérapeutiques et de planifier minutieusement l’ intervention en se basant sur toutes les découvertes préopératoires au sein d’ une équipe expérimentée dans le domaine des valves cardiaques, où le remplacement chirurgical des valves aortiques est également standard.

1. Siontis GCM, Overtchouk P, Cahill TJ, et al. Transcatheter aortic valve implantation vs. surgical aortic valve replacement for treatment of symptomatic severe aortic stenosis: an updated meta-analysis. Eur Heart J. 2019;40(38):3143-53.
2. Baumgartner H, Falk V, Bax JJ, et al. 2017 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. Eur Heart J. 2017;38(36):2739-91.
3. Stortecky S, Franzone A, Heg D, et al. Temporal trends in adoption and outcomes of transcatheter aortic valve implantation: a SwissTAVI Registry analysis. Eur Heart J Qual Care Clin Outcomes. 2019;5(3):242-51.
4. Thyregod HGH, Ihlemann N, Jorgensen TH, et al. Five-Year Clinical and Echocardiographic Outcomes from the Nordic Aortic Valve Intervention (NOTION) Randomized Clinical Trial in Lower Surgical Risk Patients. Circulation. 2019.
5. Mack MJ, Leon MB, Thourani VH, et al. Transcatheter Aortic-Valve Replacement with a Balloon-Expandable Valve in Low-Risk Patients. N Engl J Med. 2019;380(18):1695-705.
6. Popma JJ, Deeb GM, Yakubov SJ, et al. Transcatheter Aortic-Valve Replacement with a Self-Expanding Valve in Low-Risk Patients. N Engl J Med. 2019;380(18):1706-15.
7. Waksman R, Corso PJ, Torguson R, et al. TAVR in Low-Risk Patients: 1-Year Results From the LRT Trial. JACC Cardiovasc Interv. 2019;12(10):901-7.
8. Kang DH, Park SJ, Lee SA, et al. Early Surgery or Conservative Care for Asymptomatic Aortic Stenosis. N Engl J Med. 2020;382(2):111-9.
9. Jilaihawi H, Chen M, Webb J, et al. A Bicuspid Aortic Valve Imaging Classification for the TAVR Era. JACC Cardiovasc Imaging. 2016;9(10):1145-58.
10. Yoon SH, Bleiziffer S, De Backer O, et al. Outcomes in Transcatheter Aortic Valve Replacement for Bicuspid Versus Tricuspid Aortic Valve Stenosis. J Am Coll Cardiol. 2017;69(21):2579-89.