Editorial

Herbstzeit – Wanderzeit



Die bisher milden Temperaturen und der goldene Herbst laden dieses Jahr ganz besonders zum Wandern in den Bergen ein. Die Schweiz verfügt über ein beeindruckendes Netzwerk von Wanderwegen, das sich über 65’000 Kilometer erstreckt. Dies ist beachtlich, bedenkt man, dass das gesamte Schweizer Strassennetz knapp 85’000 km beträgt. Viele Wanderwege führen durch alpine Wälder, malerische Täler und bieten atemberaubende Aussichten. Besonders im Herbst sind die gelb gefärbten Lärchenwälder ein Highlight.

Die einmalige Gelegenheit, die Schönheit der Natur zu geniessen und gleichzeitig die Herzgesundheit zu fördern, macht Wandern zum attraktivsten Volkssport der Schweizer Bevölkerung. Wandern ist jedoch nicht ohne Risiken. Mit durchschnittlich 40’000 Unfällen pro Jahr (Quelle: Beratungsstelle für Unfallverhütung), welche von leichten Verletzungen bis hin zu schweren Notfällen reichen, ist das Wandern der gefährlichste Sport überhaupt, gemessen an der Anzahl Unfälle. Dies unterstreicht die Tatsache, dass das Wandern trotz seiner Entspannung und des Naturerlebnisses nicht ohne Risiko ist. Daher ist es wichtig, sich optimal auf eine Tour vorzubereiten, die eigenen Grenzen zu respektieren und sich der potenziellen Risiken bewusst zu sein.

Mit der Wandersaison haben auch die Diskussionen über Statinbedingte Muskelschmerzen in meiner Sprechstunde wieder zugenommen. Schliesslich belastet häufiges bergauf und bergab gehen die Oberschenkelmuskulatur und kann so zu unangenehmen Muskelschmerzen und Gelenkproblemen führen, besonders bei Untrainierten. Kommen dann noch Statine ins Spiel, ist für manche Patienten die Ursache für den unverhofft starken Muskelkater nach der Bergwanderung schnell gefunden. Um in dieser Situation nicht voreilig dem Krankheitskonzept der Patienten beizupflichten und mit vorauseilendem Gehorsam eine Reduktion der Statine oder gar deren Pausierung anzuordnen, lohnt es sich, die Ergebnisse der kürzlich im JACC erschienenen Studie von Allard NAE et al über «Exercise-Induced Muscle Injury in Chronic Statin Users» in die gemeinsame Therapieentscheidung einfliessen zu lassen. Dabei wurden 65-jährige Patienten in drei Gruppen eingeteilt: 1) symptomatic statin users; 2) asymptomatic statin users; 3) controls. Die Patienten wanderten täglich durchschnittlich 40km/Tag während 4 aufeinanderfolgenden Tagen. Obwohl erwartungsgemäss die Muskelenzyme (Kreatininkinase, LDH) am Ende der Mehrtagestour anstiegen, unterschieden sich die Gruppen weder in den Basis-Werten noch im maximalen Anstieg der Muskelmarker. Die subjektiven Muskelschmerzen waren vor Beginn der Wanderung höher bei symptomatischen Statin-Usern und stiegen nach der Wanderung in allen Gruppen vergleichbar an. Auch die gemessenen Coenzym-Q10-Werte unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen und standen in keinem Zusammenhang mit Markern für Muskelverletzungen oder berichteten Muskelsymptomen. Diese Daten sind beruhigend und relativieren einmal mehr die Rolle der Statine bei subjektiven Muskelschmerzen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Patienten genussvolle, unfall- und beschwerdefreie Herbstwandertage

Prof. Dr. med. Otmar Pfister

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  • Vol. 13
  • Ausgabe 5
  • November 2023