Editorial

Leben mit Katastrophe und Wissenschaft



In der aktuellen sehr angespannten und deprimierenden politischen Lage in Europa mit Krieg in der Ukraine, einer humanitären Katastrophe und gewaltigen Migrationsproblemen und deutlichen globalen wirtschaftlichen Veränderungen mit zukünftiger Neuordnung der euro­päischen Sicherheitslage soll diese Ausgabe unsere Gedanken mit bedeutenden Themen der Kardiologie kurzfristig positiv beeinflussen und unsere tägliche klinische Arbeit bei unseren Patienten unterstützen.
Prof. Dr. med. Otmar Pfister aus Basel beleuchtet die neuen ESC Guidelines zur Herzinsuffizienz und Prof. Dr. med. Micha T. Maeder aus St. Gallen die pulmonal Hypertonie bei Erkrankungen des linken Ventrikels. Prof. em. Dr. med. Hansjakob Müller aus Basel berichtet aus der Genetik Sprechstunde am spannenden Beispiel der Dilatativen Kardiomyopathie (DCM).

Die neue Herzinsuffizienz–Leitlinie erwartet insbesondere von den Strategieänderungen – mit gleichzeitigem Einsatz eines ARNI/ACE-Hemmers, Betablockers, SGLT2-Hemmers und eines MRA sowie einer klinisch gesteuerten Diuretisierung – eine deutliche Prognoseverbesserung der chronischen Herzinsuffizienz (HI) mit reduzierter systolischer EF. Eine überzeugende Empfehlung zur Behandlung der HFpEF mit einem SGLT2-Hemmer bedarf noch der ausstehenden Zulassung bei diesem Krankheitsbild. Die SGLT2-Hemmung führt zu einer Verminderung der RAAS- und Sympathikus-Aktivität und zu einer Reduktion des oxydativen Stresses und der Entzündungsreaktion. Eine rasche Kardio- und Nephroprotektion dieser Substanz bei Diabetes II resp. bei einer Herzinsuffizienz ist ein überzeugendes Argument für deren frühen Einsatz. Der Ausschluss eines Eisenmangels und wenn nötig die i.v.-Behandlung mit Ferri-Carboxymaltose führen zur Reduktion der HI-Hospitalisationen, zu einer Verbesserung der Belastbarkeit und Lebensqualität. Auch der Stellenwert von Vericiguat mit Verbesserung des NO-sGC-cGMP Signalweges wird ausführlich erläutert.

Sehr schön zusammengefasst ist das Thema der postkapillären pulmonal-arteriellen Hypertonie (PH Typ II) bei Links-Herz-Erkrankungen (Herzinsuffizienz, Klappenerkrankungen), der häufigsten Form der pulmonalen Hypertonie. Die pathophysiologische Sequenz besteht in einer Rückwärtsübertragung pathologisch erhöhter Füllungsdrucke vom linken Herzen über die pulmonale Zirkulation bis zum rechten Herzen. Zahlreiche Studien belegen, dass das Ausmass einer PH sowie das Vorhandensein und Ausmass einer rechtsventrikulären Dysfunktion entscheidenden Einfluss auf die Prognose von Patienten mit chronischer HI haben.

Die molekulargenetische Abklärung bei Verdacht auf eine familiäre DCM sollte gemäss dem Beitrag von Prof. em. Dr. med. H. Müller allen Personen jeden Alters mit nicht-ischämischer DCM angeboten werden. Dank einer frühzeitigen Diagnose und dem sofortigen Einleiten der kardiologischen Behandlung kommt es zu einer Verbesserung des Langzeitergebnisses mit Verhinderung von Komplikationen. Interdisziplinarität ist bei der Erfassung und Beurteilung von Kardiomyopathien angesichts der zahlreichen involvierten Gene und deren Varianten angezeigt – Stichwort: «Kardioboards». So haben viele Krankheitsbilder der Kardiologie auch einen genetischen Hintergrund, welcher in Zukunft an Bedeutung stark gewinnen wird.

Wir wünschen eine spannende Lektüre und verbleiben mit den herzlichsten Wünschen für eine bessere globale Zukunft.

Dr. med. Urs Dürst, Forch
u.n.duerst@ggaweb.ch

Dr. med. Urs N. Dürst

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8127 Forch

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  • Vol. 12
  • Ausgabe 2