Editorial

Wichtige klinische Probleme:

Neue Evidenz und weiterbestehende Kontroversen



Salzkonsum, Dyspnoe bei älteren Patienten, beste Diagnostik und Therapie der chronisch stabilen koronaren Herzkrankheit und Behandlung der schweren Trikuspidalinsuffizienz: In diesem Heft werden häufige oder schwierige klinische Probleme thematisiert. Wegen fehlender Evidenz und zum Teil trotz Evidenz werden einige dieser Themen kontrovers diskutiert.

Die heftige Kontroverse über die Rolle des Salzkonsums in der Entstehung der Hypertonie und die Sinnhaftigkeit einer Salzrestriktion zur Blutdrucksenkung und zum Verhindern von kardio­vaskulären Erkrankungen diskutieren die Autoren Dr. Arnulf Holzknecht, PD Dr. Emrush Rexhaj und Prof. Franz Messerli. Ein starker Salzkonsum ist schwach assoziiert mit einer Zunahme des Blutdrucks. Bei Patienten mit Hypertonie oder schwerer Herzinsuffizienz ist eine Salzrestriktion sinnvoll. Die Wirksamkeit einer Salzrestriktion für die Gesamtbevölkerung zur Verminderung von kardiovaskulären Ereignissen ist hingegen umstritten. Es gibt keine eindeutige wissenschaftliche Evidenz, die einen Nutzen belegt. Trotzdem glauben einige Wissenschaftler, vor allem aber Politiker und Gesundheitsexperten, dass die Salzre­striktion für alle nötig und wichtig ist. Dieser Glaube wird von den Autoren als «Salzevangelium» bezeichnet. Dr. Arnulf Holzknecht präsentiert neue Evidenz, dass eine Salzrestriktion eine erhöhte und nicht eine erniedrigte kardiovaskuläre Mortalität bewirken kann. Bereits im September 2020 haben Prof. Michel Burnier und Dr. Arlène Ghajarzadeh Würzner in dieser Zeitschrift in einem Artikel auf die Gefahren der Salzrestriktion hingewiesen. Trotz der unklaren wissenschaftlichen Evidenz hält das Bundesamt für Gesundheit an einer Salzstrategie für die Gesamtbevölkerung fest, die darauf abzielt, Salz aus den meisten Lebensmitteln zu verdrängen oder Lebensmittel mit viel Salzgehalt, wie. z. B. Käse, ganz aus der Diät der Schweizer zu entfernen!

Die Frage nach der besten Diagnostik und Therapie der chronisch stabilen koronaren Herzkrankheit wird von Dr. Susanne Bär und Prof. Lorenz Räber aufgrund der neuen Evidenz der grossen ISCHEMIA-Studie besprochen. Es ist die neueste Studie, welche untersucht hat, ob eine initial medikamentöse Therapie einer Strategie mit sofortiger Revaskularisation bezüglich Prognose unterlegen ist. Entsprechend der Evidenz aus der ISCHEMIA-Studie ist in einem hochselektionierten Pa­tientengut die initial medikamentöse Strategie prognostisch nicht nachteilig. Bezüglich Lebensqualität und Beschwerdefreiheit ist die Revaskularisation der medikamentösen Therapie aber überlegen. Die Autoren legen sehr überzeugend dar, welche nichtinvasive Diagnostik in welcher Abfolge gemacht werden muss, um die PatientInnen richtig in Bezug auf eine mögliche medikamentöse Therapie oder nötige Revaskularisation zu evaluieren. Sie zeigen auf, dass neben dem Ausmass der Ischämie, das Ausmass der koronaren Herzkrankheit mittels Bildgebung oder Koronarangiografie gemessen werden muss, um eine gute prognostische Einschätzung bei PatientInnen mit chronisch stabiler koronarer Herzkrankheit zu erhalten.

Im Bereich der Therapiestrategie bei Vorhofflimmern weisen Dr. Anina Stauber und Dr. Andreas Müller auf den Paradigmenwechsel zur Rhythmuskontrolle und der elektrophysiologischen Katheterablation hin. Diese Technologie hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und zeigt inzwischen sogar pro-
gnostische Vorteile. So kann bei Patienten mit Vorhofflimmern seit weniger als einem Jahr und ausgewählten Patienten mit Herzinsuffizienz die Rhythmuskontrolle gegenüber der Frequenzkontrolle einen Überlebensvorteil bringen. Die Katheterablation des Vorhofflimmerns hat sich im Vergleich zur pharmakolo-gischen Rhythmuskontrolle als effektiver erwiesen und hat einen grösseren klinischen Nutzen gezeigt.

Für die schwere Trikuspidalinsuffizienz ist die Evidenz bezüglich schlechter Prognose klar. Bezüglich der besten medikamen­tösen, operativen oder interventionellen Therapie ist die Evidenz sehr viel kleiner. Dr. Joanna Bartkowiak aus der interventionellen Kardiologie am Inselspital Bern fasst dieselbe zusammen. Sehr illustrativ zeigt sie die neuesten Entwicklungen bezüglich der interventionellen Techniken auf.

Ab dieser Ausgabe werden wir neu in jedem Heft ein besonderes klinisches Problem anhand eines Patientenbeispiels darstellen. Eröffnet wird die Serie durch die Beschreibung einer Patientin mit zirrhotischer Kardiomyopathie durch Prof. Otmar Pfister. Wir hoffen, dass Sie nicht nur diese klinische Vignette, sondern alle Artikel als besonders spannend empfinden.

Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

Prof. Dr. med. Otmar Pfister

Klinik für Kardiologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

otmar.pfister@usb.ch

info@herz+gefäss

  • Vol. 11
  • Ausgabe 2
  • März 2021