- Sport nach Covid-19-Erkrankung
Nach einer überstandenden COVID-19-Erkrankung wird bei Sportlern, kardiovaskulären Risikopatienten und Patienten mit schweren Krankheitsverläufen eine ärztliche Risikobeurteilung vor Wiederbeginn einer körperlichen oder sportlichen Aktivität empfohlen. Nach einem mindestens 5-tägigen Sportverzicht sollte eine stufenweise Steigerung der körperlichen Aktivität mit individuellen Zielvorgaben zur Wiedererlangung des ursprünglichen Leistungsniveaus erfolgen.
(Aktualisierter Online-Beitrag: Nach der Drucklegung des Artikels «Sport nach Covid-19-Erkrankung» sind die Empfehlungen von Swiss Olympic am 01.05.2022 aktualisiert worden. Statt 10-14 Tage Sportverbot gilt nun bei Beschwerdefreiheit nur noch «mindestens 5 Tage» Sportverbot. Die Print-Version des Artikels weicht daher in diesm Punkt von der Online-Version ab.)
A medical risk assessment regarding returning to sports after COVID-19 should be performed in all athletes, cardiovascular high-risk patients and patients with a severe course of COVID-19. After abstaining from sport for at least 5 days, a gradual increase in physical activity with individual targets to regain the original level of performance is recommended.
Key Words: rehabilitation, SARS-CoV-2, virus, return to sport, return to play, exercise
Körperliche Bewegung und Sport tragen wesentlich zur Erhaltung der kardiovaskulären Gesundheit und dem psychischen Wohlbefinden in unserem Alltag bei. Die COVID-19-Pandemie führte jedoch in den letzten zwei Jahren, einerseits durch staatlich angeordnete Kontaktbeschränkungen und Restriktionen sowie andererseits durch teils gesundheitliche Folgen nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion, bei zahlreichen Personen zu erheblichen Einschränkungen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit.
Zwar ist ein gesunder und sportlicher Lebensstil mit einem tendenziell niedrigeren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf assoziiert, dennoch sind auch bei jungen und sportlich aktiven Menschen vereinzelt schwere Infektionen möglich (1). Insbesondere kardiale oder pulmonale Organmanifestationen können das Risiko für eine langfristige Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit erheblich erhöhen. Zudem können im Rahmen der sogenannten «Post-COVID-19-Erkrankung» bzw. dem «Long-COVID-Syndrom» anhaltende oder wiederkehrende Beschwerden, typischerweise in Form von schwerer Fatigue, Belastungsintoleranz, Muskelschmerzen oder neurokognitive Einschränkungen über eine Dauer von 12 Wochen hinaus auftreten (2). Ärzte aus verschiedenen Fachdisziplinen werden zunehmend mit der Frage konfrontiert, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Intensität eine körperliche oder sportliche Aktivität nach einer COVID-19-Infektion wieder begonnen werden kann. Während ProfisportlerInnen meist auf ein spezialisiertes Team aus Ärzten und Physiotherapeuten für eine schrittweise Rückkehr zum Wettkampfsport zurückgreifen können, sind FreizeitsportlerInnen in der Regel auf die Empfehlungen ihres Allgemeinmediziners angewiesen. Hierbei sollte einerseits frühzeitig zu einem Bewegungstraining mit positiven Effekten auf die muskuloskelettale und kardiovaskuläre Gesundheit motiviert werden, andererseits müssen auch die potenziellen Risiken nach einer COVID-19-Infektion, insbesondere bei zusätzlich bestehenden kardiovaskulären Grunderkrankungen, berücksichtigt werden.
Diagnostische Massnahmen zur Risikobeurteilung
Bevor nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung mit einer intensiveren körperlichen Belastung begonnen wird, sollte zunächst eine ärztliche Risikobeurteilung erfolgen. Dies betrifft vor allem Wettkampfsportler, kardiovaskuläre Risikopatienten sowie Patienten mit schweren Krankheitsverläufen. Es wird nach Hinweisen für eine Myokard- bzw. Lungenschädigung (z.B. Brustschmerzen, schwere Atemnot, Herzrasen, Herzinsuffizienzzeichen oder Synkopen) oder kardiopulmonalen Vorerkrankungen gefahndet. Aufgrund der breiten Variabilität der Krankheitsausprägung ist hierbei ein symptomorientiertes und abgestuftes Vorgehen zu empfehlen (3, Abb. 1). Speziell für Athleten wurden gemeinsam von Sport & Exercise Medicine Switzerland (SEMS), Swiss Olympic und der Klinik für Kardiologie des Universitätsspitals Zürich mehrere Flowcharts erarbeitet, welche basierend auf der aktuellen Studienlage eine Orientierungshilfe für die Rückkehr in den Trainings- und Wettkampfbetrieb darstellen (4).
Als Basisdiagnostik sollte bei allen Athleten und erwähnten Risikopatienten zunächst eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung sowie ein Ruhe-EKG und eine Laboruntersuchung (Hämatogramm, CRP, Elektrolyte/Kreatinin, Transaminasen, NT-proBNP, hsTroponin T/I, Gesamt-CK) erfolgen. Hierbei muss beachtet werden, dass teils auch bei sportlicher Aktivität in den vorangegangen 48 Stunden erhöhte kardiale Biomarker nachweisbar sein können (5). Im Falle von auffälligen Befunden oder bei anhaltend symptomatischen Patienten ist anschliessend eine erweiterte Diagnostik mittels thorakaler Bildgebung (Thorax-Röntgen, ggf. Thorax-CT), Echokardiographie oder einem Herz-MRI, idealerweise nach fachärztlicher kardiologischer oder pneumologischer Konsultation, zu erwägen. Eine Lungenfunktionsdiagnostik oder Spiroergometrie sollte hingegen erst nach vollständigem Abklingen der pulmonalen Infektzeichen bzw. nach abgeheilter Myokarditis durchgeführt werden. Abhängig vom Krankheitsverlauf müssen vor Wiederbeginn einer körperlichen Aktivität allenfalls zusätzliche Funktionseinschränkungen durch muskuloskelettale, neurologische oder psychologische Folgen einer COVID-19-Erkrankung berücksichtigt werden.
Wiederbeginn der körperlichen Aktivität
Bei einem überwiegend asymptomatischen oder milden Infektionsverlauf sollte bis zum vollständigen Abklingen der Symptome und für mindestens 5 Tage nach positivem Testresultat auf eine intensive körperliche Belastung verzichtet werden. Im Falle einer nachgewiesenen Pneumonie verlängert sich die Sportkarenz je nach klinischem Verlauf auf 4 bis 6 Wochen und bei einer Myokarditis, mit Vorhandensein der typischen Myokarditis-Kriterien im Herz-MRI, auf 3 bis 6 Monate (6). In diesen Fällen sollte vor einer anschliessenden Sportfreigabe eine erneute pneumologische bzw. kardiologische Untersuchung erfolgen.
Nach Risikobeurteilung und Ausschluss möglicher Krankheitsfolgen können die Patienten schrittweise wieder mit körperlicher Aktivität oder einem sportlichen Training beginnen. Aufgrund der hohen Krankheitsvariabilität werden auch hierbei abgestufte, individualisierte und auf der Grundlage der subjektiven Verträglichkeit angepasste Trainingsvorgaben empfohlen. Hochintensive körperliche Belastungen sollten zu Beginn vermieden werden. Stattdessen wird in der Regel zunächst die Häufigkeit, dann die Dauer und schliesslich die Intensität der körperlichen Aktivität gesteigert (7). Sportmediziner können auch in diesen Fällen auf ein speziell für Athleten angepasstes «Graduated return to play»-Protokoll zurückgreifen, welches eine stufenweise Steigerung der sportlichen Aktivität bis hin zur vollen Sporttauglichkeit nach einer COVID-19-Infektion beschreibt (8). Bei schweren Krankheitsverläufen, insbesondere mit notwendiger stationärer oder intensivmedizinischer Behandlung, ist meist eine strukturierte und medizinisch überwachte Wiedereingliederung in einer spezialisierten Rehabilitationseinrichtung notwendig.
5-Phasen-Modell
Ein möglicher, nicht nur speziell für Sportler entworfener Stufenplan zur Wiederaufnahme der körperlichen Aktivität nach einer COVID-19-Erkrankung wird im «5-Phasen-Modell» von Salman et al. beschrieben (9, Abb. 2). Als Hilfsmittel zur Einschätzung des subjektiven Belastungsempfindens dient hierbei die «Borg Rating of Perceived Exertion (RPE)»-Skala mit Werten von 6 (überhaupt keine Anstrengung) bis 20 (maximale Anstrengung).
- In Phase 1 werden zunächst Aktivitäten mit extrem leichter Intensität (RPE-Skala 6-8), u.a. leichtes Gehen sowie Atem-, Dehnungs-, Flexibilitäts- und Gleichgewichtsübungen empfohlen. Das Ziel ist die Bewältigung von Alltagsaktivitäten ohne Anstrengung.
- In Phase 2 werden die Aktivitäten (z.B. Spazierengehen, leichte Haushalts-/Gartenarbeiten) auf eine leichte Intensität (RPE-Skala 6-11) und längere Dauer ausgebaut. Nach Abschluss dieser Phase sollte ein 30-minütiges Gehen mit leichter Anstrengung möglich sein.
- Phase 3 umfasst ein moderates aerobes Ausdauer- und Krafttraining (u.a. zügiges Gehen, Treppensteigen, Laufen, Schwimmen oder Radfahren), welches sich zunächst in 5- bis 10-Minuten-Intervallen mit Erholungsphasen abwechselt. Das Ziel ist eine 30-minütige moderate Aktivität, bei der problemlos eine Konversation möglich ist (RPE-Skala 12-14).
- In Phase 4 wird die Häufigkeit und Dauer dieser Aktivitäten zunehmend gesteigert und mit Koordinations- und Gleichgewichtsübungen ergänzt. Das Ziel sind regelmässige Trainingseinheiten (RPE-Skala 12-14) ohne anhaltendes Erschöpfungsgefühl.
- In Phase 5 sollte die Person wieder zu ihrem ursprünglichen Leistungsniveau zurückkehren können und höhere Belastungsintensitäten (RPE-Skala > 15) ohne anhaltendes Erschöpfungsgefühl möglich sein.
Die Dauer jeder durchlaufenen Phase sollte mindestens sieben Tage umfassen und ein Aufstieg in die nächsthöhere Phase nur bei Wohlbefinden und Erreichen der Zielvorgaben erfolgen. Eine Überlastung, die zur Zunahme der Beschwerden führt, muss (insbesondere bei einer Post-COVID-19-Erkrankung) in jeder Phase grundsätzlich vermieden werden. Bei Auftreten von übermässiger Erschöpfung, Atemnot oder hohen Herzfrequenzen nach dem Training sollte zu der vorangegangenen Phase zurückgekehrt und allenfalls eine erneute ärztliche Beratung stattfinden.
Schutz durch COVID-19-Impfung
In vielen Fällen ist eine Rückkehr zur ursprünglichen maximalen körperlichen Leistungsfähigkeit nach einer COVID-19-Erkrankung möglich. Um allfällige Überlastungen oder Folgeerkrankungen zu vermeiden, sollte jeder Patient oder Sportler jedoch frühzeitig über die sehr individuelle Dauer bis zur vollständigen Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit, welche teils Wochen oder Monate betragen kann, aufgeklärt werden. Es bleibt daher das vorrangige Ziel, eine schwere SARS-CoV-2-Infektion mittels Kontakt- und Hygienemassnahmen sowie einer Schutzimpfung bestmöglich zu verhindern. Bezüglich der vor allem bei Sportlern häufig erwähnten Bedenken hinsichtlich einer mRNA-Impfstoff-assoziierten Myokarditis, sollte über das nach bisherigen Kenntnissen nur sehr seltene Auftreten und über das deutlich höhere Myokarditis-Risiko im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung informiert werden (10).
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Klinik für Kardiologie
Universitäres Herzzentrum der Universität Zürich
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Rämistrasse 100
8091 Zürich
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert
◆ Vor Beginn einer intensiven körperlichen Aktivität sollte bei allen
Athleten, kardiovaskulären Risikopatienten oder Patienten mit schweren Krankheitsverläufen eine ärztliche Risikobeurteilung erfolgen.
◆ Ein Verzicht auf sportliche Aktivitäten sollte für mindestens 5 Tage nach bestätigter SARS-CoV-2-Infektion eingehalten werden. Im Falle einer pulmonalen oder kardialen Organmanifestation kann ein Sportverbot über Wochen bis Monate notwendig sein.
◆ Nach einer COVID-19-Erkrankung wird eine stufenweise Steigerung der körperlichen Aktivität mit regelmässigem Monitoring und einzelnen
Zielvorgaben zur Wiedererlangung des ursprünglichen Leistungsniveaus empfohlen.
◆ Das Risiko einer mRNA-Impfstoff-assoziierten Myokarditis wird im
Vergleich zum Risiko einer COVID-19-assoziierten Myokarditis als sehr gering eingeschätzt.
1. Niess AM, Bloch W, Friedmann-Bette B, et al. Position stand: return to sport in the current Coronavirus pandemic (SARS-CoV-2 / COVID-19). Dtsch Z Sportmed. 2020; 71: E1-E4.
2. WHO/2019-nCoV/Post_COVID-19_condition/Clinical_case_definition/2021.1.
3. Löllgen H, Bachl N, Papadopoulou T, et al. Recommendations for return to sport during the SARS-CoV-2 pandemic. BMJ Open Sport & Exercise Medicine 2020;6:e000858.
4. Schmied CM, Noack O, Betschart H, et al. Flowcharts: SARS-CoV-2 – Return to training and competition (Stand 01.12.2021, https://sems.ch/publikationen/covid-19flow-charts/)
5. Wilson MG, Hull JH, Rogers J, et al. Cardiorespiratory considerations for return-to-play in elite athletes after COVID-19 infection: a practical guide for sport and exercise medicine physicians. Br J Sports Med 2020;54:1157–1161.
6. Barker-Davies RM, O’Sullivan O, Senaratne KPP, et al. The Stanford Hall
consensus statement for post-COVID-19 rehabilitation Br J Sports Med 2020;54:949–959.
7. Halle M, Bloch W, Niess AM, et al. Exercise and sports after COVID-19-Guidance from a clinical perspective. Transl Sports Med. 2021 May;4(3):310-318.
8. Elliott N, Martin R, Heron N, et al. Infographic. Graduated return to play guidance following COVID-19 infection. Br J Sports Med, 54(19), 1174-1175.
9. Salman D, Vishnubala D, Le Feuvre P, et al. Returning to physical activity after
covid-19. BMJ 2021;372:m4721
10. Haaf P, Kuster GM, Mueller C, et al. The very low risk of myocarditis and pericarditis after mRNA COVID-19 vaccination should not discourage vaccination. Swiss Med Wkly. 2021;151:w30087.
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- Vol. 12
- Ausgabe 3
- Mai 2022