- Vorhofflimmern – Welches ist die richtige Herzfrequenz?
Nach einer neuen Registerauswertung aus Dänemark sollte die Ziel Herzfrequenz (HF) bei VHFli doch <100/min betragen. Die bisherige Leitlinien Empfehlung der Klasse II einer HF<110/min ist daher zu hoch.
Im Kopenhager EKG-Register wurden von 2001-2015 7408 Männer und Frauen mit einem mittleren Alter von 78 Jahren mit VHFli erfasst: Es zeigte sich bei einer Ruhe HF im VHFli von 100-110/min ein deutlich erhöhtes 1-Jahres-Risiko für eine Herzinsuffizienz – HR 1,46, bei einer HF von >110/min sogar eine HR von 2,41 gegenüber einem HF-Referenzbereich von 60-79/min. Auch war die 1-Jahres-Gesamt-Mortalität deutlich erhöht mit HR 1,44 resp. 1,34. Einschränkend muss erwähnt werden: es handelt sich um eine Beobachtungsstudie ohne Nachweis der Ursache und die Ruhe HF wurde nur einmalig zu Beginn gemessen.
Somit sollte bei einem VHFLi die Kammerfrequenz <100/min betragen, um eine potentielle Herz-insuffizienz und eine erhöhte Gesamt-Mortalität zu reduzieren. Dies vor allem bei älteren Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit und weiteren Komorbiditäten.
Quelle: Westergaard LM et al., Ventrikelfrequenz bei Vorhofflimmern und das Risiko für Herz-insuffizienz und Tod, Europace 2023;25(5):1-9
Neue Scores
In den letzten Monaten wurden zwei neue Scores vorgestellt: der ANTWERP-Score mit der Frage nach einer Katheterablation bei Herzinsuffizienz mit VHFli und der HARMS2-AF-Score zur Risiko-abschätzung von potentiellem VHFLi.
Bisherige Scores zur Vorhersage von Vorhofflimmern basieren überwiegend auf klassischen, nicht beeinflussbaren Faktoren. Forscher haben nun einen Score entwickelt, der auch Lebensstilfaktoren berücksichtigt. Dieser scheint ganz gut zu sein. Doch dessen potenzielles Einsatzgebiet gilt es noch zu klären. Die Daten stammen von 314 280 Patienten, von denen 5,7% über 13 Jahre VHFli bekamen.
Je mehr Punkte im Score anfallen, desto wahrscheinlicher ist, dass die Patienten an Vorhofflimmern erkranken werden (pro Punkt steigt das Risiko um das Zweifache, Hazard Ratio, HR: 2,35). Bei ≥ 5 Punkten ist das Risiko um mehr als das 12-Fache erhöht im Vergleich zu einem Score von 0 (HR bei 5–9 Punkten: 12,79; HR bei 10–14 Punkten: 38,70).
Der Score könnte helfen Hochrisikopatienten im Sinusrhythmus frühzeitig zu erkennen und Massnahmen einzuleiten, damit ein VHFLi verhindert werden könnte. In den Guidelines wird die Identifikation und das Management von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen als integraler Bestandteil des Vorhofflimmern-Managements ausdrücklich empfohlen (Klasse I B). Ebenso wird zur Modifikation eines ungesunden Lebensstils geraten, um die Vorhofflimmern-Last und Symptom-Schwere zu reduzieren. Was der neue Score zur Prävention beitragen wird, muss in weiteren Arbeiten gezeigt werden.
Quelle: Segan L et al. New-onset atrial fibrillation prediction: the HARMS2-AF risk score. Eur Heart J 2023; 00, 1–11; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad375
Beim ANTWERP-Score einer belgischen Arbeitsgruppe mit Einbezug des Cardiocentro Ticino stellt sich die Frage ob bei einer Herzinsuffizienz (HI) mit eingeschränkter LV-Funktion (<50%) eine Katheter-ablation des VHFli die LV-Funktion verbessern könnte? Der Score beinhaltet nach einer multi-zentrischen Validierungsstudie mit 605 Beteiligten folgende vier Punkte:
• Bekannte Aetiologie der HI (ausser VHFLi) 2 Punkte
• Verbreiterter QRS-Komplex > 120 ms 2 Punkte
• Schwere Dilatation des LA > 50ml/m2 1 Punkt
• Paroxysmales VHFli 1 Punkt
Je weniger Punkte desto grösser der Erfolg einer Katheterablation bezüglich Verbesserung der LVEF: <2 Punkte Ansprechwahrscheinlichkeit einer EF Erholung >90%, bei ≥5 Punkte betrug sie dagegen <20%. Hier bedarf es anderen Therapie Optionen wie eine konsequente Frequenzkontrolle. Bei einem Score von 3-4: Genesungsrate 47%. Hier lohnt sich ein zusätzliches Herz-MRI mit Frage nach LGE. Der Score könnte also bei dieser Fragestellung in Zukunft hilfreich sein. Einschränkung: Es ist eine retrospektive Studie bei Patienten die alle eine Ablation erhalten haben. Es fehlen Informationen zu: NYHA-Klasse und BNP/NT-pro-BNP. Die LVEF ist nur ein Surrogat-Marker für die Wirksamkeit der Ablation.
Quelle: Bergonti M et al. Left ventricular functional recovery after atrial fibrillation catheter ablation in heart failure: a prediction model. Eur Heart J 2023; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad428
Wann Einsatz von DOAK bei Schlaganfall mit VHFLi?
In der randomisierten, multizentrischen offenen ELAN-Studie aus Basel wurde die Inzidenz von rezidivierenden ischämischen Schlaganfällen, systemischen Embolien, schweren extrakraniellen Blutungen, symptomatischen intrakraniellen Blutungen oder vaskulärem Tod nach 30 Tagen auf 2,8 Prozentpunkte niedriger bis 0,5 Prozentpunkte höher (basierend auf dem 95%-Konfidenzintervall) bei früher als bei späterer Anwendung von DOAKs geschätzt. Frühe Anwendung: innerhalb 48h nach einem kleinen resp. moderaten Schlaganfall (S.) resp. 6-7 Tage nach einem schweren S.. Späte Anwendung: Tag 3 oder 4 nach einem leichten S., Tag 6 oder 7 nach einem mittelschweren S., Tag 12-14 nach einem schweren Schlaganfall.
Nach einem ischämischen Schlaganfall könnte es bei Personen mit Vorhofflimmern daher sinnvoll sein, früher als bisher empfohlen eine Therapie mit DOAK zu beginnen. Es sank damit die Häufig-keit erneuter Schlaganfälle und systemischer Embolien, bei vergleichbar niedriger Blutungsrate. Den Autoren zufolge kann ein früher Therapiebeginn erwogen werden, sofern indiziert.
Referenzen:
1. Echouffo-Tcheugui J.B. et al; Diagnosis and Management of Prediabetes – A Review ; JAMA 2023; 329 (14): 1206-1216
2. Stefan N.; CME: Prädiabetes – eine Krankheit? Diabetologie 2023;19:215-222
Kardio-Stress-MRT bei CHK – hohe diagnostische und prognostische Treffsicherheit bei 74’470 Patienten
Gemäss einer aktuellen systematischen europäischen Übersichtsarbeit und Meta-Analyse im JAMA Cardiology vom 7. Juni 2023 von Ricci F. et al. bestätigt sich, dass das MRI zur Diagnose und Prognose eine ausgezeichnete Bildgebung ohne Strahlenbelastung ist (1). Es wurden insgesamt 64 Studien ausgewertet: davon 33 diagnostische Studien mit 7814 Patienten und 31 prognostische Studien mit 67’080 Patienten in den Jahren 2000-2021. Dies bei Personen mit stabiler Angina pectoris bei bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit (CHK). Es ergaben sich für den Nachweis einer funktionellen obstruktiven Stenose folgende Resultate (Tab. 1). Bei einer belastungsinduzierten Ischämie bestand eine schlechte Prognose ebenso beim Nachweis eines Late Gadolinium enhancement resp. einer Fibrose oder Narbe (Tab. 2).
Ein unauffälliges Kardio-Stress-MRT hat ein ausgezeichnetes Resultat bezüglich MACE über die nächsten 3 ½ Jahre mit einer geringen Rate von kardiovaskulären Todesfällen von <1%/Jahr.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die kombinierte Beurteilung der induzierbaren Myokardischämie und der späten Gadolinium-Verstärkung durch Stress-CMR eine genaue Methode ist, um Patienten mit stabilen Brustschmerzen und bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit zu diagnostizieren und das Risiko zu stratifizieren.
Quelle: 1) Ricci F. et al. Diagnostische und prognostische Aussagekraft der kardiovaskulären Stress-Magnetresonanztomographie bei Patienten mit bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit. Eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse; JAMA Cardiol. Online veröffentlicht am 7. Juni 2023. doi:10.1001/jamacardio.2023.1290
Blutungsgefahr bei einer Aortenklappenstenose?
Schwere Aortenklappenstenosen in Kombination mit einer oralen Antikoagulation sind mit einem sehr hohen Risiko für eine schwere Hämorrhagie assoziiert.
In einer aktuellen Publikation aus Lille wurde bei 2830 ambulanten älteren Patienten mit einer Aortenklappenstenose (AS) vor einem Klappenersatz in einer prospektiven multizentrischen Studie von 117 Kardiologen über 1,4 bis 2,7 Jahre die Frage der Häufigkeit schwerer Blutungen untersucht. In 16,2% bestand eine schwere AS (≥4m/sec), in 41,4% eine moderate AS (3-3,99m/s) und in 42,4% eine leichte AS (2,5-2,99m/s) (1).
Schwere Blutungen (46x) waren in dem Beobachtungsregister insgesamt selten (0,7%/Jahr) aber ein starker unabhängiger Prädiktor für das Versterben. Schwere Aortenklappenstenosen in Kombination mit einer oralen Antikoagulation sind mit einem sehr hohen Risiko für eine bedeutende Hämorrhagie assoziiert. Die Blutungen waren vor allem gastrointestinal (50%) und intrakraniell (30%). Bei diesen Blutungen bestand eine sechsfach erhöhte Mortalität. Es waren vorwiegend ältere und weibliche Patientinnen. Diese wiesen auch häufiger eine mittelschwere bis schwere AS, VHFLi, frühere Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz, frühere Schlaganfälle und eine reduzierte LVEF auf. 65% aller Studienteilnehmer hatten zu Beginn eine antithrombotische Therapie, davon knapp ¼ eine orale Antikoagulation. Unter einer Thrombozyten hemmenden Therapie alleine bestand kein erhöhtes Blutungsrisiko.
Auf Grund dieser Resultate muss das Nutzen-Risiko-Verhalten bei einer oralen Antikoagulation und einer schweren Aortenklappenstenose neu bewertet werden. Somit sollte bei diesen Patienten eher früher ein Klappenersatz erwogen werden um das Risiko einer grösseren Blutung und deren verheerende Folgen zu minimieren.
Quelle: Coisne A. et al.: Inzidenz, Quelle und prognostische Auswirkungen von schweren Blutungen über das gesamte Spektrum der Aortenstenose, American Heart Journal 262; Aug. 23; S.140-147
Zelglistrasse 17
8127 Forch
u.n.duerst@ggaweb.ch