Wissen Aktuell

Zürcher Reviewkurs in klinischer Kardiologie

Der von Frau Prof. Attenhofer-Jost zusammen mit der Mayo Klinik organisierte 21. Kardiologie Review Kurs vermittelte auch dieses Jahr viel Neues, Neuigkeiten aus dem Schrittmacherbereich, aus dem Bereich der koronaren Herzkrankheit, Interventionen beim Vorhofflimmern, Blutgerinnungsprobleme und Probleme der Polypharmazie im Alter. Ein Novum und gleichzeitig ein Highlight waren die Beiträge zur Klimaerwärmung. Neues von der Lipidfront, Checkpoint-Inhibitoren und News aus der Infektiologie rundeten den ersten Tag ab. Der Zweite Tag begann mit Heart Valves, gefolgt von Kongenitalen Vitien/Aorta/Schwangerschaft/pulmonale Hypertonie. Heart Muscle und Cardiooncoloy and Sudden Death bildeten den Schluss des Symposiums, welches von ausgezeichneten Referenten bestritten wurde, die interessante Neuigkeiten präsentierten. Die Tagung wurde traditionsgemäss von der Content Marketing & Services GmbH hervorragend organisiert.



SCHRITTMACHER

News von den Schrittmachern – leadless for everybody?!

PD Dr. David Hürlimann

Gemäss den Guidelines sollten kabellose Schrittmacher als Alternative zu transvenösen Schrittmachern in Betracht gezogen werden, wenn kein Venenzugang zu den oberen Extremitäten existiert oder wenn das Risiko einer Infektion besonders hoch ist, wie beispielsweise bei einer vorherigen Infektion und bei Patienten unter Hämodialyse (IIa/B), so die einleitenden Bemerkungen von PD Dr. David Hürlimann, USZ.

Kabellose Schrittmacher können in Betracht gezogen werden als Alternative zur standardmässigen ventrikulären Stimulation mit einer Leitung unter Berücksichtigung der Lebens­erwartung und unter Verwendung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung (IIb/C).

Das leadless Pacing ist indiziert bei älteren Patienten, mit limitiertem venösem Zugang, permanentem Vorhofflimmern, höherem Infektionsrisiko, limitierter Lebenserwartung, signifikanten Komorbiditäten, sesshaftem Lebensstil und seltenem Schrittmacherbedarf.

Der transvenöse Zugang ist indiziert bei jungen Patienten, bei Notwendigkeit für CRT/ICD, Notwendigkeit einer ständigen Stimulation, Notwendigkeit einer atrioventrikulären Synchronie, implantierbaren Geräten, die mit dem kabellosen Schrittmacher Pacemaker interferieren.

Beide Verfahren kommen in Frage bei mechanischen Tricuspidal Klappenprothesen, morbider Adipositas, die eine LP telemetrische Kommunikation verhindern, bei implantiertem IVC Filter und bei abnormalem venösem System.

Das 2. Generations VDD Pacing – Micra AV. Beschleunigungsmesser basiertes atrioventrikuläres, synchrones Pacing mit einem ventrikulären kabellosen Pacemaker: der Micra atrioventrikuläre kabellose Schrittmacher verbessert die AVS bei Patienten mit AV-Block signifikant. Er hat sich sowohl bezüglich Sicherheit und Wirksamkeit kurz- und mittelfristig als Alternative zum konventionellen transvenösen Schrittmacher bewährt. Diese Technologie stellt eine neue Lösung besonders für Patienten ohne konventionellen venösen Zugang und für ältere Patienten mit Vorhofflimmern und symptomatischer Bradykardie dar.

Conduction System Pacing: alles wird immer besser?!

PD Dr. Alexander Breitenstein

Es gibt zwei Arten der Stimulation des Reizleitungssystems, das His-Bundle-Pacing und das Left Bundle Branch Area Pacing (LBBAP), stellte PD Dr. Alexander Breitenstein, Universitätsspital Zürich, fest. Indikationen für eine Stimulation des Reizleitungssystems sind:

Stimulation des Reizleitungssystems anstatt rechtsventrikulärer Stimulation:
LBBAP versus klassische rechtsventrikuläre Stimulation. Observationsstudie mit 703 Patienten (321 LBBAP und 382 RVP). Kein Unterschied im Outcome wenn RV-Pacing <20%. Benefit, wenn RV Pacing >20% (63% der Kohorte. Primäres Komposit-Outcome HR 0.318, p<0.001, Gesamtmortalität HR 0.350, p=0.002; Herzinsuffizienz-Hospitalisierung HR 0.389, p=0.018

Stimulation des Reizleitungssystems anstatt kardialer Resynchronisationstherapie (CRT)
Korrektion des Linksschenkelblocks über das Reizleitungssystem: Ein Leitungsblock proximal des linken Schenkelbündels innerhalb der linksseitigen His-Fasern ist am ehesten für eine korrigierende His-Bündel-Stimulation geeignet, bei der die Stimulation den Ort des Blocks umgeht und latente Purkinje-Fasern rekrutiert. Herkömmliche 12-Kanal-EKG-Kriterien für das Muster des Linksschenkelblocks sind möglicherweise unzureichend, um das Ansprechen auf die His-Bündel-Stimulation vorherzusagen, und intrakardiale Daten können helfen, die Patientenauswahl für die kardiale Resynchronisation zu verfeinern.

  • Elektrische Resynchronisation und klinische Endpunkte mittels CSP: Bei einem Vergleich der klinischen Ergebnisse zwischen CSP und BVP bei Patienten, die sich einer CRT unterzogen verbesserte die CSP die klinischen Ergebnisse im Vergleich zur BVP in einer großen Kohorte von Patienten mit Indikation zur CRT

Stimulation des Reizleitungssystems mit kardialer Resynchronisationstherapie (CRT) in Kombination mit HOT/LOT-CRT
Die LOT-CRT ist sicher und bietet im Vergleich zur BiV-CRT eine bessere elektrische Resynchronisation und könnte eine Alterna

tive sein, insbesondere wenn mit der BiV-CRT nur eine suboptimale elektrische Resynchronisation erreicht wird. Randomisierte kontrollierte Studien zum Vergleich von LOT-CRT und BiV-CRT sind erforderlich.

Limitationen der Stimulation des Reizleitungssystems
Obwohl die His-Bundle-Stimulation (HBP) die durch die Stimulation induzierte Kardiomyopathie verhindern oder verbessern kann, sind die erhöhten Reizschwellen, der Verlust der His-Bundle-Erfassung und die Rate der Elektrodenrevisionen bei der Nachbeobachtung bedenklich. Das späte Auftreten einer Perforation des Interventrikelseptums ist eine seltene Komplikation der Linksbündelschrittmacher (LBBP), trotz geeigneter anfänglicher Implantationseigenschaften. Die Explantation der perforierten Elektrode und die Reimplantation können sicher durchgeführt werden.

Zusammenfassung

– Stimulation des Reizleitungssystems ist eine effektive und heutzutage erfolgreiche Art der Schrittmacher-Implantation
– Sowohl His-Bundle- als auch Left Bundle Branch Area Pacing
– Als Alternative zur reinen RV-Stimulation, als Möglichkeit bei nicht erfolgreicher biventrikulärer Stimulation oder in Kombination mit einem CRT
– Randomisierte Studien im Vergleich zu den klassischen Optionen fehlen (noch)
– Langzeit-Outcomes sind noch unklar

Schrittmacherprobleme in der Praxis – Beispiele oder wie smart sind Schrittmacher


Arrhythmie wegen ventrikulärer Unterbewertung, Überbewertung des Diaphragma-Myopotentials, elektromagnetische Interferenz, und überschätzte Langlebigkeit der Batterien sind Gründe für Probleme mit Schrittmachern, so Frau Dr. Anna Lam, Hirslanden Klinik, Zürich. Die Kontrolle vor der MRI-Untersuchung, ventrikuläre Leitungsimpedanz, Feststellung einer hohen ventrikulären Rate der Umkehrung des ventrikulären Rauschens . Unterscheidung von Artefakten Leitungsfehler: unregelmäßige Morphologie und hohe Amplitude (Kanalsättigung), nur auf einem einzigen EGM-Kanal, kann durch Manipulationen an der Tasche ausgelöst werden (extrathorakale Leitungsfraktur), plötzliche Änderung der Impedanzsensierung, Schwellenwert (oder stabil!). Elektromagnetische Interferenzen: in der Regel repetitiv und mit hoher Frequenz (50 oder 60 Hz), gleichzeitig auf allen Kanälen sichtbar. Myopotentiale: Crescendo/Decrescendo-Amplitude reproduziert durch provokative Manöver.

Leitungsbruch: Jedes Gerät kann betroffen sein, die klinische Präsentation variiert, die elektrischen Parameter können normal sein, Geräte-spezifische Merkmale verbessern die frühzeitige Erkennung von Elektrodenversagen und verringern unangemessene Schocks im Falle von ICD.
Die Elektrode des implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) ist die anfälligste Komponente des ICD-Systems. Trotz fortschrittlicher Konstruktion, ausgefeilter Fertigungstechniken und umfangreicher Tests auf dem Prüfstand sowie in präklinischen und klinischen Studien bleibt das Versagen der Elektroden die Achillesferse des ICD-Systems. ICD-Leitungsfehler hat ein breites Spektrum an nachteiligen Folgen, die von intermittierenden unangemessenen Stimulationen bis hin zu Proarrhythmie reichen und zur Sterblichkeit des Patienten führen. Leitungsfehler bei ICDs werden oft im Zusammenhang mit Konstruktions- oder Konstruktionsfehlern betrachtet, sind aber eher im Kontext der begrenzten Lebensdauer einer mechanischen Komponente zu sehen, die in einer chemisch belastenden Umgebung platziert und kontinuierlichen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist.

AV-Knotenablation – Pro’s und Con’s

Das Vorhofflimmern ist die häufigste kardiale Arrhythmie. Seine Inzidenz nimmt durch fortschreitendes Altern der Bevölkerung und Komorbiditäten zu. Es ist ein konplexes Krankheitsbild, welches verschiedene Optionen und ganzheitliches und multidisziplinares Management verlangt. Vorhofflimmern ist assoziiert mit all-cause-Mortalität, long-term stroke risk, Herzinsuffizienz und verminderter Lebensqualität. Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern sind eng miteinander verbunden. Beide können sowohl Ursache als auch Folgen des jeweils anderen sein. Sie teilen gemeinsame Risikofaktoren, stellte Frau Dr. Eva Bühlmann, Zürich, fest.

Die unkontrollierte Herzfrequenz bei Tachykardiomyopathie kann zu schwerer systolischer Dysfunktion und Herzinsuffizienz führen. Die Prävalenz der Tachykardiomyopathie beträgt 4%-8% bei Patienten mit Vorhofflimmern/- Flattern, 10%-59% bei Patienten mit atrialer Tachykardie und 5%-7% bei idiopathischer PVC/VT.

Die ESC Guidelines von 2020 empfehlen eine Antikoagulation zur Vermeidung von Stroke, eine bessere Symptomkontrolle und die Kontrolle von kardiovaskulären Risikofaktoren und begleitenden Krankheiten.

Bessere Symptomkontrolle:

  • Frequenzkontrolle (Betablocker, Non-Dihydropyridin Calciumkanalblocker, AV.Knotenablation
  • Rhythmuskontrolle (EKV, Antiarrhythmika, Ablation

Pace and Ablate

Indikation gemäss den 2020 ESC Guidelines: Die atrioventrikuläre Ablation sollte zur Kontrolle der Herzfrequenz bei Patienten in Betracht gezogen werden, die auf eine intensive Frequenz- und Rhythmuskontrolle nicht ansprechen oder diese nicht vertragen und für eine Rhythmuskontrolle durch Ablation nicht in Frage kommen, wobei in Kauf genommen wird, dass diese Patienten schrittmacherabhängig werden (IIb/B).

Die meisten Studien wurden mit älteren Patienten mit limitierter Lebenserwartung durchgeführt. In jüngeren Patienten sollte die AV-Knoten-Ablation nur dann durchgeführt werden, wenn alle pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Optionen sorgfältig evaluiert wurden.

PRO

Gute Frequenzkontrolle, hohe Rate an biventrikulärem Pacing bei Patienten mit CRT (Indikation).

Verbesserung der LVEF bei Patienten mit reversible Tachykardiopathie und bei Patienten mit CRT bei Erhöhung biv Pacing.

KONTRA

Intraventrikuläre Dyssynchronie, RV-pacing-induzierte Kardio­pathie, ca. 20% wenn >20% RV-pacing nach 5 Jahren

Wahl der Pacingmodalität vor geplanter AV-Knotenablation:

PM mit RV-pacing
-bei Patienten mit HFpEF (IIa/B)
CRT
– bei Patienten mit HFrEF (I/B)
– bei Patienten mit HFrEF mit höhergradigen AV-Block (IA)
Unabhängig von der NYHA-Klasse, inkl. Patienten
mit Vorhofflimmern
3 randomisierte Studien: BLOCK HF, 691 Pat. MOST
– bei Patienten mit HFmrEF (IIa/C)
HBP/CSP
-bei Patienten mit HFrEF oder HFmrEF (IIb)
CRT-upgrade
– bei Patienten mit RV-Pacinganteil >20% und LVEF <35% trotz OMT (IIa/B)

Die APAF-CRT-Studie

Die Ablation in Kombination mit einer kardialen Resynchronisationstherapie ist der pharmakologischen Frequenzkontrolle überlegen, wenn es darum geht, die Sterblichkeit bei Patienten mit schwerem symptomatischem permanentem Vorhofflimmern und engem QRS zu verringern.

Take Home Message

AV-Knotenablation ist eine effektive Behandlung zur Frequenzkontrolle, zur Palliation bzw. wenn die Rhythmus- oder medikamentöse Frequenzkontrolle nicht (mehr) möglich ist.
Marker für schlechte Prognose nach Ablate-and pace sind nicht eindeutig.
Frühzeitig «physiologische Pacingmodalitätrn wie biventrikuläres Pacing (CRT) oder ConductionsSystemPacing (CSP) erwägen.
Patienten werden PM-abhängig und somit anfällig für RV-pacing-induzierte Dyssynchronie. Cave PM-Dysfunktion und Infektion.
Bei CRT-Implantierten mit biventrikulärem Pacinganteil <90%-95%.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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  • Vol. 13
  • Ausgabe 4
  • Juni 2023