Wissen aktuell

Highlights Gastrointestinale Tumore

ASCO GI und ASCO 2019



Das primum movens und die vis a tergo dieser exzellenten, enorm edukativen Veranstaltungen war und ist Dr. Daniel Helbling. Fast zeitgleich zu den Referaten in San Francisco (ASCO GI) und Chicago (ASCO) konnten wir die Präsentationen ohne jeglichen Jet lag, Flugscham und Immigrationsschikanen geniessen. Verschiedene Referenten berichteten zudem live aus den USA und lieferten uns zusätzlich wertvolle Information.
Der folgende Artikel resümiert eine (subjektive!) Selektion relevanter Highlights im Bereiche der gastrointestinalen Onkologie vom ASCO GI und ASCO 2019.

Hepatozelluläres Karzinom:

SURF Trial:

Immer wieder wird an den gastrointestinalen Tumorboards heftig diskutiert, ob ein kleines, singuläres hepatozelluläres Karzinom (HCC) einer chirurgischen Entfernung bedarf, oder aber ob man dieses – mit unvergleichbar kleinerem Aufwand bezüglich Morbidität und Kosten – Radiofrequenz (RFA) abladieren soll. Diese Frage ist mit ASCO 2019 und dem SURF Trial (1) nun geklärt. In dieser asiatischen, prospektiv-randomisierten Studie wurden 293 Patienten mit maximal 3 HCC Herden von maximal je 3 cm Grösse 1:1 randomisiert zu Resektion versus RFA. Beim 3-Jahres rezidivfreien Überleben fand sich weder ein statistisch signifikanter noch klinisch relevanter Unterschied (3-year DFS: 49.8% vs 47.7%, HR: 0.96, p = 0.793). Für mich ist die Studie «practise-changing»: In der Tat sollten Patienten, welche sich speziell für eine RFA eignen (singuläres HCC, zentral gelegen, schlechte Leberfunktion) von nun an nicht mehr operiert, sondern wenn immer möglich perkutan abladiert werden. Für Patienten mit peripher gelegenen HCC oder HCC in der Nähe grosser Gefässe (cave: heat-sink effect!) ist für mich die Chirurgie nach wie vor die Therapie der Wahl, da die RFA in diesem Setting mit schlechteren Outcomes vergesellschaftet ist.

Cholangiokarzinom:

ABC-06 Trial:

Metastasierte Cholangio- oder Gallenblasenkarzinome haben eine äusserst schlechte Prognose. Die Standard Erstlinien-Therapie ist eine Kombination von Gemcitabine und Cisplatin basierend auf der ABC-02 Studie. Eine etablierte Zweitlinientherapie gab es bislang keine. Nun wurden aber Daten der UK-basierten ABC-06 Studie (2) am ASCO präsentiert. In dieser – für das UK typisch – pragmatischen Studie, wurden Patienten mit fortgeschrittenem biliären Karzinomen eingeschlossen, welche unter Cisplatin/Gemcitinabine progredient waren. Die Patienten (n=162) wurden zu FOLFOX und aktiver Symptomkontrolle versus alleiniger aktiver Symptomkontrolle randomisiert. Das Gesamtüberleben war im FOLFOX Arm signifikant besser (HR: 0.60, p = 0.031), insbesondere war das Gesamtüberleben nach 12- Monaten mit 25.9% versus nur 11.4% im FOLFOX Arm mehr als doppelt so hoch. Aufgrund dieser Daten ist FOLFOX nun die Standard-Zweitlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenen biliären Karzinomen.

ROAR Studie:

In der am ASCO GI 2019 in San Francisco präsentierten ROAR Basket Kohorten Studie wurden 35 Patienten mit fortgeschrittenen Gallenwegskarzinomen und nachgewiesener klassischer BRAF V600E Mutation mit Dabrafenib und Trametinib therapiert (3). Diese Kombination kommt bereits bei Patienten mit BRAF mutiertem Melanom zur Anwendung, ebenso beim BRAF mutierten fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Bronchuskarzinom. Die Patienten in dieser Kohortenstudie waren stark vortherapiert, alle Patienten waren progredient unter einer Gemcitabine-basierten Chemotherapie, 80% der Patienten hatten sogar 2 oder mehr vorausgegangene Systemtherapielinien. Trotzdem war die Ansprechrate mit 42% erstaunlich hoch. Zudem fand sich ein progressionsfreies Überleben unter Dabrafenib/Trametinib von 9.2 Monaten und ein medianes Gesamtüberleben von 11.7 Monaten, was für eine prognostisch ungünstige Tumorentität wie dem metastasierten Cholangiokarzinom erstaunlich lang ist. Somit ist es eminent wichtig, Patienten mit fortgeschrittenem Cholangiokarzinom systematisch auf die klassische BRAF V600E Mutation zu testen. Bei Vorliegen dieser Mutation sollte versucht werden, Dabrafenib/Trametinib (beide natürlich off-label beim Cholangiokarzinom) über die Krankenkasse oder Pharmafirma zu erhalten.

Pankreaskarzinom:

POLO Trial:

PARP-Inhibitoren hemmen das Enzyms Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP), welches zur Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen erforderlich ist. PARP Inhibitoren verunmöglichen somit die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen und resultieren in DNA-Doppelstrangbrüchen.
Bei Patienten mit fehlender BRCA-Mutation können DNA-Doppelstrangbrüche über andere Mechanismen (z. B. homologe Rekombination) repariert werden, selbst in der Präsenz eines PARP-Inhibitors. Im Gegensatz dazu ist die Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen bei BRCA-mutierten Patienten in der Regel nicht über andere Mechanismen möglich, was in einer Akkumulation von DNA-Doppelstrangbrüchen und Apoptose der Tumorzellen resultiert. Die BRCA-Mutation ist somit mit einer erhöhten Wirksamkeit für PARP Inhibitoren vergesellschaftet.
PARP Inhibitoren haben sich bereits bei anderen Erkrankungen, z. B. dem BRCA mutierten fortgeschrittenen Ovarialkarzinom (SOLO-1 Trial, (4)) etabliert und gehören dort zur Standard Maintenancetherapie. Mit dem ASCO 2019 haben die PARP Inhibitoren nun auch bei den GI-Karzinomen Einzug gefunden. Der Effort für die Durchführung der POLO prospektiv-randomisierten Multizenterstudie (5) ist bemerkenswert: Insgesamt wurde über 3 300 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom auf BRCA1 oder BRCA2 Keimbahnmutationen gescreent. Bei 7.5% aller Patienten (einer Number needed to screen von gut 13 entsprechend!) fand sich eine Mutation, 154 Patienten wurden schlussendlich in die Studie eingeschlossen. Die Patienten mussten unter einer mindestens 16 Wochen dauernden Platinbasierten Erstlinientherapie eine stabile Krankheitssituation aufweisen oder ansprechen und wurden anschliessend 3:2 randomisert zu Olaparib 300 mg 2 x/die versus Placebo. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, welches statistisch signifikant und klinisch relevant besser war im Olaparib Arm (medianes PFS: 7.4 versus 3.8 Monate, HR 0.53, p = 0.004). Das progressionsfreie Überleben bei 6 Monaten (53% vs 23%) und bei 12 Monaten (34% versus 15%) war mehr als doppelt so hoch im Verum Arm. Bezüglich Gesamtüberleben fand sich in einer für diesen Endpunkt durchgeführten noch prämaturen Interims-Analyse kein signifikanter Benefit (medianes OS 18.9 Monate versus 18.1 Monate), die relativ tiefe crossover Rate von Patienten im Placebo-Arm zu Olaparib (14%) erklärt dies nicht. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier um eine klar positive Studie und die Investigatoren empfehlen, Patienten mit metastasiertem Pankreasadenokarzinom systemtatisch auf BRCA-Mutationen zu screenen. Olaparib sollte meines Erachtens eine mögliche Therapieoption sein bei Patienten mit BRCA-mutiertem, metastasierten Pankreaskar-zinom. Diese Empfehlung wurde bereits auch in die neusten NCCN Guidelines (2019.Version 2) übernommen (6).

APACT Trial:

Mit grosser Spannung wurde die APACT Studie (7) erwartet, welche von Prof. Margaret Tempero, einer der zweifelsohne bekanntesten Expertinnen beim Pankreaskarzinom, präsentiert wurde. In dieser prospektivrandomisierten Multizenterstudie wurden bei 866 Patienten nach Pankreasadenokarzinomresektion die adjuvnate Therapie mit Gemcitabine (bei der Planung der Studie entsprach dies noch der Standard Behandlung) versus Gemcitabine in Kombination mit nab-paclitaxel verglichen. Diese Chemotherapie-Kombination ist bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom bereits eine etablierte Erstlinientherapie. Der primäre Endpunkt war das rezidivfreie Überleben beurteilt durch ein unabhängiges Review Komitee. Dieser primäre Endpunkt war negativ und mit 19.4 Monaten versus 18.8 Monaten nicht statistisch signifikant unterschiedlich (HR 0.88, p = 0.1824). Das durch die Investigatoren beurteilte rezidivfreie Überleben (16.6 Monate versus 13.7 Monate, HR 0.82, p = 0.0168) wie auch das Gesamtüberleben waren allerdings besser im Kombinations-Chemotherapiearm (40.5 versus 36.2 Monaten, HR 0.82, p = 0.045). Obwohl «crosstrial comparisons» bekannterweise nicht zulässig sind und zu den Todsünden der Statistik gehören, ist doch das Gesamtüberleben von Gemcitabine/nabpaclitaxel deutlich schlechter als in der neulich im New England Journal of Medicine von Conroy et al. publizierten PRODIGE-24 Studie (8). In dieser fand sich ein medianes Gesamtüberleben von 54 Monate in der Gruppe, welche adjuvant mit dem modifizierten FOLFIRINOX Schema therapiert wurde. Für mich bleibt somit das modifizierte FOLFIRINOX Schema die Standard adjuvante Therapie bei fitten Patienten nach Pankreaskarzinomresektion, bei «FOLFIRINOX-ineligible» Patienten kommt am ehesten die Kombination von Gemcitabine und Capecitabine (basierend auf der ESPAC-4 Studie) in Frage. Welche Rolle die Kombination von Gemcitabine und nab-Paclitaxel in der adjuvanten Situation spielen wird, ist aktuell unklar, wird aber vom rezidivfreien und Gesamtüberleben mit längerem follow-up abhängen.
In diesem Kontext muss allerdings erwähnt werden, dass momentan viele Studien durchgeführt werden, welche die neoadjuvante Chemotherapie beim primär resektablen Pankreaskarzinom untersuchen. Das neoadjuvante oder perioperative Therapiekonzept – welches ja bereits beim Oesophaguskarzinom, beim Magenkarzinom und beim Rektumkarzinom etabliert ist – macht speziell beim Pankreaskarzinom Sinn, da dieses bekannterweise sehr früh metastasiert: In der Tat zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass bei Primärtumoren von 2 cm Grösse bereits 70% der Patienten Fernmetastasen haben, bei Pankreaskarzinomen von 4 cm ist dies in nahezu 100% der Patienten der Fall (9). Das Pankreaskarzinom ist also von Beginn weg eine systemische Erkrankung, und deshalb ist es intuitiv, so früh wie möglich den betroffenen Patienten eine Systemtherapie zu verabreichen.

Prep-02/JSAP-05 Trial:

In einer am ASCO GI-Symposium im Januar 2019 in San Francisco präsentierten, asiatischen Studie, wurden 364 Patienten mit primär resektablem Pankreaskarzinom randomisiert zu einer perioperativen Chemotherapie mit Gemcitabine in Kombination mit S1 versus direkte Operation und adjuvante Chemotherapie mit demselben Chemotherapie-Regime. Interessanterweise fand sich ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Überlebensvorteil von 10 Monaten (36.7 versus 26.6 Monate, HR 0.72, p = 0.015) zugunsten der perioperativen Chemotherapie (10). Ich bin zuversichtlich, dass verschiedene, aktuell laufende prospektiv-randomiserte Studien den Benefit der neoadjuvanten Chemotherapie beim resesektablen Pankreaskarzinom auch in unseren Breitengraden demonstrieren werden.

Fazit:

Zusammenfassend waren auch das 4. «ASCO GI in the Mountains» auf dem Uetliberg und das 6. «Chicago in the Mountains» im Flüeli-Ranft ein voller Erfolg! Nebst dem intensiven Debattieren über cutting-edge Therapien und neue Erkenntnisse bei Patienten mit gastrointestinalen Karzinomen genossen wir auch die wunderbare Umgebung, kulinarische Höhenflüge wie auch das gemütliche Beisammensein. An dieser Stelle möchte ich es nicht unterlassen, meinem geschätzten Kollegen, Dr. Daniel Helbling, für sein enormes Engagement für ASCO GI und Chicago in the Mountains ein grosses, spezielles Dankeschön zukommen zu lassen!

Prof. Dr. med. Ulrich Güller

MHS, FEBS, Stv. Chefarzt
Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Kantonsspital St. Gallen

Ulrich.Gueller@kssg.ch

1. Izumi N, et al. A multicenter randomized controlled trial to evaluate the efficacy of surgery vs. radiofrequency ablation for small hepatocellular carcinoma (SURF trial). J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 4002).
2. Lamarca A, et al. ABC-06 | A randomised phase III, multi-centre, open-label study of Active Symptom Control (ASC) alone or ASC with oxaliplatin / 5-FU chemotherapy (ASC+mFOLFOX) for patients with locally advanced / metastatic biliary tract cancers (ABC) previously-treated with cisplatin/gemcitabine (CisGem) chemotherapy. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 4003).
3. Wainberg ZA, et al. Efficacy and safety of dabrafenib and trametinib in patients with BRAF V600E-mutated biliary tract cancer: A cohort of the ROAR basket trial J Clin Oncol 2019;37(Suppl):Abstr 187.
4. Moore K, et al.: Maintenance olaparib in patients with newly diagnosed advanced ovarian cancer (SOLO-1). N Engl J Med 2018; 379(26): 2495-2505.
5. Golon T, et al. Maintenance olaparib for germline BRCA-mutated metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med. 2019 Jun 2. doi: 10.1056/NEJMoa1903387.
6. NCCN Guidelines Pancreatic Adenocarcinoma 2019; Version 2. https://www.nccn.org/professionals/physician_gls/pdf/pancreatic.pdf (accessed June 16th, 2019).
7. Tempero M, et al. APACT: phase III, multicenter, international, open-label, randomized trial of adjuvant nab-paclitaxel plus gemcitabine vs gemcitabine for surgically resected pancreatic adenocarcinoma. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 4000).
8. Conroy T, et al.: FOLFIRINOX or Gemcitabine as Adjuvant Therapy for Pancreatic Cancer (PRODIGE). N Engl J Med 2018; 379(25): 2395-2406.
9. Haeno H, et al. Computational modelling of pancreatic cancer reveals kinetics of metastatis suggesting optimum treatment strategies. Cell 148, 362–375, 2012.
10. Unno M, et al.: Randomized phase II/III trial of neoadjuvant chemotherapy with gemcitabine and S-1 versus upfront surgery for resectable pancreatic cancer (Prep-02/JSAP-05). J Clin Oncol 2019; 37(suppl 4): abs 189.

info@onco-suisse

  • Vol. 9
  • Ausgabe 3
  • Juni 2019