Journal Watch

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie



Bewertung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von PET-gesteuertem BrECADD gegenüber eBEACOPP beim klassischen Hodgkin-Lymphom im fortgeschrittenen Stadium (HD21)

Hintergrund
Eine intensivierte systemische Chemotherapie hat die höchste Heilungsrate beim klassischen Hodgkin-Lymphom (cHL) im fortgeschrittenen Stadium, doch kann dies mit dem Preis schwerer und möglicherweise lebenslang anhaltender Toxizitäten einhergehen. Mit dem neuen Regime aus Brentuximab Vedotin, Etoposid, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Dacarbazin und Dexamethason (BrECADD) sollte das Nutzen-Risiko-Verhältnis der cHL-Behandlung im fortgeschrittenen Stadium – gesteuert mit einer PET-CT Untersuchung nach zwei Zyklen – verbessert werden.

Methoden
Diese randomisierte, multizentrische, parallele, offene Phase-3-Studie wurde in 233 Prüfzentren in neun Ländern an Erwachsenen im Alter von ≤60 Jahren mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenen cHL (d.h. Ann-Arbor-Stadium III/IV, Stadium II mit B-Symptomen und entweder einem oder beiden Risikofaktoren – grosse mediastinale Masse und extranodale Läsionen) durchgeführt. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip (1:1) vier oder sechs Zyklen Etoposid (200 mg/m² intravenös an den Tagen 1-3), Doxorubicin (35 mg/m² intravenös an Tag 1) und Cyclophosphamid (1250 mg/m² intravenös an Tag 1), sowie Standarddosen von Bleomycin (10 mg/m² intravenös an Tag 8), Vincristin (1∙4 mg/m² intravenös an Tag 8), Procarbazin (100 mg/m² oral an den Tagen 1-7), und Prednison (40 mg/m² oral an den Tagen 1-14; eBEACOPP) oder dem BrECADD Regime gesteuert durch eine PET-CT Untersuchung nach zwei Zyklen zugeteilt. Hierarchische koprimäre Endpunkte waren: 1. Der Nachweis einer verbesserten Verträglichkeit, und 2. eine nicht unterlegene Wirksamkeit, definiert durch das Progressions-freie Überleben (PFS) mit einer absoluten Nichtunterlegenheitsmarge von 6 Prozent für BrECADD im Vergleich zu eBEACOPP. Ein zusätzlicher Test auf Überlegenheit beim PFS sollte durchgeführt werden, wenn die Nichtunterlegenheit festgestellt worden war.

Ergebnisse
Zwischen Juli 2016 und August 2020 wurden 1500 Patienten eingeschlossen, von denen 749 nach dem Zufallsprinzip BrECADD oder 751 eBEACOPP erhielten. 1482 Patienten wurden in die Intention-to-Treat-Analyse einbezogen. Das mediane Alter der Patienten lag bei 31 Jahren. 838 (56%) der 1482 Patienten waren männlich und 644 (44%) weiblich. Die behandlungsbedingte Morbidität war bei BrECADD deutlich geringer (312 [42%] von 738 Patienten) als mit eBEACOPP (430 [59%] von 732 Patienten; p<0,0001). Bei einem medianen Follow-up von 48 Monaten verbesserte BrECADD das PFS mit einer Hazard Ratio von 0,66 (p=0,035); das geschätzte progressionsfreie 4-Jahres-Überleben betrug 94,3% für BrECADD und 90,9% für eBEACOPP. Die 4-Jahres-Gesamtüberlebensraten lagen bei 98,6% bzw. 98,2%.

Schlussfolgerung
Die PET-gesteuerte Behandlung mit BrECADD nach zwei Zyklen ist besser verträglich und wirksamer als eBEACOPP in der Erstlinienbehandlung von erwachsenen cHL-Patienten im fortgeschrittenen Stadium.

Literatur
Peter Borchmann et al., Lancet. 2024;404(10450):341-352. doi: 10.1016/S0140-6736(24)01315-1.

Studie
Diese Studie wurde bei ClinicalTrials.gov registriert (NCT02661503) und von Takeda Oncology finanziert.

Nivolumab+AVD beim klassischen Hodgkin-Lymphom im fortgeschrittenen Stadium

Hintergrund
Die Einbeziehung von Brentuximab Vedotin in die Behandlung des klassischen Hodgkin-Lymphoms (cHL) im fortgeschrittenen Stadium verbessert die Ergebnisse bei erwachsenen und pädiatrischen Patienten. Allerdings erhöht Brentuximab Vedotin die toxische Wirkung der Behandlung bei Erwachsenen. Zudem müssen mehr als die Hälfte der behandelten Kinder sich nach der Systemtherapie noch einer konsolidierenden Bestrahlung unterziehen und die Behandlung im Rückfall bleibt eine Herausforderung, auch wenn die Therapie mit PD1-blockierenden Antikörpern eine hohe Wirksamkeit in dieser Situation aufweist. Der Stellenwert einer PD1-blockierenden Antikörpertherapie in der Erstlinientherapie von cHL ist bisher nur in kleinen Kollektiven mit hoffnungsvollen Ergebnissen geprüft worden.

Methoden
Die Studie beruht auf einer multizentrischen, offenen, randomisierten Phase-3-Studie mit Patienten im Alter von mindestens 12 Jahren mit neu diagnostiziertem cHL im Stadium III oder IV. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip entweder Brentuximab Vedotin mit Doxorubicin, Vinblastin und Dacarbazin (BV+AVD) oder Nivolumab mit Doxorubicin, Vinblastin und Dacarbazin (N+AVD) zugeteilt. Vorab festgelegte Patienten konnten eine Strahlentherapie erhalten, die auf verbleibende stoffwechselaktive Läsionen gerichtet war. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), definiert als die Zeit von der Randomisierung bis zur ersten Beobachtung eines Fortschreitens der Erkrankung oder des Todes aus beliebiger Ursache.

Ergebnisse
Von 994 randomisierten Patienten wurden 970 in die Intention-to-treat-Population für die Wirksamkeitsanalysen aufgenommen. Bei der zweiten geplanten Zwischenanalyse mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 12,1 Monaten wurde der Schwellenwert für die Wirksamkeit überschritten, was darauf hindeutet, dass N+AVD das PFS im Vergleich zu BV+AVD signifikant verbessert (zweiseitiges p = 0,001). Aufgrund der kurzen Nachbeobachtungszeit wurde die Analyse mit einer längeren Nachbeobachtungszeit wiederholt und bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,1 Jahren betrug das 2-Jahres-PFS 92% für N+AVD im Vergleich zu 83% für BV+AVD. Insgesamt erhielten 7 Patienten eine Strahlentherapie. Immunbedingte Nebenwirkungen traten bei Nivolumab selten auf; bei Brentuximab Vedotin kam es häufiger zu Behandlungsabbrüchen.

Schlussfolgerung
N+AVD führt bei Jugendlichen und Erwachsenen mit cHL-Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium III oder IV zu einem längeren PFS als BV+AVD und hat ein besseres Nebenwirkungsprofil.

Literatur
Herrera AF et al., N Engl J Med 2024;391:1379-89. DOI: 10.1056/NEJMoa2405888

Studie
Diese Studie wurde bei ClinicalTrials.gov unter NCT03907488 registriert und durch das National Cancer Institute der National Institutes of Health und andere finanziert.

Risiko für das Auftreten von Melanomen bei Personen mit monoklonaler B-Zell-Lymphozytose

Hintergrund
Eine monoklonale B-Zell-Lymphozytose (MBL) vom Phänotyp einer Chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) ist eine prämaligne Erkrankung, die etwa 500-mal häufiger als eine CLL auftritt. Es ist nicht bekannt, ob das mit einer CLL assoziierte zweifach erhöhte Risiko, an einem Melanom zu erkranken, auch für MBL-Personen gilt.

Methoden
Mit Hilfe der Mayo Clinic Biobank wurden Teilnehmer 40 Jahre oder älter identifiziert, die keine früheren hämatologischen Malignome aufwiesen, in den 27 Bezirken um die Mayo Clinic wohnten und über verfügbare Bioproben für das Screening verfügten. Eine Acht-Farben-Durchflusszytometrie wurde für das MBL-Screening verwendet. Personen mit MBL wurden auf der Grundlage des prozentualen Anteils an klonalen B-Zellen als MBL mit geringer (LC-MBL) oder mit hoher Leukozyten-/Lymphozytenzahl (High-Count-MBL) klassifiziert. Auftretende Melanome wurden anhand von International Classification of Diseases-Codes identifiziert und durch Überprüfung der Krankenakten bestätigt.

Ergebnisse
Von den 7334 untersuchten Teilnehmern wurden 1151 mit einer CD5-positiven MBL bzw. 1098 mit einer LC-MBL identifiziert. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren entwickelten 131 Teilnehmer ein Melanom, von denen 36 Personen MBL-positiv waren. Die geschätzte kumulative 5-Jahres-Inzidenz von Melanomen betrug 3,4% bei den Teilnehmern mit MBL und 2,0% bei den Teilnehmern ohne MBL. Nach Anpassung von Alter, Geschlecht und Melanomvorgeschichte wiesen Personen mit MBL ein 1,86-faches (95% CI, 1,25 bis 2,78) Melanomrisiko auf. Dieses erhöhte Risiko blieb auch bestehen, als die Analyse auf Personen ohne Melanom in der Vorgeschichte beschränkt wurde (HR, 2,05 [95% CI, 1,30 bis 3,23]). Personen mit LC-MBL hatten ein 1,92-fach (95% CI, 1,29 bis 2,87) erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Melanoms insgesamt und ein 2,74-fach (95% CI, 1,50 bis 5,03) erhöhtes Risiko für ein Melanom in situ im Vergleich zu Personen ohne MBL.

Schlussfolgerung
Der Nachweis einer LC-MBL ist mit einem etwa zweifach erhöhten Risiko für ein Melanom insgesamt und einem 2,74-fach erhöhten Risiko für ein Melanom in situ verbunden.

Literatur
Vallejo BA et al., J Clin Oncol. 2024. doi: 10.1200/JCO.24.00332.

Studie
Für diese Studie wurden die Ressourcen des Rochester Epidemiology Project (REP) genutzt, das vom National Institute on Aging (NIA; AG 058738) unterstützt wird.

Prof. Dr. med. Christoph Renner

Onkozentrum Hirslanden Zürich und Onkozentrum Zürich
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Christoph.renner@hirslanden.ch

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  • Vol. 14
  • Ausgabe 8
  • Dezember 2024