Journal Watch

Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren



Mepitelfilm zur Prävention von akuter Strahlendermatitis bei Brustkrebs:
Eine randomisierte multizentrische offene Phase-III-Studie

Quelle: Behroozian T et al. Mepitel film for the prevention of acute radiation dermatitis in breast cancer: a randomized multicenter open-label phase III study. J Clin Oncol 2022, doi:10.1200/JCO.22.01873, Online ahead of print

Strahlendermatitis (RD) tritt häufig bei Patientinnen auf, die sich einer Bruststrahlentherapie unterziehen. Mepitelfilm (MF) kann RD reduzieren, aber die Ergebnisse von zwei randomisierten kontrollierten Studien sind widersprüchlich. Das Ziel war es, eine bestätigende randomisierte kontrollierte Studie bei Patientinnen mit RD-Risiko durchzuführen.

Methodik

Die Patientinnen wurden nach dem Zufallsprinzip MF oder Standardversorgung zugeteilt (Verhältnis 2:1). Patientinnen mit grossen Brüsten nach Lumpektomie (BH-Grösse ≥ 36 Zoll oder Körbchengrösse ≥ C) oder nach Mastektomie waren berechtigt. Zu den Stratifizierungsfaktoren gehörten die Art der Operation, die Dosisfraktionierung und die Verabreichung von Boost/Bolus. Der primäre Endpunkt war Grad (G) 2 oder 3 RD unter Verwendung der Common Terminology Criteria for Adverse Events v5.0. Sekundäre Endpunkte waren von Patienten und Ärzten berichtete Ergebnisse.

Resultate

Zwischen Januar 2020 und Mai 2022 wurden 376 Patientinnen in die modifizierte Intention-to-Treat-Analyse eingeschlossen. Die Inzidenz von G2 oder 3 RD war bei MF-Patientinnen im Vergleich zur Standardversorgung signifikant niedriger (n=39/251, 15,5%; 95% CI, 11,3 bis 20,6% v n=57/125, 45,6%; 95% CI, 36,7 bis 54,8%, Odds Ratio (OR): 0,20, P < 0,0001). Der Nutzen der MF blieb signifikant bei Patientinnen, die G3 RD (n=7, 2,8%; 95% CI, 1,1 bis 5,7% v n=17, 13,6%; 95% CI, 8,1 bis 20,9%, OR: 0,19) und feuchte Desquamation (n=20, 8,0%; 95% CI, 4,9 bis 12,0% v n=24, 19,2%; 95% CI, 12,7 bis 27,1%, OR: 0,36) entwickelten. Bei der Bewertung des kombinierten Patientinnen- und Gesundheitsdienstleister-Scores anhand der Radiation-Induced Skin Reaction Assessment Scale hatte der MF-Arm signifikant niedrigere Werte (P < 0,0001). Gemäss berichteten Ergebnissen von Patientinnen und von Ärzten wurde der MF auch bei einzelnen Items der Radiation-Induced Skin Reaction Assessment Scale bevorzugt. Blasenbildung/Peeling, Erythem, Pigmentierung und Ödeme waren im MF-Arm signifikant reduziert. Drei Patientinnen entfernten den Film vorzeitig wegen Hautausschlag (n=2) und übermässigem Pruritus (n=1).

Schlussfolgerung

MF reduziert signifikant RD bei Patientinnen, die sich einer Bruststrahlentherapie unterziehen.

Kommentar

Diese wirksame Massnahme kann vor allem bei Frauen mit grosser Brust, eine bekannte Risikokonstellation für Radiodermatitis, an kritischen Stellen (Umschlagfalte, tangentiale Hautbestrahlung z.B. im axillären Ausläufer) hilfreich sein. Wirksam und billig, wo gibt es das noch in der Krebsmedizin?

Erste Phase-I-Studie am Menschen mit Milademetan, einem MDM2-Inhibitor, bei Patienten mit fortgeschrittenem Liposarkom, soliden Tumoren oder Lymphomen

Quelle: Gounder MM et al. A First-in-Human Phase I Study of Milademetan, an MDM2 Inhibitor, in Patients With Advanced Liposarcoma, Solid Tumors, or Lymphomas. Journal of Clinical Oncology DOI: 10.1200/JCO.22.01285. Published online January 20, 2023.

Diese Studie untersuchte die Sicherheit, Pharmakokinetik, Pharmakodynamik und vorläufige Wirksamkeit von Milademetan, einem niedermolekularen murinen Doppelminuten-2 (MDM2)-Inhibitor, bei Patienten mit fortgeschrittenem Krebserkrankungen.

Patienten und Methoden

In dieser ersten Phase-I-Studie am Menschen erhielten Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren oder Lymphomen Milademetan oral einmal täglich als erweiterte/kontinuierliche (Tage 1-21 oder 1-28 alle 28 Tage) oder intermittierende (Tage 1-7, oder Tage 1-3 und 15-17 alle 28 Tage). Das primäre Ziel war die Bestimmung der empfohlenen Phase-II-Dosis und -Schema zu ermitteln. Zu den sekundären Zielen gehörte das Ansprechen des Tumors gemäss den Standardbewertungskriterien. Es wurden vordefinierte Analysen nach Tumortyp durchgeführt. Sicherheits- und Wirksamkeitsanalysen umfassten alle Patienten, die Milademetan erhielten.

Resultate

Zwischen Juli 2013 und August 2018 wurden 107 Patienten eingeschlossen und erhielten Milademetan. Die häufigsten arzneimittelbedingten unerwünschten Ereignisse vom Grad 3/4 waren Thrombozytopenie (29,0%), Neutropenie (15,0%) und Anämie (13,1%). Die entsprechenden Raten bei der empfohlenen Dosis und dem empfohlenen Behandlungsschema (260 mg einmal täglich an den Tagen 1-3 und 15-17 alle 28 Tage, d.h. 3/14 Tage) waren 15%, 5% und 0%. Über alle Kohorten hinweg (n=5107) betrug die Krankheitskontrollrate 45,8% (95% CI, 36,1 bis 55,7) und das mediane progressionsfreie Überleben 4,0 Monate (95% KI 3,4 bis 5,7). In der Untergruppe mit dedifferenzierten Liposarkomen lagen die Krankheitskontrollrate und das mediane progressionsfreies Überleben 58,5 % (95 % KI, 44,1 bis 71,9) und 7,2 Monate insgesamt (n=553) und 62,0 % (95 % KI, 35,4 bis 84,7,CI 35,4 bis 84,8) bzw. 7,4 Monate mit dem empfohlenen intermittierenden Schema (n=516).

Schlussfolgerung

Ein intermittierendes Dosierungsschema von 3/14 Tagen Milademetan mildert dosislimitierende hämatologische Anomalien bei gleichbleibender Wirksamkeit. Die bemerkenswerte Aktivität von Milademetan als Einzelwirkstoff bei dedifferenzierten Liposarkomen hat zu einer randomisierten Phase-III-Studie (MANTRA) geführt.

Kommentar

Ein Traum für Onkologen taucht am therapeutischen Horizont auf. TP53 ist der häufigste Resistenzmechanismus bei Krebserkrankungen und weil die Aberrationen einen Verlust der Tumorsuppression bewirken, ist die pharmakologische Therapie ein bisher weitgehend erfolgloses Unterfangen geblieben. TP53 galt als «non-drugable». Ein erster, indirekter Schritt mit dieser First-in-Man-Studie ist jetzt gemacht.

Auch beim zweitmeisten verbreiteten Resistenzmechanismus, Aberrationen des RAS (meist K-RAS) Gens, sind lang ersehnte und erstaunliche Fortschritte gemacht worden, die bereits in die Klinik angekommen sind. Wir leben in einer spannenden Zeit.

Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der bildgebenden Überwachung und den Ergebnissen nach einer chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs im Frühstadium

Quelle: Heiden BT et al. Association between imaging surveillance frequency and outcomes following surgical treatment of early-stage lung cancer. J J Natl Cancer Inst 2022 Nov 29;djac208. doi: 10.1093/jnci/djac208. Online ahead of print

Jüngste Studien deuten darauf hin, dass häufigere postoperative Überwachungsaufnahmen mittels Computertomographie nach einer Lungenkrebsresektion die Ergebnisse nicht verbessern. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde versucht, diese Ergebnisse anhand eines einmalig zusammengestellten Datensatzes der Veterans Health Administration, dem grössten integrierten Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten, zu überprüfen.

Methoden

Die Autoren führten eine retrospektive Kohortenstudie von Veteranen mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs im pathologischen Stadium I durch, die sich einer Operation unterzogen hatten (2006-2016). Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen der Überwachungshäufigkeit (Computertomographie der Brust innerhalb von 2 Jahren nach der Operation) und dem rezidivfreien Überleben sowie dem Gesamtüberleben.

Resultate

Von den 6171 Patienten unterzogen sich 3047 (49,4%) und 3124 (50,6%) einer niedrigfrequenten (<2 Scans pro Jahr; alle 6-12 Monate) bzw. hochfrequenten (≥2 Scans pro Jahr; alle 3-6 Monate) Überwachung. Zu den Faktoren, die mit einer hochfrequenten Überwachung assoziiert waren, gehörten: ehemaliger Raucher (vs. aktueller Raucher; bereinigte Odds Ratio (aOR) = 1,18, 95% Konfidenzintervall (CI) = 1,05 bis 1,33), eine Keilresektion (vs. Lobektomie; aOR = 1. 21, 95 % KI = 1,05 bis 1,39) und eine Nachsorge durch einen Onkologen (aOR = 1,58, 95 % KI = 1,42 bis 1,77). Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit (Interquartilbereich) von 7,3 (3,4-12,5) Jahren wurde bei 1360 (22%) Patienten ein Rezidiv festgestellt. Eine hochfrequente Überwachung war nicht mit einem längeren rezidivfreien Überleben (bereinigte Hazard Ratio = 0,93, 95% CI = 0,83 bis 1,04, P = .22) oder Gesamtüberleben (bereinigte Hazard Ratio = 1,04, 95% CI = 0,96 bis 1,12, P = .35) verbunden.

Schlussfolgerungen

Die Autoren stellten fest, dass eine hochfrequente Überwachung die Ergebnisse bei chirurgisch behandeltem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs im Stadium I nicht verbessert. Künftige Leitlinien für die Behandlung von Lungenkrebs sollten weniger häufige bildgebende Überwachungsuntersuchungen bei Patienten mit einer Erkrankung im Stadium I vorsehen.

Kommentar

Ein weiterer Schritt in Deeskalation scheint fällig. Interessant ist, dass der grösste Risikofaktor überflüssige Bildgebungen zu erhalten dadurch bedingt ist, dass der Patient nach Behandlung (im Stadium I) bei einem Onkologen «in Kontrolle» war. Vielleicht spielen hier die (moderaten) aber bis dahin nicht gesehenen Therapiefortschritte in der metastasierten Situation eine Rolle, aber eben: Was ist das Gegenteil von gut….?

Hemikolektomie versus Appendektomie bei Patienten mit appendizitischen neuroendokrinen Tumoren von 1-2cm Grösse

Quelle: Nest C et al. Hemicolectomy versus appendectomy for patients with appendiceal neuroendocrine tumours 1-2 cm in size: a retrospective, Europe-wide, pooled cohort study. Lancet Oncol 2023 Feb;24(2):187-194. doi: 10.1016/S1470-2045(22)00750-1. Epub 2023 Jan 11.

Das Bewusstsein für die mögliche globale Überbehandlung von Patienten mit neuroendokrinen Tumoren der Appendix (ANETs) von 1–2 cm Grösse durch onkologische Resektionen nimmt zu. Doch die Seltenheit dieses Tumors hat bisher klare Empfehlungen verhindert. Das Ziel einer kürzlich publizierten Studie war die Beurteilung des malignen Potenzials von ANETs von 1–2 cm Grösse bei Patienten mit oder ohne rechtsseitige Hemikolektomie.

Methodik

In dieser retrospektiven Kohortenstudie wurden Daten von 40 Krankenhäusern in 15 europäischen Ländern bei Patienten jeden Alters mit einem histopathologisch bestätigten ANET von 1–2 cm Grösse, die eine vollständige Resektion des Primärtumors zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 31. Dezember 2010 hatten, untersucht. Die Patienten hatten entweder nur eine Appendektomie oder eine Appendektomie mit onkologischer rechtsseitiger Hemikolektomie oder ileozökaler Resektion. Vordefinierte primäre Endpunkte waren die Häufigkeit von Fernmetastasen und die tumorbedingte Mortalität. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Häufigkeit regionaler Lymphknotenmetastasen, der Zusammenhang zwischen regionalen Lymphknotenmetastasen und histo­pathologischen Risikofaktoren sowie Gesamtüberleben mit oder ohne rechtsseitige Hemikolektomie. Cox proportionale Hazards Regression wurde verwendet, um das relative Gesamtmortalitätsrisiko mit der rechtsseitigen Hemikolektomie im Vergleich zur Appendektomie allein zu schätzen. Diese Studie ist bei ClinicalTrials.gov, NCT03852693, registriert.

Resultate

Es wurden 282 Patienten mit Verdacht auf Blinddarmtumoren identifiziert, davon wurden 278 mit einem ANET von 1–2 cm Grösse eingeschlossen. 163 (59%) hatten eine Appendektomie und 115 (41%) hatten eine rechtsseitige Hemikolektomie, 110 (40%) waren Männer, 168 (60%) waren Frauen, und das Durchschnittsalter bei der ersten Operation betrug 36,0 Jahre (SD 18,2). Die mediane Nachbeobachtung betrug 13,0 Jahre (IQR 11,0–15,6). Nach zentralisierter histopathologischer Überprüfung wurden die ANETs bei 2 (1%) von 278 Patienten als möglicher oder wahrscheinlicher Primär­tumor mit Peritonealmetastasen und bei 2 (1%) von 278 Patienten mit Fernmetastasen in der Leber eingestuft. Alle Metastasen wurden synchron diagnostiziert, ohne tumorbedingte Todesfälle während des Follow-ups. Regionale Lymphknotenmetastasen wurden bei 22 (20%) von 112 Patienten mit rechtsseitiger Hemikolektomie und verfügbaren Daten gefunden. Auf der Grundlage histopatho­logischer Risikofaktoren schätzten die Autoren, dass 12,8% (95% KI 6,5–21,1) der Patienten, die sich einer Appendektomie unterziehen, wahrscheinlich regionale Restlymphknotenmetastasen hatten. Das Gesamtüberleben war ähnlich zwischen Patienten mit Appendektomie und rechtsseitiger Hemikolektomie (adjustiertes Risiko-Verhältnis 0,88 [95% KI 0,36–2,17]; p=0,71).

Schlussfolgerung

Diese Studie liefert Hinweise darauf, dass eine rechtsseitige Hemikolektomie nach vollständiger Resektion eines ANET von 1–2 cm Grösse durch Appendektomie nicht indiziert ist, dass regionale Lymphknotenmetastasen von ANETs klinisch irrelevant sind, und dass ein zusätzlicher postoperativer Ausschluss von Metastasen und histopathologische Beurteilung von Risikofaktoren durch die hier vorgestellten Ergebnisse nicht unterstützt wird. Diese Ergebnisse sollten in den Konsens der Best-Practice-Richtlinien für diese Pa-tientenkohorte einfliessen.

Kommentar

Die Frage wurde seit Längerem kontrovers diskutiert (auch im Zusammenhang, ob die Lymphknoten immer entfernt werden müssen). Dies ist ein weiteres Beispiel für Deeskalation, auch und gerade in der Krebsmedizin. Und für gute europäische Zusammenarbeit. Bereits bei der Achsel-Lymphknoten­chirurgie des Mammakarzinoms haben wir diese intuitiv schwierig zu akzeptierende Vorgehensweise seit Längerem eingeführt: Die führende US-Chirurgin Monica Morrow sagte dazu: What we had to learn as surgeons is that it is ok to leave tumor behind in the lymphnodes. Natürlich muss jede Deeskalation sorgfältig untersucht werden, bevor diese in die Praxis übernommen wird. Was uns freut: der Support der Swiss Cancer Foundation, der das möglich machte.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

info@onco-suisse

  • Vol. 13
  • Ausgabe 2
  • März 2023