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Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren



Brustkrebsbehandlung ohne Chirurgie?

Quelle: Kuerer H.M. et al. Eliminating breast surgery for invasive breastcancer in exceptional responders to neoadjuvant systemic therapy: a multicentre, single-arm, phase 2 trial. Lancet Oncol 2022 Published Online October 25, 2022 https://doi.org/10.1016/ S1470-2045(22)00613-1.

Die neoadjuvante systemische Therapie (NST) bei dreifach negativem Brustkrebs und HER2-positivem Brustkrebs führt bei etwa 60% der Patientinnen zu einem vollständigen pathologischen Ansprechen auf die NST. Ein vollständiges pathologisches Ansprechen erlaubt eine hervorragende Prognose und kann durch eine perkutane bildgesteuerte vakuumunterstützte Kernbiopsie (VACB) festgestellt werden (wobei allerdings gewisse Kriterien einzuhalten sind).

In einer multizentrischen, einarmigen Phase 2-Studie wurde die alleinige Strahlentherapie ohne Brustchirurgie bei Patientinnen mit triple negativem Brustkrebs oder HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium, die mit NST behandelt wurden und bei denen mit der bildgesteuerten VACB ein pathologisch vollständiges Ansprechen, durchgeführt.

Resultate

50 Patientinnen wurden in die Studie aufgenommen und unterzogen sich einer VACB nach NST. Das mittlere Alter der eingeschlossenen Patientinnen betrug 62 Jahre (IQR 55-77); 21 (42%) der Patientinnen hatten triple negativen Brustkrebs und 29 (58%) hatten HER2-positiven Brustkrebs. Die VACB identifizierte ein pathologisches komplettes Ansprechen bei 31 Patientinnen (62%). Innerhalb der medianen Nachbeobachtungszeit von 26,4 Monaten (IQR 15-2-39-6 ) traten keine ipsilaterale Brusttumorrezidive bei diesen 31 Patientinnen auf. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit der Biopsie oder behandlungsbedingte Todesfälle auf.

Interpretation

Der Verzicht auf eine Brustoperation bei hochselektierten Patientinnen mit einer bildgesteuerten VACB-bedingten pathologischen vollständigen Ansprechen nach NST ist machbar und zeigt vielversprechende frühe Ergebnisse; allerdings sind weitere prospektive klinische Studien zur Evaluierung dieses Ansatzes erforderlich.

Kommentar

Diese Pilot-Studie ist ein bedeutender Schritt in der Erstbehandlung von Brustkrebs.

Natürlich ist die Studie klein und die Patientinnenpopulation hochselektiv und das Management nicht einfach, weder für den Arzt noch für die Patientin gerade in der Nachsorge.

Immerhin ein gutes Beispiel für Präzisionsmedizin. Die Umsetzung der Resultate in die Klinik braucht aber noch einige Anstrengungen. Kritisch für den Erfolg ist die adäquate Probenentnahme zur Feststellung der PCR und natürlich die standardisierte histologische Aufarbeitung.

Die nicht randomisierte klinische Neo-PATH-Phase-2-Studie: Ansprechrate und Sicherheit einer neoadjuvanten Behandlung mit Pertuzumab, Atezolizumab, Docetaxel und Trastuzumab für Patientinnen mit ERBB2-positivem Brustkrebs im Stadium II/III

Quelle: Ahn HK et al. Response Rate and Safety of a Neoadjuvant Pertuzumab, Atezolizumab, Docetaxel, and Trastuzumab Regimen for Patients With ERBB2-Positive Stage II/III Breast Cancer The Neo-PATH Phase 2 Nonrandomized Clinical Trial. JAMA Oncol. 2022 Sep 1;8(9):1271-1277. doi: 10.1001/jamaoncol.2022.2310.

Die Zugabe von Immun-Checkpoint-Inhibitoren zur Anti-ERBB2-Behandlung hat in präklinischen Studien eine synergistische Wirksamkeit gezeigt.

Das Ziel der Neo-PATH-Studie war die Frage, ob sich eine Fortsetzung zur nächsten Phase der neoadjuvanten Therapie mit Atezolizumab, Docetaxel, Trastuzumab, und Pertuzumab bei ERBB2-positivem Brustkrebs im Frühstadium lohnt.

Design und Teilnehmer

Diese nicht-randomisierte, offene, multizentrische Phase-2-Studie wurde von der Korean Cancer Study Group durchgeführt und umfasste Patientinnen in 6 Institutionen in Korea von Mai 2019 bis Mai 2020. Die teilnahmeberechtigten Patientinnen wurden mit ERBB2-positivem Brustkrebs (Primärtumorgröße >2 cm oder pathologisch bestätigter Lymphknoten-positiver Krebs, ohne Fernmetastasen) in einem klinischen Stadium II oder III diagnostiziert.

Resultate

Insgesamt wurden 67 Frauen (mittleres Alter, 52 [33-74] Jahre) in die Studie aufgenommen. Die Hormon-Rezeptorexpression war bei 32 (48%) Patientinnen positiv. Eine kurative Operation wurde nur bei 65 Patientinnen durchgeführt, da bei 2 Patienten die Krankheit während der neoadjuvanten Behandlung fortgeschritten war und ihre Tumore inoperabel wurden. Die pCR-Rate betrug insgesamt 61% (41 von 67 Patienten). Die pCR war bei Hormonrezeptor-negativer Erkrankung höher als bei Hormonrezeptor-positiver Erkrankung (27 von 35 [77%] Patientinnen gegenüber 14 von 32 [44%] Patientinnen) und bei positiver programmierter Zelltod 1 Expression vs. programmierter Zelltod 1-negative Expression (13 von 13 [100%] Patienten vs. 28 von 53 [53%] Patientinnen). Neutropenie der Grade 3 und 4 und febrile Neutropenie traten bei 8 (12%) Patientinnen bzw. 5 (8%) Patientinnen auf. Immunbedingte unerwünschte Ereignisse der Grade 3 und 4 traten nur bei 4 Patientinnen auf (Hautausschlag Grad 3, Enzephalitis, Hepatitis und Fieber). Während der neoadjuvanten Phase kam es zu keinem behandlungsbedingten Todesfall.

Schlussfolgerungen

In dieser nicht-randomisierten klinischen Studie hatte die neoadjuvante Behandlung mit Atezolizumab, Docetaxel, Trastuzumab und Pertuzumab bei Patientinnen mit ERBB2-positivem Brustkrebs im Stadium II oder III offenbar eine akzeptable pCR-Rate und bescheidene toxische Wirkungen. Die weitere Untersuchung dieser Immuntherapiekombination bei ERBB2-positivem Brustkrebs im Frühstadium ist gerechtfertigt.

Kommentar

Eindrückliche Resultate, basierend auf Untersuchungen zur Interaktion des HER2-Pathway mit dem Immunsystem. Noch kein Standard, aber es zeigt, wo die Reise hingehen könnte.

Assistierte Reproduktionstechnologie und Risiko von Krebserkrankungen bei Kindern

Quelle: Wenig SS et al. Assisted Reproductive Technology and Risk of Childhood Cancers. JAMA Netw Open. 2022 Aug 1;5(8):e2230157. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.30157.

Die Zahl der Säuglinge, die mit assistierter Reproduktionstechnologie (ART) geboren werden, ist weltweit gestiegen (1). In Taiwan wurde 2018 etwa 1 von 20 Neugeborenen mit Hilfe von ART geboren (5,7% aller Geburten) (2,3). Es wurde jedoch festgestellt, dass Kinder, die von Eltern mit Fruchtbarkeitsproblemen geboren wurden oder sich einer Unfruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, ein erhöhtes Risiko für epigenetische Veränderungen (4, 5) und unerwünschte perinatale Ereignisse (6-8) haben, die möglicherweise mit Krebs im Kindesalter assoziiert sind (9-14).

Eine landesweite, bevölkerungsbasierte Kohortenstudie (15) umfasste Registrierungsdaten von 2’308’016 berechtigten Eltern-Kind-Triaden in Taiwan vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2017. Insgesamt wurden 1880 Kinder mit Krebs im Kindesalter identifiziert. Die Daten wurden zwischen dem 1. September 2020 und dem 30. Juni 2022 analysiert. Das Ziel war es, die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Arten der Empfängnis und Krebs im Kindesalter und potenzieller Mediation durch Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht zu bestimmen.

Ergebnisse

Das mittlere (SD) Alter väterlicherseits und mütterlicherseits betrug 33,28 (5,07) bzw. 30,83 (4,56) Jahre. Von den 2’308’016 Kindern waren 52,06 % Jungen, 8,16 % Frühgeborene und 7,38 % hatten ein niedriges Geburtsgewicht. Während der Nachbeobachtungszeit von 14,9 Millionen Personenjahren (Median, 6 Jahre [IQR, 3-10 Jahre]) war die ART-Konzeption mit einem erhöhten Risiko für jede Art von Krebs im Kindesalter im Vergleich zur natürlichen Empfängnis (Hazard Ratio, 1,58; 95% CI, 1,17-2,12) und Subfertilität mit Nicht-ART-Empfängnis (Hazard Ratio, 1,42; 95% CI, 1,04-1,95) verbunden. Das erhöhte Krebsrisiko von Kindern, die mit ART gezeugt wurden, war hauptsächlich auf Leukämie und Lebertumor zurückzuführen. Das erhöhte Krebsrisiko, das mit der ART-Empfängnis verbunden ist, wurde nicht durch Frühgeburt oder niedriges Geburtsgewicht vermittelt.

Schlussfolgerungen und Relevanz

In dieser Kohortenstudie hatten Kinder, die über ART gezeugt wurden, ein höheres Risiko für Krebserkrankungen im Kindesalter als solche, die auf natürliche Weise gezeugt wurden, und diejenigen, die von Eltern mit einer Unfruchtbarkeitsdiagnose geboren wurden, verwendeten ART nicht. Das erhöhte Risiko konnte nicht durch Frühgeburt oder niedriges Geburtsgewicht erklärt werden.

Kommentar

Seit über 25 Jahren ist bekannt, dass Fertilitätsbehandlung der Eltern und Kinderkrebs vergesellschaftet sind. Eine 10-fach höhere Inzidenz von Neuroblastomen wurde bereits vor über 25 Jahren bei Kindern festgestellt, deren Eltern mit Hormonen für Infertilität behandelt worden waren. Seiter wurde einiges darüber geforscht aber viele Confunders der Studienergebnisse sind geblieben. Diese grosse Studie mit 2,3 Mio. Eltern-Kind Beobachtungen hat viele der Confunders mituntersucht und etwas Licht in die beobachtete Vergesellschaftung gebracht. Reproduktionsmedizin bleibt trotz aller technologischen Fortschritte anspruchsvoll, auch bei Beratung der Eltern betreffend die erwarteten Kinder.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

1. de Mouzon J et al. International Committee for Monitoring Assisted Reproductive Technologies world report: assisted reproductive technology 2012. Hum Reprod. 2020;35(8): 1900-1913.
2. Department of Household Registration. Statistics for number of births. Department of Household Registration, Ministry of Interior. Accessed September 9, 2021. https://www.ris.gov.tw/app/portal/346
3. Health Promotion Administration MoHaW. The Assisted Reproductive Technology Summary 2018 National Report of Taiwan. 2020. Accessed June 24, 2022. https://www.hpa.gov.tw/File/Attach/12907/File_14922.pdf
4. Mani S et al. Epigenetic changes and assisted reproductive technologies.
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5. Huntriss J, et al; Royal College of Obstetricians Gynaecologists. Epigenetics
and reproductive medicine: scientific impact paper No. 57. BJOG. 2018;125(13):e43-e54. 0528.15240
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7. Marino JL et al. Perinatal outcomes by mode of assisted conception and
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8. Qin J et al. Assisted reproductive technology and the risk of pregnancy-related complications and adverse pregnancy outcomes in singleton pregnancies:
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9. Benetatos L, Vartholomatos G. Imprinted genes in myeloid lineage commitment in normal and malignant hematopoiesis. Leukemia. 2015;29(6):1233-1242.
10. Finegold MJ, López-Terrada DH. Hepatic Tumors in Childhood. In: Russo P, Ruchelli ED, Piccoli DA, eds. Pathology of Pediatric Gastrointestinal and Liver Disease. Springer Berlin Heidelberg; 2014:547-614.
11. Herzog CE, Andrassy RJ, Eftekhari F. Childhood cancers: hepatoblastoma.
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12. Caughey RW, Michels KB. Birth weight and childhood leukemia: a meta-analysis and review of the current evidence. Int J Cancer. 2009;124(11):2658-2670.
13. Paquette K et al.. Cancer risk in children and young adults born preterm:
A systematic review and meta-analysis. PLoS One. 2019;14(1):e0210366
14. Heck JE et al. Gestational risk factors and childhood cancers: a cohort study
in Taiwan. Int J Cancer. 2020;147(5):1343-1353.
15. Wenig SS et al. Assisted Reproductive Technology and Risk of Childhood
Cancers. JAMA Network Open. 2022;5(8):e2230157.

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  • Vol. 13
  • Ausgabe 1
  • Februar 2023