- Deutlich geringere Mastektomieraten bei Patientinnen
Brustkrebs (BC) ist der häufigste Krebs bei Frauen in der Schweiz, so wie in den meisten europäischen Ländern (1), und seine Inzidenz gehört zu den höchsten weltweit. Die Daten unseres Krebsregisters zeigen, dass die 5-Jahres-Überlebensrate von Patientinnen mit Brustkrebs bei etwa 85% liegt, was einer deutlichen Verbesserung entspricht im Vergleich zu den Raten vor einigen Jahrzehnten. Die 5-Jahres-Überlebensrate ist auch deutlich besser als in manchen asiatischen Ländern, wo sie bei etwa 40% liegt. Es ist nicht ganz klar, inwieweit dieses − international gesehen − ausgezeichnete Behandlungsergebnis der Früherkennung, der verbesserten operativen und strahlentherapeutischen Möglichkeiten, der wirkungsvolleren medikamentösen Therapien oder der zunehmenden Behandlung in zertifizierten Brustzentren zuzuschreiben ist.
Le cancer du sein (BC) est le cancer le plus fréquent chez les femmes en Suisse, comme dans la plupart des pays européens (1), et son incidence est parmi les plus élevées au monde. Les données de notre registre du cancer montrent que le taux de survie à 5 ans des patients atteints d’un cancer du sein est d’environ 85 %, ce qui représente une amélioration significative par rapport aux taux d’il y a plusieurs décennies. Le taux de survie à 5 ans est également nettement meilleur que dans certains pays asiatiques, où il se situe autour de 40 %. Il n’est pas tout à fait clair dans quelle mesure cet excellent résultat de traitement −en termes internationaux − peut être attribué à un dépistage précoce, à l’amélioration des options chirurgicales et de radiothérapie, à des pharmacothérapies plus efficaces ou à l’augmentation des traitements dans des centres mammaires certifiés.
In früheren randomisierten Studien konnte gezeigt werden, dass durch regelmässige Teilnahme am Screening die Mortalität im Vergleich zu einer nicht gescreenten Gruppe um ca. 20% gesenkt werden konnte (2). Über andere Auswirkungen, insbesondere auf die Lebensqualität, wird weniger berichtet. Eine Niederländische Simulationsstudie (3) kommt allerdings zu dem Schluss, dass Screening nicht nur Leben verlängert, sondern teilnehmende Frauen zusätzlich noch eine bessere Lebensqualität haben. Inwieweit solche Effekte bei uns gefunden werden können, ist Gegenstand dieser Studie. Insbesondere interessiert es uns, ob durch ein organisiertes Screening der Anteil Mastektomien gesenkt werden konnte.
Systematische Screeningprogramme in der Schweiz
Das erste Brustkrebsfrüherkennungsprogramm in der Schweiz startete 1993 mit einem Pilot im Kanton Waadt. Danach folgten weitere Westschweizer Kantone (Genf, Waadt, Neuenburg, Freiburg, Wallis, Jura und Berner Jura) und ab 2010 das erste Deutschweizerprogramm in St.Gallen, sowie in der Folge Graubünden, Thurgau, Basel-Stadt, Bern und Tessin. Die einzelnen Programme sind unterschiedlich aufgebaut, beruhen jedoch alle auf Mammographien für Frauen ab 50 Jahren in zweijährlichen Abständen.
Basierend auf einem entsprechenden kantonalen Gesetz wurde die Krebsliga Ostschweiz im Jahre 2008 durch einen Leistungsauftrag vom Kanton St. Gallen damit beauftragt, ein systematisches, qualitätskontrolliertes Brustkrebsfrüherkennungsprogramm aufzustellen und durchzuführen. Dies wurde von der Krebsliga Ostschweiz 2010 unter dem Namen donna gestartet und das gleich aufgebaute Programm wurde in den folgenden Jahren durch Leistungsaufträge der betroffenen Kantone ausgeweitet auf die Kantone Graubünden (2011), Bern (2019) und Solothurn (2020). Das Programm donna ist somit das grösste Mammographiescreening Programm der Schweiz.
Die Screeningzentrale in St.Gallen versendet auf der Grundlage von Daten des Einwohnerregisters des Kantons St.Gallen allen Frauen zwischen dem 50. und 69. Altersjahr in zweijährigen Abständen eine Einladung für eine Mammographie. Radiologen und deren Institutionen konnten sich für eine Teilnahme bewerben und wurden nach Erfüllen von Qualitätskriterien und nach einer erfolgreich durchgeführten Schulung in das Programm aufgenommen. Alle Mammographien werden jeweilen unabhängig von zwei Radiologen befundet und die Befunde standardisiert in ein Computerprogramm übertragen. Bei diskrepanter Beurteilung erfolgt eine Drittlesung durch den ärztlichen Programmleiter und Besprechung unter den Radiologen in den wöchentlichen Konsensuskonferenzen. Das Programm erstellt einen jährlichen Qualitätsbericht, der von einem Fachexpertengremium kritisch beurteilt und auch im Rahmen des nationalen Monitoring durch Swiss Cancer Screening veröffentlicht wird.
Falls aufgrund des Mammographiebefundes eine weitere Abklärung nötig wird, empfiehlt die Programmzentrale der Frau eine Abklärung möglichst innerhalb der akkreditierten Mammographieerstellungs- und Abklärungsinstitution in Wohnortnähe, aber auf Wunsch auch anderswo.
Für die Teilnehmerinnen ist die Erstellung der Screening- Mammographie kassenpflichtig und im Rahmen der kantonalen Screeningprogramme auch von der Franchise befreit und die teilnehmende Frau zahlt somit nur den Selbstbehalt von 10%.
Falls beim Screening etwas Auffälliges entdeckt wird, erfolgen weitere Abklärungen mittels Ultraschall und/oder zusätzlichen gezielten radiologischen Aufnahmen, einer Biopsie, Besprechung im Tumorboard und je nach Befund auch eine Operation. Dieses Vorgehen erfolgt in einer eingespielten, koordinierten und interdisziplinären Behandlungskette nach strikten qualitativen und zeitlichen Vorgaben nach Möglichkeit in einem zertifizierten Brustzentrum.
Die Teilnahmerate bei diesem Programm ist über die Jahre angestiegen und liegt aktuell kantonsweit bei knapp 50%. Viele Frauen in der Zielgruppe lassen sich ausserhalb dieses Screening-Programms untersuchen. Frauen mit hohem Krebsrisiko, wie genetische Prädisposition bei pathogenen Mutationen in den BRCA 1/2 Genen, PABL2 und weiteren Konstellationen werden risikoadaptiert intensiver untersucht, so unter Einsatz von MRI, und sind vom populationsbasierten Screening ausgeschlossen. Nicht im Screening sind auch Frauen nach erfolgter Brustkrebsdiagnose. Zahlenmässig sind für die Nicht-teilnehmenden allerdings in der Schweiz keine verlässlichen Angaben erhältlich, auch nicht, wie viele Frauen gar keine regelmässige Brustkrebsvorsorge durchführen.
Kleinere Tumore im donna Brustkrebsprogramm im Kanton St.Gallen
Das donna-Programm hat sein Ziel der Früherkennung erreicht: Es wurden kleinere Tumoren gefunden, als in der gleichen Altersgruppe (50 – 69 Jahre) ohne ein Screening. 61% der Screening-Teilnehmerinnen haben das vorteilhafteste Stadium I, bei Nicht-Teilnehmerinnen sind es lediglich 32%. Drei Viertel der im Programm gescreenten Tumoren sind höchstens 2 cm gross (T1). Ausserhalb des Screening-Programms misst die Hälfte der Tumoren mehr als 2 cm. Kleinere Tumoren können oft schonender behandelt werden. Bei 70% der Screening-Teilnehmerinnen ist der Tumor auf die Brust beschränkt (kein Lymphknotenbefall), bei Nicht-Teilnehmerinnen nur bei 58%. Dies ist neben der kleineren Tumorgrösse ein weiterer Vorteil für die Betroffenen, was die Prognose der Brustkrebserkrankung betrifft. Karzinome im fortgeschrittensten Stadium IV kommen im Screeningprogramm nur sehr selten vor, 1% vs. 12% ausserhalb des Programms.
Halb so viele Mastektomien mit dem donna-Programm
10% der Patientinnen, deren Krebserkrankung im donna-Programm entdeckt wurde, werden mit einer Mastektomie behandelt. Bei den Patientinnen, welche nicht am Programm teilgenommen haben, sind dies dagegen 24%. Der Effekt der niedrigeren Stadien im Screening ist dabei aber nur einer von mehreren Faktoren. Denn, überaus bemerkenswert: Selbst wenn man einzig Patientinnen mit gleichem Schweregrad der Erkrankung (Stadium, Grösse, Lymphknotenbefall) miteinander vergleicht zeigt sich, dass Patientinnen im donna-Programm viel eher brusterhaltend therapiert werden. Die Grösse eines Tumors ist ein wichtiges Entscheidungskriterium für eine Mast-
ektomie – aber auch andere Faktoren, wie die Wünsche der Patientinnen und Einstellungen von Ärzten spielen gewichtige Rollen. Bei Tumoren kleiner als 2 cm war nur bei 6,5% der Frauen aus dem donna-Programm eine Brustamputation (Mastektomie) nötig. Bei Patientinnen ausserhalb des Programms waren es mit 13% doppelt so viele Brustamputationen. Bei Tumoren mittlerer Grösse (2-5cm) waren es 18% bei donna und 28% ausserhalb, und bei den grössten Tumoren 60% vs. 74%.
Dabei spielte das Alter der Frauen keine Rolle, wie wir mit weiteren statistischen Tests festgestellt haben. Das mittlere Alter ist bei beiden Gruppen 60 Jahre.
Diskussion
Die vorliegende Auswertung ergab, dass ein organisiertes Brustkrebsscreening mittels zweijährlichen Mammographien ab dem Alter 50 bis 69 Jahren in erwarteter Weise dazu führt, dass Tumore in einem früheren und somit auch besser kurablen Stadium diagnostiziert werden.
Die Mortalität von Brustkrebs hat in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz, aber auch im übrigen Europa und den USA stark abgenommen. In diesen Jahren sind sowohl Verbesserungen im Screening, so die Einführung der digitalen Mammographie, wie auch sehr bedeutende Änderungen in der Behandlung, vor allem auch der adjuvanten medikamentösen Therapie erfolgt. Beobachtende Untersuchungen legen nahe, dass diese hauptsächlich für die verminderte Mortalität verantwortlich ist. (4). Eine regelmässige Teilnahme am Screening reduziert die Sterblichkeit aber nach wie vor um ca. 20%, wie vor kurzem bestätigt wurde (5).
Das Screening darf jedoch keinesfalls, wie leider immer noch häufig gemacht, nur in Bezug auf einen möglichen Überlebensvorteil beurteilt werden. So ist bekannt, dass die Einführung von Screening in Zusammenhang mit Schulung und Qualitätskontrollen ganz allgemein die Qualität der Brustkrebsbehandlung erhöht. So führte die Qualitätskontrolle bei der Erstellung und Beurteilung von Screening-Mammographien gemäss Erfahrungen von betreuenden Ärzten auch bei uns dazu, dass Mammographien sogar ausserhalb der Screeningpopulation eine höhere Qualität als früher aufweisen.
Heutzutage bewertet man Screeningprogramme in Bezug auf Qualitäts-adjustierte Lebensjahre (QALY). Diese haben zudem den Vorteil, dass sie sämtliche positiven und negativen Effekte des Screening berücksichtigen können. Dadurch liess sich feststellen, dass das Screening nicht nur Leben verlängert, sondern auch insgesamt für eine höhere Lebensqualität sorgt (3).
Der Entscheid zwischen brusterhaltender Operation und Mastektomie erfolgt auf der Basis verschiedener Faktoren, wobei neben der Tumorgrösse auch die Grösse der Brust, Erfahrungen, Ausbildung und Einstellungen der beteiligten Ärzte eine Rolle spielen, wie auch der Wunsch der betroffenen Patientinnen. Eine weniger eingreifende brusterhaltende Operation bedeutet einen kleineren, weniger belastenden Eingriff für die Patientin, welcher das Körperbild weniger beeinträchtigt als eine Mastektomie, und trägt damit zu einer besseren Lebensqualität bei gleich guten Behandlungsresultaten bei. Dass dieser positive Effekt auch in unserem Kanton nachgewiesen werden konnte, ist ein wichtiges Resultat unseres Früherkennungsprogramms und ein gutes Argument, dieses Programm weiterzuführen, bzw. auch in anderen Kantonen, wo es noch nicht läuft, einzuführen. Zudem sind die Gesamtkosten für organisiertes Screening nur etwa halb so hoch gegenüber freiwilligem, sogenannten opportunistischen Screening (6).
Mit unserer Untersuchung konnten wir zeigen, dass der deutliche Unterschied in den Mastektomieraten bei Screeningteilnehmerinnen zu Nichtteilnehmerinnen nicht nur durch niedrigere Stadien erklärt wird. Vielmehr konnten wir beobachten, dass bei im Screening entdeckten Karzinomen ganz unabhängig von Stadium oder Tumorgrösse stets deutlich weniger häufig eine Mastektomie durchgeführt wird. Mögliche Faktoren können sein, dass sich die Frauen in der gescreenten Population von der nicht gescreenten in ihren Ansichten, Wünschen und Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen unterscheiden. Wir vermuten, ohne dies mit den vorliegenden Daten beweisen zu können, dass in der Screeningpopulation bei einem diagnostizierten Karzinom die weiteren Abklärungs- und Behandlungsschritte inklusive Vorstellung an einem prä- und postoperativen Tumorboard in eingespielten Teams zertifizierter Brustzentren auch wesentlich zu diesem Unterschied jenseits der Auswirkungen der Tumorgrösse beigetragen hat.
Ergebnisse einer vorherigen Studie (7) zeigen, dass Patientinnen mit Brustkrebs in Regionen der Schweiz mit einem bevölkerungsbasierten Screening-Programm generell eher brusterhaltend operiert werden, verglichen mit Regionen ohne ein Programm. Es ist also möglich, dass ein zusätzlicher, stadienunabhängiger Unterschied auch in diesen Kantonen besteht.
Um den weiteren Nutzen der Screening Programme zu dokumentieren auch unter geänderten Screening Methoden, verbesserter Behandlung und generell sinkender Mortalität bleibt eine wiederholte Überwachung und Reevaluation der laufenden Programme notwendig. Zurzeit ist jedoch die Screening Mammographie weiterhin die am besten dokumentierte und anerkannte Screeening Methode.
Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG
Krebsregister Ostschweiz, Flurhofstrasse 7, 9000 St. Gallen
Christian.Herrmann@krebsregister-ost.ch
Krebsliga Ostschweiz
Flurhofstrasse 7
9000 St. Gallen
Krebsregister Ostschweiz, Flurhofstrasse 7, 9000 St. Gallen
Krebsregister Ostschweiz, Flurhofstrasse 7, 9000 St. Gallen
Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen
Alle Autoren bestätigen, dass ihre Institutionen oder Dritte keinen Einfluss auf die Analysen und das Manuskript hatten.
CH, EW, MM arbeiten für das Krebsregister Ostschweiz, das von der Krebsliga Ostschweiz betrieben wird und die auch das donna-Programm
durchführt. RM ist Präsident der Krebsliga Ostschweiz. BT und RM waren an Institutionen beschäftigt, die Screeningaufnahmen getätigt haben.
◆ Das 5-Jahres-Überleben mit Brustkrebs verbessert sich aus mehreren Gründen kontinuierlich und liegt bei uns aktuell bei 85%.
◆ Die Mammographiescreeningprojekte führen allgemein zu einer besseren Versorgung auch bei Frauen, die nicht am Screening teilnehmen.
◆ Die Mastektomierate bei im Screening diagnostizierten Karzinomen ist halb so hoch wie bei nicht im Screening diagnostizierten Tumoren.
◆ Dieser Beitrag zu einer besseren Lebensqualität ist nur teilweise durch die früheren Stadien bei screening diagnostizierten Tumoren erklärt.
Messages à retenir
◆ Le taux de survie à 5 ans pour le cancer du sein s’améliore continuellement pour plusieurs raisons et chez nous s’élève actuellement à 85%.
◆ Les projets de dépistage par mammographie permettent généralement d’améliorer les soins, même pour les femmes qui ne participent pas au dépistage.
◆ Le taux de mastectomie pour les carcinomes diagnostiqués lors du dépistage est deux fois moins élevé que pour les tumeurs non diagnostiquées lors du dépistage.
◆ Cette contribution à une meilleure qualité de vie ne s’explique que partiellement par les stades précoces des tumeurs diagnostiquées lors du dépistage.
Literatur:
1. Bray, F., et al., Cancer Incidence in Five Continents, Vol. XI in IARC Scientific Publications, IARC, Editor. 2017, IARC. : Lyon.
2. Marmot, M.G., et al., The benefits and harms of breast cancer screening: an independent review. Br J Cancer, 2013. 108(11): p. 2205-40.
3. Sankatsing, V.D., et al., Cost-effectiveness of digital mammography screening before the age of 50 in The Netherlands. Int J Cancer, 2015. 137(8): p. 1990-9.
4. Autier, P., et al., Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment: trend analysis of WHO mortality database. BMJ, 2011. 343: p. d4411.
5. Beau, A.-B., et al., Limitations in the Effect of Screening on Breast Cancer Mortality. Journal of clinical oncology : official journal of the American Society of Clinical Oncology, 2018. 36(30): p. 2988-2994.
6. de Gelder, R., et al., Cost-effectiveness of opportunistic versus organised mammography screening in Switzerland. European Journal of Cancer. 45(1): p. 127-138.
7. Herrmann, C., et al., Regional differences and trends in breast cancer surgical procedures and their relation to socioeconomic disparities and screening patterns. Journal of Public Health, 2019.
info@onco-suisse
- Vol. 11
- Ausgabe 2
- April 2021