Fortbildung

Einsatz von Opioiden aus der Sicht der Schmerzspezialisten (Teil 1)

Droht uns auch in der Schweiz eine Opioidkrise ?

Die Opioidkrise in den USA gipfelte 2015 in einem starken Anstieg von Opioidabhängigen und damit verbundenen Todesfällen. Ein aggressives Marketing mit einer Opioid-verharmlosenden Strategie einiger Pharmafirmen führte dazu, dass schnell anflutende Opioide einer breiteren Patientenklientel verschrieben wurden. In diesem ersten Teil des Artikels werden der Stellenwert einer Opioidtherapie sowie das rationale und praktische Vorgehen bei einer analgetischen Therapie mit Opioiden in Bezug auf Schweizerische Verhältnisse kritisch diskutiert. In einem zweiten Teil werden hierzulande zugelassene Opioide vorgestellt, Überlegungen zur Opioid-Sicherheit in der Schweiz präsentiert sowie die Eingangsfrage nach einer drohenden Opioidkrise in der Schweiz eingehend erörtert.



La crise des opiacés aux États-Unis a culminé en 2015 par une forte augmentation de la dépendance aux analgésiques opioïdes et des décès qui en découlent. Le marketing agressif de certaines sociétés pharmaceutiques, utilisant une stratégie qui banalisait les opiacés, a abouti à la prescription d’ opiacés à action rapide à une plus large population de patients. Dans cette première partie de l’ article, l’ importance de la thérapie aux opiacés et l’ approche rationnelle et pratique de la thérapie analgésique aux opiacés sont examinées de manière critique par rapport aux conditions suisses. Dans une deuxième partie, les opiacés autorisés et des réflexions sur la sécurité de ceux-ci en Suisse sont présentés, et la question initiale concernant une crise imminente des opioïdes en Suisse est discutée en détail.

Die Opioidkrise in den USA gipfelte 2015 in einem starken Anstieg von Opioidabhängigen und damit verbundenen Todesfällen durch Überdosierung (2016: 42.000) (1, 2). Die meisten Opfer waren abhängig geworden von zunächst legal verschriebenen kurzwirksamen Opioiden. Chronischer Schmerz ist häufig: 2018 waren hiervon in den USA 25 Millionen Menschen betroffen (1, 2). Ein aggressives Marketing mit einer Opioid-verharmlosenden Strategie einiger Pharmafirmen führte dazu, dass schnell anflutende Opioide einem breiteren Patientenklientel verschrieben und die Indikationen für diese Analgetikaklasse, welche vormals schweren oder präfinalen Krankheitsverläufen vorbehalten waren, auf leichtere, nozizeptive Schmerzen ausgeweitet wurden. Des Weiteren waren die «Pill Mills», also Kliniken oder Apotheken, welche niederschwellig Opioide abgeben, wegbahnend für die Opioidkrise (3, 4).
Zahlreiche so abhängig gewordene Patienten wichen in der Folge auf billigere und z.T. auch illegal erworbene Opioide wie Fentanyl oder Heroin aus. Heute konsumieren geschätzt eine Million US-Amerikaner Heroin. Bei 80 Prozent von ihnen soll die Sucht mit legal oder illegal erworbenen Schmerzmitteln begonnen haben (1). Weltweit sollen 2016 gemäss WHO 275 Mio. Menschen opioid-abhängig sein, der grösste Teil davon abhängig von illegalen Drogen (2). Täglich sterben in den USA 130 Menschen an einer Überdosis eines verschriebenen Opioids. Als Reaktion wurde am 26. Oktober 2017 in den USA der medizinische Notstand ausgerufen.
Es stellt sich nun die Frage, ob eine Globalisierung der Opioid-Krise droht. Besteht eine ähnliche Gefahr auch für die Schweiz? In den USA hatten die Pharmariesen leichteres Spiel als hierzulande: Regularien sind laxer, das Versicherungswesen anders strukturiert. Zudem versuchen Mediziner dort häufiger, unrealistische Therapieziele wie z.B. das Versprechen auf völlige Schmerzfreiheit bei chronischen Schmerzerkrankungen zu erfüllen. Und nicht zuletzt wird in den USA betont auf pharmakologische Therapieoptionen gesetzt; für ein multimodales und interdisziplinäres Therapieregime fehlt häufig das Geld.
Schauen wir uns vor diesem Hintergrund also die aktuelle Handhabung der Opiodverschreibung in der Schweiz an. Eine USA-analoge Opioidkrise scheint sich hier bisher nicht abzuzeichnen: Die Anzahl der an Opioid- Überdosis verstorbenen Menschen ist in der Schweiz von 2000 bis 2016 signifikant gesunken (5). Doch auch wie im restlichen Europa sind die Verbrauchzahlen von Opioiden seit Publikation der WHO-Schmerzleiter 1986 gestiegen. Zwischen 1985 und 2015 ist der schweizerische Opioidverbrauch von 18 zu 421 mg/Person/Jahr angestiegen. Dies macht die Schweiz zum weltweit siebtgrössten Opioidkonsumenten (6).

Opioide: Nur ein Puzzleteil in einer multimodalen Schmerztherapie

Der Stellenwert einer Opioidtherapie im Rahmen eines analgetischen Therapieregimes ist unbestritten; idealerweise kommen hier gezielt Substanzen zum Einsatz, welche in ihrer Pharmakokinetik und Galenik auf das zugrundeliegende Schmerzsyndrom eingehen. So können orale, buccale oder transdermale Applikationsformen, retardierte oder rasch freisetzende Substanzen gewählt und auch kombiniert werden. Im Therapieverlauf wird die Indikation dann wiederholt reevaluiert, die Pharmakotherapie den aktuellen Bedürfnissen angepasst und möglicherweise auch rotiert werden, um Gewöhnung und Dosiseskalation zu vermeiden.
Ein breites Spektrum an Nicht-Opioidanalgetika und Koanalgetika steht uns zur Verfügung und sollte primär oder additiv zum Zuge kommen. Evidenzbasiert sind hier vor allem der Einsatz von Antidepressiva und Antiepileptika bei chronisch neuropathischem Schmerz − diese Substanzen erzielen bei vielen Schmerzerkrankungen hervorragende Ergebnisse und die Datenlage darf als sehr gut bezeichnet werden. Auch Nicht-Opioidanalgetika wie Paracetamol, Metamizol und NSAR werden breit eingesetzt, wobei auch für diese Analgetikaklassen weitestgehend Langzeitstudien zur Sicherheit bei chronischer Anwendung fehlen. Trotz breitem Einsatz bestehen zahlreiche Risiken auch unter diesen Substanzklassen (7).
Weitere Säulen eines analgetischen Therapiemanagements werden zum Zuge kommen. Multimodale Konzepte berücksichtigen Optionen wie physikalische Massnahmen, Physiotherapie, die interventionelle Schmerztherapie sowie ein breites Spektrum an verhaltenstherapeutischen Massnahmen und Coping-Instruktionen. Ein breites Abstützen auf mehrere Therapiesäulen sollte helfen, den Analgetikabedarf zu minimieren. Ziel einer multimodalen Schmerztherapie bleibt dabei – ausserhalb palliativer Indikation − die Wiederherstellung und Erhaltung der Funktionalität im Alltag. Dabei gilt als realistisches und erfolgreiches Therapieziel, wenn bei der Hälfte der chronischen Schmerzpatienten eine Schmerzreduktion um 50% erreicht wird.

Rationale Opioidtherapie nach Indikation

Unbestritten und wahrscheinlich am wenigsten problematisch ist der Einsatz von Opioiden bei palliativen Patienten. Hier sind Schmerzreduktion und Verbesserung der Lebensqualität oberstes Therapieziel und eine allfällige Abhängigkeit tritt in diesem Kontext eher in den Hintergrund.
Karzinomschmerzen zählen zu den etablierten Indikationen für Opioide. Auf diese zielte die Publikation der WHO Schmerzleiter, gemäss der in einem Stufenschema zunächst Nicht- Opioid Analgetika, dann leichte und letztlich potente Opioide verabreicht werden. Nicht-Opioid Analgetika, Antiepileptika, Antidepressiva und Steroide werden bei Bedarf und indikationsgerecht in allen Stufen kombiniert (8).
Die Langzeitanwendung von Opioiden bei nichttumorbedingten Schmerzen hingegen stellt behandelnde Ärzte und die Betroffenen vor zahlreiche Herausforderungen. Hier gilt es, transparent und indikationsgerecht in Zusammenarbeit mit dem Patienten und den beteiligten Spezialisten eine sichere und wirksame Medikation zu etablieren. Von beeinträchtigenden, chronischen nichttumor-bedingten Schmerzen waren 2013 7,4% einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe betroffen (9). Nichttumorbedingte Schmerzen führen bei einem grossen Patientenanteil zu Einschränkung von physischem und psychischem Wohlbefinden, der Lebensqualität, der Arbeitsfähigkeit sowie zu hohen direkten und indirekten Gesundheitskosten. Als Reaktion wurden auch in Europa schwache und starke opioidhaltige Analgetika vermehrt und über einen längeren Zeitraum verschrieben.
Die Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika bei nicht­tumorbedingten Schmerzen wird bei einer Diskrepanz zwischen breiter klinischer Anwendung und gleichzeitig lückenhaft vorhandener Evidenz kritisch diskutiert (9, 10, 11).
Opioidhaltige Analgetika gelten als eine medikamentöse Therapieoption bei kurzfristiger, d.h. ein bis drei Monaten währenden Behandlung von Arthroseschmerzen, diabetischer Neuropathie, postherpetischer Neuralgie sowie chronischem Rückenschmerz. Von einer Langzeittherapie (> 26 Wochen) profitiert nur ein Viertel aller Patienten.
Mögliche Indikationen für eine Langzeittherapie mit opioidhaltigen Analgetika, zu denen eine ausreichende Evidenz besteht, umfassen Schmerzen bei Arthrose, diabetischer Polyneuropathie, Postzosterneuralgie und chronischen Rückenschmerzen. Für andere Schmerzsyndrome fehlt der Expertenkonsens und eine Behandlung müsste als individueller Therapieversuch bewertet werden.
Als Kontraindikationen gelten primäre Kopfschmerzen, Opioid-Abhängigkeit, Fibromyalgie-Syndrom, entzündliche Darmerkrankungen, chronische Pankreatitis sowie funktionelle und psychische Störungen mit dem Leitsymptom Schmerz. Der niedrigste Evidenzlevel existiert für die Behandlung von Schmerzen nach Gehirnläsionen, nach Wirbelfrakturen bei manifester Osteoporose, bei rheumatischen Erkrankungen ausser rheumatoider Arthritis, chronischen postoperativen Schmerzen, Schmerzen bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit, bei Dekubitus oder Kontrakturen bei pflegebedürftigen Patienten. In diesen Fällen kann allenfalls ein individueller Behandlungsversuch mit Opioiden unternommen werden (9).
In der Betrachtung zu Langzeitstudien mit dem Thema opioidhaltige Analgetika bei nichttumorbedingten Schmerzen müssen neben dem Studiendesign und dem Beobachtungszeitraum folgende Endpunkte berücksichtig werden: Wirksamkeit (in Bezug auf Ausmass der Schmerzreduktion, verbessertem Befinden und Erhalten der Funktionalität), Verträglichkeit (Anzahl der Patienten, die die Studie wegen unerwünschter Wirkungen abbrechen mussten) und Sicherheit (Anzahl der schweren unerwünschter Wirkungen und Anzahl der Todesfälle).

Praktisches Vorgehen einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika bei nichttumorbedingten Schmerzen

Bei der Behandlung chronischer Schmerzpatienten gibt es vieles zu beachten. Die Wahl des eingesetzten Pharmakons richtet sich dabei nach der vorliegenden Erkrankung und der wissenschaftlichen Evidenz zum Opioideinsatz in diesem Kontext, den Begleiterkrankungen, eventuellen Kontraindikationen, der individuellen Erfahrung des Patienten mit bisher eingesetzten Analgetika und dessen Präferenzen. Meist wird das Opioid nicht als Monotherapeutikum, sondern in Kombination mit anderen zentral oder auch peripher wirksamen Analgetika und Koanalgetika eingesetzt werden.
Eine alleinige medikamentöse Therapie bei nichttumorbedingten Schmerzen wird in der Schweiz in der Regel nicht durchgeführt. Zu einem tragfähigen integrativen Behandlungskonzept zählen verschiedene Behandlungspfeiler, die in ihrer Kombination eine optimale Schmerztherapie bei minimalen unerwünschten Wirkungen erzielen sollten.
Zu diesen Behandlungspfeilern zählen physiotherapeutische und physikalische Therapien, Patientenedukation und Psychotherapie, gegebenenfalls Lifestyle-Modifikationen, Aufklärung über Möglichkeiten und auch Grenzen der analgetischen Therapie. Von Wichtigkeit ist hier, beim Patienten realistische Erwartungen an die Therapie mit opioidhaltigen Analgetika zu erwecken resp. unrealistischen Erwartungen entgegenzuwirken. Zu erwartende und häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Obstipation, Übelkeit, Libidoverlust etc.) sowie potenziell schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Sucht, Sturzgefahr, Atemdepression bei Überdosierung, erhöhte Mortalität bei geriatrischen Patienten) sowie der Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit müssen vor Behandlungsbeginn kommuniziert werden. Um unerwünschte Wirkungen frühzeitig zu erkennen sowie Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten, müssen regelmässige Kontrolluntersuchungen vereinbart werden. In diesen werden eine regelmässige Indikationsüberprüfung sowie Dosisanpassungen oder Substanzwechsel vorgenommen werden.
In der klinischen Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei nichttumorbedingten Schmerzen (9) werden u.a. folgende Schlüsselempfehlungen gegeben (zusammengefasst):

1. Differenzialindikation opioidhaltiger Analgetika: Je nach Krankheitsbild und individuellen Bedürfnissen des Patienten wird das Analgetikum nach seinen pharmakodynamischen, kinetischen und galenischen Eigenschaften ausgewählt.
2. Langwirksame Präparate mit retardierter Galenik sollten kurzfristig anflutenden Substanzen vorgezogen werden.
3. Einnahmeschema: Die Einnahme sollte nicht «on demand», sondern nach einem vorher festgelegten Schema erfolgen.
4. Dosierung: Therapiebeginn mit niedrigen Dosen, Erhaltungsdosis nach Erreichen der zuvor formulierten Therapieziele. Die Höchstdosis von >120mg/d orales Morphinäquivalent soll nicht überschritten werden.
5. Therapiedauer: Eine Therapie >3 Monate soll nur bei Therapierespondern durchgeführt werden.
6. Dosisreduktion und Medikamentenpausen sollen nach einem halben Jahr angestrebt werden, um die Wirksamkeit der parallel durchgeführten Therapiemassnahmen zu überprüfen.
7. Eine regelmässige Therapieüberwachung mit den Endpunkten Sicherheit, Verträglichkeit und Fehlgebrauch sollte unter Langzeittherapie mit Opioiden durchgeführt werden.

Mechanismus-basierte Schmerztherapie

Ein brauchbares Werkzeug in der Entscheidungsfindung, wie ein Schmerzsyndrom pharmakologisch optimal behandelt werden kann, bietet eine Mechanismus-basierte Schmerztherapie. Hier erfolgt zunächst eine Identifikation des Schmerzcharakters: Sind Muskel- und Skelettsystem betroffen und liegt ein belastungsabhängiger Schmerz ohne Entzündungszeichen vor, handelt es sich um einen nozizeptiven Schmerz. Beispiele wäre eine Arthrose oder ein myofasziales Schmerzsyndrom. Pharmakologisch kommen hier zunächst periphere Analgetika wie NSAR, Metamizol oder Paracetamol zum Einsatz. Der Einsatz von Opioiden kann in einem zweiten Schritt überlegt werden.
Ist das Muskel- und Skelettsystem betroffen und liegen Entzündungszeichen vor, handelt es sich um einen nozizeptiv / entzündlichen Schmerz mit Nozizeptoraktivierung und -sensibilisierung sowie zentraler Sensitivierung und Ausweitung rezeptiver Felder. Beispielerkrankungen wären eine Arthritis oder aktivierte Arthrose. In diesem Kontext sind eher NSAR, Glucokortikoide und kurzfristig evtl. auch transdermale Opioidsysteme sinnvoll.
Sind nervale Strukturen betroffen, ist der Schmerz einschiessend, ausstrahlend und liegen neurologische Begleitsymptome vor, redet man von neuropathischem Schmerz. Beispiel wäre eine diabetische Neuropathie oder eine Post- Zoster Neuralgie. Hier werden neue, Schmerzintensivierende Kanäle und Rezeptoren an nervalen Strukturen synthetisiert, es kommt zu nervaler Spontanaktivität und zentraler Sensitivierung mit reduzierter endogener Schmerzhemmung. Neuropathischer Schmerz wird lokal (Lidocain, Capsaicin), mit Antidepressiva und Antiepileptika sowie mit Opioiden angegangen.
Zeigt ein Patient schliesslich eine allgemeine Hyperalgesie, vegetative und evtl. psychische Symptome ohne passende radiologische oder laborchemische Befunde handelt es sich am ehesten um multilokulären Schmerz. Beispiele wären somatoforme Schmerzen oder das Fibromyalgiesyndrom. Pathophysiologisch liegen eine reduzierte endogene Schmerzhemmung und veränderte Schmerzverarbeitung zugrunde. Antidepressiva aus der Gruppe der Trizyklika und SNRI sind in diesem Fall indiziert (12).

Abhängigkeit von Opioiden beim chronischen Schmerzpatienten

Wir unterscheiden die physische von der psychischen Abhängigkeit. Eine chronische Verabreichung von Opioiden führt zu Toleranz-entwicklung – diese tritt im klinischen Kontext jedoch selten auf und kann durch ein entsprechendes Medikamentenmanagment meist verhindert werden (z.B. eine Opioidrotation). Zudem kommt es zu einer physischen Abhängigkeit. Ein plötzliches Sistieren führt zu einer Hyperaktivität des sympathischen Nervensystems (mit z.B. Diarrhoe, Schwitzen, Mydriasis, Blutdruckanstieg), gleichzeitig Verlangen nach dem Opioid, verstärkten Schmerzen, Magen- und Knochenschmerzen sowie Myalgien. Diese Symptomatik kann durch langsames Ausschleichen der Dosis verhindert werden.
Eine psychische Abhängigkeit ist charakterisiert durch negative Konsequenzen, die mit dem Opioidgebrauch einhergehen, wie Kontrollverlust, Tendenz zu inadäquater Dosissteigerung, Eingrenzung von Denken und Verhalten auf die Beschaffung. Wie hoch bei Schmerzpatienten in Europa das Risiko einer Abhängigkeit ist («Prescription Opioid Use Disorder, POUD»), ist bisher nicht bekannt (13, 14). Geschätzt wird, dass ca. 10-15% chronischer Schmerzpatienten eine Sucht entwickeln.
Für eine psychische Abhängigkeit werden genetische und epigenetische Ursachen postuliert (14). Solange keine spezifischeren pharmakologischen Behandlungsoptionen für einzelne Schmerzsyndrome existieren, an denen aktuell wegen der Opioidkrise rege geforscht wird, muss der Schmerztherapeut sein analgetisches Armamentarium kennen und einsetzen können.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Zweitabdruck des in «der informierte arzt» 04-2020 erschienen Originalartikels.

Dr. med. Antje Heck

Fachärztin für Klinische Pharmakologie und Toxikologie FMH
Fachärztin für Anästhesie FMH, Schmerzspezialistin SGSS
Leiterin Sprechstunde Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit
Oberärztin Psychiatrische Klinik Königsfelden
Postfach 432
5201 Brugg

antje.heck@pdag.ch

Prof. Dr. med. Eli Alon

Facharzt für Anästhesiologie FMH, Schmerzspezialist SGSS
Professor für Anästhesiologie und Schmerzmedizin an der
Universität Zürich
Praxis für Schmerztherapie
Arzthaus Zürich City
Lintheschergasse 3
8001 Zürich

eli.alon@arzthaus.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Auch wenn in der Schweiz innert 30 Jahren der durchschnittliche Opioidverbrauch von 18 auf 421 mg/Person/ Jahr angestiegen ist, konnte in den letzten 20 Jahren ein signifikanter Rückgang der an Opioid- Überdosis verstorbenen Menschen registriert werden.
  • In der multimodalen Schmerztherapie werden Optionen wie physikalische Massnahmen, Physiotherapie, die interventionelle Schmerztherapie sowie ein breites Spektrum an verhaltenstherapeutischen Massnahmen und Coping-Instruktionen berücksichtigt. Ein Abstützen jeder analgetischen Therapie auf mehrere dieser Therapiesäulen hilft, den Analgetikabedarf zu minimieren.
  • Die Wahl geeigneter Analgetika erfolgt mit Vorteil aufgrund des dem Schmerz zugrunde liegenden Schmerzmechanismus, ja nach dem,
    ob ein nozizeptiver Schmerz ohne oder ein nozizeptiv/entzündlicher Schmerz mit Nozizeptoraktivierung und -sensibilisierung vorliegt, ob eine zentrale Sensitivierung mit Ausweitung rezeptiver Felder besteht, oder ein neuropathischer oder multilokulärer Schmerz besteht.
  • Opioide nehmen heute einen unverzichtbaren Stellenwert in einer modernen, multimodalen Schmerztherapie ein.

Messages à retenir

  • Bien que la consommation moyenne d’ opiacés en Suisse soit passée de 18 à 421 mg/personne/an en 30 ans, une diminution significative du nombre de personnes mourant d’ une surdose d’ opiacés a été enregistrée au cours des 20 dernières années.
  • La gestion multimodale de la douleur comprend des options telles que les mesures physiques, la physiothérapie, la gestion interventionnelle de la douleur et un large éventail de mesures comportementales et d’ instructions pour y faire face. Le fait de soutenir chaque thérapie analgésique sur plusieurs de ces piliers thérapeutiques permet de minimiser le recours aux analgésiques.
  • Il est avantageux de choisir des analgésiques appropriés sur la base du mécanisme de la douleur sous-jacente, selon qu’ il s’ agit d’ une douleur nociceptive sans ou d’ une douleur nociceptive/inflammatoire avec activation et sensibilisation des nocicepteurs, d’ une sensibilisation centrale avec expansion des champs récepteurs, ou d’ une douleur neuropathique ou multiloculaire.
  • Les opiacés jouent aujourd’ hui un rôle indispensable dans la thérapie moderne et multimodale de la douleur.

1. Uhlmann B: Opioid-Krise in den USA: Ein Land unter Drogen. Süddeutsche Zeitung 26. Oktober 2017.
2. Verhamme KMC, Bohnen AM. The Lancet: Are we facing an opioid crisis in Europe? August 20, 2019.
3. Lyapustina T, Rutkow L, Chang HY, et al. Effect of a »pill mill” law on opioid prescribing and utilization: the case of Texas. Drug Alcohol Depend 2016; 159: 190–97.
4. hhs.gov/opioids. What is the U.S. opioid epidemic? United States Department of Health and Human Services. Jan 22, 2019. https://www.hhs. gov/opioids/about-the-epidemic/index.html.
5. Global Health Estimates 2016: Deaths by Cause, Age, Sex, by Country and by Region, 2000-2016. Geneva, World Health Organization; 2018.
6. Ruchad D et al: Opioid consumption from 1985 to 2015 : The situation in Switzerland, with an international comparison. Rev med. Suisse 2018 Jun 20;14(612):1262-1266.
7. Heck A, Alon E: Nicht-Opioid-Analgetika in der Geriatrie. Der Informierte Arzt; Sept 2019.
8. World Health Organization. Traitement de la douleur cancéreuse. Geneva, Switz: World Health Organization; 1987.
9. Häuser W eta al: Clinical practice Guideline: Long- term opioid use in non- cancer pain. Dtsch Arztebl. Int 2014; 111: 732-40.
10. Häuser W et al: Untying chronic pain: prevalence and societal burden of chronic pain stages in the general population- a cross- sectional survey. BMC Public Health 2014;14: 352.
11. Kissin I: Long-term opioid treatment of chronic nonmalignant pain: unproven efficacy and neglected safety? Journal of Pain Research 2013:6 513–529.
12. Alon E: Opioide sind nicht 1. Wahl, aber häufig unverzichtbar. Beilage Medical Tribune 49/2018.
13. Kraus M et al: Consensus and Controversies Between Pain and Addiction Experts on the Prevention, Diagnosis, and Management of Prescription Opioid Use Disorder. J Addict Med. 2020 Jan/Feb;14(1):1-11.
14. The Opioid Crisis and the Future of Addiction and Pain Therapeutics. J Pharmacol Exp Ther 371: 396-408; Nov 2019.