- Effiziente und wirksame elektronische Pflegedokumentation
Das Motto «so viel wie nötig, so wenig wie möglich» beschreibt treffend das notwendige Gleichgewicht in der Pflegedokumentation. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Patientenversorgung, läuft aber häufig Gefahr, auf eine rein bürokratische Aufgabe reduziert zu werden. Das Hauptziel der Dokumentation sollte sein, durch die strukturierte Bereitstellung der wesentlichen Informationen eine sichere und adäquate Patientenversorgung zu ermöglichen.
Voraussetzungen für die elektronische Dokumentation
Dies führt zu der entscheidenden Frage: Wie kann die elektronische Dokumentation so strukturiert werden, dass sie den Aufwand minimiert und gleichzeitig sinnvolle und umsetzbare Erkenntnisse liefert? Ein wichtiger Ansatz ist die Integration pflegewissenschaftlich entwickelter Inhalte. Dann können Dokumentationssysteme dazu genutzt werden, um zwischen komplexen und weniger komplexen Pflegesituationen zu unterscheiden. In pflegerisch weniger komplexen Fällen wird sofort ein Standardpflegeplan vorgeschlagen. Dieser orientiert sich vor allem am notwendigen Leistungsgeschehen, das der medizinischen Diagnose folgt. Im Gegensatz dazu kann in komplexen Situationen eine detailliertere Beurteilung der Pflegesituation erforderlich sein, um bestimmte Aspekte, wie z. B. die psychosozialen Auswirkungen einer onkologischen Erkrankung besser zu verstehen.
Die Komplexität eines Falles kann mit Hilfe von skalierten Assessmentinstrumenten erfasst werden. In der Vergangenheit wurden hierfür Instrumente aus fachfremden Disziplinen verwendet, wie z. B. der Barthel-Index oder das Functional Independence Measure (FIM). Diese Instrumente sind jedoch im pflegerischen Kontext nur eingeschränkt einsetzbar, da sie nicht speziell für die Pflege entwickelt wurden und nur Teilaspekte abdecken.
Einschätzungsinstrumente des epaSYSTEMS
Speziell für die professionelle Pflege entwickelte Einschätzungsinstrumente für den pflegerelevanten Gesundheitszustand sind z. B. die Pflegeassessments des epaSYSTEMS (System für die effiziente Pflegeanalyse). Dessen Basisassessments epaAC, epaKIDS, epaLTC und epaPSYC wurden mit dem Fokus auf den Pflegebedarf entwickelt und stehen seit 2006 auch elektronisch zur Verfügung.
Die Instrumente des epaSYSTEMS sind speziell für die Messung von Veränderungen des pflegerelevanten Gesundheitszustandes und der Fähigkeiten der Patientinnen und Patienten konzipiert. Die Inhalte dieser Instrumente wurden in pflegewissenschaftlichen Studien und Praxisforschungsprojekten entwickelt, wobei die praktische Anwendbarkeit im Vordergrund stand. Pflegefachpersonen werden damit in die Lage versetzt, den pflegerelevanten Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten mit Hilfe von Scores systematisch zu erfassen. Diese methodische Einschätzung bildet die Grundlage für die klinische Entscheidungsfindung im pflegediagnostischen Prozess. Die Instrumente des epaSYSTEMS machen automatisch Vorschläge für epa-Pflegediagnosen gemäss der Norm ISO 18104. Die Pflegefachperson erhält so einen umfassenden Überblick über den pflegerelevanten Gesundheitszustand einschliesslich der Pflegeziele. Bei regelmässiger Beurteilung werden Veränderungen aufgezeigt, so dass die Wirksamkeit der Pflege evaluiert und so der Behandlungserfolg im Sinne pflegesensitiver Ergebnisindikatoren nachgewiesen werden kann.
Verknüpfung mit Pflegemassnahmen
Durch die Verknüpfung zu Pflegemassnahmen können bei dieser Form der elektronischen Dokumentation Massnahmen direkt aus dem Assessment vorgeschlagen werden, was die Erstellung eines Pflegeplans erheblich vereinfacht.
Diese Form der Dokumentation kommt nicht nur dem Pflegepersonal zugute, sondern liefert z. B. auch dem ärztlichen Dienst und der Physiotherapie wertvolle Erkenntnisse und gibt allen am Behandlungsprozess Beteiligten einen schnellen Überblick über die Fähigkeiten und Beeinträchtigungen ihrer Patientinnen und Patienten. Im onkologischen Kontext können das z. B. Daten zu Fatigue, Übelkeit, Schmerzen, Nahrungsmenge sein.
Informationen für das Management
Was liegt also näher, als die vorhandenen Daten der pflegerischen Routinedokumentation über den reinen Pflege- und Behandlungsprozess hinaus zu nutzen? Diese Idee ist nicht neu, scheiterte aber bisher an den technischen Möglichkeiten. Eine moderne elektronische Routinedokumentation sichert nicht nur den Behandlungserfolg, sondern liefert auch wertvolle Informationen für das Management. Dazu gehören zum Beispiel
• die qualitative und quantitative Steuerung des Personaleinsatzes. Dadurch können Belastungsspitzen des Pflegepersonals besser gelenkt und abgepuffert werden,
• die Bettendisposition bzw. das Belegungsmanagement,
• die Ableitung pflegesensitiver Qualitätsindikatoren.
Blick in die Zukunft
Abschliessend ein Blick in die Zukunft der Pflegedokumentation: Geräte und Sensoren wie drucksensitive Matratzen, intelligente Trinkbecher oder KI-gestützte Bildanalysen des Mundstatus liefern zunehmend relevante Daten über Fähigkeiten und Beeinträchtigungen von Patientinnen und Patienten. Mit der Verfügbarkeit von Massendaten aus der Routinedokumentation des Pflegeprozesses sowie von Geräten und Sensoren können individuelle Präventionsprogramme zur Risikovermeidung oder Symptomkontrolle entwickelt werden. Diese müssen sich nicht auf Aktivitäten beschränken, die von Pflege(fach)personen durchgeführt werden. Auch spielerische Lernvideos für Betroffene in Spitälern, Therapieeinrichtungen und Pflegeheimen sind denkbar. So können Betroffene stärker in den Behandlungsprozess einbezogen und gleichzeitig beim Erhalt ihrer Selbstständigkeit unterstützt werden.
Anforderungen an die Ausbildung
Mit der Entwicklung der elektronischen Dokumentation verändern sich auch die Anforderungen an die Ausbildung. Eine zentrale Aufgabe zukünftiger (Pflege-)Bildung ist daher die Vermittlung digitaler Kompetenz. Dabei geht es weniger um die korrekte technische Bedienung elektronischer Geräte, sondern vielmehr um die Kompetenz, die richtigen Fragen zu stellen und zu erkennen, dass Daten – isoliert betrachtet – keinen Mehrwert bringen, solange sie nicht in einen Kontext gestellt und interpretiert werden.
Dirk Hunstein, Dr. rer. medic., Dipl. Pflegewirt ePA-CC GmbH, Geschäftsführender Gesellschafter, D-65203 Wiesbaden, dirk.hunstein@epa-cc.de
Madlen Fiebig, Dr. rer. medic., Dipl. Pflegewirtin ePA-CC GmbH, Lead Unit Products & Science, D-65203 Wiesbaden
Erstpublikation
in der Zeitschrift Onkologiepflege 01/2024