- Ein umfassender Überblick über die neuesten Forschungsentwicklungen
Bereits zum dritten Mal fand in Zürich der Anlass «Meet the Myeloma Experts» unter der Leitung von Prof. Dr. med. Christoph Renner, Prof. Dr. med. Ulrich Mey, Dr. med. Christian Taverna und Dr. med. Thilo Zander statt. Dabei stellten die vier Schweizer Myelom-Experten Patienten-Fälle vor, die zunächst diskutiert und anschliessend durch die Darstellung der neuesten Erkenntnisse durch einen internationalen Experten ergänzt wurden.
Die Themen des Meetings waren die First line-Behandlung des transplantierbaren Multiplen Myeloms (MM), die First line-Behandlung des nicht transplantierbaren Myeloms, sowie die Behandlung des rezidivierten/refraktären Myeloms.
1st Line Behandlung bei für eine Transplantation geeigneten Myelom-Patienten
Der Fall eines 1950 geborenen Mannes, der für die operative Entfernung eines Horns am Schädel vorgesehen war, wurde von
Dr. med. Thilo Zander, Luzern, vorgestellt. In der Radiologie wurden verschiedene Osteolyseherde festgestellt. Die Biopsie zeigte ein Plasmozytom des Typs IgA/Kappa, diffuse interstitielle Variante, Ki-67 70%. Die Labordaten ergaben IgA/Kappa Paraprotein 13.2g/l, β2-Mikroglobulin 4.43g/l (n < 2.5g/l), Albumin 32g/l, LDH normal. Zytogenetik: High Risk Del 17p, R-ISS II.
Der Referent fragte zunächst nach der von der Zuhörerschaft verwendeten Standardbehandlung als Induktionstherapie und stellte die Behandlungsmöglichkeiten VCD, VRD, VTD, oder KRD zur Diskussion:
Die Zuhörer äusserten sich mit überwiegender Mehrheit (86.1%) für VRD.
Die Behandlung erfolgte mit VRD x 4, VGPR, HD-Melphalan und ASCT. Danach komplette Remission. Was ist für den nächsten Schritt empfohlen? Als Auswahl nannte der Referent zweite HD-Mel, Konsolidierungs-VRD, Erhaltungstherapie, Follow-up. Die Antwort war mehrheitlich für Erhaltungstherapie (41%), aber Konsolidierungs-VRD (30.8%) und zweite HD-Mel (28.2%) wurden auch häufig genannt. Welches ist die Empfehlung für die Erhaltungstherapie? Lenalidomid bis PD? Lenalidomid während 2 Jahren, Lenalidomid + Bortezomib, Ixazomib? Die Publikumsmeinung war Lenalidomid bis PD (50%), Lenalidomid während 2 Jahren (39.5%), Lenalidomid + Bortezomib (10.5%), Ixazomib (0%). Eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid Monotherapie wurde im vorliegenden Fall durchgeführt.
Expertenmeinung aufgrund neuester Erkenntnisse :
Stellungnahme und Präsentation der entsprechenden neuesten Erkenntnisse erfolgte durch
Prof. Dr. med. Jospeh R. Mikhael, International Myeloma Foundation, North Hollywood. Der Experte wäre gleich vorgegangen, keine zweite Transplantation, Erhaltungstherapie mit Lenalidomid. Aber ist dies genügend?
Wir haben die Überlebenszeit verdoppelt, ja beinahe verdreifacht, aber es gibt noch keine Heilung, so der Referent. Die Transplantation spielt immer noch eine wichtige Rolle. Die optimalen Behandlungsziele beim Myelom sind Erreichen eines tiefen Ansprechens, bei beeinflussbarer Krankheit, Erreichen eines Langzeit-Überlebens (>10-20 Jahre), gute Lebensqualität und Verzögerung der Krankheitsprogression.
Der wahre Wert von CR ergibt sich aus dem MRD-Status. Der MRD-negative Status übertrifft die prognostische Bedeutung des CR-Werts für PFS und OS im gesamten Krankheitsspektrum, unabhängig von der Art der Behandlung oder der Risikogruppe des Patienten, wie aus einer gepoolten Analyse aus 3 PETHEMA/GEM Clinical Trials hervorgeht (Lahuerta JL et al. J Clin Oncol. 2017;35:2900-2910). Die MRD-Negativität sollte als einer der relevantesten Endpunkte für transplantierbare und ältere Patienten mit Multiplem Myelom (MM) angesehen werden. Nur wenige Patienten mit MM erreichen spätere Therapielinien. Bei jeder neuen Linie gehen 15-35% der Patienten verloren, wie der Referent zeigte. Die Komponenten der Therapie des MM sind Induktion, ASCT + Konsolidierung, Erhaltung, Behandlung der rezidivierten Krankheit. Bei der Induktion werden die besten Ansprechraten mit RVd und KRd erzielt (≥VGPR ca.75-80%, OR ca. 100%). Die Tiefe des Ansprechens nimmt mit den neueren Medikamenten zu (Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason (KRD) >80% vs. Dexamethason allein 10%).
Wie behandeln?
Initialtherapie bei für ASCT geeigneten Patienten: Bortezomib-Lenalidomid-Dexamethason bei den meisten. Cyclophosphamid-Bortezomib-Dexamethasom bei einigen, Carfilzomib-Lenalidomid-Dexamethason bei einigen.
Initialtherapie bei für ASCT nicht qualifizierten Patienten: Lenalidomid-Dexamethason mindestens, zusätzlich Bortezomib bei Erkrankung mit hohem Risiko und wenn machbar, neuerdings Zusatz von Daratumumab.
In einer Phase I/II Studie bei neu diagnostiziertem Myelom zeigte die Kombination Lenalidomid-Bortezomib-Dexamethason eine günstige Verträglichkeit und war hocheffektiv bei einem medianen Follow-up von 21 Monaten mit einer geschätzten PFS und OS mit oder ohne Transplantation von 75% bzw. 97% (Richardson PG et al. Blood. 2010;116:679-86). Die IFM/DFCI Studie 2009 zeigte die isolierte Wirkung der Transplantation. IFM 2009 ergab ein signifikant längeres medianes PFS in der MEL-200+HSCT Gruppe gegenüber der RVd Gruppe allein (50 Monate vs. 35 Monate, p<0.001). In der MEL-200 +HSCT Gruppe hatte ein signifikant höherer Prozentsatz der Patienten ein komplettes Ansprechen im Vergleich zur Gruppe mit alleinigem RVd (69% vs. 46%, p=0.03). MRD wurde bei 65% der Patienten in der RVD Gruppe vs. 79% der Patienten in der MEL-200 +HSCT Gruppe gesehen (p<0.001). Der Mangel an OS Vorteil in der IFM Studie kann für die Möglichkeit einer Verzögerung der ASCT bis zum Rezidiv sprechen (79% der Non-ASCT Patienten hatten eine ASCT beim ersten Rezidiv. 17% der ASCT Patienten hatten eine zweite ASCT nach dem ersten Rezidiv.
Alter und Fitness
Die Transplantation ist der Pflegestandard. Alte Patienten sind dabei unterrepräsentiert. Die Transplantat-bezogene Mortalität ist gering. Es gibt keine obere Altersgrenze für die ASCT. Die Fitness ist dynamisch und sollte durchwegs analysiert werden. Dazu dient der Gebrechlichkeitsscore, der sich aus funktionellem Status und Komorbiditäten zusammensetzt. Er gibt Angaben zur Überlebenszeit und Toxizitätsinzidenz.
Komorbiditäten
Komorbiditäten können die Behandlungsentscheidung beeinflussen, dazu gehören kardiovaskuläre/kardiopulmonale Krankheiten, Niereninsuffizienz, periphere vaskuläre Erkrankungen, vorexistierende periphere Neuropathie, vorbestehende Infektion/eingeschränkte Immunantwort, eingeschränkte Glukosetoleranz/Diabetes, Knochenmarkinsuffizienz, hepatische Dysfunktion, Gastrointestinalerkrankungen, Malignität.
Drei-Medikamentenregime als initiale Induktion: Daten von SWOG SO777
Lenalidomid plus Dexamethason ist eine Referenzbehandlung für Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom. Der SWOG S0777 Trial ist die erste Phase-III-Studie, die zeigte, dass die Integration eines Proteasominhibitors (Bortezomib) und eines immunmodulierenden Medikaments das Gesamtüberleben im Vergleich zum konventionellen Regime verbessert. Die Medikamentenkombination hatte ein akzeptables Risiko-Nutzen Profil.
Im prospektiven IFM 2013-04 Trial war VTD VCD vor ASCT bei Patienten mit de novo MM überlegen. Das komplette Ansprechen betrug unter VTD 13.0% vs. 8.9% unter VCD, das VGPR betrug 68.3% vs. 56.2% (p=0.05), und das partielle Ansprechen 92.3% vs. 83.4%. Laufende Studien werden den Stellenwert von RVD als Standard für neu diagnostizierte Patienten herausfordern.
Eine Phase-II-Studie der nächsten Proteasominhibitoren-Generation, Carfilzomib ergab in Kombination mit Lenalidomid eine eindrückliche tiefe Ansprechrate. Der hochaktive anti-CD38 monoklonale Antikörper Daratumumab wird ebenfalls bei neu diagnostizierten Fällen getestet.
Zusammenfassung 1st Line Therapie
Die Tiefe des Ansprechens ist bei der Frontline-Therapie wichtig. Die Induktion sollte idealerweise einen Proteasominhibitor und ein immunmodulierendes Medikament einschliessen. Triplett-Therapien haben bei der Frontlinien-Therapie gegenüber Dubletten einen Nutzen gezeigt. Schlüsselregimes schliessen KRD, VRD, VTD und VCD ein. Stammzelltransplantationen nehmen immer noch eine Schlüsselposition in der Behandlung des Myeloms ein. Die Transplantation kann aber bei gewissen Patienten mit niedrigem Risiko verzögert werden.
Erhaltungstherapie
Drei Studien mit insgesamt 1208 Patienten wurden mit Lenalidomid als Erhaltungstherapie durchgeführt und in einer Metaanalyse zusammengefasst (Mc Carthy PI J Clin Oncol. 2017;35:3279-3289). 1208 Patienten wurden in die Meta-Analyse einbezogen (605 Patienten in der Lenalidomid-Erhaltungsgruppe und 603 in der Placebo- oder Beobachtungsgruppe). Das mediane PFS betrug 52,8 Monate für die Lenalidomidgruppe und 23,5 Monate für die Placebo- oder die Beobachtungsgruppe (Hazard Ratio, 0,48; 0,41 bis 0,55). Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 79,5 Monaten für alle überlebenden Patienten war das mediane OS für die Lenalidomid-Erhaltungsgruppe nicht erreicht worden, während es für die Placebo- oder Beobachtungsgruppe 86,0 Monate betrug (Hazard Ratio, 0,75; 0,63 bis 0,90; P = .001). Die kumulative Inzidenzrate von Zweittumoren vor dem Fortschreiten der Erkrankung war mit Lenalidomid-Erhaltung im Vergleich zu Placebo oder Beobachtung höher, während die kumulative Inzidenzrate von Progression, Tod oder Tod als Folge des Myeloms mit Placebo oder Beobachtung im Vergleich zur Erhaltung mit Lenalidomid höher. Die Abbruchrate unter Lenalidomid betrug 29 %. Diese Meta-Analyse zeigt einen signifikanten OS-Nutzen und bestätigt den PFS-Nutzen mit Lenalidomid-Erhaltung nach ASCT bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom im Vergleich zu Placebo oder Beobachtung.
FAZIT
Der Referent zog das folgende Fazit:
• Triplettinduktionstherapie für die meisten Patienten.
• ASCT für transplantable Patienten. Bei gebrechlichen Patienten sind Therapiemodifikationen in Betracht zu ziehen (Rvd-Lite oder Dublett).
• Erhaltungstherapie sollte für jeden Patienten optimiert und individualisiert werden.
• Aggressive Behandlung und sorgfältige Überwachung bei Patienten mit Hochrisiko-Krankheit, eine Proteasominhibitor basierte Erhaltungstherapie erwägen.
• Eine grosse Anzahl von Behandlungen ist im rezidivierten Fall verfügbar und wird im Upfront Setting untersucht.
1st Line Behandlung bei für eine Transplantation nicht wählbaren Myelom-Patienten
Der Fall eines 77jährigen männlichen Patienten, wurde von
Prof. Dr. med. Ulrich Mey, Chur, vorgestellt. Früherer Raucher (40 py), arterielle Hypertonie, adäquat behandelt, koronare Herzkrankheit, letzte Koronarangiographie 2009, periphere arterielle Verschlusskrankheit, sonst aktiv und fit. Rechtsseitige lumbosakrale Schmerzen seit 01/2017, keine Besserung nach Physiotherapie und Akkupunktur. Hämoglobin 87g/l, ESR 100mm/h, Kreatinin 65µmol/l, Hyperkalzämie 2.88mmol/l, Gesamtprotein 98g/l, Immunfixation positiv für IgM Lambda. Die Elektrophorese ergibt einen M-Gradienten (29.1g/l), IgM im Serum 56g/l, β2-MG 4.0mg/l, Serumalbumin 36.6g/l. Es wurde eine CT-gesteuerte Biopsie der grossen Beckenläsionen und eine Knochenmarks-Biopsie durchgeführt, die eine Plasmazell-Neoplasie mit Lambda-Leichtkettenrestriktion zeigte: CD 138+, CD 79a+, CD 20 negativ, MYD88 L265P negativ. Die zytogenetische Analyse (FISH & aCGH) ergab einen near triploid Karyotyp, del (17p) Subklon. Welches ist die wahrscheinlichste Diagnose? 97.5% der Zuhörer sind für die Diagnose MM vom IgM Typ.
Der Referent erkundigte sich bei der Zuhörerschaft nach den Behandlungsregimes, welche für diesen Patienten bevorzugt eingesetzt werden. Die vorgeschlagenen Alternativen sind RD, VD, VMP, MPT, VCD, RVD. Die Zuhörer entschieden sich für RVD (60.0%). 15% stimmten für VMP und je 7.5% für RD bzw. VD.
Expertenmeinung aufgrund neuester Erkenntnisse:
Anstelle von Prof. Philippe Moreau, Nantes, der verhindert war, besprach
Prof. Dr. med. Paul Richardson, Boston, die neuesten Erkenntnisse bei der Behandlung von für ASCT nicht in Frage kommende Patienten in der Frontline-Therapie.
Alter ist ein wichtiger Faktor. Das mittlere Alter beträgt 70 Jahre, mehr als ein Drittel der Patienten ist mehr als 75jährig. Das Alter ist wichtig wegen der Komorbiditäten (Hypertonie, ischämische Herzkrankheit, Diabetes, Niereninsuffizienz, Osteoporose, psychologische Probleme), Gebrechlichkeit, veränderter Medikamentenmetabolismus, eingeschränkte soziale Unterstützung, finanzielle Gegebenheiten, eingeschränkte Unabhängigkeit/Mobilität.
ASCT möglich:
Neue Daten und die Zukunft
• Ja, Induktion mit 3 Medikamentenregime, VTD, VCD, RVD, PAD →200mg/m2 Melphalan gefolgt von ASCT→Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
• Nein, Erste Option VMP, RD, VRD. Zweite Option VCD, MPT. Weitere Optionen BP, CTD, MP.
Überlebensvorteil: MP plus Thalidomid.
IFM 99-06, Thalidomid plus Melphalan: neu diagnostizierte Myelompatienten im Alter zwischen 65 und 75 Jahren wurden randomisiert mit Melphalan und Prednison oder Melphalan, Prednison und Thalidomid behandelt. Die Daten ergaben eine starke Evidenz, dass die Kombination von Thalidomid mit Melphalan und Prednison der alleinigen Therapie mit Melphalan und Prednison überlegen war.
Melphalan plus Bortezomib: Eine Multizenter Phase 1/2 Studie zeigte, dass bei älteren, für eine ASCT nicht in Frage kommenden Patienten die Kombination von Bortezomib plus MP signifikant besser war als MP allein, mit sehr hohen Raten für komplette Remission, inklusive kompletter Remissionen, sogar bei Patienten mit schlechter Prognose. Auch in der VISTA Studie (Mateos MV JCO 2010;26;2259-66) bestätigte sich, dass VMP das OS gegenüber MP signifikant verlängert. Im Hinblick auf Nebenwirkungen zeigte sich vor allem eine Zunahme peripherer Neuropathie vom Grad 3/4 unter VMP.
Der Referent gab die folgende Definition des klinischen Nutzens: TTP: Zeit bis zur Progression, TNT, Zeit bis zur nächsten Therapie, TFI Behandlungsfreies Intervall. Erreichen eines kompletten Ansprechens ist mit einem verlängerten behandlungsfreien Intervall assoziiert.
Lenalidomd/niedrig dosiertes Dexamethason bei älteren Patienten: In der ECOG-E4A03-Studie wurde Lenalidomid plus Dexamethason in Standarddosis oder plus niedrig dosiertem Dexamethason bei frisch diagnostiziertem MM untersucht. Die 2-Jahresüberlebenswahrscheinlichkeit betrug unter Len + high dose Dex 0.67 (0.56-0.77) gegenüber 0.82 (0.74-0.91) unter Len plus low dose Dex. In der FIRST/MM020/IFM 2007-01 Studie zeigte sich, dass im Vergleich zu MPT die kontinuierliche Verabreichung von Lenalidomid-Dexamethason bis zur Krankheitsprogression mit einer signifikanten Verbesserung des PFS und einem Gesamtüberlebensvorteil einherging.
Neue Daten und die Zukunft
• VMP/Rd sequentiell oder alternierend (Mateos MV m Blood 2016;127;420-5): Beide Schemata ergaben einen bemerkenswerten Nutzen. Zudem war das komplette Ansprechen mit besserem Outcome und akzeptablem Toxizitätsprofil assoziiert. Zwischen sequentieller und alternierender Therapie wurde kein Unterschied festgestellt. Das chronologische Alter erwies sich aber als Prädiktor für PFS und OS
• MP basiert: VMP +/- Daratumumab: ALCYLONE: Daratumumab ergab gegenüber der Kontrolle ein signifikant längeres PFS (Nicht erreicht vs. 18.1 Monate). Die HR für Krankheitsprogression oder Tod betrug 0.50 (0.38-0.65), P<0.001. Das mediane Überleben wurde in keinem der beiden Behandlungsarme erreicht.
• RVD Lite: Modifiziertes Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason wurde als Regime, welches neue Medikamente bei nicht transplantierbaren Patienten bezüglich Wirksamkeit und Toxizität optimal ausgleicht, untersucht (O’Donnell W et al Br J Hematol 2018;18:222-230). Das ORR betrug 86% und 66% der Patienten erreichten ein sehr gutes partielles Ansprechen. Das mediane PFS betrug 35.2 Monate, das mediane OS wurde nach einem 30 monatigen Follow-up nicht erreicht
• RD basiert: MLN-RD vs RD: TOURMALINE 1 untersuchte orales Ixazomib plus Lenalidomid-Dexamethason vs. Placebo plus Lenalidomid-Dexamethason. Die Zugabe von Ixazomib war mit einem signifikant längeren PFS assoziiert (20.6 vs 14.7 Monate). Die zusätzlichen toxischen Effekte mit diesem gesamtoralen Regime waren begrenzt
• Elozutumab-RD vs RD, ELOQUENT 2: Elotuzumab plus Lenalidomid und Dexamethason wurde gegenüber Lenalidomid plus Dexamethason bei rezidiviertem/refraktärem multiplem Myelom untersucht. (Dinopoulos Ma et al, Cancer 2018; Sep 11. doi:10.10002/cncr.31680 (Epub ahead of print)). ELd reduzierte das Risiko für Krankheitsprogression um 29% vs. Ld (HR 0.71). Die Daten sprechen für Elotuxumab als wertvolle therapeutische Option für die Langzeitbehandlung von Patienten mit RRMM.
• Daratumumab-RD vs RD: MAIA: Die MAIA Studie zeigte, dass Daratumumab in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason einen grösseren Nutzen hat als Lenalidomid und Dexamethason allein bei Patienten mit neu diagnostiziertem MM, welche für eine ASCT nicht in Frage kommen.
Rezidiviertes Multiples Myelom
Die entsprechende Fallvignette stellte
Dr. med. Christian Taverna, Münsterlingen, vor. Es handelte sich um einen 1972 geborenen Mann mit M. Bechterew, behandelt mit dem TNFα Inhibitor Etanercept. 2013 schwere bilaterale Retinopathie unbekannter Ätiologie, zerebrovaskulärer Infarkt parietal linksseitig, Bakteriämie mit Strep. salivarius. MM IgG Kappa, ISS Stadium II, gain 1q, del 13, Trisomie 9 und 15.
Die Therapie besteht aus Induktion mit 4 Zyklen VCD mit PR. 1/2013 Beginn mit Zoledronsäure, 5/2013 Stammzellmobilisierung mit Vinorelbine, erfolgreiche Stammzellgewinnung, 6/2013 Single Hochdosis Chemotherapie mit Melphalan 200 mg/m2
Ansprechen: Immunfixation negativ, Knochenmark nicht durchgeführt, 11/13-011/15 Lenalidomid Erhaltungstherapie 10mg/d.
Welche Zweitlinientherapie?
• Re-Induktion und zweite ASCT
• Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason
• Ixazomib, Lenalidomid, Dexamethason
• Daratumumab, Lenalidomid, Dexamethason
• Daratumumab, Bortezomib, Dexamethason
• Elotuzumab, Lenalidomid, Dexamethason
• Die Zuhörer stimmen für Re-Induktion und zweite ASCT (64.9%), je 16.2% für Carfilzomib,
Lokale Therapie für Th9?
Radiotherapie, Kypho- oder Vertebroplastie, Chirurgie oder keine lokale Therapie.
45.2% der Zuhörer stimmen für Radiotherapie, 41.9% für Kypho- oder Vertebroplastie
Welche Drittlinientherapie?
• Re-Induktion und ASCT
• CAR-T-Zelltherapie
• Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason
• Ixazomib, Lenalidomid, Dexamethason
• Daratumumab, Lenalidomid, Dexamethason
• Daratumomab Bortezomib, Dexamethason
• Elotuzumab, Lenalidomid, Dexamethason
Die Zuhörerschaft teilte sich im Wesentlichen in Daratumumab, Lenalidomid, Dexamethason (34.2%), Daratumumab, Bortezomib Dexamethason (26.3%) und Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason (23.7%) auf.
Expertenmeinung aufgrund neuer Entwicklungen auf dem Gebiet des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms (RRMM)
Die aktuelle Expertenmeinung und die neuesten Erkenntnisse wurden wiederum durch Prof. Paul Richardson, Boston, vorgetragen. Das MM ist beim Rezidiv sehr komplex in Hinblick auf genetische Veränderungen und der klonalen Evolution, so der Referent. Die Prognose für Patienten, die auf die derzeitig verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten refraktär sind, bleibt schlecht, wie eine Studie an Myelompatienten, die mindestens drei vorherige Therapielinien erhalten hatten und sowohl für Imide (Lenalidomid oder Pomalidomid) als auch für Proteasominhibitoren (Bortezomib oder Carfilzomib) refraktär waren und eine alkylierende Therapie erhalten hatten (Kumar SK et al. Leukemia 2017;31:2443-2448). Mittlerweile sind multiple Optionen zur Behandlung von Patienten mit neu diagnostiziertem RRMM vorhanden. Wie führen wir die Sequenz der Therapien durch, um das beste Outcome für den Patienten zu erreichen? Die Hauptziele im Jahre 2019 sind im Hinblick auf genetische Abnormalitäten die Überwindung von Mutationen, die kritische Rolle von Kombinationen und die fortlaufende Therapie, der Stellenwert und das Timing der ASCT, im Hinblick auf die überschüssige Proteinproduktion der Proteinabbau als Ziel und im Hinblick auf die Immunsuppression die Wiederherstellung der anti-Myelom Immunität.
Der Entscheid für die nächste Therapie bei einem Myelompatienten hängt von multiplen Faktoren ab, diese umfassen Patienten-bezogene Faktoren und Krankheits-bezogene Faktoren. Der Referent wies auf die Optionen bei RRMM entsprechend der NCCN Guidelines 2018 (USA) hin. Er präsentierte die zahlreichen Studien auf diesem Gebiet hin, so ASPIRE (KRd vs. Rd), TOURMALINE-MM1 (IRD vs. RD), POLLUX (DRD vs. RD), ELOQUENT-2(ERD vs. RD), ENDEAVOR (KD vs. VD), CASTOR (DVD vs. VD), PANORAMA (Pano-VD vs. VD), die Vorteile für Carfilzomib+Lenalidomid+Dexamethason vs. Lenalidomid+Dexamethason und die entsprechenden Kombinationen mit Ixazomib, Daratumumab, Elotuzumab und Panobinostat vs. Lenalidomid+Dexamethason ergaben. Lenalidomid wird jetzt vermehrt im Frontline Setting verwendet und die Patienten werden während einer längeren Periode behandelt.
Pomalidomid bei RRMM: Pomalidomid ist ein orales IMID mit direkter tumorizider und immunmodulatorischer Wirkung. In präklinischen Studien inhibierte es Lenalidomid-resistente Zellen. Pomalidomid zeigt einen OS-Vorteil bei Lenalidomid-refraktären Patienten. Die Triplettkombination Pomalidomid, Bortezomib und Dexamethason zeigt eine vielversprechende Wirksamkeit bei Lenalidomid-refraktären Patienten in der frühen Phase. Die Phase-III-Studie OPTIMISMM ergab signifikant bessere PFS und ORR mit PVD bei RRMM (100% Lenalidomid exponiert und 70% Lenalidomid refraktär, eine zunehmende Patientenpopulation, für welche Lenalidomid keine Therapieoption mehr darstellt). PVD reduzierte das Risiko für Krankheitsprogression signifikant um 39% vs. VD.
Weitere Studien und Therapielinien:
IKEMA (Isatuxumab+Carfilzomib+Dexamethason vs. Carfilzomib+Dexamethason)
OCEAN (Melflufen+Dexamethason vs. Pomalidomid + Dexamethason)
DREAMM-1 ( GSK2857016)
Der Referent wandte sich abschliessend einem weiteren Hauptziel beim MM zu, der überschiessenden Proteinproduktion und dem Proteasom. Marizomib ist ein strukturell und pharmakologisch einzigartiger irreversibler Proteasominhibitor, der für die Blut-Hirnschranke durchlässig ist und eine synergistische Wirkung mit Immunmodulatoren zeigt. Marizomib hat möglicherweise eine Wirkung auf ausgewählte ZNS Malignitäten.
Abschliessend wandte sich der Referent der ELOQUENT-3 Studie zu. ELOQUENT-3 ist die erste randomisierte Studie, die Pomalidomid mit oder ohne monoklonalen Antikörper vergleicht. EPD zeigte eine klinisch bedeutsame 46% Reduktion des Risikos für Progression oder Tod (HR 0.54 mit einem gegenüber PD verdoppelten PFS (10.2 vs. 4.7 Monate). Das ORR war mit Elotuzumab+Pomalidomid (EPD) doppelt so hoch wie mit Pomalidomid allein (53% vs. 26%). EPD zeigte ein günstiges Sicherheitsprofil mit niedrigeren Neutropenieraten als erwartet und wenigen Infusionsreaktionen (5%). EPD stellt eine neue Therapieoption bei Patienten mit RRMM dar, bei denen eine Therapie mit Lenalidomid und einem Proteasominhibitor nicht mehr wirksam ist.
Die neuen Moleküle Isatuximab und Selinexor beim multiplen Myelom
Neue Moleküle in der Therapie des MM wurden von Prof. Dr. Joseph Mikhael, North Hollywood, besprochen. Isatuximab ist ein monoklonaler anti-CD-38 Antikörper. Präklinische Studien deuten darauf hin, dass ADCC (Antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität) der wichtigste Faktor für die Wirksamkeit dieses speziellen monoklonalen Antikörpers ist. So könnten Medikamente, die NK-Zellen stimulieren können, optimale Kandidaten für rationale Kombinationen mit Isatuximab sein. Die ICARIA MM Studie ist eine multinationale klinische Studie zur Untersuchung von Isatuximab, Pomalidomid und Dexamethason im Vergleich zu Pomalidomid und Dexamethason allein bei Patienten mit RRMM. Die möglichen Vorteile von Isatuximab sind: Kürzere Infusionszeit, in vitro Überlegenheit, aber unklar ob klinisch signifikant, günstiges Nebenwirkungsprofil?
Selinexor ist der erste SINE (selective inhibitor of nuclear export), welcher spezifisch XPO1 (hauptsächliches nukleäres Export Protein) blockiert. XPO1 ist beim MM überexprimiert. Die Schlüsselpunkte für Selinexor sind:
Selinexor erfüllt eine klinische Notwendigkeit bei Refraktärität gegenüber sämtlichen 5 verfügbaren Standardoptionen. Seine Applikation ist einfach durch die orale Verabreichung. Selinexor erfordert eine aufmerksame unterstützende Behandlung vor allem im ersten Monat.
Ausgewählte neue Agentien beim multiplen Myelom: Focus auf Melflufen, Immuntherapie
Melflufen weist eine stärkere Anti-Tumoraktivität auf als das verwandte Melphalan, trotz der identischen Alkylierungskapazität. Studien an Modellen mit soliden Tumoren zeigen, dass die Behandlung mit Melflufen eine 10-fach höhere Melphalan-Beladung bewirkt, was die höhere Tumorzytotoxizität erklärt.
In einer Phase-II-Studie (Richardson PG et al. ASH 2017) bei RRMM Patienten nach ≥2 vorhergängigen Therapielinien, einschliesslich Lenalidomid und Bortezomib zeigte Meflufen ein schnelles und dauerhaftes Ansprechen. Das ORR betrug 41% und das CBR 65% mit medianem PFS von 5.7 Monaten und medianem OS von 20.7 Monaten. Die Verträglichkeit war günstig, hämatologische Toxizität häufig aber klinisch beherrschbar, nicht-hämatologische unerwünschte Wirkungen waren selten.
BCMA, APRIL und Antikörperkonjugate
BCMA (B-cell maturation antigen) und APRIL(a proliferation induced ligand) sind beim MM erhöht. Sie fördern Wachstum des MM und Immunsuppression im Knochenmark. Anti-Medikament-Konjugate (ADCs) können Ziele selektiv ansteuern und Medikamente an Myelomzellen liefern. Der Referent besprach die Resultate mit dem Antikörper-Medikament-Konjugat GSK2857916 einem Antikörperkonjugat gegen BCMA. Die DREAMM-1-Studie ist eine open label Dosiseskalationsstudie zur Untersuchung der Sicherheit, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik, Immunogentität und klinischen Wirksamkeit von GSK2847916 bei Patienten mit RRMM und bei anderen hämatologischen Malignitäten, die BCMA exprimieren. Die Studie ist noch am Laufen. GSK2857916 resultierte in einem ORR von 60% bei stark vorbehandelten Patienten mit MM. Das mediane PFS war 7.9 Monate und DOR nicht messbar, da nur 4 ansprechende Patienten bis zum Zeitpunkt des Dateneinschlusses progredient waren.
Neue Medikamente: CART Zellen, Venetoclax
Die anti-BCMA CAR T Zelltherapien besprach Prof. Dr. med. Christoph Renner, Zürich. bb2121 ist eine chimäre Antigenrezeptor (CAR) T-Zelltherapie der zweiten Generation, die auf das B-Zell-Maturationsantigen (BCMA) abzielt, um T-Zellen umzuleiten, damit maligne Myelomzellen erkannt und abgetötet werden. Die tiefen und dauerhaften Remissionen einer Phase 1-Studie mit der anti-BCMA chimären Antigenrezeptor (CAR) T-Zelltherapie bb2121 bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem, stark vorbehandeltem MM haben zu einer Phase-II-Studie geführt, die derzeit noch läuft. In dieser Studie betrug das ORR 95.5% bei der höchsten Dosierung, das mDOR 10.9 Monate. Das Tumoransprechen nach BCMA Expression zeigte ein ORR von 100% bei niedriger BCMA Expression und 91% bei hoher BCMA Expression. Das mediane PFS betrug bei aktiven Dosen (≥150 x 106 CAR-T Zellen).
Venetoclax beim rezidivierten MM: Venetoclax ist ein selektiver Bcl-2 Hemmer, der ein Absterben bei MM Zellen bewirkt, insbesondere bei solchen mit der t(11;14) Translokation, die hohe BCL-2 Werte exprimieren. In einer Phase-Ib-Studie (Moreau P et al. Blood. 2017;130:2392-2400) ergab Venetoclax in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason ein ORR von 67%; 42% erreichten ein sehr gutes partielles Ansprechen oder besser (≥VGPR). Die mediane Zeit bis zur Progression und die Dauer des Ansprechens betrugen 9.5 bzw. 9.7 Monate. Ein ORR von 97% und ≥VGPR von 73% wurden bei Patienten gesehen, die auf Bortezomib nicht refraktär waren. Patienten mit hoher BCL2 Expression wiesen ein höheres ORR auf (94%) als Patienten mit niedriger BCL2 Expression (59%). Die neuartige Kombination von Venetoclax mit Bortezomib und Dexamethason weist ein akzeptables Sicherheitsprofil und eine vielversprechende Wirksamkeit bei Patienten mit RRMM auf. Venetoclax scheint auch eine Hoffnung für Patienten mit Plasmazell-Leukämie und für solche mit AL-Amyloidose zu sein.
Venetoclax ist die erste zielgerichtete Therapie beim MM. Es eignet sich für die Kombination mit Proteasominhibitoren.
Quelle: Meet the Myeloma Experts, Zürich, 8.11.2018
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