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Dr. med. Lorenz Bankel, Medizinische Onkologie, Zürich

ESMO 2019: Gastrointestinale Malignitäten



Der diesjährige ESMO-Kongress war ein Feuerwerk an spannenden neuen Daten. Dabei wurde eine Vielzahl von interessanten und lang erwarteten Daten über gastrointestinale Malignome präsentiert. Hier stellen wir Ihnen drei hochrelevante Studien vor.

Hepatozelluläres Karzinom – CheckMate-459

Bei fortgeschrittenem hepatozellulärem Karzinom bestehen die Erstlinienbehandlungsoptionen in der VEGF-gerichteten Tyrosinkinase-Inhibition (TKI) mit Sorafenib oder Lenvatinib (1). Die Immuncheckpoint-Blockade zeigte in einer Phase I/II-Studie vielversprechende Ergebnisse (2). Allerdings wurden Immuntherapie und TKI-Therapie nie in einer Phase-III-Studie verglichen, was das Ziel der CheckMate 459-Studie war (LBA38_PR, Ann. Oncol. 2019;30: suppl 5). 743 Patienten mit bisher unbehandeltem, fortgeschrittenem HCC wurden randomisiert auf Nivolumab oder Sorafenib. Leider zeigte sich der primäre Endpunkt Gesamtüberleben (OS) nicht signifikant unterschiedlich (16,4 vs. 14,7; HR  0,95; p = 0,075). Für Nivolumab wurde eine objektive Ansprechrate (ORR) von 15% gegenüber 7% mit Sorafenib beobachtet. Bei Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren (≥ 1%) stieg die ORR auf 28% (20 Patienten) mit Nivoumab gegenüber 9% in der Sorafenib-Gruppe. Die Analyse von Sicherheit und Lebensqualität favorisierte ebenfalls die Nivolumab-Gruppe mit der bekannt niedrigen Grad 3/4-Toxizitätsrate. Obwohl das Gesamtüberleben gegenüber Sorafenib nicht überlegen war, zeigte Nivolumab klinisch bedeutende Ansprechraten und Langzeitüberleben mit einem günstigen Sicherheitsprofil. Wegen der späteren Trennung der Überlebenskurven, Nivolumab begünstigend, sollten die endgültigen OS-Ergebnisse nach langem Follow-up bewertet werden. Zwischenzeitlich wurden die Ergebnisse der IMbrave 150-Studie (Atezolizumab/Bevazizumab vs. Sorafenib; Phase III) in einer Pressemitteilung veröffentlicht, in der der IO-Arm als überlegen bezüglich OS und PFS bezeichnet wurde (3).

Lokal fortgeschrittenes Pankreaskarzinom – NEOLAP

Die Mehrheit der Patienten mit neu diagnostiziertem, duktalem Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) befindet sich in einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium. Die Konversion von Patienten mit inoperablem, lokal fortgeschrittenem PDAC, die eine intensive Induktionstherapie erhielten, hat gezeigt, dass diese das Gesamtüberleben verbessert. Die deutsche, multizentrische, Phase II NEOLAP-Studie (#6710) verglich die Induktionschemotherapie mit Gemcitabin/Nab-Paclitaxel (G/nP) mit der sequentiellen Therapie mit G/nP und FOLFIRINOX. 168 Patienten mit lokal fortgeschrittenem PDAC wurden randomisiert auf 4 Zyklen G/nP vs. 2 Zyklen G/nP und 4 Zyklen FOLFIRINOX, gefolgt in beiden Armen von Resektion und 3 weiteren Zyklen G/nP. Aufgrund der geringen Stichprobengrösse wurde weder in der Resektionsrate (primärer Endpunkt; 45,0 vs. 30,6%, p =v0,135) noch bei OS und PFS (sekundäre Endpunkte) ein signifikanter Unterschied festgestellt. Der 15%ige Unterschied in der Resektionsrate führt jedoch zu einem klinisch bedeutsamen Nutzen der intensiven Induktionstherapie mit G/nP gefolgt von FOLFIRINOX. Darüber hinaus war das Studiendesign dieser kleinen randomisierten Studie leider suboptimal; eine Randomisierung der Induktionschemotherapie mit FOLFIRINOX vs. G/nP wäre sinnvoller gewesen. Insgesamt scheint FOLFIRINOX bei lokal fortgeschrittenem PDAC als Induktionschemotherapie aktiver zu sein. Tatsächlich haben grosse Kohortenstudien in diesem Zusammenhang Resektionsraten von bis zu 60% gezeigt (4).

Metastasierendes kolorektales Karzinom (mCRC) – BEACON

Das BRAF V600E mutierte mCRC stellt einen sehr aggressiven Phänotyp mit schlechter Prognose bei etwa 10% der mCRC-Patienten dar (5). Es besteht daher ein hoher Bedarf an einer zielgerichteten Therapie nach Scheitern der Erstlinienchemotherapie. Die BEACON-Studie (Phase 3, # LBA32) verglich zwei gezielte Therapieschemata bestehend aus Encorafenib, Binimetinib und Cetuximab (Triplet) oder Encorafenib und Cetuximab (Doublet) gegenüber der Standardchemotherapie plus Cetuximab. 665 zuvor behandelte mCRC-Patienten wurden eingeschlossen. Beide zielgerichteten Chemotherapie-Behandlungsarme zeigten signifikante Verbesserungen bei ORR (primärer Endpunkt; 35% (Triplet) und 29% (Doublet) vs. 7%, p< 0,0001) und Gesamtüberleben (9,0 (Triplet), 8,4 (Doublet) vs. 5,4 Monate, HR 0,52, p< 0,001). Ein Vergleich zwischen den beiden TKI-Armen war bei dieser frühen Zwischenanalyse nicht möglich. Alle drei Arme erwiesen sich als sicher mit tolerierbaren Raten von Grad 3-Toxizität, die im Triplet-Arm jedoch höher waren als im Doublet-Arm. Aufgrund dieser positiven Ergebnisse sollte die gezielte Doublet- oder Triplet-Therapie als neuer Behandlungsstandard in der beschriebenen Patientengruppe angesehen werden.

1. Vogel A et al. Hepatocellular carcinoma. ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treament and follow-up. Ann. Oncol 2019;30:871-873
2. El.Khouairy AB et al. Nivolumab in patientd with advanced hepatocellular carcinoma (CeckMate 040); an open-labled, non-comparative, phase 1/2 dose escalation and expansion trial Lancet 2017; 389: 2492-2502
3. Ltd, H—L. Media Realease: Roche’s tecentriq in combination with avastin increased overall survival and progression-free survival in people with unresectable hepatocellular carcinoma (2019)
4. Hackert T et al. Locally advnced pancreatic cancer: Neoadjuvant therapy with folfirinox. Results in resectability in 60% oft he patients. Ann Surg. 2016;264: 457-463.
5. Tran B et al Impact of BRAF mutation and microsatellite instability on the pattern of metastatic spread and prognosis in metastatic cororectal cancer. Cancer 2011;117:4623-4632

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  • Vol. 9
  • Ausgabe 6
  • Dezember 2019