Medizin Forum

Die letzten Jahre im Überblick

Fortschritte in der Hämatologie

Die Hämatologie beschäftigt sich mit malignen und benignen Krankheiten des Blutes inkl. Gerinnung. Zur Hämatologie gehören auch die labortechnische hämatologische Diagnostik und die Transfusionsmedizin. In all diesen Bereichen konnten in den letzten Jahren hervorragende Fortschritte erzielt werden. Nicht zu vergessen, die Tumore des Blutbildungssystems haben die moderne Krebstherapie begründet, die Leukämiebehandlung stand dabei am Anfang, wohl wegen der guten Zugänglichkeit der malignen zirkulierenden Zellen im Blut. Anstatt diese Fortschritte heute begeistert zu feiern, muss aber zunehmend über die ökonomischen und gesundheitspolitischen Implikationen derselben diskutiert werden.



L’hématologie traite des maladies malignes et bénignes du sang, y compris la coagulation. L’hématologie comprend également le diagnostic hématologique en laboratoire et la médecine transfusionnelle. D’excellents progrès ont été réalisés dans tous ces domaines ces dernières années. Sans oublier que les tumeurs du système hématopoïétique ont établi la thérapie moderne du cancer, le traitement de la leucémie était au début, probablement en raison de la bonne accessibilité des cellules malignes circulantes dans le sang. Cependant, au lieu de célébrer ces progrès avec enthousiasme aujourd’hui, il faut de plus en plus en discuter des implications économiques et de politique de santé qui en découlent.

Das Gesundheitswesen hat in den letzten Jahren eine massive Teuerung erfahren und die Krankenkassenprämien stossen jetzt an die Grenze der Belastbarkeit der einzelnen Haushalte. Der gleichberechtigte Zugang zu Therapien wird in der gesellschaftlichen Diskussion nicht in Frage gestellt es findet aber eine schleichende Ungleichbehandlung statt. Durch die Überführung von stationären Massnahmen in den ambulanten Sektor wird diese Tendenz verstärkt, die ambulante Medizin wird über Kopfprämien gedeckt ohne wesentliche soziale Abfederung während bei den stationären Kosten die Kantone ca. die Hälfte der Kosten übernehmen. Desungeachtet sollte auch verdeutlicht werden, dass diese Kostenzunahme nicht nur in Infrastrukturen geflossen sind, sondern auch zahlreiche therapeutische Fortschritte erzielt werden konnten, welche den Kranken zu Gute kommen, das Wissen wird mehr, die Medizin grösser. Dieser Fortschritt geht weiter, die Anzahl der sich in Entwicklung befindenden Substanzen in diesem Bereich ist hoch und es sind Therapien und Verfahren in Entwicklung die noch ein Vielfaches der bisherigen Spitzenpreise erzielen werden. Dieser Kostenschub wird trotz berechtigter Kritik an der Preisfestsetzung von Therapien nicht aufzuhalten sein. Es wird in der Zukunft darum gehen, den Zugang zu wirksamen Therapien für alle Betroffenen aufrecht zu erhalten, der Willkür durch einzelne Zahler und somit der Zugangsunsicherheit so gut es geht den Riegel zu schieben, und zudem wird es unter Ägide von gesundheitspolitischen Organisationen darum gehen zu definieren, welche Patienten Zugang zu solchen Spitzentherapien haben werden. Die Therapien werden wirksam sein, für kleine Gruppen von Patienten die in Frage kommen, und sehr teuer sein. Es sei hier deshalb der Versuch erlaubt, therapeutische Fortschritte im Bereich der Hämatologie der letzten Jahre zusammenzufassen.
Diese Arbeit hat nicht zum Ziel vollständig zu sein, noch bietet sie eine Kosten-Nutzen-Analyse, z.T. werden mit teuren Medikamenten auch sehr seltene Krankheiten behandelt, so dass der Einfluss auf die Gesamtgesundheitskosten gering ist. Ebenso ist es schwierig, Medikamentenkosten für seltene Krankheiten mit solchen häufigerer Entitäten aufzurechnen. Demzufolge stösst auch die Diskussion darüber wie viel denn ein gewonnenes Lebensjahr die Gesellschaft kosten darf, an Grenzen. Auch gibt es bekannterweise keine gute Korrelation zwischen den Preisen von Medikamenten und dem erwiesenen therapeutischen Nutzen. Dennoch ist es wohl sinnvoll, in der Kostensteigerungsdebatte den therapeutischen Fortschritt tabellarisch darzustellen. Wir erlauben uns, diese Entwicklungen zu interpretieren, auch wenn dieser Interpretation eine gewisse Subjektivität nicht abgesprochen werden kann.

Beurteilung

Die Hämato-Onkologie hat in der Behandlung von malignen Erkrankungen in den letzten Jahren grosse Fortschritte erfahren. Das beste Beispiel ist die chronisch myeloische Leukämie, die Entwicklung der Kinase Inhibitoren hat praktisch zu einer Normalisierung der Lebenserwartung geführt, wenn die Krankheit in einem Frühstadium (erste chronische Phase) diagnostiziert wird. Bei weiter fortgeschrittener Erkrankung stimmt das schon nicht mehr. Vergleichbare Fortschritte sind bei anderen Krankheiten nicht erzielt worden, den noch gibt es viele Beispiele, erfolgreicher Therapien, z.B. beim Plasmazellmyelom hat sich die mittlere Lebenserwartung von ca. 3 Jahre auf 6 Jahre mit den modernen Therapien verdoppelt. Die Zahl neu entwickelter Substanzen und von Zulassungen steigt quasi exponentiell, die Medikamentenkosten ebenso. Mit dem Dammbruch der CML Kinase Inhibitoren haben sich Medikamentenpreise von 6000-10’000 CHF Monatskosten durchgesetzt. Zahlreiche Tumorerkrankungen müssen in Kombination behandelt werden, die Kosten addieren sich entsprechend, da es keine separaten Mechanismen für die Finanzierung von Kombinationstherapien gibt. Mit den neuen zellulären Therapien wird nochmals eine weitere Preissteigerung mit einer zusätzlichen Verzehnfachung der Kosten auf uns zukommen. Falls diese Therapien das kurative Versprechen halten können, dies muss in Studien noch etabliert werden, wird es sehr schwierig sein, den Zugang zu solchen Therapien zu steuern. Bei der Preisfestsetzung fehlt ebenso eine Korrelation mit dem therapeutischen Nutzen, d.h. es kann gar nicht davon ausgegangen werden, dass ein doppelt so teures Medikament auch doppelt so gut wirkt, z.B. die Lebenserwartung im Vergleich zur Kontrollsubstanz verdoppelt. Es gilt das Primat der Zugangsgerechtigkeit aufrecht zu erhalten und dem zunehmenden Abgleiten in eine Zweiklassenmedizin den Riegel zu schieben. Der Zugang zu modernen Substanzen, oft im off-label Bereich stattfindend, ist das Konfliktfeld auf dem diese Fragen entschieden werden. Der medizinische Fortschritt ist ein Segen für die Gesellschaft, muss weitergehen können und der gerechte Zugang zu innovativen Produkten muss sichergestellt bleiben.

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

jakob.passweg@usb.ch

Prof Dr. med. Andreas Buser

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

Prof. Dr. med. Dimitrios Tsakiris

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

Der Autor hat deklariert, keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel zu haben.

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