Wissen Aktuell - Kongress

ESMO in the Alps 2024

Gastrointestinaler Krebs

Der Präsident der SAKK, Prof. Dr. Miklos Pless, Winterthur, konnte eine zahlreiche Teilnehmerschaft im KKL zum 5. ESMO in the Alps begrüssen. Obschon am diesjährigen ESMO keine wesentlichen Praxis verändernden Studien präsentiert wurden, gab es doch einige Präsentationen, die eine Vertiefung, und Beurteilung auf Schweizer Verhältnisse wert waren, wie dies am ESMO in the Alps Tradition hat.



Das Steering Committee mit Prof. Dr. Jörg Beyer, Bern, und Dr. Daniel Helbling, Zürich, hat auch dieses Jahr eine äusserst glückliche Hand bei der Auswahl der Präsentatoren gehabt, die ihrerseits interessante Studien aus ihrem Fachgebiet präsentierten und diskutierten. Entsprechend sehr gut fiel denn auch die Beurteilung durch die Teilnehmer des Meetings aus.

Die Experten Frau PD Dr. ssa Sara De Dosso, Bellinzona und Dr. Christian Weisshaupt, St. Gallen, wählten vier Präsentationen aus: die Phase III SAKK Studie 41/13, das 3 Jahre krankheitsfreie Überleben in NICHE-2, die Phase III PODIUM-303/InterAACT 2 und die Phase III Studie LEAP-112.

Adjuvant aspirin treatment in PIK3CA mutated colon cancer patients. The phase III prospective randomised placebo-controlled multicenter SAKK41/13 trial.

Die vorliegende Studie basiert auf einer Reihe von retrospektiven Studien, welche Hinweise auf eine potenzielle schützende Wirkung von Aspirin bei der adjuvanten Behandlung von Patienten mit Kolonkarzinom liefern. Dies trifft insbesondere auf Patienten mit PIK3CA-Mutationen zu. Die von Prof. Dr. Ulrich Güller, Thun, am ESMO präsentierte SAKK41/13-Studie stellt die erste prospektive, randomisierte Studie dar, welche einen protektiven Effekt von adjuvanten Aspirin-Gaben bei Patienten mit PIK3CA-mutiertem Stadium II und III des Kolonkarzinoms nachweist. Dies resultierte in einer klinisch relevanten Zunahme des krankheitsfreien Überlebens von 43 % (HR 0–57, p = 0.11) und einem absoluten 5-Jahres-Benefit von 13.6 % sowie einer klinisch relevanten Verbesserung des rezidivfreien Überlebens von 51 % (p = 0.089). Die Nebenwirkungen von Aspirin waren insgesamt sehr günstig (keine schweren unerwünschten Ereignisse). Bedauerlicherweise musste die Studie aus finanziellen Gründen vorzeitig abgebrochen werden, sodass die Ergebnisse keine statistische Signifikanz aufweisen.

Kommentar

Die Studienresultate wurden von den Experten als sehr gut beurteilt, schade, dass die Studie underpowered ist. Die Bestimmung der PIK3CA-Mutation kann nicht an überall durchgeführt werden und ist mit hohen Kosten verbunden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum Aspirin nicht allen Patienten verabreicht wird, obwohl die Träger des Wildtyps keinen Nutzen, aber auch kaum einen Schaden haben, ausser bei hohem Blutungsrisiko.

Neoadjuvant immunotherapy in locally advanced MMR-deficient colon cancer, 3-year disease-free survival from NICHE-2

In einer aktuellen Studie wurde bei 10–15 % der Patienten mit nicht metastasierendem Kolonkarzinom und einer Mismatch-Repair-Defizienz (dMMR) eine 3-Jahres-Rezidivrate von 20–40 % trotz Standard-of-Care-Behandlung mit adjuvanter Chemotherapie beobachtet.

In der Studie Niche-2 wurde die Wirksamkeit von Ipilimumab und Nivolumab bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem dMMR-Kolonkarzinom untersucht. Die Behandlung erfolgte an Tag 1 mit Ipilimumab und an Tag 1+15 mit Nivolumab, gefolgt von einer Operation innerhalb von 6 Wochen. Die Studie hatte zwei unabhängige primäre Endpunkte: Sicherheit und 3-Jahres-DFS.
Unter den 111 Patienten, die an der Wirksamkeitsanalyse teilnahmen, wies eine Mehrheit von 64 % eine cTTumo auf. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 36.5 Monaten (Spanne 7.8–83.4) wies die Kohorte der Patienten durchgängig ein Leben ohne Rezidive auf, sodass ein 3-Jahres-DFS von 100 % erreicht wurde. In 92 % der Fälle konnte ctDNA bei den 108 Patienten, von denen Plasmaproben verfügbar waren, zu Beginn der Behandlung nachgewiesen werden. Am 15. Tag konnte bei 45 % dieser Patienten keine ctDNA mehr nachgewiesen werden. Während sich die ctDNA-Werte zu Beginn der Studie nicht unterschieden, wiesen die Werte am Tag 15 und vor der Operation in den Gruppen mit pathologischem Ansprechen (pCR) und mit moderatem Ansprechen (MPR) eine signifikante Abnahme auf. Vor der Operation wies die ctDNA bei 94 % der Patienten mit einer pCR und bei 70 % der Patienten mit einer MPR einen negativen Befund auf. Bei 16 Patienten blieb die ctDNA vor der Operation jedoch nachweisbar, wobei die ctDNA-Werte deutlich reduziert waren. Dies betraf zwei von drei partiellen Respondern und einen von elf Non-Respondern. Zum Zeitpunkt der MRD-Bestimmung waren alle Patienten ctDNA-negativ.

Kommentar

Die Ergebnisse der Studie sind beeindruckend: Bei lokal fortgeschrittenem Kolonkarzinom mit dMM/MSI konnte eine 100-prozentige 3-Jahres-DFS verzeichnet werden. Somit etabliert sich diese Methode als neuer Standard für wirklich fortgeschrittene Stadien (T4).

Preisverleihung der Stiftung SWISS BRIDGE

In den letzten 27 Jahren hat die Stiftung SWISS BRIDGE über 45 Mio. Franken für die Krebsforschung gesammelt und in innovative Projekte investiert. Jährlich wird der SWISS BRIDGE Award mit mindestens 500 000 Franken für herausragende Forschungsprojekte verliehen, einer der renommiertesten Preise im Bereich Krebsforschung.

Zwei Studien zu Immuntherapien bei Krebs­erkrankungen preisgekrönt

Insgesamt haben sich 36 junge Forschende aus Europa für den SWISS BRIDGE Award 2024 beworben. In einem zweistufigen Evaluationsverfahren hat eine hochkarätig besetzte Jury unter der Leitung von Prof. Dr. med. Adrian Ochsenbein, Universitätsklinik für Onkologie am Inselspital Bern, den diesjährigen Forschungspreis an Prof. Dr. Juliane Walz, Medizinische Direktorin der Klinischen Kooperationseinheit Translationale Immunologie am Universitätsklinikum Tübingen und an PD Dr. med. Dr. sc. nat. Tobias Weiss, Oberarzt an der Klinik für Neurologie des Universitätsspitals Zürich verliehen. Sie erhalten je 250 000 Franken für die Durchführung ihrer klinischen Studien, die vielversprechende neue Ansätze in der Immuntherapie von schwer behandelbaren Krebserkrankungen erproben.

Ein innovativer Antikörper gegen metastasierten Krebs

Im Zentrum der Studie von Prof. Walz und ihrem Team steht die Erforschung eines sogenannten bispezifischen Antikörpers. Dieser Antikörper richtet sich gezielt an Strukturen auf den Immunzellen und auf den Tumorzellen, wodurch die Immunantwort gezielt auf die Tumorzelle gesteuert wird. Dies führt zu einer wirksameren Bekämpfung der Tumorzellen.

Wegweisende Studie bei austherapierten ­Hirntumoren

Das Team unter der Leitung von Dr. Weiss untersucht einen neuen immuntherapeutischen Behandlungsansatz beim austherapierten Glioblastom, der häufigsten und aggressivsten Form von Hirntumoren bei Erwachsenen. Im Rahmen dieser Therapie werden Immunzellen aus dem Blut der Patientinnen und Patienten entnommen, modifiziert und so verändert, dass sie Tumorzellen erkennen und angreifen können. Diese Zellen werden nach ihrer Modifizierung wieder in die Patientinnen und Patienten zurückgeführt. Neu am von Dr. Weiss und seinem Team entwickelten Verfahren ist die Verwendung einer breiteren Palette von Immunzellen, die noch am selben Tag entnommen, modifiziert und den Patientinnen und Patienten wieder zugeführt werden. Neu ist auch der Einsatz der mRNA-Technologie zur Modifikation dieser Zellen. Diese Methode ist bekannt aus der Entwicklung der Impfstoffe gegen das Sars-Cov2 Virus. Das Konzept der Studie ist weltweit einzigartig und könnte auch für die Behandlung anderer Krebserkrankungen wegweisend sein.

Der Aerzteverlag medinfo ist mit SWISS BRIDGE durch die Stiftungsrätin Frau Eleonore Droux verbunden.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

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  • Vol. 14
  • Ausgabe 7
  • November 2024