Gesundheitsbereich im Umbruch



Die aktuellen Bewegungen im Gesundheitswesen sind strukturell gewiss überfällig. Aber inhaltlich sind die Konturen des Umbruchs noch kaum zu erkennen. Es ist mehr als zweifelhaft, was von den guten Absichten (z. B. Effizienzsteigerung, Digitalisierung, Qualitätsförderung, Ausbildungsoffensive, bessere Entlöhnung der Pflege) für die Realisierung übrigbleiben wird. Natürlich will man die Kosten dämpfen, aber es bleibt weiterhin unklar, wo man wirklich bereit ist, Einsparungen zu realisieren. Realistisch gesehen, ist es heute bereits klar, dass ein weiteres Kostenwachstum unvermeidlich sein wird, aber eben höchstens noch moderat und möglichst nicht über der allgemeinen Teuerung.

Die aktuelle SBB-Kostendiskussion ist ein gutes Lehrstück: Die Politiker verteidigen im Bundesparlament ihre Region und wollen weiter grosszügig ausbauen. Das OK aus dem Bundesparlament haben sie bereits («Do ut des» hiess es im alten Rom). Die SBB-Leitung warnte aber davor, weiter so auszubauen, da jeder Ausbauschritt auch langfristige weitere Kosten für den Erhalt nach sich ziehen wird. Denn auch die Bahn soll nicht noch teurer werden. Bereits jetzt ist klar, dass der Erhalt des bisherigen Angebotes das aktuelle Kostendach ritzt.

Aktuell ist die umstrittene ambulante Tarifstruktur im Fokus und ausgerechnet Herr Regierungsrat Schnegg macht im Auftrag des Bundesrats nun Tempo! Aber hier liegt der Hund wohl nicht begraben, auch wenn vieles an der alten Tarifstruktur nicht mehr haltbar ist.

Wie war damals die öffentliche Diskussion mit der Einführung des KVG 1996 (solidarisches Versicherungsobligatorium mit gleichen Prämien für alle) für die nationale Gesundheitslandschaft: Es braucht endlich Wettbewerb, mehr private Anbieter und ein einträgliches Profitdenken! Weg mit dem bisherigen Verwaltertum in den Spitaletagen, hin zu einem flotten Gesundheits-Management. Die Folgen kennen wir: massiver Ausbau und Modernisierung (jedes Spital braucht nun sofort einen CT- und MR-Scanner und eine schicke Privatabteilung). Gutes Personal wird aus öffentlichen Spitälern abgeworben, da Privatspitäler keine kantonalen Lohnbindungen haben.

Da dies alles auch bezahlt werden muss, wird nun eine Mengenausweitung im Leistungsbereich angekurbelt: Was rentiert, wird gemacht, leider auch dann, wenn es medizinisch unnötig oder sogar schädlich ist. Die Spitalleitungen werden auf modern getrimmt, mit vielen neuen Stabsstellen, Organigramm- und Logo-Veranstaltungen und leitende Mitarbeiter werden zu teuren Management-Ausbildungen beordert. Die Kosten für diesen feudalen Überbau mussten nun zusätzlich erwirtschaftet werden und gleichzeitig wurden die medizinischen Leistungserbringer immer mehr zu reinen Befehlsempfängern degradiert. Wo einst Spitalleitungen noch von Chefärztinnen und Chefärzten geführt wurden, sind es nun die leitenden Bürolisten ohne Patientenkontakt, welche das Sagen haben. In meinem Ohr klingt immer noch das Wort vom öffentlichen Spital als «Profitzentrum» nach – heute hört man das kaum noch und das Wort «Wettbewerb» mit einem tariflichen Rundumkorsett ohne Qualitätskontrolle ist zu einem Ladenhüter geworden. Dass die politischen Vorgaben immer noch so sind, dass ein Spital Gewinn machen muss, ist eine Reminiszenz der totalen Verkennung der Situation durch die kantonale Politik. Nun geht es erst mal darum, vielerorts 2- und 3-stellige Millionendefizite zu bewältigen – und hoffentlich macht es die SBB besser!

Prof. Dr. med. Thomas Cerny

Prof. em. Dr. med.Thomas Cerny

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  • Vol. 14
  • Ausgabe 6
  • September 2024