Fortbildung

Highlights Prostatakarzinom

Bei dem ASCO GU Cancers Symposium wurden im Januar 2024 aktuelle Studienergebnisse und Auswertungen zu den verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms präsentiert und diskutiert. Zu den Highlights des Kongresses zählten: Die Validierung des skandinavischen Früherkennungstests «Stockholm3» in multi-ethnischen Kohorten. Die Langzeit-Ergebnisse der dosiseskalierten Radiotherapie mit Langzeit-Androgendeprivationstherapie beim lokalisierten high-risk-Prostatakarzinom. Die ersten Auswertungen einer Phase-III-Studie zur Kombinationstherapie von Cabozantinib mit Atezolizumab beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom.



At the ASCO GU Cancers Symposium in January 2024, the study results for various stages of prostate cancer were presented and discussed. The highlights of the conference included: The validation of the Scandinavian screening test “Stockholm3” in multi-ethnic cohorts. The long-term results of dose-escalated radiotherapy with long-term androgen deprivation therapy in localized high-risk prostate cancer. The first evaluation of a phase III study on the combination therapy of cabozantinib with atezolizumab in metastatic, castration-resistant prostate cancer.
Key Words: prostate cancer, screening, dose-escalated radiotherapy, immunotherapy

Validierung des multivariablen Screening-Tests Stockholm3 ausserhalb von skandinavischen Kohorten

Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung des Mannes. Im Zeitraum von 2020 bis 2040 wird weltweit eine weitere Verdopplung der jährlichen Neuerkrankungen erwartet (1). Bei rechtzeitiger Diagnosestellung gelingt eine Heilung bei der Mehrzahl der Betroffenen, jedoch bleibt ein systematisches Screening wegen des Risikos von Überdiagnosen wenig aggressiver Erkrankungen umstritten. Der aktuell auf dem ASCO GU vorgestellte Stockholm3 Test, welcher neben Blut-Biomarkern auch klinische Angaben und genetische Polymorphismen berücksichtigt, wurde in einer schwedischen Population entwickelt und validiert, und zeigt bei gleicher Sensitivität eine deutlich bessere Spezifität als das traditionelle alleinige PSA-Screening (2). Unter anderem aufgrund der enthaltenen Analyse genetischer Polymorphismen und der unterschiedlichen genetischen Erkrankungsrisiken bestanden aber bisher Zweifel an der Generalisierbarkeit des Stockholm3-Modells ausserhalb Schwedens.

Diese Bedenken dürften seit dem ASCO GU 2024 weitgehend ausgeräumt sein. In der prospektiven SEPTA-Studie wurden 2129 Männer unterschiedlicher ethnischer Abstammung eingeschlossen, welche an nordamerikanische Zentren zur Prostata-Biopsie überwiesen und vorab mittels Stockholm3 getestet wurden. Davon waren 24% afroamerikanischer, 14% hispanischer und 16% asiatischer Herkunft. Das Stockholm3-Modell bestätigte in der heterogenen Gesamtpopulation gegenüber einem PSA-Wert von 4 ng/ml eine nicht-unterlegene Sensitivität bei deutlich überlegener Spezifität. Die Ergebnisse waren konsistent zwischen den ethnischen Subgruppen.

Welche Rolle allerdings Panel-Tests wie Stockholm3 im Rahmen organisierter Screening Programme beispielsweise zur Reduktion von Biopsien oder MRI spielen wird, ist aktuell noch offen (4,5). Aktuell fehlen prospektive Daten, insbesondere zum direkten Vergleich von Stockholm3 mit modernen Screening-Werkzeugen die PSA-Wert, MRI und Risikonomogramme kombinieren. Ferner sind die nicht unerheblichen Kosten des Tests zu bedenken.

Dosiseskalation beim nicht-metastasierten «high-risk»-Prostatakarzinom

Standard in der Therapie des lokalisierten “high-risk”-Prostatakarzinoms ist die radikale Prostatektomie bzw. die externe Strahlentherapie in Kombination mit einer antiandrogenen Therapie (ADT). Im Gegensatz zu Patienten mit “low-risk”- oder “intermediate-risk”-Prostatakarzinom verstirbt jedoch ca. ein Drittel der Patienten mit “high-risk”-Karzinom im Verlauf an ihrer Erkrankung (6). Es werden deshalb verschiedene Ansätze der Therapieeskalation verfolgt. Die elektive Lymphknotenbestrahlung und die Erweiterung der Systemtherapie verbessern das rezidiv-freie bzw. das metastasen-freie Überleben (7,8). Für die Dosiseskalation der Radiotherapie wurde in randomisierten Studien zwar eine Verbesserung der biochemischen Kontrolle nachgewiesen, allerdings bislang ohne Nachweis eines verbesserten Gesamtüberlebens.

Auf dem diesjährigen ASCO GU wurden die Langzeit-Daten der GETUG-AFU-18-Phase-III-Studie präsentiert. Insgesamt 505 Patienten mit lokalisiertem, “high-risk” Prostatakarzinom ohne Lymphknotenbefall wurden randomisiert zwischen konventionell-dosierter Radiotherapie mit 70 Gy vs. einer Dosiseskalation mit 80 Gy, jeweils in 2 Gy Einzeldosen und in Kombination mit einer Langzeit-ADT über 3 Jahre. Zudem erhielten alle Patienten eine elektive, pelvine Lymphknotenbestrahlung oder vorgängig eine pelvine Lymphadenektomie. Der primäre Endpunkt biochemisches oder klinisches progressionsfreies Überleben (PFS) wurde durch die Dosiseskalation signifikant verbessert (HR = 0.56, [95% KI, 0.40-0.76]), das 10-Jahre PFS lag bei beeindruckenden 83.6% gegenüber 72.2 % im Vergleichsarm. Darüber hinaus wurde erstmals auch eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung des krebs-spezifischen Überlebens und des Gesamtüberlebens (OS) durch die Dosiseskalation nachgewiesen. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Rate an Spättoxizitäten ≥ Grad 2. Die GETUG-AFU 18 Studie liefert damit Level-I Evidenz für die dosiseskalierte Radiotherapie in Kombination mit Langzeit-ADT für die Therapie des “high-risk” Prostatakarzinoms und bestätigt moderne Konzepte mit vergleichbarer biologischer Dosis, bei denen der Einsatz moderat hypofraktionierter Konzepte untersucht wird. Im Hinblick auf die vergleichbar niedrige Toxizitätsrate trotz Dosiseskalation wurde der vermehrte Einsatz von IMRT bei 80.6% der Patienten in der 80 Gy Gruppe gegenüber 59.6% in der 70Gy Gruppe als mögliche Erklärung hervorgehoben. Das sehr gute onkologische Ergebnis ist möglicherweise auch durch die elektive Radiotherapie der pelvinen Lymphabflusswege mitbedingt.

Atezolizumab in Kombination mit Cabozantinib in der Zweitlinie beim metastasierten kastrationsrefraktären Prostatakarzinom: CONTACT-2

Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) und Progress nach Einsatz neuer Androgen- Rezeptor-Pathway-Inhibitoren (ARPI) haben eine schlechte Prognose, wenngleich neben Taxan-haltiger Chemotherapie in den letzten Jahren PARP-Inhibitoren und die Lutetium-PSMA-Therapie als neue Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Während Immuntherapeutika die Therapie vieler anderer Tumorentitäten revolutioniert haben, verliefen beim Prostata-Karzinom eine Vielzahl grosser Phase-III-Studien negativ. Mit CONTACT-2 wurden beim ASCO GU 2024 erste Ergebnisse einer weiteren Phase-III-ICI-Kombinationsstudie im mCRPC-Setting präsentiert.

Insgesamt 507 Patienten mit mCRPC und Progress nach ADT plus ARPI wurden randomisiert zwischen Cabozantinib (Carbo) und Atezolizumab (Atezo) und im Kontrollarm mit dem Einsatz des jeweils alternativen ARPI (Abirateron oder Enzalutamid). Ca. 25% der Patienten hatten Lebermetastasen und ca. 20% waren zuvor mit Docetaxel behandelt worden. Der primäre Endpunkt, medianes radiologisches PFS (rPFS), war signifikant länger mit Cabo + Atezo als im Kontrollarm (6.3 vs 4.2 Monate, HR 0.65, [95% KI 0.50-0.84]), insbesondere in der Subgruppe mit Lebermetastasen (6.0 vs 2.1 Monate; HR 0.47 [95% KI 0.30-0.74]). Daten für den zweiten primären Endpunkt OS waren noch nicht belastbar und zeigten bei der aktuellen Auswertung lediglich einen Trend zugunsten des experimentellen Studienarms (HR 0.79, [95% Kl 0.58-1.07]). Toxizitäten Grad 3-4 waren mit 33% bei den Patienten in dem experimentellen Arm deutlich häufiger als im Vergleichsarm mit 8%.

Gemäss den Autoren konnte mit CONTACT-2 erstmals eine Phase-III-Studie eine statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserung des PFS bei Patienten mit mCRPC zeigen. Jedoch wurde die klinische Relevanz der Ergebnisse in nachfolgenden Diskussionen kritisch hinterfragt. Insbesondere der Kontrollarm mit einem Wechsel des ARPI wurde, wie zuvor bereits bei anderen Studien, als unzureichend wirksame Therapie gegenüber anderen verfügbaren Optionen wie Cabazitaxel oder Lutetium-PSMA kritisiert. Zudem waren nur ca. 20% der eingeschlossenen Patienten zuvor mit Docetaxel als dem Zweitlinienstandard nach erfolgter ARPI Therapie behandelt worden. Eine weitere Schwäche der Studie ist die geringe Zahl von Patienten, welche nach Progress eine weitere onkologische Therapie erhalten hatten, 23% im experimentellen bzw. 32% im Kontrollarm. Bis dahin bleibt die Verlängerung des rPFS um 2-4 Monate in Anbetracht der weiteren Schwächen der Studie wenig überzeugend, zumal belastbare OS-Daten noch abgewartet werden müssen. Es bestehen die Therapiealternativen mit besserer Evidenz.

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Jonathan Hollmann

Radioonkologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

PD Dr. med. Thomas Hermanns

Zentrum für Urologie
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Dr. med. Alexandros Papachristofilou

Radioonkologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

◆ Die diagnostische Überlegenheit des multivariablen Prostatakarzinom-Screening-Tests Stockholm3 gegenüber dem PSA-Screening wurde in verschiedenen nicht-skandinavischen Männerkohorten validiert.
◆ Der Stellenwert einer dosiseskalierten Radiotherapie in Kombination mit einer Langzeit-ADT beim “high-risk”-Prostatakarzinom wurde durch ein erstmals nachgewiesenes verbessertes Gesamtüberleben bestätigt.
◆ Eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens durch die Kombination aus Cabozantinib und Atezolizumab bleibt beim metastasierten kastrationsrefraktären Prostatakarzinom (mCRPC) aufgrund von Schwächen im Studiendesign umstritten.

1. James ND, Tannock I, Dow JN, Feng F, Gillessen S, Ali SA, et al. The Lancet Commissions The Lancet Commission on prostate cancer : planning for the surge in cases. 2024;6736(24).
2. Grönberg H, Adolfsson J, Aly M, Nordström T, Wiklund P, Brandberg Y, et al. Prostate cancer screening in men aged 50-69 years (STHLM3): A prospective population-based diagnostic study. Lancet Oncol. 2015;16(16):1667–76.
3. Elyan A, Saba K, Sigle A, Wetterauer C, Engesser C, Püschel H, et al. Prospective Multicenter Validation of the Stockholm3 Test in a Central European Cohort. Eur Urol Focus. 2023;(xxxx).
4. Hugosson J, Roobol MJ, Månsson M, Tammela TLJ, Zappa M, Nelen V, et al. A 16-yr Follow-up of the European Randomized study of Screening for Prostate Cancer(Figure presented.). Eur Urol. 2019;76(1):43–51.
5. Nordström T, Discacciati A, Bergman M, Clements M, Aly M, Annerstedt M, et al. Prostate cancer screening using a combination of risk-prediction, MRI, and targeted prostate biopsies (STHLM3-MRI): a prospective, population-based, randomised, open-label, non-inferiority trial. Lancet Oncol. 2021;22(9):1240–9.
6. Luo Z, Chi K, Zhao H, Liu L, Yang W, Luo Z, et al. Cardiovascular mortality by cancer risk stratification in patients with localized prostate cancer: a SEER-based study. Front Cardiovasc Med. 2023;10(August):1–10.
7. Murthy V, Maitre P, Kannan S, Panigrahi G, Krishnatry R, Bakshi G, et al. Prostate-Only Versus Whole-Pelvic Radiation Therapy in High-Risk and Very High-Risk Prostate Cancer (POP-RT): Outcomes From Phase III Randomized Controlled Trial. Journal of Clinical Oncology. 2021;39(11):1234–42.
8. Attard G, Murphy L, Clarke NW, Cross W, Jones RJ, Parker CC, et al. Abiraterone acetate and prednisolone with or without enzalutamide for high-risk non-metastatic prostate cancer: a meta-analysis of primary results from two randomised controlled phase 3 trials of the STAMPEDE platform protocol. The Lancet. 2022;399(10323):447–60.