Aktuelles Interview

Im Gespräch mit dem neuen CEO der SAKK

Im Interview gewährt Vincent Gruntz, neuer CEO der SAKK und passionierter Familienvater, Einblicke in seine persönlichen Werte und die beruflichen Herausforderungen im Bereich der klinischen Krebsforschung. Gruntz spricht über seine Prioritäten zur Verbesserung der Forschungsfinanzierung und der Rahmenbedingungen in der Schweiz, um den internationalen Anschluss zu halten. Besonders am Herzen liegt ihm die Förderung innovativer Therapien und die enge Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie sowie internationalen Partnern, um Schweizer Krebspatienten einen schnellen Zugang zu neuen Behandlungsmöglichkeiten zu sichern.



Vincent Gruntz hat im September 2024 die Nachfolge von Hans Rudolf Keller angetreten. Der 43-Jährige ist studierter Wirtschaftswissenschaftler (lic. rer. pol.) und arbeitete in diversen Führungsfunktionen in der Pharma-Branche und war einige Jahre als Ökonom in der Abteilung für Kranken- und Unfallversicherungen beim Bundesamt für Gesundheit tätig. Zuletzt war er bei Novartis als Vice President und International Head of Cell and Gene Therapies für das gesamte Zelltherapie-Portfolio verantwortlich.

Roger von Moos: Wer ist Vincent Gruntz privat?
Vincent Gruntz: In erster Linie bin ich der liebende Vater meiner beiden Söhne Lionel (11) und Etienne (8) und der Ehemann meiner Partnerin Julia. Die Familie steht für mich an erster Stelle. Wir leben alle in Bern, wo ich mich als zugezogener Basler seit über 20 Jahren sehr zu Hause fühle. Ich treibe in meiner Freizeit gerne viel Sport, alleine auf dem Velo, im Fitness- oder Boxcenter oder aber mit meinen beiden Söhnen auf dem Fussballplatz.

RvM: Die SAKK ist ein führendes Netzwerk für klinische Krebs­forschung in der Schweiz. Welche Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft der klinischen Krebsforschung, und wie möchten Sie diese angehen?
V.G.: Eine der grossen Herausforderungen ist und bleibt die Finanzierung der akademischen, nicht profitorientierten klinischen Krebsforschung in der Schweiz. Grössere staatliche Förderprogramme in anderen Ländern führen ausserdem dazu, dass die Schweiz den Anschluss an die Spitze bei der klinischen Forschung zu verlieren droht.

Wir müssen beide Herausforderungen angehen, indem wir die Rahmenbedingungen für klinische Krebsforschung in der Schweiz verbessern. Insbesondere bei der Finanzierung sehe ich verschiedene Möglichkeiten. So investiert der SNF heute nur einen Bruchteil seiner Fördermittel in klinische Forschung. Aber auch in der Zusammenarbeit mit den Behörden können wir den Standort Schweiz für klinische Forschung stärken, indem wir attraktive Rahmenbedingungen für Start-ups im Biotechnologie Bereich schaffen und uns durch innovative Programme und Förderung von anderen Ländern abheben.

RvM: In den letzten Jahren gab es bedeutende Fortschritte in der Onkologie, wie z. B. personalisierte Medizin und ­Immuntherapie. Wie plant die SAKK, diese Entwicklungen in ihre klinischen Studien zu integrieren?
V.G.: Die SAKK hat sich über Jahrzehnte einen exzellenten Ruf bei der Durchführung von Phase 1 und Phase 2 Studien erarbeitet, welche von akademischen Institutionen selbst initiiert wurden. Die Expertise der SAKK insbesondere in der Durchführung von Phase 1 und Phase 2 Studien wird auch von biotechnologischen Start-up-Unternehmen und der Pharmaindustrie sehr geschätzt. Neben der Förderung der akademischen, nicht-profitorientierten klinischen Krebsforschung sieht die SAKK ihre Kernaufgabe hauptsächlich auch darin, den Zugang von Schweizer Krebspatienten zu neuen innovativen Therapien und Technologieplattformen zu beschleunigen. Dies geschieht durch klinische Studien in Zusammenarbeit mit der Industrie, insbesondere bei den neuen Plattformen und Technologien. Um mit dem Fortschritt mithalten zu können, braucht es auch die Zusammenarbeit mit den Behörden, um die Schweiz im internationalen Kontext regulatorisch attraktiv zu positionieren.

RvM: Welche Ziele und Prioritäten haben Sie sich als neuer CEO der SAKK gesetzt, und welche konkreten Schritte ­werden Sie unternehmen, um diese zu erreichen?
V.G.: Eine meiner grossen Prioritäten ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für klinische Krebsforschung in der Schweiz, insbesondere eine Verbesserung der Finanzierung. Die SAKK blickt auf über 60 Jahre Erfahrung zurück und ist auch international gut vernetzt. Wir können im politischen und gesellschaftlichen Dialog helfen zu verstehen, was es braucht, damit in der Schweiz auch in Zukunft gute Krebsforschung möglich ist. Ich würde mir wünschen, dass die SAKK bei der Vernetzung mit allen Partnern im Bereich klinische Forschung noch mehr eine Führungsrolle übernimmt. Ausserdem braucht es innerhalb der SAKK mehr Agilität bei der Ausrichtung auf die verschiedenen Bedürfnisse unserer Anspruchsgruppen. Eine akademische klinische Studie erfordert unter Umständen einen anderen Ansatz als eine grössere Studie für ein Pharmaunternehmen.

Die Basis für jeden Erfolg bilden für mich dabei die Mitarbeitenden sowohl im Kompetenzzentrum in Bern als auch in den Zentren. Die SAKK unterscheidet sich hauptsächlich durch ihr einzigartiges Netzwerk von anderen Forschungsorganisationen. Die Solidarität und Zusammenarbeit im Netzwerk sind für unseren Erfolg essentiell.

RvM: Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen der akademischen Forschung und der pharmazeutischen ­Industrie in der Schweiz, und was kann getan werden, um diese Kooperation weiter zu stärken?
V.G.: Die Zusammenarbeit zwischen akademischer Forschung und pharmazeutischer Industrie funktioniert meines Erachtens in der Schweiz sehr gut. In der Schweiz treffen weltweit renommierte akademische Krebsforscher auf einen der weltweit bedeutendsten Pharmastandorte – entsprechend kurz sind die Wege. Auch die SAKK nimmt bei der klinischen Krebsforschung eine wichtige Rolle ein, wenn es darum geht, pharmazeutische Industrie mit akademischen Forschungsgruppen zusammenzubringen und den Zugang von Patienten zu neuen Therapien zu beschleunigen. Dies unterscheidet uns massgeblich von anderen Forschungsorganisationen.
Eine Möglichkeit, diese Zusammenarbeit weiter zu stärken, sehe ich in der verstärkten Zusammenarbeit mit den schweizerischen Behörden, wenn es um unsere Rahmenbedingungen bei der klinischen Krebsforschung geht. Zusammen könnten wir sicherstellen, dass innovative Biotechunternehmen in Zukunft vermehrt in der Schweiz klinisch forschen und wir uns im internationalen Kontext stärker positionieren.

RvM: Wie wichtig ist Ihnen die internationale Zusammenarbeit?
V.G.: Der Krebs kennt keine Landesgrenzen. Gerade im Bereich der klinischen Krebsforschung ist es essenziell, dass wir uns mit anderen Forschungsgruppen im Ausland abstimmen. Bereits heute ist die SAKK international breit vernetzt und auch immer wieder an internationalen Studien beteiligt. Das möchte ich weiter fördern.

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

info@onco-suisse

  • Vol. 14
  • Ausgabe 7
  • November 2024