- Kontroversen im Management von Tumoren des Weichgewebes
Aktuelle Leitlinien zu Weichgewebesarkomen (soft tissue sarcoma, STS) und anderen Weichgewebetumoren decken diagnostische und therapeutische Vorgehensweisen ab, für die es Evidenz aus kontrollierten Studien gibt. Widersprüchliche oder fehlende Daten aus retrospektiven oder qualitativ minderwertigen Studien, die vor allem der Seltenheit von Sarkomsubtypen geschuldet sind, führen zu Kontroversen im Management von STS und Weichgewebetumoren. Konsensus Konferenzen mit internationalen Experten aller involvierten Disziplinen können bestehende Leitlinien ergänzen.
Konzept von CCS2024
2024 haben wir zum zweiten Mal eine internationale Konferenz zu Kontroversen in der Diagnostik und Behandlung von Weichgewebesarkomen (soft tissue sarcoma, STS) und Weichgewebetumoren organisiert und durchgeführt. Über die erste Konferenz 2022 hatten wir in dieser Zeitschrift bereits berichtet (info@ONCO-SUISSE_05_2022, S. Hofer, C. Rothermundt, Konsensus Konferenz für Weichteilsarkome in St. Gallen 2022 – Management von Weichteilsarkomen – wenn die Evidenz fehlt).
In diesem Jahr formulierten wir in einem modifizierten Delphi-Prozess und in Zusammenarbeit mit dem interdisziplinären CCS2024 Scientific Committee 200 kontroverse Statements und eine Auswahl an Antwortmöglichkeiten. Wir achteten darauf, dass die kontroversen Statements nicht in etablierten Leitlinien abgebildet sind. Im Vorfeld zur Konferenz legten wir für die Abstimmung einen Konsens mit ≥ 75 % und einen starken Konsens mit ≥ 90 % Übereinstimmung der Antworten fest. Wenn nicht anderweitig erwähnt, wurde davon ausgegangen, dass es sich bei den Szenarien um fitte Patienten handelt, dass keine Restriktionen bezüglich Untersuchungsmodalitäten und Zugang zu Medikamenten vorliegen und dass keine aktuell rekrutierende Studie für die Fragestellung zur Verfügung steht.
Wir konzentrierten uns bei der Konferenz 2024 auf 8 klinische Szenarien mit den folgenden STS-Subtypen und Weichgewebetumoren:
1. Atypischer lipomatöser Tumor (ALT)
2. Extremitäten Synovialsarkom (ESTS)
3. Retroperitonealsarkom (RPS)
4. Phylloides Tumor (PT)
5. Tenosynovialer Riesenzelltumor (TGCT)
6. Maligner Nervenscheidentumor (MPNST)
7. Angiosarkom (AS)
8. Uterines Leiomyosarkom (uLMS)
Konferenzergebnisse CCS2024
63 interdisziplinäre Panelisten aus 13 europäischen Ländern (inklusive Schweiz) und ein Patientenvertreter nahmen aktiv an CCS2024 teil.
Während der zweitägigen Konferenz wurden die ausgewählten Fälle mit kontroversen Fragestellungen präsentiert und gewinnbringend unter den internationalen Panelisten diskutiert.
Nach der Diskussion erfolgte die Abstimmung über 143 der 200 vorbereiteten Fragen. Bei 53 Statements erlaubte die Diskussion eine angepasste Neuformulierung, über diese wurde nach der Konferenz ein zweites Mal, und zwar online, abgestimmt (Abb. 1–3).
Dem interdisziplinären Charakter der Behandlung von STS und Weichgewebetumoren geschuldet, waren alle Fragen, welche diskutiert und über die abgestimmt wurden, über diverse Fachbereiche verteilt (Abb. 3).
In Tab. 1. fassen wir diejenigen Resultate der Abstimmung zusammen, bei denen ein starker Konsens erreicht wurde.
CCS2024 ist die zweite interaktive Präsenzveranstaltung, welche kontroverse Themen im Management von Weichgewebesarkomen und -tumoren adressiert. Ein starker Konsens (≥ 90% der Panelisten) wurde in 22 von 143 Fragen erreicht, ein Konsens (≥ 75%) bei 44 Fragen. Es gab einige Fragen, denen eine Mehrzahl von Panelisten zustimmten (> 50%), diese werden wir in der abschliessenden Publikation zu CCS2024 diskutieren.
unterschiedlichen Vorgehensweisen in den verschiedenen Ländern und Sarkomzentren reflektieren. Dennoch erlauben uns die Ergebnisse, Themen zu identifizieren, bei denen dringend Forschungsschwerpunkte gesetzt werden sollen. Solche konnten bereits während der Diskussionen an der Konferenz benannt werden. Anderseits wurde erneut bewusst, dass es bei raren bis ultrararen Tumorentitäten, wie bei vielen – auch neu beschriebenen molekularen – STS-Subtypen der Fall, nie adäquate Studien geben wird, um die nötige Evidenz oder einen Konsens zu generieren.
Die European Society of Gynaecological Oncology wird demnächst ihre Guidelines für die Diagnostik und Behandlung von uterinen Leiomyosarkomen publizieren. Es wird interessant sein, die Abstimmungsresultate von CCS2024 mit dieser neuen Leitlinie zu vergleichen, mögliche Diskrepanzen zu entdecken und zu diskutieren.
Etablierte Leitlinien, welche für die Diagnostik und Behandlung von STS und Weichgewebetumoren bereits vorliegen sind u.a.:
• ESMO Guideline 2021: www.annalsofoncology.org/article/S0923-7534(21)02184-0/fulltext
• Deutsche S3 Leitlinie 2022: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/adulte-weichgewebesarkome
• Onkopedia Weichgewebesarkome 2019: www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/weichgewebssarkome-maligne-weichgewebstumoren-des-erwachsenen/@@guideline/html/index.html
• Sarcoma of the Uterus. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG, S2k-Level, AWMF Registry No. 015/074, April 2021: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36467974/
• NCCN Guidelines NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology: www.nccn.org/guidelines/guidelines-detail?category=1&id=1464
• Current clinical practice in the management of phyllodes tumors of the breast: an international cross‑sectional study among surgeons and oncologists, 2023: https://doi.org/10.1007/s10549-023-06896-1
Trotz vieler klarer Empfehlungen in diesen Leitlinien bleiben diverse Fragen im klinischen Alltag offen oder werden kontrovers beurteilt. Biologisch unterschiedliche Sarkome gleich zu behandeln ist äusserst problematisch und war in der Vergangenheit wenig erfolgreich.
Konsensuskonferenzen, wie die CCS2024, sollen Kliniker und Patienten im klinischen Alltag unterstützen und durch abgestimmte Expertenmeinungen bei nicht evidenzbasierten Situationen beraten, sowie weiterführende Forschung bei kontroversen Themen anregen.
Wir danken an dieser Stelle den 63 Panelisten, die tatkräftig zum Gelingen dieser zweiten Conference on Controversies in Soft Tissue Sarcoma (CCS) in St. Gallen vom 3.–4. Mai 2024 beigetragen haben.
Dr. med. Silvia Hofer 1
Prof. Dr. med. Dimosthenis Andreou 2
Prof. Dr. med. Chantal Pauli 1
PD Dr. med. Christian Rothermundt 3
1 Universitätsspital Zürich
2 Universitätsklinikum Essen
3 Kantonsspital St. Gallen
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Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.