- Nachsorge von Hodentumoren
In den vergangenen Jahren konnte in Europa zwischen Onkologen und Urologen ein Konsens für die Nachsorge von Patienten mit Hodentumoren definiert werden. Diese Empfehlungen wurden im Jahre 2018 sowohl von der Onkologiegesellschaft ESMO wie auch von der urologischen Gesellschaft EAU publiziert (1, 2). Die Nachsorge konnte vereinfacht und vereinheitlicht werden mit der Bildung von drei grossen Hauptgruppen und somit nur noch drei Nachsorgeschemata (siehe Tab. 2-4).
Ces dernières années, les oncologues et les urologues en Europe ont pu définir un consensus pour le suivi des patients atteints de tumeurs testiculaires. Ces recommandations ont été publiées en 2018 par la société d’oncologie ESMO et la société d’urologie EAU (1, 2). Le suivi des soins pourrait être simplifié et normalisé par la formation de trois grands groupes principaux et donc seulement trois programmes de suivi post-cure (voir tableaux 2-4).
Hintergrund
Die Nachsorge von Patienten mit Hodentumoren, sei es in einem Surveillance Programm bei Stadium I oder nach Abschluss einer Therapie, stellt einen wichtigen Bestandteil in der Behandlung dieser Patienten dar. Dies umso mehr als Patienten zunehmend in einem frühen Stadium diagnostiziert werden und die aktive Überwachung sich in vielen Fällen als primäre Therapie etabliert hat. Die korrekte Durchführung dieser Überwachung mit Vermeidung von zu häufigen Kontrollen und unnötiger Strahlenbelastung bei den überwiegend jungen Patienten in kurativer Situation ist entscheidend für den Erfolg.
Erstes Ziel der Nachsorge ist natürlich die frühzeitige Entdeckung eines Rezidivs, damit eine möglichst gering belastende kurative Nachfolgetherapie durchgeführt werden kann. Hierzu ist es erforderlich, die unterschiedlichen Verläufe der Hodentumorerkrankung abhängig von Histologie, Stadium, initialer Therapie und Behandlungserfolg einschätzen zu können. Basierend auf dieser Einteilung kann für jeden Patienten die geeignete Nachsorge festgelegt werden. Darauf basierend wurden für die Schweiz und Deutschland im Jahr 2011 entsprechende Empfehlungen publiziert (3).
An einer interdisziplinären Konsensuskonferenz der ESMO im Jahr 2016 wurde eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Nachsorge für Patienten mit Hodentumoren beschlossen. Die Ergebnisse wurden 2018 publiziert (1). Erfreulicherweise hat die europäische urologische Fachgesellschaft EAU die Empfehlungen für die Nachsorge in ihren Richtlinien unverändert übernommen (2), so dass seit 2018 erstmals in Europa identische Empfehlungen zur Nachsorge von Hodentumoren für Onkologen und Urologen bestehen.
Festlegung der Modalität und Frequenz der Nachsorge gemäss Rezidivrisiko
Zum Staging bei Erstdiagnose ist zwingend eine Computertomographie (CT) von Thorax, Abdomen und Becken vorzunehmen. In der Nachsorge stellt das CT ebenfalls eine wichtige Bildgebung dar. Aufgrund der mit der ionisierenden Strahlung verbundenen Risiken soll das CT jedoch sparsam und gezielt eingesetzt werden. Grundsätzlich ist die Bildgebung auf das in den Empfehlungen vorgeschlagene notwendige Minimum zu reduzieren. Beim Abdomen kann anstelle des CT auch eine Magnetresonanztomographie (MRI) vorgenommen werden. Dazu muss jedoch die Expertise zur Durchführung und Beurteilung eines MRI des Abdomens vorliegen. Grundsätzlich ist zur Untersuchung der Lunge im Verlauf ein konventionelles Thoraxröntgenbild ausreichend. Die Bildgebung des kleinen Beckens (CT oder MRI) ist nur beim Vorliegen von folgenden Faktoren notwendig: St.n. adjuvanter Radiotherapie beim Seminom Stadium I, initial grosse retroperitoneale Tumormassen > 5 cm, Anamnese mit Kryptorchismus oder Orchidopexie, Anamnese von skrotalen Eingriffen, St.n. Tumorinvasion in die Tunica vaginalis testis.
Das PET-CT hat keine Wertigkeit im Staging oder in der Nachsorge von Hodentumoren und sollte nicht eingesetzt werden.
Das mit ionisierender Strahlung verbundene erhöhte Krebsmortalitätsrisiko kann mittels stochastischen Risikokalkulationen berechnet werden. Das Risiko ist erhöht bei jüngerem Alter und kumuliert mit der Anzahl Untersuchungen und ist nicht unerheblich.
Die Nachsorgedauer und die Intervalle in der Nachsorge richten sich in erster Linie nach dem Rezidivrisiko. Das Rezidivrisiko kann gemäss Initialstadium, Histologie und Behandlung basierend auf den Resultaten von grossen retrospektiven Analysen und publizierten Therapiestudien abgeschätzt werden. Tabelle 1 zeigt eine entsprechende Übersicht.
Nachsorgeempfehlungen für die ersten fünf Jahre
Basierend auf den in Tabelle 1 aufgeführten Erkenntnissen können unter Berücksichtigung der initialen Diagnose (Histologie, Stadium) und der gewählten Behandlung aufgrund der Rezidivhäufigkeit und des Rezidivmusters drei Hauptgruppen für die Nachsorge unterschieden werden:
- Patienten mit Seminom im Stadium I (unter active surveillance oder nach adjuvanter Therapie mittels Chemotherapie oder Radiotherapie)
- Patienten mit Nicht-Seminom Stadium I unter active surveillance
- Alle anderen Patienten die entweder eine adjuvante Therapie oder eine kurative Therapie bei metastasierter Erkrankung erhalten haben und darunter eine komplette Remission erzielt haben
Die Nachsorgeempfehlungen für diese drei Gruppen sind in den Tabellen 2-4 aufgeführt. Es handelt sich dabei um minimale Empfehlungen basierend auf den Abstimmungen am Konsensusmeeting. Bei gewissen Untersuchungen und Intervallen plädierte eine relevante Minderheit für intensivierte Kontrollen, dies ist in den Fussnoten der Tabellen vermerkt. Zu beachten ist, dass die Empfehlungen nicht für Patienten der poor prognosis Risikogruppe und auch nicht für Patienten mit residuellen Befunden gelten (Ausnahme: beim Seminom sind Residualbefunde bis 3 cm erlaubt). Patienten nach Rezidiv müssen ebenfalls individuell nachgesorgt werden. Alle diese Patienten sollten in spezialisierten Zentren mitbetreut werden.
Die Bestimmung der drei Tumormarker AFP, HCG und LDH ist bei jeder Nachsorgekontrolle in den ersten fünf Jahren zwingend. Gemäss Konsensusempfehlung sollen immer bei jedem Patienten unabhängig von der Histologie und von den initialen Werten alle drei Tumormaker bestimmt werden. Selbst initial markernegative Patienten können im Rezidiv in bis zu 40% der Fälle Marker entwickeln. Die Aussagekraft der LDH ist eingeschränkt und dieser Wert muss daher vorsichtig und im Gesamtkontext interpretiert werden. Bezüglich des kontralateralen Hodens ist im längeren Verlauf in etwa 3-5% mit dem Auftreten eines Zweittumors zu rechnen. Daher ist eine Hodenpalpation bei jeder Nachsorgekontrolle vorzunehmen. Eine regelmässige Sonographie des Hodens ist unabhängig von einer erfolgten Biopsie nicht mehr empfohlen.
Nachsorge mehr als fünf Jahre nach Diagnosestellung
Sehr späte Rezidive nach 5 Jahren sind ausgesprochen selten und treten nur in etwa 0.5% aller Hodenkarzinompatienten auf. Die tumorspezifische Nachsorge kann daher nach fünf Jahren abgeschlossen werden. Zu diesem Zeitpunkt kommt es zu einem Paradigmenwechsel und anstelle der Rezidiventdeckung tritt die Identifikation von Spätfolgen der Therapien in den Vordergrund. Empfohlen sind regelmässige hausärztliche Kontrollen alle 2-3 Jahre zur Identifikation und frühzeitigen Therapie von Spättoxizitäten. Dazu gehören das metabolische Syndrom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, renale Funktionseinschränkungen, periphere Polyneuropahtie und Ototoxizität, Raynaud Syndrom, Hypogonadismus und psychosoziale Belastungen. Zudem besteht bei Langzeitüberlebenden nach Behandlung eines Hodentumors ein erhöhtes Risiko für Zweitmalignome. Das relative Risiko für solide Tumore beträgt je nach Organ und Therapie 1.5 – 4, dasjenige für hämatologische Malignome 3.4 – 4.5.
Sehr wichtig ist es, die Patienten zu Eigenverantwortung und einem gesunden Lebensstil mit körperlicher Aktivität, Nichtrauchen und Kontrolle des Körpergewichts zu motivieren. Ebenso soll der Patient zur regelmässigen selbständigen Hodenpalpation angehalten werden.
Die Besprechung der möglichen Spättoxizitäten und der Symptome eines Spätrezidivs mit dem Patienten sowie die Information des Hausarztes (und die schriftliche Abgabe eines Survivorship care Plans, Tab. 5) sind entscheidende Bestandteile der langfristigen Nachsorge.
In der Schweiz sowie in Deutschland und Österreich wird im Rahmen einer prospektiven Registerstudie (SAG TCCS) seit einigen Jahren die Nachsorge bei Patienten mit Hodentumoren erfasst. An 14 Zentren wurden bislang über 500 Patienten erfasst. Erste Resultate wurden im 2018 publiziert (4). Interessierte können sich an den Studienleiter Dr. Christian Rothermundt (christian.rothermundt@kssg.ch) wenden.
Onkologie/Hämatologie
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur
richard.cathomas@ksgr.ch
Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel.
- Die onkologischen (ESMO) und urologischen (EAU) europäischen Fachgesellschaften haben sich auf identische Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit Hodentumor geeinigt und diese 2018 publiziert.
- Die active surveillance von Patienten im Stadium I sowie die Nachsorge bei allen Patienten in Remission nach Therapie soll gemäss den publizierten Richtlinien vorgenommen werden.
- Es bestehen drei Hauptgruppen mit entsprechenden Nachsorgeschemata: Seminom Stadium I; Nichtseminom Stadium I in active surveillance; alle Patienten in kompletter Remission nach adjuvanter oder kurativer Therapie.
- Nach 5 Jahren kann die tumorspezifische Nachsorge abgeschlossen werden. Im Vordergrund steht nun die Erfassung und Therapie von Spättoxizitäten. Die Abgabe eines Survivorship Care Planes an die
Patienten ist empfohlen.
Messages à retenir
- Les sociétés européennes d’oncologie (ESMO) et d’urologie (EAU) se sont mises d’accord sur des recommandations identiques pour le suivi des patients atteints de tumeurs testiculaires et les ont publiées en 2018.
- La surveillance active des patients de stade I et le suivi de tous les patients en rémission après le traitement doivent être effectués conformément aux directives publiées.
- Il y a trois groupes principaux avec les régimes de suivi appropriés : seminoma stade I ; tumeurs non séminomateuses stade I dans la surveillance active ; tous les patients en rémission complète après traitement adjuvant ou curatif.
- Après 5 ans, le suivi spécifique de la tumeur peut être complété. L’accent est maintenant mis sur la détection et le traitement des toxicités tardives. Il est recommandé d’offrir un plan de soins aux patients survivants.
1. Honecker F et al. ESMO consensus conference on testicular germ cell cancer: diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2018;29:1658-86
2. Albers P et al. EAU guidelines on testicular cancer, European Association of Urology 2018; www.uroweb.org
3. Cathomas R et al. Interdisciplinary Evidence-Based Recommendations for the Follow-Up of Testicular Germ Cell Cancer Patients. Onkologie 2011;34: 59–64
4. Rothermundt C et al. Baseline Characteristics and Patterns of Care in Testicular Cancer Patients: First Data from the Swiss Austrian German Testicular Cancer Cohort Study (SAG TCCS). Swiss Med Wkly 2018 Jul 24;148:w14640
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- Vol. 9
- Ausgabe 1
- Februar 2019