- Perorale Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms
Abiraterone (Zytiga®) ist eine perorale Therapie für Männer mit metastasiertem Prostatakarzinom. Die initial registrierte Indikation beschränkte sich auf Patienten mit kastrationsrefraktärem Karzinom. Neuere Daten zeigen, dass auch die hormonsensitive Krankheit vom Einsatz dieses Medikamentes profitiert. Die Standard-Dosis ist 1 000 mg täglich kontinuierlich per os.
Szmulewitz RZ et al. J Clin Oncol 2018; 36:1389-95
Kolesar JM, Liu GX. J Clin Oncol 2018;36:1385-6
Tannock I. J Clin Oncol 2018 Sep 6: JCO2018792358 . [Epub ahead of print]
Die Studie von Szmulewitz RZ et al. stellte die simple Frage, ob es dosis-mässig «nid es bitzeli weniger sein dürfte»; angesichts des hohen Preises einer typischen Monatsdosis von Zytiga® (Publikumspreis rund CHF 4 000.-) ist diese Frage ökonomisch interessant.
Aktuell wird den Patienten empfohlen, ihre Tagesdosis von Abiraterone mit einem Sicherheitsabstand zur vorigen und zur nächsten Mahlzeit einzunehmen, was logistisch nicht immer ganz einfach zu bewerkstelligen ist.
Die Studie geht der interessanten Beobachtung aus der Zeit der frühen klinischen Studien dieses Medikaments nach, wonach die Einnahme von Abiraterone zusammen mit einer Mahlzeit höhere Medikamentenspiegel ergibt als die Einnahme auf nüchternen Magen. Da Mahlzeiten nicht kassenpflichtig sind, ergäbe beispielsweise die Kombinationstherapie Abiraterone-Birchermüesli eine nennenswerte Einsparung an Kosten.
Die Studie verglich bei Patienten mit kastrationsrefraktärem Prostatakarzinom Abiraterone à 1000 mg täglich nüchtern (= Standard-Arm) mit der Kombination Abiraterone à 250 mg täglich zuzüglich ein «low fat meal». Der primäre Endpunkt war PSA-Ansprechen innert 12 Wochen nach Therapiestart. Die kostengünstige Niedrigdosis-Kombination war der klassischen Verabreichung nicht unterlegen.
Somit weist diese Studie darauf hin, dass weniger Abiraterone möglicherweise gleich viel oder sogar mehr wert wäre (letzteres, falls die Ersparnis an Medikamentenkosten berücksichtigt wird). Dies hiesse, dass die Patienten mit weniger Dosis und logistisch einfacher, also mit besserer Compliance bei der Tabletteneinnahme (einfach 1 Tabl. zum Zmorge) zu behandeln wären, ohne nennenswerte Bedenken wegen einer möglichen Wirkungseinbusse. Dem halten Kritiker, z.B. die Autoren des begleitenden Editorials, entgegen, die Studie hätte nicht die Bedeutung einer gross angelegten Phase-III-Studie mit Gesamtüberleben als primärem Endpunkt – die Daten seien deshalb ohne wirkliche Konsequenz für unseren klinischen Alltag. Ian Tannock, dessen Artikel grundsätzlich immer lesenswert sind, widerspricht in seinem Leserbrief: eine Behandlung, die die Krankenversicherung nur mit einem Viertel an Medikamentenkosten belastet, sei im Lichte der Daten grundsätzlich zu befürworten. Ein sinkendes PSA sei zugegeben nicht «the full clinical monty» zur Beurteilung der klinischen Wirkung von medikamentösen Therapien beim Prostatakarzinom; ein validierter Surrogat-Erfolgs-Marker ist es allemal.
Hussain M, et al. N Engl J Med 2018;378:2465-74
Enzalutamide zur Behandlung nicht-metastatischer, kastrationstresistenter Prostatakarzinome
Bleiben wir der Übung halber beim Prostatakarzinom. Enzalutamide (Xtandi®) ist, wie Abiraterone, ein neueres Medikament zur Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms, initial getestet beim kastrationsrefraktären Karzinom, und später auch für hormonsensitive Tumoren für wirksam befunden. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit einer speziellen Gruppe von Männern mit Prostatakarzinom; mit Patienten nämlich, die unter androgen-suppressiver Therapie zwar keine nachweisbaren Fernmetastasen aufweisen, deren PSA aber kontinuierlich steigt. Es ist anzunehmen, dass diese Patienten kastrationsrefraktäre okkulte Fernmetastasen haben (die dem Nachweis im konventionellen CT oder MRI momentan noch entgehen), oder/und eine Progredienz ihres Primärtumors, oder progredienten Tumorbefall in der Prostataloge bei Status nach Prostatektomie aufweisen. Die Prognose dieser Patienten ist insgesamt nicht sehr gut – das Auftreten von symptomatischen Metastasen lediglich eine Frage der Zeit. Die Behandlung bestand in Enzalutamide in der typischen Tagesdosis von 160 mg (muss es wirklich so viel sein? Siehe oben!!) oder Placebo. Der primäre Endpunkt war metastasenfreies Überleben. Die Suche nach Metastasen wurde gemäss Protokoll alle vier Monate vorgenommen. Untersuchungen dieser Art müssten stringent mit diszipliniert gleichem «timing» in beiden Studienarmen vorgenommen werden. Falls die Suche nach Metastasen im einen oder anderen Arm nachlässig vorgenommen wird, mit Verpassen fälliger Termine, so wäre zu erwarten, dass der Endpunkt im anderen Arm früher erreicht wird, auch wenn Metastasen in «Echtzeit» nicht früher auftreten (sondern lediglich früher gefunden werden). Leider ist dem Artikel im NEJM nicht zu entnehmen, wie diszipliniert die Studienärzte die Patienten in den beiden Armen untersuchen liessen – ein wissenschaftlicher Mangel, und das in einem besonders renommierten Journal!!
Eine Zugabe gefällig (wie bei Klavierabenden bedeutender Pianisten)? Et voilà:
Tasmanischer Beutelteufel – Übertragung vitaler Krebszellen
Der Beutelteufel («Tasmanian devil» – Sarcophagus Harisii) ist ein fleischfressender («Sarcophagus») Raubbeutler aus Tasmanien, der sich mit seinen Artgenossen beim Vertilgen und im Verteilkampf erbeuteter Tiere oder Aas rabiate Schlachten mit Beissverletzungen liefert.
Kosack L et al. Cancer Cell 2019;35:125-39.e9. Tovar C et al. Sci Rep 2017;7:43827. doi: 10.1038/srep43827
Diese Tischmanieren besiegeln nun beinahe das Schicksal der vom Aussterben bedrohten Species, da bei Bissen vitale Krebszellen («devil facial tumour disease») von Tier zu Tier übertragen werden, die vom Immunsystem des Beissopfers nicht abgestossen werden, und innert Monaten zum Tode des sarkophagen Patienten führen. Es gibt beim Menschen keine Beobachtungen, wonach Krebs durch Übertragung intakter Krebszellen vom einen auf ein anderes Individuum übergehen kann; nicht einmal bei schwangeren Frauen, die an einer akuten Leukämie erkranken, sind Leukämiefälle beim Kind beschrieben. Die fazialen Karzinome beim Beutelteufel exprimieren offenbar keine Proteine der Major Histocompatibility Complex Class I (MHC-I), und deshalb werden sie vom Immunsystem des gebissenen Teufels nicht erkannt. In den Tumorzellen sind alte Bekannte aus der Krebsmolekularbiologie aktiv, nämlich der ERBB-RAS-RAF-MAPK-STAT3 Pfad, der MHC-I unterdrückt. Ein ERBB-Tyrosin-Kinase-Inhibitor kombiniert mit Interferon-γ vermag die Sache (fast) ins Reine zu bringen. Eine klinische Studie bei neun Teufeln zeigte, dass der Transfer von Tumorzellen, die MHC-I exprimierten, nicht zu einer klinischen Krebserkrankung führte. Nebenbei sei angemerkt, dass die für die Studie nötigen Blutentnahmen bei den Patienten unter besonderen Kautelen für einen guten Bissschutz der Studienärzte vorgenommen wurden. Auch wenn die Studie nicht in die Humanmedizin extrapoliert werden kann, so bietet sie doch einen interessanten Einblick in einen vernetzten molekular-immunologischen Pfad für alle Onkologen, die am Beispiel von Sarcophagus Harisii gerne einmal über den humanen Tellerrand hinausschauen möchten.
Woher stammt das Zitat «Wie sich die Bilder gleichen!»
Lösung:
* «Wie sich die Bilder gleichen» ist die deutsche Übersetzung der Arie des Mario Cavaradossi aus dem ersten Akt der Oper «Tosca» von Puccini. In der italienischen Originalfassung heisst der Text «Recondita armonia di bellezze diverse! …. E bruna Floria (Tosca), l’ardente amante mia.» etc. Die beste CD-Aufnahme ist immer noch die Einspielung mit Maria Callas, Giuseppe di Stefano und Tito Gobbi, dirigiert von Victor de Sabata.
Bern
martin.fey@insel.ch
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