Journal Watch

Literaturbesprechung solide Tumoren

Schlaglichter auf den St. Galler Breast Cancer Consensus



Burstein HJ et al. Estimating the benefits of therapy for early stage breast cancer. The St Gallen International Consensus Guidelines for the Primary Therapy of Early Breast Cancer 2019. Ann Oncol 2019; doi.org/10.1093/annonc/mdz235.

Zusammenfassung: Hier ist er: der neuste Bericht über die sog. St. Galler Breast Cancer Consensus Conference, die ihren Namen stur beibehält, obwohl der Kongress aus kommerziellen Gründen nach Wien verfrachtet wurde. Eine Zusammenfassung der Breast Cancer G’schichten aus dem Wienerwald scheint mir unnötig. Ich stelle stattdessen ein paar Sätze aus dem Text ins Scheinwerferlicht, die mir beim Lesen auffielen.

Tamoxifen adjuvant bei ER-POS Mammakarzinom Luminaltypen A und B

Yu NY et al. Assessment of Long-term Distant Recurrence-Free Survival Associated With Tamoxifen Therapy in Postmenopausal Patients With Luminal A or Luminal B Breast Cancer. JAMA Oncol 2019; doi: 10.1001/jamaoncol.2019.1856

Zusammenfassung: Frauen mit ER-POS Mammakarzinom profitieren von der adjuvanten Therapie mit Tamoxifen (TAM); ein Restrisiko für Rezidive kann allerdings lange im Verlauf bestehen bleiben, je nach Karzinomtyp. Im Lichte der modernen Diagnostik wäre es nun sinnvoll, Mammakarzinom Typ Luminal A versus B getrennt zu diskutieren. Studien mit «alten» Daten und Langzeitresultaten stammen aber aus der Zeit, als man die Luminaltypen noch nicht kannte. Die schwedische Studie STO-3 randomisierte in den Jahren 1976-1990 total 1846 postmenopausale Patientinnen mit Mammakarzinom in einen Arm mit Tamoxifen (40 mg während 2 Jahren) versus Placebo (was man damals ethisch noch vertreten konnte). Ab dem Jahr 1983 wurden Frauen, die in den ersten zwei Studienjahren noch kein Rezidiv erlebt hatten, randomisiert für drei weitere Jahre TAM versus Placebo. Da das Schwedische Brustkrebsregister praktisch alle Fälle von Mammakarzinom im Land umfasst, konnten fast alle Studienpatientinnen ab 2012 für Langzeitresultate abgerufen werden. Bei 808 Patientinnen (d.h. knapp der Hälfte) war paraffin-fixiertes Tumormaterial vorhanden, und bei 652 (einem Drittel) der Fälle konnten die modernen diagnostischen Methoden angewandt werden, um Luminal-A- von Luminal-B-Karzinomen zu unterscheiden. Die Fälle verteilten sich – le hasard fit bien les choses – etwa zu gleichen Teilen auf die beiden Studienarme. Luminal-A-Karzinome zeigten einen Langzeitnutzen von TAM. Sie sind genau die Mammakarzinome, die noch nach 20-25 Jahren Rezidive aufweisen können. Der Nutzen der adjuvanten Therapie bei Luminal-B-Karzinomen hingegen fand sich vor allem in den ersten 5 Jahren, was eher durch die andere Biologie dieser Tumoren als durch die Therapie bedingt ist. Das rezidivfreie Überleben von unbehandelten Patientinnen mit Luminal-A-Karzinom war länger als das der Frauen mit Luminal-B-Karzinom unter TAM!

Geschickte Neukombinationen bekannter Chemotherapeutika

Al Batran SE et al. Perioperative chemotherapy with fluorouracil plus leucovorin, oxaliplatin, and docetaxel versus fluorouracil or capecitabine plus cisplatin and epirubicin for locally advanced, resec-table gastric or gastro-oesophageal junction adenocarcinoma (FLOT4): a randomised phase 2/3 trial. Lancet 2019; 393: 1948

Zusammenfassung: Prä- und postoperative Therapie mit FLOT (d.h. einer Chemotherapie mit Oxaliplatin und einem Taxan) ergibt bei resektablem Adenokarzinom im oesophagogastrischen Übergang oder im Magen deutlich längeres Überleben (median 50 Monate) als ein Cisplatin-/Epirubicinhaltiges Regime (median 35 Monate).

Lektion aus dem Olaratumab-Marktrückzug

Tap WD et al: Olaratumab and doxorubicin versus doxorubicin alone for treatment of softtissue sarcoma: an open-label phase 1b and randomised phase 2 trial. Lancet 2016; 388: 488

ESMO Guidelines Committee: Appendix 3: Soft tissue sarcoma: MCBS eUpdate published online 5 May 2017 (www.esmo.org/Guidelines/Sarcoma-and-GIST). Ann Oncol 2017; 28 (Suppl 4): iv147–iv148, 2017 doi:10.1093/annonc/mdx241

Tobias A et al. Olaratumab for advanced soft tissue sarcoma. Expert Rev Clin Pharmacol. 2017 ; 10: 699. doi: 10.1080/17512433.2017.1324295.
Epub 2017 May 5.

https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02451943: A Study of Doxorubicin Plus Olaratumab (LY3012207) in Participants With Advanced or Metastatic Soft Tissue Sarcoma (ANNOUNCE). Clini-calTrials.gov Identifier: NCT02451943

Zusammenfassung: Plateletderived growth factor (PDGF) und sein Rezeptor (PDGFR) spielen in der Biologie der mesenchymalen Zellen eine Rolle. Die Studiengruppe testete deshalb einen anti-PDGF und anti-PDGFR-Antikörper, Olaratumab, als Therapeutikum in Kombination mit Doxorubicin für inoperable Weichteilsarkome. Progressionfree survival (PFS – der primäre Endpunkt der Phase II-Studie) war 6.6 Monate in der Kombination und 4.1 Monate für Doxorubicin alleine (HR 0.67, 95% CI 0.44-1.02). Medianes Überleben (OS – geplant als sekundärer Endpunkt) war 26.5 Monate dank der Kombination versus 14.7 Monate mit Doxorubicin alleine. Demnach hebelte der Antikörper eine Verbesserung des Gesamtüberlebens um fast ein Jahr heraus. Er wurde demzufolge im Herbst 2017 als Medikament registriert, auch in der Schweiz unter dem Markennamen Lartruvo®. Das ESMO Guidelines Committee publizierte eilends einen «alert» Artikel mit dem Kommentar «The observed PFS benefit is associated with an ESMO Magnitude of Clinical Benefit Scale (ESMO-MCBS) score of 4, because of the magnitude of improvement on OS.» Eine Phase III-Studie (ANNOUNCE ClinicalTrials.gov Identifier NCT02451943) mit OS als primärem Endpunkt war im Hintergrund am Laufen.
Und nun folgt eine Meldung der Firma Eli Lilly (Brief vom 30.07.2019), dass die ANNOUNCE-Studie keinen OS-Vorteil für den Antikörper zeige. Das Medikament wird vom Markt genommen.

Prof. em. Dr. med. Martin Fey

Bern

martin.fey@insel.ch

Beratungsmandat bei Nestlé Health Sciences, Epalinges. Aktien bei Novartis, Roche und Johnson & Johnson.

info@onco-suisse

  • Vol. 9
  • Ausgabe 5
  • Oktober 2019