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Selbstmanagement-Förderung bei Krebserkrankungen

Selbstmanagement bei Krebs beinhaltet alle Aktivitäten von Betroffenen und ihren Familien oder ihrem sozialen Umfeld, die helfen, mit der Krankheit, den Therapien und ihren langfristigen Folgen zurechtzukommen. Selbstmanagement-­Programme unterstützen Betroffene wirksam beim Selbstmanagement und fördern damit deren Lebensqualität und ­Gesundheit.



Interventionen zur Selbstmanagementförderung werden derzeit nicht durch das KVG vergütet. Die SCAPE Studien zeigen auf, dass etwa die Hälfte aller Krebspatient/-innen negative Erfahrungen bezüglich der Unterstützung des Selbstmanagements macht (Arditi et al., 2022). Es ist sehr wichtig Selbstmanagementförderung anzuwenden, um mögliche negative Auswirkungen einer Krebserkrankung zu minimieren und damit verbundene Belastungen zu lindern. Das Symptom Navi setzt genau hier an.

Symptom Navi Programm

Drei Kernelemente bilden das Symptom Navi Programm (SNP):
1. Schriftliche, evidenzbasierte Empfehlungen zum Selbstmanagement (SN-Flyer) für Krebsbetroffene
2. Leitfaden für Edukationsgespräche von Fachpersonen zur Förderung und Unterstützung der Betroffenen
3. Schulungen für Fachpersonen zur Einführung des SNP an Institutionen
Das SNP ist eines der wenigen standardisierten Programme zur Förderung des Selbstmanagements bei Menschen mit Krebs in der Schweiz. Es wurde gemeinsam mit Betroffenen und Fachpersonen entwickelt (Kropf-Staub et al., 2017) und umfassend evaluiert (Bana et al., 2021). Insgesamt stehen 22 SN-Flyer zum Selbstmanagement von Symptomen, 7 SN-Flyer zur Gesundheitsförderung und 2 SN-Flyer mit allgemeinen Informationen zur Verfügung. Die nachfolgenden Resultate basieren auf dem Evaluationsbericht der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) (Frais, 2024).

Anwendung SN-Flyer

Fachpersonen geben an, dass von den Krebsbetroffenen, die SN-Flyer aktiv nutzen, etwas mehr als 80 % explizit Empfehlungen auf den Flyern anwenden (Abb. 1).

Edukationsgespräche

Geschulte Fachpersonen coachen Krebsbetroffene mit Edukationsgesprächen zum Selbstmanagement. Die Betroffenen lernen, ihre Symptome besser einzuschätzen und autonomer mit den Symptomen umzugehen oder diese zu lindern. Sie lernen besser einzuschätzen, wann sie das Behandlungsteam kontaktieren und sich Hilfe holen müssen.

Einführung an Institutionen

Fachpersonen nehmen an zwei Schulungen teil: eine 4-stündige Einführung zum SNP und eine 2-stündige Follow-up Schulung.

Erfahrungen und Wirkung

Seit 2011 wird das SNP zur Förderung des Selbstmanagements in der Praxis angewendet. Krebsbetroffene fühlen sich mit den SN-Flyern sicherer und durch das Coaching von Fachpersonen wirksam unterstützt (Bana et al., 2020). Der Evaluationsbericht der PHZH bestätigt diese Resultate (Frais, 2024) (Abb. 2).

Zudem konnte eine Studie aufzeigen, dass die Integration von SN-Flyer-Inhalten in ein digitales Tool das Selbstmanagement von Krebsbetroffenen effektiv unterstützt, indem die Kontaktaufnahme mit dem Behandlungsteam oder mit dem Notfall hinausgezögert werden kann (Eicher et al., 2023).

Voten von Fach- und Betreuungspersonen

Fachpersonen bewerten die Schulungen zum SNP als gut bis sehr gut (Gesamtmittelwert 3.5 auf einer 4-er Skala). Knapp 40 % der Fachpersonen integrieren Edukationsgespräche gut in ihren Praxisalltag und weitere 30 % können Edukationsgespräche mit Einschränkungen umsetzen (Abb. 3).

Fachpersonen bestätigen die Wichtigkeit der Selbstmanagement-Edukation und deren Nutzen für die Krebsbetroffenen, erleben aber auch Hindernisse für die Integration von Edukationsgespräche im Alltag:
• Fehlen einer ruhigen Umgebung
• Informationsüberflutung der Krebsbetroffenen
• Zeitmangel

Aussagen von Stakeholdern

Für die Einführung und Anwendung des SNP sind förderliche Rahmenbedingungen wichtig. Allerdings nennen Führungspersonen auch relevante hinderliche Faktoren (Tab. 1).

Was ist zu tun?

Krebsbetroffene in der Schweiz erfahren während der Diagnosestellung und stationären Therapien eine gute Betreuung und Behandlung, erhalten aber wenig Informationen zum Selbstmanagement (Arditi et al., 2022). Hier besteht dringender Handlungsbedarf, denn Selbstmanagement kann den Krebsbetroffenen Autonomie und Kontrolle über ihren Alltag zurückgeben.

Empfehlungen

Selbstmanagement-Förderung als fester Bestandteil in die Krebsversorgung integrieren. Dazu
• sind die Rahmenbedingungen an onkologischen Zentren
anzupassen, damit Edukationsgespräche im Alltag integriert werden können,
• ist eine dauerhafte Finanzierung von Selbstmanagement-
Förderung mittels öffentlicher Gelder anzustreben,
• sollen SN-Flyer für Krebsbetroffene frei zugänglich sein.

Fazit

Es braucht langfristige Finanzierungsinstrumente, um Krebsbetroffene im Selbstmanagement wirksam unterstützen zu können:
• Kantonale Gesundheitsdirektionen können die Selbstmanagement-Förderung als gemeinwirtschaftliche Leistungen an Spitäler vergüten.
• Krankenversicherer können das SNP in den Leistungskatalog der obligatorischen Krankenversicherung aufnehmen.

Autor/-innen:
Marika Bana, PhD, assoziierte Professorin FH, HES-SO Fribourg, Hochschule für Gesundheit; Schulung und Training Symptom Navi Programm
Karin Ribi, Dr. Phil. MPH, Senior Researcher, Careum Hochschule Gesundheit, Zürich; Projektverantwortliche Symptom Navi Programm von 2020 – 2022
Michael Frais, Fachspezialist Evaluation, Pädagogische Hochschule Zürich
Ursula Gehbauer Tichler, Dr., Geschäftsführerin Schweizerischer Verein zur Förderung des Selbstmanagements, Projektverantwortliche Symptom Navi Programm ab 2022
Manuela Eicher, Dr. rer. medic, FAAN, Ordinaria und Direktorin am Institut für Pflege und Versorgungswissenschaften IUFRS, Fakultät Biologie und Medizin, Universität Lausanne und Universitätsspital Lausanne; Vorstandsmitglied Schweizerischer Verein zur Förderung des Selbstmanagements

Kontakt
Marika.bana@symptomnavi.ch
www.symptomnavi.ch
Schweizerischer Verein zur Förderung des Selbstmanagements (VFSM)

Gesundheitsförderung Schweiz hat das SNP von 2020–2023 finanziell unterstützt.

Arditi, C., Eicher, M., Colomer-Lahiguera, S., Bienvenu, C., Anchisi, S., Betticher, D., Dietrich, P. Y., Duchosal, M., Peters, S., & Peytremann-Bridevaux, I. (2022). Patients’ experiences with cancer care in Switzerland: Results of a multicentre cross-sectional survey. Eur J Cancer Care (Engl), 31(6), e13705. https://doi.org/10.1111/ecc.13705
Bana, M., Ribi, K., Kropf-Staub, S., Näf, E., Sailer Schramm, M., Zürcher-Florin, S., Peters, S., & Eicher, M. (2020). Development and implementation strategies of a nurse-led symptom self-management program in outpatient cancer centres: The Symptom Navi© Programme. European Journal of Oncology Nursing, 44(01), Article 101714. https://doi.org/10.1016/j.ejon.2019.101714
Bana, M., Ribi, K., Peters, S., Kropf-Staub, S., Näf, E., Zürcher-Florin, S., Stoffel, B., Blaeuer, C., Borner, M., Malin, D., Biber, R., Betticher, D., Kuhn-Bächler, T., Cantoni, N., Seeger, T., Bütikofer, L., & Eicher, M. (2021). Pilot Testing of a Nurse-Led Basic Symptom Self-management Support for Patients Receiving First-Line Systemic Outpatient Anticancer Treatment: A Cluster-Randomized Study (Symptom Navi Pilot Study). Cancer Nursing. https://doi.org/10.1097/ncc.0000000000000995
Eicher, M., Bana, M., Ribi, K., Schneider, S., & Ammann, J. (2023). Use and value of self-management (SM) recommendations in a real-world evidence study evaluating digital patient monitoring (DPM) of patients (pts) receiving cancer care. Journal of Clinical Oncology, 41(16_suppl), 1603-1603. https://doi.org/10.1200/JCO.2023.41.16_suppl.1603
Frais, M. (2024). Evaluation Symptom Navi Programm (SNP). Pädagogische Hochschule Zürich. https://gesundheitsfoerderung.ch/node/9429
Kropf-Staub, S., Sailer Schramm, M., Zürcher, S., Näf, E., & Eicher, M. (2017). Symptom Navi Program – Entwicklung 2011 – 2015. Onkologische Pflege, 7(1), 21-27.

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  • Vol. 14
  • Ausgabe 7
  • November 2024