Editorial

Ein zweistelliger Millionen-Betrag pro Jahr für die Onkologie würde schon genügen

Smarter Oncology – Höchste Zeit, damit zu beginnen!



Vor einiger Zeit wurde im Rahmen der Allgemeinmedizin die Initiative «Smarter Medicine» lanciert. Es geht hierbei darum, Über- und Fehlversorgung zu eliminieren. Das Volumen hierfür wird auf 20-30% der Leistungen geschätzt. Auch in der Onkologie sind wir gut beraten, kritisch zu hinterfragen, was wir tun. Dies gilt bei der medikamentösen Behandlung genauso wie bei Verlaufskontrollen unter oder nach einer Therapie.

Als Beispiel sei hier eine Studie der SAKK erwähnt, die festgestellt hat, dass Patienten mit hormonsensitivem Prostatakarzinom häufig mit Xgeva behandelt werden, um skelettale Events zu reduzieren. In dieser Indikation gibt es für diese Behandlung überhaupt keine Evidenz eines Nutzens, sehr wohl aber Daten zu Nebenwirkungen wie Hypocalcämie, Osteonekrose des Kiefers und bei Langzeitbehandlung möglicherweise auch vermehrt Femurfrakturen. Der finanzielle Schaden: 8 Mio. Schweizer Franken über 1 Jahr (1). Das Label von Swissmedic deckt diese Indikation ab. Können Experten dies ändern? Nein, weil eine Label-Änderung nur von der Firma kommen kann, welche Produkteinhaberin ist.

Diese Missstände müssen beseitigt werden zum Wohl unserer Patienten und unserer Gesellschaft. Gefordert sind hier die Fachverbände und die FMH mit politischen Vorstössen. Darüber hinaus wird es höchste Zeit, dass staatliche Stellen, welche für die Forschungsförderung zuständig sind, aber auch das BAG die Zeichen der Zeit erkennen und damit beginnen, Geld zu investieren, damit solche Studienfragen beantwortet werden können.

Studien, welche Fehl- und Überversorgung aufdecken, müssen endlich finanzierbar sein. Renditen von über 100% des investierten Geldes innert weniger Jahre sind dabei möglich. Davon träumen sogar Investmentbanker. Leider wurden diese Zeichen der Zeit aber weder von Bundesstellen noch von privaten Institutionen erkannt. Man investiert nach wie vor lieber in präklinische und translationale Forschung, anstatt relevante klinische Fragestellungen zu finanzieren. Gleichermassen verstecken sich die Akteure hinter Gesetzen und Paragraphen, die das angeblich verhindern. Es gilt deshalb, Druck aufzubauen und die Bevölkerung zu informieren, was hier falsch läuft und möglich wäre. Und, sofern nötig, die Gesetze zu ändern. Wir sollten nicht länger Milliarden in Mausforschungen investieren und uns in klinisch relevanter Forschung mit Brosamen begnügen. Es ist an der Zeit, smart zu denken und smart zu handeln.

Prof. Dr. med. Roger von Moos
roger.vonmoos@ksgr.ch

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

1. Stoffel S, von Moos R et al. Patterns of care and economic consequences of using bone-targeted agents for castration-sensitive prostate cancer patients with bone metastases to prevent skeletal-related events in Switzerland – the SAKK 95/16 prostate study Swiss Med Wkly 2021 Mar 1;151:w20464.doi: 10.4414/smw.2021.20464.

info@onco-suisse

  • Vol. 11
  • Ausgabe 3
  • Juni 2021