- St. Galler Fortbildung Klinische Onkologie 2023
Zum 33. Mal fand die traditionelle St. Galler Fortbildung in Klinischer Onkologie, organisiert durch Prof. Dr. Dr. Markus Jörger, PD Dr. Stefan Diem und Prof. Dr. Christoph Driessen im Kongresszentrum Einstein in St. Gallen statt. Vorträge, Symposien, Challenge the Experts, Pro und Contra sowie die Highlights in der Hämato-/Onkologie 2022 und in der Onkologie 2022 rundeten das hervorragende Programm ab. Der folgende Bericht enthält Ausschnitte aus dem vielfältigen Programm.
Gegenwart und Zukunft moderner Immuntherapien beim Melanom und soliden Tumoren

In den vergangenen ca. 12 Jahren gab es 2 Revolutionen. Die grosse Änderung ist zum einen die zielgerichtete Therapie, auf der anderen Seite die Checkpoint Blockade und insgesamt die kombinierte Checkpoint Blockade mit anti-PD-1, stellte Prof. Dr. Lukas Flatz, St. Gallen /Tübingen fest.
Die Immun Checkpoint Blockade
Der Wirkmechanismus der Immuncheckpoint Inhibitoren ist einerseits die Wirkung auf die Antigen-präsentierende Zelle (anti-CTLA-4, die ohne Immuntherapie zum Tumor Escape führt, während sie mit Immuntherapie (PD-1 und PD-L1) zur Aktivierung der T-Zelle und Elimination der Tumorzellen führt. Dafür wurde der Nobelpreis 2018 an James P. Allison und Tasuku Honjo, vergeben. Die Beobachtung, dass die durch zytotoxische T-Lymphozyten assoziierte CTLA-4 Blockade mit Ipilimumab, dem ersten CTLA-4 Inhibitor, Krebsregression und Autoimmunität bei Patienten mit metastasiertem Melanom induzierte, führte trotz häufiger Grad 3/4 Toxizität zu weiteren Studien.
Standard beim Melanom ist die kombinierte Therapie mit 2 verschiedenen Checkpoint Inhibitoren, Ipilimumab und Nivolumab (einem PD-L1-Inhibitor). Diese Kombination ging bei einem grösseren Prozentsatz von Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, die Nivolumab plus Ipilimumab oder Nivolumab allein erhielten, mit einem länger anhaltenden langfristigen Gesamtüberleben nach 5 Jahren einher als bei den Patienten, die Ipilimumab allein erhielten.
Kombinationstherapien
Beim NSCLC ist es Standard, dass man eine kombinierte Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren und Chemotherapie durchführt. Es sind mehrere Kombinationstherapien mit Checkpoint-Inhibitoren möglich: 2 Checkpoint-Inhibitoren, ein Checkpoint-Inhibitor plus Radiotherapie, Checkpoint-Inhibitor plus Chemotherapie oder Checkpoint-Inhibitor kombiniert mit einem onkolytischen Virus.
Die adjuvante Therapie mit Nivolumab versus Ipilimumab wurde erstmals in der Checkmate 238 bei reseziertem Stadium IIIB-C und Stadium IV Melanom untersucht. Bei einer Nachbeobachtungszeit von mindestens vier Jahren zeigte Nivolumab gegenüber Ipilimumab einen anhaltenden Vorteil in Bezug auf das Rezidiv-freie Überleben bei resezierten Melanomen im Stadium IIIB-C oder IV, was auf einen langfristigen Behandlungsvorteil von Nivolumab hindeutet. Bei weniger Todesfällen als erwartet, war das Gesamtüberleben in beiden Gruppen ähnlich. Die Therapie mit adjuvantem Pembrolizumab, einem PD-1-Inhibitor, lieferte eine signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserung im fernmetastasierungsfreien Überleben bei einem medianen Follow-up von 3.5 Jahren, das konsistent war mit der Verbesserung des rezidivfreien Überlebens. Diese Studie schloss auch Stadium IIIA-Patienten ein. Der Referent gibt aber zu bedenken, dass es auch Patienten gibt, die langfristig Schilddrüsenhormone benötigen oder Hydrocortison, weil sie eine Hyperphysitis haben oder, wenn ein Diabetes entsteht. Hier muss man sich fragen ob bei Stadium IIIA man dies, obschon das Risiko gering ist, machen sollte.
Eine weitere Studie mit Kombinationstherapie ist die Relativity-Studie, in welcher Relatlimab, ein LAG-3-blockierenden Antikörper und Nivolumab, ein PD-1-blockierender Antikörper, kombiniert wurden. Die RELATIVITY-47 Studie zeigte einen grösseren Nutzen in Bezug auf das progressionsfreie Überleben als die Hemmung von PD-1 allein bei Patienten mit zuvor unbehandeltem metastasiertem oder inoperablem Melanom. Relatlimab und Nivolumab in Kombination zeigten keine neuen Sicherheitssignale.
Lehren aus der Vakzinologie
- Passive Vakzinierung (Diphtherie, Tetanus) hat sich bei Infektionen mit Diphtherie und Tetanus bewährt. Dabei werden polyklonale Antiköper aus Tieren eingesetzt.
- Aktive Vakzinierung
– Beim Urothelkarzinom wird BCG regelmässig und mit gutem Erfolg eingesetzt
– Hepatitis B, HPV: Das Risiko für das hepatozelluläre Karzinom und das Cervixkarzinom kann durch Impfung vermindert werden
– mRNA-Vakzinen: Sie haben bei COVID-19 den entscheidenden Durchbruch gebracht. Die mRNA Vakzine von Biontech konnte nur so schnell auf den Markt kommen, weil sich die Firma schon vor Covid mit mRNA Vakzinen in der Onkologie beschäftigt hat.
Die Wirkung von Antikörpern
1. Komplement vermittelte Zytotoxizität
2. Direkte Lyse
3. Antikörper vermittelte zelluläre Zytotoxizität
4. Blockierung eines Rezeptors (anti-PD1 oder Blockierung des Viruseintritts)
Anti-Thymozyten Globulin (ATG)
Es handelt sich um ein polyklonales IgG-Präparat aus dem Serum von verschiedenen Tieren (Kaninchen, Pferd), welche mit humanen Thymozyten oder andern Lymphozyten immunisiert worden waren. Durch die polyklonale Art von ATG gibt es diverse Wirkungen auf das Immunsystem:
- T Zelldepletion im Blut und in peripherem lymphoidem Gewebe durch Komplement abhängige Lyse und T Zellaktivierung
- Modulation von Schlüssel-Zelloberflächenmolekülen, die
Leukozyten/Endothel Interaktionen vermitteln - Induktion von Apoptose in B Zelllinien
- Interferenz mit funktionellen Eigenschaften von dendritischen Zellen
- Induktion von regulatorischen T Zellen und natürlichen
T Killer-Zellen
ATG wird vor allem zur Immunsuppression verwendet, da diese Antiikörper gegen wichtige Moleküle, inkl. CD3 gerichtet sind.
Zugelassene ATG sind
- ATGAM (Pfizer) (Pferd) bei aplastischer Anämie
- Thymoglobulin (Sanofi Genzyme) (Kaninchen) Prävention und Behandlung der Abstossung nach allogener Organtransplantation)
- Grafalon (Neovii Biotech GmbH (Kaninchen) Prävention der Abstossung nach allogener Transplantation, Graft versus Host Disease
Monoklonale und nackte Antikörper
Der Referent wandte sich anschliessend den monoklonalen Antikörpern und ihrer Produktion zu. Monoklonale Antikörper wurden ursprünglich durch Fusion von Maus-Myelomzellen mit humanen Antikörper-produzierenden Zellen (Hybridom) erzeugt (Milstein und Köhler, Nobelpreis 1980). Die Entwicklung von monoklonalen Antikörpern wurde durch die Molekularbiologie vorangetrieben.
Rekombinante Antikörper sind hochspezifische Nachweissonden in Forschung und Diagnostik und haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten als die am schnellsten wachsende Klasse therapeutischer Proteine entwickelt. Sie haben die Onkologie wesentlich geprägt. Die Herstellung von Antikörpern wurde durch In-vitro-Selektionssysteme, insbesondere Phagen-Display, drastisch beschleunigt. Die Molekularbiologie hat seine Wurzeln auch ein wenig im Kanton St. Gallen, wie der Referent erklärte. Der Grossvater des Molekularbiologen Kary Mullis, des Erfinders der PCR, war aus dem Kanton St. Gallen in die USA ausgewandert. Mullis ist ein Flumser Geschlecht.
Nackte Antikörper sind monoklonale Antikörper, die man einfach sekretieren lässt, aufreinigt und anschliessend verwendet. Sie sind gegen die folgenden Ziele gerichtet:
- Spezifische Antigene auf Zelloberflächen von Krebszellen (z.B. CD20) was zu Antikörper vermittelter zellulärer Zytotoxizität (ADCC), Antikörper vermittelter zellulärer Phagozytose (ADCP) oder zellvermittelter Zytotoxizität (CDC) führt
- Immun Checkpoints (z.B. PD-1)
- Antigene in der Mikroumgebung (z.B. VEGF)
Antikörper mit zusätzlichen Modifikationen zur Erhöhung der therapeutischen Wirkung
- Immunzytokine: Ausgewählte Zytokine, die mit einem Antikörper fusioniert sind. Der Antikörper führt das Zytokin zur Tumorzelle, wo das Zytokin das Immunsystem in der Bekämpfung des Krebses unterstützt
- Antikörper-Medikament-Konjugate: Sie bestehen aus einem Antikörper, der gegen das Tumor-spezifische Antigen gerichtet ist, konjugiert mit einem niedrig-molekularen Medikament (Chemotherapeutikum). Der Antikörper erhöht die Medikamentenabgabe am Tumorort und erhöht so seine Wirksamkeit.
- Bispezifische Antikörper: Sie bestehen aus 2 Einzelketten variablen Fragmenten von verschiedenen Antikörpern und können so gegen zwei spezifische Antigene gerichtet sein.
- Chimäre Antigen-Rezeptor T-Zellen (CAR-T cells): Genetische veränderte Antigenrezeptoren, die variable Fragmente (ScFV) eines Antikörpers, der gegen ein Tumor-assoziiertes Antigen mit intrazellulärer Signaldomänen von T-Zellen gerichtet ist.
- Antikörper-Radionuklid-Konjugate: Antikörper, der an ein Radionuklid gekoppelt ist, um die Radiotherapie spezifischer gegen die Tumorlokalisierung zu richten.
- Immunliposomen: Fab Fragment, gekoppelt an ein Nano-Medikament-Abgabesystem, wie liposomale Medikamente, um mehr spezifisches Targeting zu erzielen.
Ein Beispiel für ein Antikörper-Medikament-Konjugat ist Trastuzumab-Emtansin, ein monoklonaler Antikörper, der spezifisch an HER2+ Zellen bindet, gekoppelt an Emtansin, das Krebszellen abtöten kann. Emtansin allein kann nicht verwendet werden, da es viel zu toxisch ist.
Die Kombination mit Trastuzumab hebt diese Toxizität auf. Das Medikament wird sehr erfolgreich bei HER2 positivem Mammakarzinom angewendet.
Ein weiteres Beispiel ist Daromun (Nidlegy®) mit welchem in St. Gallen eine Studie (Duncan-Studie, in Zusammenarbeit mit Tübingen und dem USZ) durchgeführt wird. Daromun ist ein immunonkologisches Medikament in der klinischen Entwicklung zur Behandlung von Melanomen und nicht-Melanom-Hautkrebs. Das Produkt, das intraläsional verabreicht wird, besteht aus zwei Antikörper-Zytokin-Fusionen als Wirkstoffe (L19IL2 und L19TNF), die synergistisch wirken, um Tumorzellen direkt abzutöten und gleichzeitig eine systemische Anti-Tumor-Immunantwort auszulösen. Der eine Antikörper bindet EDB Fibronectin, das vor allem im Tumor vorkommt, der andere TNF.
Solche Antikörper können auch für das Imaging verwendet werden. Eine Studie mit einem Zirkonium CD8 Konjugat wird in St. Gallen und in Tübingen durchgeführt.
Der Krebs-Immunitäts-Zyklus
Der erste Schritt ist die Freisetzung von Krebszellantigenen, der immunogene und der tolerogene Zelltod, gefolgt von der Krebsantigenpräsentation (TNFα, IL-1 etc.). Danach das Priming und die Aktivierung von Antigen präsentierenden Zellen und T-Zellen (CTLA-4 /B7.1, PD-L1,/PD-1, PD-L1/B7.1) gefolgt von Trafficking der T-Zellen zum Tumor (CTLs) und der Infiltration der T-Zellen in die Tumoren, der Erkennung von Krebszellen durch die T-Zellen und der Abtötung der Krebszellen durch die zytotoxischen T-Zellen (PD-L1/PD-1, PD-L1/B7.1, IDO, TGF-β, BTLA, VISTA u.a.)
Checkpoint-Inhibitoren – ein zweischneidiges Schwert
Der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren ist begrenzt durch die immun-assoziierten unerwünschten Nebenwirkungen (irAEs). Schwere irAEs (z.B. Myokarditis) können zum Tod führen→ Behandlungspause, verlängertes Intervall, Immunsuppression. Die Art der Toxizität der Checkpoint Inhibitoren hängt von der Tumorentität ab, wie bei NSCLC und Melanom mit dem anti-PD-1 Immuncheckpoint- Inhibitor gezeigt wurde. Pneumonitis tritt eher beim Melanom auf, während Colitis, Pruritus, Diarrhoe und Rash eher beim NSCLC auftreten.
Bei den Checkpoint Inhibitoren sind aber die Nebenwirkungen oft mit einer besseren Wirkung assoziiert, sofern sie den Patienten nicht umbringen. Vitiligo ist die häufigste irAE, wobei die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Auftreten von Vitiligo grösser ist. Die Überlebensraten bei Patienten mit toxischen Hauteffekten betrug 76%, während sie bei solchen ohne toxische Hauteffekte nur 38% betrug. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die T-Zellen Melanozytendifferenzierungsantigene erkennen. Diese CD8 Melanozyten-spezifischen Antikörper erkennen MART1, ein Melanom-spezifisches Protein, das von benignen melanozytären Naevi sowie von malignen Melanomen exprimiert wird.
Tumor-assoziierte Antigene
Prototyp von Tumor-assoziierten Antigenen sind die Melanozyten-Differenzierungsantigene
Welche Antigene können T-Zellen in Tumoren erkennen? Man unterscheidet Selbst-Antigene und Neo-Antigene. Neo-Antigene entstehen dadurch, dass der Tumor Mutationen ansammelt. Sie erklären die Assoziation zwischen Tumormutationslast und Ansprechen. Am geringsten ist die somatische Mutationshäufigkeit bei rhabdoidartigen Tumoren am häufigsten beim Melanom. Zwischen Toxizität und Tumororgan gibt es eine Assoziation. Analog zu den Melanozytendifferenzierungsantigenen gibt es die Keratinozytendifferenzierungsantigene, ein Gebiet, auf dem auch in St. Gallen geforscht wird. Es konnte dabei gezeigt werden, dass Patienten mit NSCLC mit Hauttoxizitäten ein deutlich besseres Survival haben. Die Entdeckung neuer Selbst-Antigene bei Tumoren kann mit DITAS (Discovery of tumor-associated self antigens) einem Werkzeug zur Entdeckung neuer Selbst-Antigene bei Tumoren erfolgen, was auch in St. Gallen entdeckt wurde.
Krebsimpfung mit RNA-basierter Vakzine und ImmTAX-Moleküle
Eine mRNA-Vakzine treibt die Immunität bei mit Checkpoint-Inhibitoren behandelten Melanomen an. Der Vorteil solcher Vakzinierung ist, dass sie nicht MHC restringiert ist.
Der Referent erwähnte ferner die löslichen bispezifischen Biologika, die ImmTAX-Moleküle genannt werden und aus einem T-Zell-Rezeptor (TCR) und einer Anti-CD3-Effektor-Funktion bestehen. Der hochaffine TCR erkennt ein Peptidepitop, das auf der Oberfläche der Zielzellen präsentiert wird, selbst wenn das Antigen nur in sehr geringen Mengen vorhanden ist, und die Effektor-Funktion rekrutiert und T-Zellen aktiviert. Auf diese Weise lenken die Bispecifics T-Zellen jeglicher Spezifität auf die Zielzellen um. ImmTAX-Moleküle haben inhärente Vorteile gegenüber anderen Modalitäten. Die Moleküle erkennen Peptide, die von intrazellulären Proteinen abgeleitet sind, und können so ein weitaus breiteres Spektrum von Zielen ansprechen als antikörperbasierte Therapeutika. ImmTAX-Moleküle sind handelsübliche Therapien, die in grossem Massstab einfacher herzustellen sind als Zelltherapien.
CAR-T Zellen
Abschliessend wandte sich der Referent der neuesten Therapieoption zu, den CAR-T-Zellen. Gentechnisch veränderte T-Zellen stellen eine leistungsstarke neue Klasse von Therapeutika dar, die Hoffnung auf Heilung bei Krebspatienten machen. Chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen werden in der Behandlung von Leukämie und Lymphomen eingesetzt. Synthetische Biologieansätze für zelluläres Engineering bieten ein breit gefächertes Instrumentarium zur Programmierung von Immunzellen für eine verbesserte Funktion.
Erstlinientherapie beim metastasierten, inkurablen kolorektalen Karzinom
Das Prinzip im Management des kastrationsresistenten metastatischen Kolonkarzinoms (mCRC) ist stets ein Strategieentscheid, wie Prof. Dr. Dirk Arnold, Hamburg, erläuterte
- Induktive Chemotherapie: Das Therapieziel wird nicht mehr zu Beginn der Therapie bestimmt, sondern je nachdem wie der Patient respondiert.
- Bei multiplen Lokalisationen «palliative» Intention. Post Indikationsstrategie: →Entscheid zur Deeskalation, Erhaltung oder Abbruch (oder anderes Medikament?), Rechallenge oder 2. Linie.
- Bei oligometastatischem Kolonkarzinom, «ablative» Intention: Ablationsstrategie: chirurgische Resektion oder «ablation toolbox»).
Resektion des asymptomatischen Primärtumors beim metastatischen inkurablen Kolonkarzinom. Muss der Primärtumor reseziert werden? Dies wurde in einem systematischen Review und Metaanalyse (Weitz et al, ASCO 2022) untersucht.
Optimale systemische Erstlinienbehandlung
Beim Kolonkarzinom ist die molekulare Situation nicht so klar definiert wie z.B. beim Bronchuskarzinom oder beim Mammakarzinom. Es gibt Überlagerungen von molekularen Markern, die möglicherweise nicht die Treiber sind, sondern nur Bystander, die die Krankheit nicht definieren, sondern sie nur phänotypisch charakterisieren. Entscheidungen werden nach RAS Mutationsstatus und Seitigkeit getroffen. Es gibt die BRAF V600E Mut., eher bei den RAS wt, beim rechten Colon, MSI high/dMMR, spezifische RAS Mut. und die HER2 Mut. Zusätzlich gibt es beim Kolonkarzinom den Einfluss der Siderness. In einer gepoolten Analyse zeigte sich eine schlechtere Prognose für OS, PFS und ORR bei Patienten mit rechtsseitigen Tumoren im Vergleich zu denen mit linksseitigen Tumoren bei RAS wt mCRC und eine prädiktive Wirkung der Tumorseite, mit einer grösseren Wirkung von Chemotherapie plus EGFR-Antikörpertherapie im Vergleich zu Chemotherapie oder Chemotherapie plus Bevacizumab, wobei der Effekt bei Patienten mit linksseitigen Tumoren am grössten war.
Chemotherapie plus anti EGFR oder anti-VEGF bei linksseitigem RAS wt?
Medianes Überleben 37.9 Monate (Panituzumab plus FOLFIRI) vs. 34.3 Monate (Bevacizumab plus FOLFIRI). Anti EGFR soll nur bei linksseitigem RAS wt Colonkarzinom gegeben werden.
Wenn wir eine sogenannte Hyperselektion der Gentypen durchführen, dann spielt die Siderness keine Rolle mehr. Sie ist nur eine Krücke, die eingeführt wurde, um das Ganze besser zu verstehen, so der Referent.
Dublettherapie oder Triplet?
Bei RAS wt ist die Dublett-Therapie der Standard. Bei RAS mut wurde die Intensität der Chemotherapie in einer Metaanalyse aus 5 randomisiserten Studien CHARTA, OLIVIA, STEAM, TRIBE, TRIBE2 (1.697 RAS mutierte Patienten) untersucht. Es zeigte sich dabei, dass Triplett FOLFOXIRI + Bevacizumab das Überleben von Patienten mit metastasiertem RAS mutiertem Kolonrektalkarzinom im Vergleich zu Irinotecan-basierten Dublett + Bevacizumab signifikant verbessert und einen Vorteil bei PFS, ORR und R0-Resektionsrate zum Preis einer moderaten Zunahme der Toxizität bietet. Bei Patienten mit BRAF-mutierten Tumoren wurde kein erhöhter Nutzen beobachtet.
ESMO Guidelines 2022
Bei BRAF wt, RAS wt, linkes Colon: ChT Dublett – anti EGFR (I/A)
rechtes Colon: bevorzugt ChT Dublett ± Bevacizumab (II,B) oder ChT Triplett – Bevacizumab (I/B)
wenn nur das Tumorschrumpfen das Ziel ist: ChT Dublett – anti EGFR
RAS mut: ChT Dublett – Bevacizumab oder ChT Triplett – Bevacizumab (I/B)
BRAF mut, linkes Colon: ChT Dublett – Bevacizumab (I/B)
Rechtes Colon: ChT Dublett – Bevacizumab oder ChT Triplett-Bevacizumab (II/B)
BRAF V600E: Was ist bekannt in der Erstlinientherapie?
Keynote 177: Pembrolizumab 1st Line vs. «best chemo combo». Pembrolizumab führte in dieser Studie zu einem signifikant längeren progressiosfreien Überleben als eine Chemotherapie (16.5 vs. 8.2 Monate), wenn es als Erstlinientherapie bei metastasierendem Kolonkarzinom MSI-dMMR eingesetzt wurde, wobei es weniger behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse gab 22% vs. 66%. Die Studie wurde viel kritisiert.
CALGB80405: Patienten mit metastasierendem MSI-H-Kolonkarzinom profitierten mehr von Bevacizumab (medianes OS 30.0 Monate) als von Cetuximab (medianes OS 11.9 Monate)
PD1 Inhibitoren bei 1st Line mCRC: PD1 plus CTLA4. Medianes PFS nicht erreicht, 12 Monatsrate 77, 15 Monatsrate 75. Medianes OS nicht erreicht, 12 Monatsrate 84, 15 Monatsrate 84.
Die BRAF V600E Mutation ist keine homogene Population. Es gibt zwei Untergruppen von V600E BRAF-mutiertem Kolorektalkarzinom. Diese Subtypen zeigen unterschiedliche molekulare Muster. Was ist bekannt in der Erstlinientherapie? Die verschiedenen Untersuchungen ergaben folgendes
- Chemo Dublett > Chemo Triplett. Chemotherapieintensivierung ist nicht der richtige Schritt
- Chemo mit Beva > Chemo mit anti-EGFR
- Phase 2 ANCHOR Erstlinie: Encorafenib, C’ mab +Binimetinib: medianes PFS 5.8 Monate; ORR 48%
- Phase 2 BREAKWATER lead-in: ORR 68% (EC+mFOLFOX6)/67% (EC+ FOLFIRI).
Erhaltungstherapie als Standard of Care
Bei den ablativen Therapien hat sich auch in den Guidelines nichts geändert. Die Postinduktionstherapie muss noch weiter definiert werden. Die Erhaltungstherapie ist ein aktiver und attraktiver Teil der Strategie. Sie bietet die Möglichkeit, die Chemotherapie nach 4-6 Monaten abzubrechen. Eine aktive Erhaltungstherapie verbessert das PFS (und erhält die Lebensqualität), nicht aber das OS.
Bestbewährte Standards: Nach Bevacizumab /Chemo: FP plus Bevacizumab (LOE I/A). Nach anti EGFR/Chemo: FP plus anti-EGFR (LOE I/B). Einzelwirkstoff-Biologika, Immuntherapie und gezielte Ansätze: bisher keine SOC.
Wann ist die Erstlinie zu Ende? Reeskalieren oder 2nd Line?
Verbesserungen für Patienten mit mCRC:
Es geht um die Strategie
TNT als neuer Standard beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom

Prof. Dr. Dieter Köberle, Basel, erinnerte zunächst an die ESMO 2017 Guidelines für das lokal fortgeschrittene Rektumkarzinom
Traditioneller Therapieansatz vs. TNT
Traditioneller Therapieansatz: Outcome c(n)CR? pCR 13-18%, Organerhalt selten.
Total Neoadjuvante Therapie (TNT): near cCR 50-75%, pCR 28-35%, Organerhalt 40-60%,
Local Regrowth ca. 30%, DFS besser, OS gleich/besser.
Die Herausforderung bei TNT ist die Operation vs. den Organerhalt. Dabei spielen das Stadium, die Einfussfaktoren, Fitness, Co-Morbiditäten, Bereitschaft und Adhärenz eine Rolle.
Endpunkte
Endpunkte sind beim traditionellen Verfahren das Vermeiden eines permanenten Kolostomas und eine vernünftige Darmfunktion, die Verhinderung von Rezidiven und die Heilung. Bei TNT: Sorgfältige Patientenselektion für Ziel «Organerhalt», cCR/ near cCR nach TNT für Ziel «Organerhalt», sonst Operation. Gute Darm-, Blasen-und Sexualfunktion bei Organerhalt, Verhinderung von Rezidiven und die Heilung.
RAPIDO-Studie
Kurzzeit-Strahlntherapie gefolgt von Chemotherapie vor der totalen mesorektalen Exzision vs. präoperative Radiochemotherapie, und optionale adjuvante Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom (RAPIDO): eine randomisiserte , offen Phase -3-Studie.
Die Wahrscheinlichkeit eines krankheitsbedingten Therapieversagens betrug nach 3 Jahren23% in der Versuchsgruppe vs. 30.4% in der Standardversorgungsgruppe, p =0.02. Das lokoregionale Versagen betrug nach 5.6 Jahren LRF 12% vs. 8% p=0.07, LRR 10% vs. 6% p=0.03. OS: HR 0.92, p=0.6
TNT 48% Grad 3/4, adj. Chemo 46%.
PRODIGE 23-Studie
Neoadjuvante Chemotherapie mit FOLFORINOX und präoperative Radiochemotherapie für Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom (UNICANCER-PRODIGE 23) ist eine multizentriche, randomisierte, offene Phase-3-Studie. Es wurde geprüft, ob die Verabreichung einer neoadjuvanten Chemotherapie vor der praäoperativen Radiocheotherapie das Risiko von Fernrezidiven verringern könnte.
Die krankheitsfreie 3-Jahres-Überlebensrate betrug in der neoadjuvanten Therapiegruppe 76% vs. 69% in der Standard-of-Care-Gruppe, p=0.03.
OPRA-Studie
Die OPRA-Studie, eine randomisierte Phase II-Studie, verfolgte das Ziel, die optimale Sequenz der TNT im Hinblick auf DFS, dem primären Endpunkt, und dem Organerhalt zu etablieren.
Dreistufiges Schema zur Bewertung des klinischen Ansprechens:
Klinisch komplettes Ansprechen (cCR): (Watch and Wait empfohlen) 74%
Nahezu vollständiges Ansprechen nCR oder
Inkomplettes klinisches Ansprechen (TME empfohlen) 26%.
Regrowth betrug nach 3 Jahren Induktionschemotherapie gefolgt von Radiochemotherapie: 40%
In der Chemoradiotherapiegruppe gefolgt von der Konsolidierungschemotherapie 27%.
«Salvage» TME. Das DFS und der Anteil Überlebender unterschied sich 6 Jahre nach Therapiebeginn nicht signifikant.
In einem systematischen Review und Metaanalyse über TNT vs. RCT bei lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom betrug die HR für DFS 0.77 (0.65-0.90), für OS HR 0.85 (0.79-0.97).
Die internationale Watch and Wait Database ergibt, dass 97% der Rezidive intraluminal sind, 3% sind extraluminal, die 2-Jahresrate für lokales Wiederauftreten betrug bei Patienten mit cCR 25%, aufrechterhaltenes cCR nach 3 Jahren: lokales Wachstum <5% ,systematisches Wiederauftreten <2%.
Internationaler Konsensus-Empfehlungen für die Evaluation von Ansprechen und Follow up
Eine endoskopische Biopsie ist nicht zwingend erforderlich, um eine cCR zu definieren; eine Biopsie sollte nicht durchgeführt werden, insbesondere wenn die DRE-, Rektoskopie- und MRT-Kriterien für eine cCR nicht erfüllt sind. Tumorkontrolle nach TNT gesmäs SGG-Empfehlungen 2022.
ACO/ARO/AIO-18.1 Studie
Die randomisierte ACO/ARO/AIO-18.1-Rektumstudie vergleicht die neu etablierten TNT-Konzepte, also entweder eine Kurzzeit-RT gemäß RAPIDO oder eine RCT gemäß CAO/ARO/AIO-04/-12 und OPRA, beide gefolgt von konsekutiver Konsolidierungs-Chemotherapie. Das Tumoransprechen wird nach TNT in Woche 22-24 mittels digital-rektaler Untersuchung, MRT und Rektoskopie untersucht. Bei klinischer Komplettremission (cCR) wird der Patient einer Watch & Wait (W&W)-Strategie mit engmaschiger Nachsorge zugeführt, ansonsten erfolgt die sofortige Operation im Sinne einer totalen mesorektalen Exzision (TME).
MRI-Response-Kriterien: Grading der Tumorregression 1-5.
1) Keine Regression bis
5) nur Tumorsignal, keine Fibrose schließt ein Fortschreiten des Tumors ein
Lymphknotenansprechen:
keine restlichen verdächtigen Lymphknoten,
Rückbildung von Lymphknoten ohne bösartige Anreicherungsmerkmale, aber mit einer Größe von > 5 mm.
PD-1 Blockade bei Mismatch Reparatur-defizientem, lokal fortgeschrittenem Rektumkrebs: 12 von 12 Patienten erreichten eine cCR
Zusammenfassung
- TNT-Konzept kann mit oder ohne Ziel-Organerhalt angewendet werden
- Die Organerhaltung sollte vor Therapiebeginn festgelegt werden und hängt vom Ansprechen auf TNT ab
- «Beste» TNT ist noch unklar -AIO-Studie untersucht die Frage SCRT vs. CRT
- Lokalrezidive (LR) treten bei Watch and Wait Strategie innerhalb der ersten 3 Jahre un. LRd vorwiegend endoluminal auf. LR-Risiko ist ca. 30%. Prognose ist schlechter.
- Organerhalt wird bei ca 50% erreicht.
- Eine RCT, die Organerhaltung vs. OP (TME) bei (near) cCR randomisiert,lässt sich nicht rekrutieren
- OS bei TNT scheint gleich bis besser als beikonventioneller Therapiesequenz. DFS besser
- QoL-Vorteil bei Organerhalt unklar
- Therapiestrategie beim MSI-high Rektumkrazinom (ca. 2-3%)nist inFrage gestellt. Frühe Ergebnisse mit alleiniger Immuntherapiesind verheissungsvoll
Therapiekonzepte beim lokal fortgeschrittenen gastroösophagealen Karzinom

Die Lokalisationen des Magenkarzinoms unterscheiden sich zwische Europa und Japan sehr stark In Europa sind 31% metastasiert, 30% sind lokal, 17% regional und 22 unbekannt. In Japan sind 13% metastasiert, 12% lokal und 75% regional. 61% aller Patienten in Europa vs. 25% in Japan mit neu diagnostiziertem gastroösopagealem Adenokarzinom werden Kandidaten für eine palliative Chemotherapie stellte Prof. Dr. Sylvie Lorenzen, München, eingangs fest.
Fallvignette 1
Die Referentin präsentierte einen Kardikarzinom-Fall: Männlicher Patient, 65jährig , keine pos. Familienanamnese für Krebs, ECOG 1. Aktuelles Problem: Dysphagie, Gewichtsverlust 10kg (ca. 10% des KG). ÖGD: Teilsentosierender Tumor des ösophago-gastralen Übergangs, Histologie: massig differenziertes interstinales Karzinom, HE 2-, PD-L-1-. MSS, CT Thorax/Abdomen: tumorös verdickte Kardia, V.a. peritumorale Lymphknoten, keine Fernmetastasen,. Staging uT3, uN+, cM0. Therapieempfehling?
Die Referentin präsentiert die folgenden Therapieoptionen:
– Ösophagus-Kardiakarzinom: Ein Standard FLOT 4 Studie: 3-Jahres èberlebensrate FLOT vs.ECF 57% vs. 48% , Gesamtüberleben Flot vs ECF 50 Moate vs. 35 Monate. Perioperative Chemotherapie besonders effektiv bei AEG (ösophagogastralemÜbergangs- CA)
– Ösophagus-Kardiakarzinom: Ein Standard-CROSS Studie. Langzeit Follow up Neoadjuvant RTX 41.4 Gy, Carbo AUC2 + Paclitaxel, Resektion vs Resektion.
Überleben: Neoadjuvant Chemo-Radio + Chirurgie 48%
Chirurgie allein 23%
Der Vorteil für das Gesamtüberleben von Patienten mit lokal fortgeschrittenem resezierbarem Speiseröhren- oder Junktionalkarzinom, die eine präoperative Chemoradiotherapie nach dem CROSS-Verfahren erhalten, hält mindestens 10 Jahre lang an.
– Oesophagus Kardiakarzinom NeoAegis-Studie: CTX vs. RCTX. Die finalen Resultate zeigten keinen Gewinner. Das 3-Jahresüberleben betrug 55% (CTX) vs. 57% (RCTX). Mit RCTX bessere lokal Kontrolle (pCR, R0 nodales Downstaging). In der Komplikationsrate und post OP-Mortalität keine Unterschiede.
Die AIO-RACE -Studie untersucht neoadjuvante Radiochemotherapie vs. Chemotherapie für Patienten mit lokal fortgeschrittenem, potenziell resezierbarem Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs. Die Resultate werden erwartet.
ESOPEC Studie
Die ESOPEC-Studie vergleicht die perioperative Chemotherapie nach dem FLOT-Protokoll mit der neoadjuvanten Chemoradiation nach dem CROSS-Protokoll bei der multimodalen Behandlung von nicht metastasierten resezierbaren Adenokarzinomen der Speiseröhre und des gastroösophagealen Übergangs. Ziel der Studie ist es, das überlegene Protokoll im Hinblick auf das Überleben der Patienten, die Behandlungsmorbidität und die Lebensqualität zu ermitteln
Fallvignette:
Der Patient erhielt neoadjuvante Radiochemotherapie (CROSS) und Resektion Tumorstadium ypT3 , yPN2 (4/22), Regressionsgrad 2 nach Becker. Was nun?
1) Watch and wait
2) Strahlenaufsättigung auf 60 Gay
3) Chemotherapie mit FOLFOX oder FLOT adjuvant
4) Immuntherapie adjuvant
5) Immuntherappie abhängig vom PD-L1-Status
Wesentliche Säulen der multimodalen Therapie des lokal fortgeschrittenen Oesophaguskarzinom bis 2019! Paradigmenwechsel in der Therapie?
Chemotherapie Radiotherapie Chirurgie
Checkmate 577
Bei Patienten mit reseziertem Speiseröhrenkrebs oder Krebs des gastroösophagealen Übergangs, die eine neoadjuvante Chemoradiotherapie erhalten hatten, war das krankheitsfreie Überleben bei denjenigen, die eine adjuvante Therapie mit Nivolumab erhielten, deutlich länger als bei denen, die ein Placebo erhielten. Nivolumab bewirkte eine 26% Reduktion des Risikos für Tod oder Rezidiv vs. Placebo. Fern-(29% vs. 39%) und lokoregionale Rezidive (12% vs. 17%) waren seltener mit Nivolumab. Die Lebensqualität wurde nicht relevant beeinträchtigt durch die Nivolumab-Therapie
Die neuen ESMO Guidelines 2022 beim Magen-Karzinom
Derzeit Immun- oder zielgerichtete Therapie aber multiple RCTs sind unterwegs, z.B.
Immuno
– Keynote-585 mit Pembrolizumanb
– AIO-Dante mit Tezolizumab
– Matterhorn mit Durvalumab
– Vestige mit Nivolumab-Ipilimumab
HER2
– Petrarca mit Trastuzumab-Pertuzumab
– Innovation mit Trastuzumab-Pertuzumab
Kardiakarzinom Fallvignette Variante 2
Der Patient ist zusätzlich HER2 positiv.
Therapie anti-HER2 plus Chemotherapie:AIO PETRARCA-Studie. FLOT x 4→Resektion→FLOT x 4 vs. FLOT x 4 + Tras + Per→Resektion→FLOT x 4 + Tras + Per→Tras + Per (9 Zyklen 3-wöchentlich).
Die Zugabe von Tras/Per zur perioperativen FLOT verbesserte die pCR- und Nodalnegativitätsraten bei Patienten mit resektablem Her2+ Adenokarzinom des Ösophagus signifikant, allerdings um den Preis höherer Raten von Diarrhö und Leukopenie.
EORTC 1203 INNOVATION: Ziel dieser Studie ist es, den zusätzlichen Nutzen des Einsatzes beider HER2-Targeting-Medikamente (T allein oder die Kombination von T + P) in Kombination mit perioperativer CT bei lokalisiertem HER2+ GC zu untersuchen.
NRG RTOG 1010: Cross ±Trastuzumab (1 Jahr). Die Zugabe von Trastuzumab zu einer trimodalen Behandlung führte bei Patienten mit HER2-überexprimierendem Adenokarzinom des Ösophagus nicht zu einer Verbesserung des DFS.
Kardiakrzinom Fallvignette Varante 3
Zusätzlich weist die Histologie neben PD-L1, HER2 noch MSI-H auf.
Therapie: Phase II AIO DANTE Studie FLOT ± Atezolizumab . Die Analyse zeigt positive Auswirkungen von Atezolizumab in Kombination mit FLOT im Vergleich zu FLOT allein auf das Stadium und die Regression, die bei höherer PD-L1-Expression ausgeprägter zu sein scheinen.
MMR-Ansprechen, pCR Rate: 8% waren dMMR und 60% PD-L1 positiv (CPS ≥ 1). MMR Defizienz scheint mit höherem Alter anzusteigen, und ist höher beim Magen Ca und intestinal/diffusem Typ. MSI häufiger beim Magen Ca, PD-L1 häufiger beim Ösophagus Ca.
dMMR prädiktiv für Ansprechen auf neoadjuvante CTX plus IO→pCR 63% und MPR 75%, aber auch Ansprechen mit FLOT alleine pCR 27% und MPR 47%
MSI/dMMR Patienten sollten unverändert perioperativen Therapiekonzepten zugeführt werden.
MSI high: kein Vorteil durch Chemotherapie
NEONIPIGA: MSI high/dMMR – Neoadjuvant Nivolumab + Ipilimumab. Eine neoadjuvante Therapie auf der Basis von Nivolumab und Ipilimumab ist durchführbar und mit keiner unerwarteten Toxizität und einer hohen pCR-Rate bei Patienten mit resezierbarem dMMR/MSI-H-Adenokarzinom des Magens/GEJ verbunden.
Phase II Infinity Studie der GONO: Neoadjuvant Tremelilumab und Durvalumab in MSI high in lokal fortgeschrittenen gastroösophagealen Adenokarzinomen. Die Resultate, die am ASCO 2023 von Filippo Pietratonio präsentiert wurden zeigten eine PCR 60% und major path. Remission 80%. Alle Patienten hatten eine negative ctDNA vor Operation. Todesfälle wurden 2/15 registriert (13%).
Neue ESMO Guidelines Magen CA 2022
SARS-COV2: Prophylaxe und Therapie bei Patienten mit hämatologischen und onkologischen Erkrankungen

Das kleine Virus hält uns buchstäblich in Atem, so Prof. Dr. Werner C. Albrich, St. Gallen. Er erinnerte zunächst an die Pathophysiologie der SARS CoV2 Virus-Infektion. Da ACE2, der Eintrittsrezeptor für das ursächliche Coronavirus SARS-CoV-2, in mehreren extrapulmonalen Geweben exprimiert wird, ist eine direkte Schädigung des viralen Gewebes ein plausibler Verletzungsmechanismus. Die SARS-CoV2-Infektion wird vor allem mit pulmonalen Schäden in Verbindung gebracht. Darüber hinaus können Endothelschäden und Thromboinflammationen, Dysregulation der Immunantwort und Fehlanpassung von ACE2-bezogenen Signalwegen zu den extrapulmonalen Manifestationen von COVID-19 beitragen. Das Stadium I, die Phase der viralen Antwort, ist gekennzeichnet durch milde konstitutionelle Symptome, trockenen Husten, Diarrhoe, Kopfschmerzen und Fieber um 37.5°C. Im Stadium II (pulmonale Phase) treten Kurzatmigkeit und Hypoxie, abnormales Brust Imaging, niedrig-normales Procalcitonin und erhöhte Transaminasen auf. Remdesivir und Dexamethason sind die Therapeutika in dieser Phase. Die Phase III (Hyperinflammationsphase) ist gekennzeichnet durch ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome), SIRS (systemisches inflammatorisches Response Syndrom) /Schock und Herzversagen. Die Entzündungsmarker und BNP, NT-proBNP sind erhöht. Als Therapie wird Dexamethason gegeben.
Risikofaktoren für Mortalität
Patienten mit nicht-hämatologischen Krebsarten seit weniger als 1 Jahr hatten eine HR von 1.5. Patienten mit einer kürzlichen Geschichte für hämatologische Malignome hatten eine HR von ≥ 2.5, welche nach 5 Jahren leicht abnahm. Bei anderen Krebsarten waren die HR kleiner und vor allem bei neurern Diagnosen.
Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen und Covid-19 tragen CD8+ T Lymphozyten zum Überleben bei.
Wirksamkeit von Covid-19 Vakzinen bei immunkompromittierten Patienten
Die systematische Überprüfung von 11 Studien zeigte, dass eine dritte Dosis eines Covid-19-mRNA-Impfstoffs mit Serokonversion bei Patienten mit hämatologischen Krebserkrankungen zunehmend wahrscheinlich war (HR 0.63). Bei soliden Krebserkrankungen betrug die HR 0.90.
Patienten mit Tumordiagnose, die mehr als eine SARS-CoV2-Impfung hatten und nie davor von Covid-19 genesen waren, hatten eine erste Breakthrough-Infektion mehr als 14 Tage nach der Impfung (vor allem die α-Variante B1.1.7). Der Anteil Breathrough-Infektionen war bei vollständig Geimpften geringer (40.6 vs. 87.3%). Tumorpatienten verzeichneten einen höheren Anteil an vollständig Geimpften mit Breakthrouh-Infektionen als nicht Tumorpatienten (59.4% vs. 35.6%). Unabhängige Prädiktoren für Breakthrough-Infektionen waren höheres Alter (>65 Jahre), aktuelle oder Ex-Raucher, solide Tumoren (aOR 1.12), hämatologische Neoplasien (aOR 4.6),vollständige Impfung (aOR 0.04), Impfung mit Moderna (aOR 0.66).
Covid-19 Vakzinen bei Patienten mit Krebs, Immunogenität, Wirksamkeit und Sicherheit
Eine relevante Reduktion der Antikörper-Antwort ist bei Krebspatienten wahrscheinlich (>50%, vor allem bei Patienten unter Therapie): B-Zelldepletion mit monoklonalen Antikörpern, BTK Inhibitoren, BTL Inhibitoren, BCMA gerichtete Therapien, , CD38 gerichtete Therapien, JAK- Inhibitoren.
Eine relevante Reduktion in der Antikörperantwort ist möglich (<50% der Patienten, wahrscheinlich Dosis-abhängig): Chemotherapie, Steroide, CDK4/6 Inhibitoren assoziiert mit niderigeren Spiegeln bindender Antikörper, Poly(ADO Ribose) Polymerase Inhibition assoziiert mit niedrigeren Spiegeln bindender Antikörper.
Eine relevante Reduktion der Antikörperantwort ist ungewöhnlich bei endokriner Therapie, Tyrosinkinase Inhibitoren, Immuncheckpoint Inhibitoren (eine eingeschränkte Immunantwort ist etwa bei 10% der Patienten möglich), bei immunmodulierenden Medikamenten, bei Proteaseinhibitoren.
Zelltherapien: CART Zelltherapie ist mit reduzierter Immunantwort assoziiert. Unkomplizierte Stammzelltherapie ist nicht mit einer Einschränkung der Langzeit-Immunantwort verbunden.
Bei Krebspatienten gibt es eine höhere Immunevasionskapazität von Omicron als von Delta, was mit Beobachtungen in der Allgemeinbevölkerung überinstimmt. Eine dritte Impfstoffdosis verstärkt die neutralisierende Reaktion gegen Omikron bei Patienten mit Krebs, aber bei hämatologischen Malignomen war der Effekt geringer als bei Patienten mit soliden Tumoren.
Prophylaxe
Tixagevimab-Cigavimab (Evusheld), Anti-S mAK mit verlängerter HWZ und reduzierter Bindung an Fc-Rezeptor →weniger Komplement-Aktivierung: Eine Einzeldosis von Evusheld zeigte Wirksamkeit zur Prävention von Covid-19 ohne offensichtliche Sicherheitsbedenken. Fünf Fälle von schwerem oder kritischem Covid-19 und zwei Covid-19-bedingte Todesfälle traten auf, alle in der Placebogruppe.
Ambulante Behandlung
Die folgenden Kriterien beschreiben, wann eine hohe Priorität für die Verschreibung frühzeitiger Behandlung vorliegt. Sie sollten alle erfüllt sein.
1) Erwachsene und Jugendliche ≥12 Jahre alt und mit einem Gewicht von ≥40 kg
2) UND durch Antigentest oder PCR bestätigte Infektion. Ein positiver Antigentest reicht aus, um die Behandlung zu beginnen, wenn die anderen Kriterien erfüllt sind.
3) UND Covid-19-Symptome
4) UND innerhalb von 5 Tagen nach Auftreten der Symptome (ausser bei immunsupprimierten Personen, bei denen der Zeitraum seit Auftreten der Symptome länger sein kann)
5) UND Zugehörigkeit zur Gruppe mit hohem Risiko
Therapieoptionen bei COVID-19
Der orale Proteaseinhibitor Nirmatrelvir hat sich bei ungeimpften Hochrisikopatienten, die mit der B.1.617.2 (Delta)-Variante des schweren akuten respiratorischen Syndroms Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) infiziert sind, als äußerst wirksam erwiesen. Die Daten zur Wirksamkeit von Nirmatrelvir bei der Prävention schwerer Covid-19 Erkrankungen, die durch die Variante B.1.1.529 (omicron) hervorgerufen werden, sind begrenzt.
Bei Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter waren die Raten von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen aufgrund von Covid-19 bei denjenigen, die Nirmatrelvir erhielten, signifikant niedriger als bei denjenigen, die es nicht erhielten. Bei jüngeren Erwachsenen wurden keine Hinweise auf einen Nutzen gefunden.
Covid 19 bei Patienten mit hämatologischen Malignomen
Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen waren bei einem Vergleich mit anderen Patienten die Mortalität (40% versus 4%, p < 0,01), die Anzahl der Tage mit RT-PCR-Positivität (21,2 ± 15,9 Tage versus 7,4 ± 5,6 Tage p < 0,01), die maximale Viruslast (mittleres minimales Ct, 17,2 ± 5,2 versus 26,5 ± 5,1, p < 0,0001) und die Verzögerung zwischen Symptombeginn und klinischer Verschlechterung (mittlere Zeitdauer zwischen Symptombeginn und dem ersten Tag des maximalen Bedarfs an inspirierter Sauerstofffraktion, 14,3 ± 10,7 Tage versus 9,6 ± 3,7 Tage, p = 0,0485 höher als bei anderen Patienten. Der COVID-19-Verlauf bei Patienten mit hämatologischen Malignomen hat einen verzögerten Beginn und ist schwerer, mit einer höheren Mortalität.
Die CD8 T-Zellen tragen zum Überleben von Patienten mit COVID-19 und hämatologischem Krebs bei.
- Eine ungeimpfte Population hat eine höhere Mortalität bei hämatologischen Patienten als bei Patienten mit soliden Tumoren.
- Patienten mit soliden Tumoren und solche ohne Tumoren haben ähnliche Phänotypen.
- Patienten mit hämatologischen Neoplasien haben
- eine verminderte Anzahl B-Zellen und Antikörper,
- eine T-Zellantwort bei 77% der Patienten,
- verbessertes Überleben bei denen mit erhaltener CD8-T-Zelfunktion,
- Schutz vor schwerer Infektion durch T-Zellen.
Risiko und Verlauf von Breakthrough-Infektionen bei SARS-CoV2 geimpften Tumorpatienten: Die Patienten stammten aus der National COVID Cohort Collaborative Consortium (USA,, 7.9 Mio Covid-Patienten), mit Tumordiagnose ,die ≥1 x mRNA SARS CoV2-Impfung hatten und nie davor genesen waren. Mit 1. EP Breakthrough-Infekten ≥14 danach Impfung zwischen 1.12.2020und 31.5.2021(v.a.α-Variante =B.1.1.7). Geringerer Ateil von Breakthrough bei vollständig Geimpften (40.6% vs. 87.3%, OR0.1; p<0.0001) als bei Kontrollen. Tumorpatienten hatten einen höheren Anteil an vollständig Geimpften mit Breakthorugh-Infektionen als Nicht-Tumor-Patienten
Unabhängige Prädiktoren für einen Breakthrough sind:
Alter ≥65J. (aOR:2.5)
Aktuelle oder ex-Raucher (aOR: 1.3)
Solide Tumoren (aOR:1.12)
Vollständige Impfung (aOR: 0.04)
Moderna (aOR 0.66)
Leukämie (aOR:6.2)
Multiples Myelom (aOR:7.9)
Lymphom (aOR : 2.4)
Therapie mit anti-SARS CoV2- Antikörpern
Anti-SARS CoV2-enthaltendes Plasma verbessert das Outcome von Patienten mit hämatologischen oder soliden Tumoren und schwerer COVID 19-Erkrankung.
Für Krebspatienten besteht ein hohes Risiko einer schweren Coronaviruserkrankung 2019 mit hoher Morbidität und Mortalität. Außerdem sind Impfstoffe gegen das schwere akute respiratorische Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) aufgrund der beeinträchtigten humoralen Reaktion weniger wirksam, und es gibt nur wenige Behandlungsmöglichkeiten. In einer Studie wurden vier Risikogruppen ((1) Krebs (n = 56); (2) Immunsuppression (n = 16); (3) laborbasierte Risikofaktoren (n = 36); und (4) fortgeschrittenes Alter (n = 26)) durchgeführt, die auf Standardbehandlung (Kontrollarm) oder Standardbehandlung plus rekonvaleszentes/geimpftes Anti-SARS-CoV-2-Plasma (Plasmaarm) randomisiert wurden. In den vier Gruppen zusammengenommen verbesserte sich die klinische Situation der Patienten, die Plasma erhielten, nicht im Vergleich zu den Patienten in der Kontrollgruppe (Hazard Ratio (HR) = 1,29; P = 0,205). Bei den Krebspatienten verkürzte sich jedoch die mediane Zeit bis zur Besserung (HR = 2,50; P = 0,003), und die Überlebensrate war unter Plasmabehandlung besser als in der Kontrollgruppe (HR = 0,28; P = 0,042). Die Aktivität der neutralisierenden Antikörper nahm in der Plasmakohorte zu, nicht aber in der Kontrollkohorte der Krebspatienten (P = 0,001). Insgesamt kann rekonvaleszentes/geimpftes Plasma die COVID-19-Ergebnisse bei Krebspatienten verbessern, die nicht in der Lage sind, von sich aus eine adäquate Immunantwort zu entwickeln.
Remdesivir-Derivat VV116
Nirmatrelvir-Ritonavir wurde von vielen Ländern für die Notfallbehandlung von Covid-19 zugelassen. Das Angebot reicht jedoch nicht aus, um die weltweite Nachfrage zu befriedigen, so dass weitere Optionen benötigt werden. VV116 ist ein oraler antiviraler Wirkstoff mit starker Aktivität gegen SARS-CoV-2.
Bei Erwachsenen mit leichtem bis mittelschwerem Covid-19, bei denen ein Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung bestand, hat das oral verfügbare Remdesivir-Derivat VV116 in einer Phase-3-Studie, die während einer Epidemie in China durchgeführt wurde, bei überwiegend geimpften Patienten mit einer seit wenigen Tage bestehenden Infektion die Symptome (mindestens) ebenso schnell gelindert wie das Standardmedikament Nirmatrelvir/Ritonavir, welches hierzulande als Paxlovid zugelassen ist.
Behandlungen für COVID-19
Übertherapie am Lebensende

«Wenn die Medizin keine Lebensverlängerung mehr versprechen kann, sollten die Menschen nicht befürchten, dass ihr Sterben durch Vernachlässigung, durch eine Pflege, die nicht ihren Wünschen entspricht, oder durch vermeidbare Schmerzen und andere Qualen geprägt sein wird. «Sie sollten vom Gesundheitssystem erwarten können, dass es eine verlässliche, wirksame und menschliche Pflege gewährleistet» (Christine K Kassel M. D.), zitierte Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Hamburg, eingangs seines Referats.
Defizite in der medizinischen Versorgung am Lebensende
Zu viele Menschen leiden unnötig am Lebensende, sowohl durch Unterlassungsfehler – wenn Pflegefachkräfte die als wirksam bekannte palliative und unterstützende Pflege unterlassen – als auch durch Behandlungsfehler– wenn Pflegekräfte etwas tun, von dem sie wissen, dass es unwirksam oder sogar schädlich ist. Rechtliche, organisatorische und wirtschaftliche Hindernisse erschweren eine zuverlässige und hervorragende Pflege am Lebensende.
Die Aus- und Weiterbildung von Ärzten und anderen Fachkräften des Gesundheitswesens vermittelt ihnen nicht das Wissen, die Fähigkeiten und die Einstellung, die für eine gute Pflege des sterbenden Patienten erforderlich sind (APPROACH death improving care at the end of life, Institute of Medicine, 1997).
Empfehlungen, die sich an unterschiedliche Entscheidungsträger richten, und unterschiedliche Defizite in der Versorgung am Lebensende
Menschen mit einer fortgeschrittenen, potenziell tödlichen Krankheit und die ihnen nahestehenden Personen sollten eine zuverlässige, kompetente und unterstützende Pflege erhalten, keine Sinnlosigkeit oder «non-beneficial treatment». Angehörige von Gesundheitsberufen müssen sich dafür einsetzen, die Betreuung sterbender Patienten zu verbessern und das vorhandene Wissen wirksam zu nutzen, um Schmerzen und andere Symptome zu verhindern und zu lindern. Da viele Mängel in der Pflege auf Systemprobleme zurückzuführen sind, sollten politische Entscheidungsträger, Verbrauchergruppen und Erwerber von Gesundheitsleistungen mit Gesundheitsdienstleistern, und Forschern zusammenarbeiten, um die Methoden zur Messung der Lebensqualität (QoL) zu verbessern, bessere Instrumente zur Verbesserung der Pflegequalität zu entwickeln und die Mechanismen zur Finanzierung der Pflege zu überarbeiten.
Förderung einer guten Qol-Pflege, Reform der Arzneimittelverschreibungsgesetze, die den wirkungsvollen Einsatz von Opioiden zur Linderung von Schmerzen und Leiden behindern.
Übertherapie am Lebensende – Definitionen
Übertherapie («futility», Sinnlosigkeit) oder «non-beneficial treatment».
Angemessenes Mass medizinischer Versorgung überschreitend
Klinischer Alltag: Bestimmung des richtigen Masses im Rahmen der
Indikationsstellung:
Komplexes Verfahren bezüglich Entscheidungen über tumorspezifische Therapie (multidisziplinäres Tumorboard, evtl. «molekulares» Tumorboard)
Ziele der tumorspezifischen Handlungsoptionen sind die Lebenszeitverlängerung u/o Verbesserung der Lebensqualität; Wahrscheinlichkeit diese Ziele zu erreichen, assoziierte Risiken (NW)?
Übertherapie in der Onkologie – Empirische Untersuchungen
Vorwiegend retrospektive, Populations- oder Krankenhaus-basierte Daten, Auswertung von Patientenakten sowie Versicherungsdaten, (prospektive) Longitudinalstudien in onkologischen Kliniken, prospektive Beobachtungsstudien, Kohortenstudien von Patient*Innen im Endstadium ihrer Krebserkrankung, indikationsbezogene Studie: z.B. Kopf-/Hals-Tumore, Adenokarzinome (Magen/Darm, Pankreas). Korrelation zwischen QoL, Zeitpunkt der antitumorösen Therapie (Art der Chemotherapie, «zielgerichtete «Therapie) und Allgemeinzustand, Lebensqualität and «end of life», Cochrane Review, systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen (z.B. PRISAM).
Der Referent zitierte aus der NZZ 25.06. 2014 einen Beitrag von Nicola vo Lutterotti:
Mehr ist nicht immer besser
Übertherapie am Lebesende.
Ein würdevoller Tod bedeutet für die meisten Menschen am Lebensende keine unnötigen und obendrein oft belastenden Therapien über sich ergehen lassen zu müssen. Die Wirklichkeit sieht aber häufig anders aus.
Indikatoren für schlechte Pflegequalität (mit Medicare Daten ermittelt) (J. Clin. Oncol 2001; 19:2886-2897)
1) Kurzes Intervall zwischen Abschluss der letzten Chemotherapie und Tod
2) Sterbeort: Hoher Anteil an Todesfällen im Krankenhaus vs. zu Hause.
3) Häufige Überweisung in die Notaufnahme
4) Hohe Anzahl von Krankenhaus- und Notfallstations-Tagen gegen Ende des Lebens
5) Geringer Anteil von Patienten, die in ein Hospiz eingewiesen wurden.
6) Kurzes Intervall zwischen Beginn einer neuen Chemotherapie und dem Tod
7) Hospizeinweisung sehr nahe am Todestag
Indikatoren für gute Pflegequalität, die in einigen Datensystemen überwacht werden können
1) Qualität und Teilnahme an Studien
2) Verfügbarkeit und Inanspruchnahme multidisziplinärer Pflege
3) Kontinuität des Arztkontakts
Indikatoren für gute Pflegequalität, die derzeit in einigen Datensystemen nicht erfasst werden können.
1) Kommunikation
2) Gemeinsame Entscheidungsfindung
3) Vorausschauende Anweisungen
4) Schmerz- und Symptommanagement
Defizite/offene Fragen in der medizinischen Versorgung von Krebspatienten am Lebensende
– Nutzlose, vielfach belastende Therapien – wie oft, wo durchgeführt?
– Kommunikation: was wünschen Patienten, was tun Ärzte?
– Prognostische Faktoren geeignet für Vorhersage der Lebensdauer?
– wichtige Faktoren für eine würdevolle ärztliche Betreuung
– Qualitätsindikatoren für medizinische Betreuung am Lebensende
– Empfehlungen für individuelle Betreuung am Lebensende
Therapiekonzepte des Hormon-sensitiven metastasierten Prostatakarzinoms

Die Androgendeprivation als Grundgerüst der Therapie, Erläuterungen zur Entwicklung des Hormon-sensitiven zum Hormon-resistenten Prostatakarzinom, das Konzept ADP plus Chemotherapie, dann ADP plus endokrine Intensivierung mit einem sogenannten new hormonal agent (NHA), dann wird es um die Triplet-Therapie gehen und schlussendlich um die Radiotherapie des Primärtumors, dies die Übersicht von Dr. Stefanie Fischer, St. Gallen.
Die Referentin stellte zunächst einen 65jährigen Patienten mit Miktionsproblematik und AZ- Reduktion vor, der beim Hausarzt ein PSA von 123µg/l hatte. Zuvor hatte der Patient keine gesundheitlichen Probleme. Bioptisch betrug der Gleason Score 5+5=10. Die möglichen Therapien sind (die Antworten der Teilnehmer sind in Klammer angegeben):
– ADP plus NHA plus 6 x Docetaxel (69%)
– ADT plus ein NHA Abirateron/Enzalutamid/Apalutamid) (31%)
– ADT alleine (0%)
– ADT plus Radiotherapie der Prostata (0%)
– ADT plus ein NHA plus Radiotherapie der Prostata (0%)
Die Androgendeprivationstherapie
Die mediane Zeit bis zur Kastrationsresistenz unter Androgendprivation dauert etwa 1-2 Jahre. Mechanismen sind Mutationen/Amplifikationen des Androgenrezeptors, Splice-Varianten, intratumorale AndrogensyntheseEntdifferenzierung z.B. in neuroendokrinen Phänotyp.
Die Therapieoptionen des CRPC mit OS Benefit waren 2004 Docetaxel, 2010 Cabazitaxel (Tropic),2011 Abirateron nach Chemo (COUAA301), 2012 Abirateron vor Chemo (COUAA302) und Enzalutamid nach Chemo (Affirm), 2013 Radium 223 (Alsympmvca), 2014 Enzalutamid vor Chemo (Prevail), 2020 Olaparib bei BRCA Mut. (Profoud), 2021 Lutetium PSMA (Vision).
Konzept 1: ADT plus Chemotherapie Hypothese: Chemotherapie greift bereits initial vorhandene hormon-sensitive Klone an.
GETUG-AFU 15 Studie: ADT vs. ADT plus 9 Zyklen Docetaxel. Die Studie war negativ und die Schlussfolgerung Docetaxel sollte nicht als Teil der Erstlinienbehandlung für Patienten mit nicht kastriertem metastasiertem Prostatakrebs verwendet werden.
In der CHAARTED Studie wurde ADT vs. ADT plus 6 Zyklen Docetaxel verglichen. Sechs Zyklen Docetaxel zu Beginn der ADT bei metastasierendem Prostatakrebs führten zu einer signifikant längeren Gesamtüberlebenszeit (57.6 Monate) als bei der ADT (44.0 Monate) allein. In der Gruppe mit high volume war die Überlebenszeit 49.2 vs. 32.2 Monate, in der Gruppe mit low volume wurden die Endpunkte nicht erreicht.
Konzept 2: ADT plus endokrines Medikament
LATITUDE 2017 : Abirateron plus ADT vs. ADT, HR für OS 0.66
STAMPEDE 2017 : Abirateron plus ADT vs. ADT, HR für OS 0.63
TITAN 2019 : Apalutamid plus ADTvs. ADT, HR für OS 0.65
ARCHES 2019 : Enzalutamid plus ADT vs. ADT HR für OS 0.66
ENZAMET 2019: Enzalutamid plus ADT plus Antiandrogen wie Bicalutamid HR für OS 0.7
CHART 2022: Rezvilutamid plus ADT vs. ADT plus Bicalutamid HR für OS 0.58.
Chemotherapie oder NHA besser?
Direkter Vergleich von 2 STAMPEDE-Armen: Diese direkte, randomisierte Vergleichsanalyse zweier neuer Behandlungsstandards für hormon-naiven Prostatakrebs ergab keinen Hinweis auf einen Unterschied beim Gesamtüberleben oder beim prostatakrebsspezifischen Überleben sowie bei anderen wichtigen Endpunkten wie symptomatischen Skelettereignissen. Der schlechteste Toxizitätsgrad über die gesamte Studiendauer war ähnlich, umfasste jedoch unterschiedliche Toxizitäten, die den bekannten Eigenschaften der Medikamente entsprachen.
NHA für «high risk/high volume» mHSPC.: STAMPEDE Patienten wurden nach high risk/high volume analysiert. Die Schlussfolgerungen waren: Männer mit mHNPC profitieren von der ADT + AAP unabhängig von der Risikostratifizierung für “Risiko” oder “Volumen”.
Konzept 3: Triplet aus ADT, Chemotherapie und endokrinem Medikament. Die Hinzufügung von Abirateron zu ADT + Docetaxel verbesserte das rPFS bei Männern mit de novo metastasierendem Prostatakrebs signifikant, mit etwa 2,5 Jahren absolutem Nutzen im Median und keiner bedeutenden zusätzlichen kurzfristigen Toxizität.
Konzept 4: Radiotherapie des Primärtumors. Es ergab sich kein OS-Benefit für unselektionierte Patienten.
Welches Konzept für wen?
Synchron High Volume | Metachrom High Volume | Synchron Low Volume | Metachrom Low Volume | |
Patient chemofit | Triplet Therapie | Triplet Therapie ADT plus NHA od. Chemo | ADT, NHA und RT der Prostata Rolle für MDT? | ADT plus NHA Rolle für MDT? |
Patient nicht chemofit | ADT plus NHA | ADT plus NHA | ADT, NHA und RT der Prostata
Rolle für MDT? |
ADT pus NHA Rolle für MDT? |
ADT alleine nur für very frail/elderly Patienten mit klar prognostisch führenden Komorbiditäten.
Die Frage nach den Therapiemodalitäten bei der Fallvignette wurde nun noch einmal gestellt. 100% waren für ADT plus MHA plus 6 x Docetaxel
Konklusionen und Ausblick
– «ADT plus» ist ein Standard, Wahl des «Plus» anhand von Krankheits- und Patientencharakteristika; ADT alleine nur noch in begründeten Einzelfällen
– Was noch kommt:
Daten zum Einsatz von Lutetium PSMA beim HSPC (PSMAddition)
Daten zu PARP-Inhibitor-Einsatz beim HSPC mit DDR Defekten (TALAPRO-3)
– Was wir gerne wüssten (aber vermutlich nicht beantwortet wird):
NHA in Ergänzung zu Chemo mit OS-Benefit (PEACE-1/ARASENS), aber Chemo in Ergänzung zu NHA mit OS-Benefit?
– Was unklar ist:
Was ist die beste subsequentielle Therapieoption für Patienten mit Progress nach ADT+NHA bzw. Triplet Therapie für HSPC?
Therapiesequenzen beim metastasierten klarzelligen Nierenzellkarzinom

Therapieoptionen beim klarzelligen mRCC (ccmRCC) 02/2023
-Leitlinienempfehlung ccmRCC 1st-line (all IMDC risk)
– Updates TKI/IO Kombinationen
– Ipilimumab/Nivolumab oder TKI/IO’
– «Triplet» Therapie Zukunft? COSMIC-313 Studie
– ≥ second line
Die Referentin, PD Dr. Ursula Vogt, IOSI Bellinzona, erinnerte eingangs an die Guidelines 2021 zum mccRCC, wobei sie die Frage nach der Überbehandlung von Patienten mit «favourable risk» stellte.
In der CLEAR-Studie wurde die Kombination von Lenvatinib und Pembrolizumab, mit Sunitinib als 1st Line Therapie bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom untersucht
Bei einer verlängerten Nachbeobachtungszeit von im Median 33,7 Monaten bei den für Lenvatinib + Pembrolizumab randomisierten Patienten (N = 355) und 33,4 Monaten bei den für Sunitinib randomisierten Patienten (N = 357) waren das progressionsfreie Überleben (Median 23,3 vs. 9,2 Monate) und die ORR (71,0 % vs. 36,1 %) unter Lenvatinib + Pembrolizumab gegenüber Sunitinib verbessert. Außerdem war die Dauer des Ansprechens unter Lenvatinib + Pembrolizumab länger als unter Sunitinib (Median 26,0 vs. 14,7 Monate).
Derzeitige Standards 2023. Gibt es Änderungen?
Keine Änderung im Jahre 2023 zum derzeitigen Standard für ccmRCC Erstlinie. 2. Linie Evidenzlagen aus ESMO IIIB «any TKI not prior used».
Triplet Therapie CABO/IPI/NIVO hat zwar signifikant längeres PFS als Vergleichsarm IPI/NIVO, aber in der poor risk Gruppe ist der Effekt weniger deutlich.
– toxisch
– enttäuschendes ORR und v. A. CR Rate
– OS Daten abwarten
Schlussfolgerungen zur 1st Line Therapie des ccmRCC
Die Prognose des metastasierten klarzelligen Nierenzellkarzinoms hat sich in den letzten 15 Jahren mit den derzeit zugelassenen Therapiekombinationen eindrucksvoll verbessert.
IPI/NIVO und 3 IO/TKI mit OS-Benefit haben alle Sunitinib-Therapien geschlagen. Langzeit Follow-up Daten unterstreichen Effizienz und Sicherheit der Kombinationstherapien.
TKI-Monotherapie sollte nur in sehr vereinzelten gutselektionierten favourable-risk Patienten eingesetzt werden oder bei absoluter Kontraindikation gegen immunonkologische Behandlung. CAVEAT: Keine Empfehlung für PD(L)-1 Monotherapie in 1st Line.
Die Wahl zwischen den Kombinationstherapien muss individuell auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten werden, abhängig von den aktuellen Krankheitscharakteristik
Neoadjuvante und adjuvante Therapie beim Urothelkarzinom.
Harnblasenkrebs betrifft 1270 neue Fälle pro Jahr in der Schweiz mit 570 Todesfällen. Die 5-Jahresüberlebensraten des MIBCS sind pT3N0 45-55<5, p<t4aN0 35-45%, pTxN+ 10-35%, so PD Dr. Arnoud Templeton, Basel. Der Standard of Care ist radikale Zytsektomie mit bilateraler Beckenlymphadenektomie für Patienten mit M0 muskelinvasivem Blasenkrebs.
50% derjenigen mit T23 N0M0 werden mit metastatischer Krankheit sterben – Kann dies verbessert werden?

Neoadjuvante Immuntherapie
Die aktualisierten PURE-01-Ergebnisse bestätigten die Aktivität von neoadjuvantem Pembrolizumab bei Patienten mit muskelinvasivem Blasenkarzinom. CPS und TMB sind die wichtigsten Antwortprädiktoren, unabhängig von den histologischen Subtypen.
In der ABACUS-Studie , einer einarmigen Phase-2-Studie, die 2 Zyklen von Atezolizumab vor der Zystektomie bei 95 Patienten mit muskelinvasivem Urothelkarzinom untersuchte, betrug das pathologisch vollständige Ansprechen (primärer Endpunkt) 31%.
In NABUCCO wurde der neoadjuvante Einsatz von Ipilimumab plus Nivolumab bei Patienten mit Urothelkarzinom im Stadium III untersucht. Primärer Endpunkt war die Möglichkeit, den Tumor innerhalb von 12 Wochen nach Beginn der Therapie zu resezieren. Es handelte sich um eine Machbarkeitsstudie mit 24 Patienten. Die Machbarkeit betrug 92%, pCR = pT0 :41%, Sicherheit 55% G≥3 irAE.
Das Fazit war, dass die CTLA-4- plus PD-1-Blockade möglicherweise eine effektive Therapiestrategie im Vorfeld der Resektion des fortgeschrittenen Urothelkarzinoms ist und zwar unabhängig von der CD8-positiven T-Zell-Aktivität
Die Kombination Durvalumab/Tremelimumab als single Arm mit anschliessender Zystektomie ergab ein pCR =pT0 von 38% ≤pT1 58%. Die Sicherheit betrug 21% G≥3 irAE.
Studie | UNC LCCC1520 | HCRN 14-188 | BLASST-1 | MSKCC | SAKK 06/17 |
Patienten | 39 | 43 | 41 | 39 | 53 |
Immuntherapie | Pembro | Pemro | Nivo | Atezo | Durva |
Chemotherapie | Gem/Cis | Gem/Cis | Gem/Cis | Gem/Cis | Gem/Cis |
pCR (pT0) | 36% | 44% | 34% | 38% | 34% |
pRR (<pT2) | 56% | 61% | 66% | 69% | 60% |
Immuntherapie adjuvant
Atezolizumab (IMvigor010)
Phase 3, open label, Atezolizumab vs. Observation. 1. Endpunkt:DFS: 19 vs. 17 Monate, HR 0.89; p=0.24. 2. Endpunkt: OS : HR 0.85 (0.66-1.09).
Nivolumab (Checkmate 274): Nivo vs. Placebo. 1. Endpunkt DFS 21 vs. 11 Monate p<0.001. 2. Endpunkt DFS bei PD-L1 ≥1%: NR vs. 11 Monate, HR 0.53. G3-4 18% vs. 7%.
Pembrolizumab (AMBASSADOR) , Phase 3 open label. Die Resultate für DFS und OS werden erwartet.
Neoadjuvante Chemotherapie
Cisplatin-basierte Chemotherapie hat konsistent einen Überlebensbenefit gezeigt, wenn sie vor der Chirurgie gegeben wurde (OS nach 5Jahren 50% vs. 45%, DFS nach 5 Jahren +9%.
VESPER-Studie GETUG/AFU V05
Fünfhundert Patienten mit muskelinvasivem nicht-metastasiertem Blasenkrebs erhielten eine neoadjuvante Chemotherapie; 60% erhielten die geplanten 6 Zyklen im dd-MVAC-Arm (Methotrexat, Vinblastin, Doxorubicin und Cisplatin), 84% erhielten 4 Zyklen im Gemcitabin und Cisplatin-(GC) Arm und danach wurden 91% bzw. 90% operiert. dd-MVAC verbesserte das PFS um 3 Jahre gegenüber GC. In der neoadjuvanten Gruppe wurde eine bessere lokale Kontrolle des Blasentumors und eine signifikante Verbesserung des 3-Jahres-PFS im dd-MVAC-Arm beobachtet.
Adjuvante Chemotherapie bei invasivem Blasenkrebs
In einer Metaanalyse mit 945 Patienten aus 9 Studien wurde der Nutzen der postoperativen adjuvanten Cisplatin-basierten Chemotherapie im Vergleich zur Kontrolle (d.h. Operation allein) bei Patienten mit muskelinvasivem Blasenkrebs untersucht. Es wurde eine HR für OS von 0.77 (p=0.049) und eine HR für DFS von 0.66 (p=0.014) ermittelt. Es gab keine Evidenz, dass Chemotherapie mehr oder weniger wirksam in Subgruppen wäre, basierend auf Alter, Geschlecht, Grad , pT und pN Kategorie.
Take Home Message
- Radikale Zystektomie mit beidseitiger Becken-Lymphadenektomie ist Standard of Care für Patienten mit M0 muskelinvasivem Blasenkrebs
- Eine neoadjuvante Chemotherapie auf Cisplatin-Basis verbessert das OS
- Eine adjuvante Chemotherapie auf Cisplatin-Basis sollte in Betracht gezogen werden (wenn keine neoadjuvante Therapie)
- Neoadjuvante Immuntherapie ist derzeit noch in der Erprobung
- Nivolumab adjuvant ist vielversprechend (verbessert DFS)
- Prädiktive Marker für die Patientenselektion sind noch nicht etabliert
Highlights Onkologie 2022: Was hat sich relevant geändert auf dem Gebiet solider Tumore?
An der Fortbildung Onkologie St. Gallen wurden die Highlights 2023 auf dem Gebiet der soliden Tumoren von Prof. Adrian Ochsenbein, Bern, aufgrund der Angaben seiner Mitarbeiter präsentiert.
Mammakarzinom: Destiny-Breast04, Destiny-Breast03 (Dr. Dr. Julian Wampfler)
Bei Patienten m HER2-positivem metastasierendem Mammakrazinom, die zuvor mit Trastuzumab und einem Taxan behandelt wurden, war das Risiko eines Fortschreitens der Krankheit oder des Todes in der Destiny-Breast03 Studie bei denjenigen Patientinnen, die Trastuzumab Deruxtecan erhielten, geringer als bei denen, die Trastuzumab Emtansin erhielten. Die Behandlung mit Trastuzumab Deruxtecan wurde mit interstitiellen Lungenerkrankungen und Pneumonitis in Verbindung gebracht.
Bei Brustkrebserkrankungen exprimiert ein grosser Teil niedrige HER2-Spiegel, die möglicherweise therapeutisch angegangen werden könnten. Die derzeit verfügbaren HER2-gerichteten Therapien haben sich bei Patientinnen mit HER2-low als nicht wirksam erwiesen. In Destiny-Breast04 führte Trastuzumab-Deruxtecan bei Patientinnen mit HER2-low metastasierdendem Brustkrebs zu einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben als die vom behandelnden Arzt gewählte Chemotherapie.
Was bedeutet HER2 pos?
Die Wirksamkeit des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats (ADC) Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) bei Patientinnen mit HER2-low Brustkrebs legt nahe, dass die bisherigen/konventionellen Tests für HER2 für eine optimale Patientenversorgung möglicherweise überarbeitet werden müssen. Der konventionelle Assay ist insbesondere darauf ausgelegt, amplifiziertes HER2 von nicht amplifizierten Fällen zu unterscheiden, ist aber nicht empfindlich genug, um die unteren Bereiche der HER2-Expression zu stratifizieren. Der optimale dynamische Bereich für den Nachweis von nicht amplifiziertem HER2 bei Brustkrebs wurde neu bestimmt und ein neuerAssay entwickelt, um die Auflösung des Assays zu erhöhen und die HER2-Expression in nicht amplifizierten Fällen zu stratifizieren. Zudem wurde das HER2-Protein mittels Massenspektrometrie gemessen und die Menge des HER2-Proteins bestimmt
Gynäkologische Tumoren : SOLO1 7 Jahre Follow up ( Dr. Manuela Rabaglio)
Die Resultate des 7 Jahre Follow ups der SOLO1 Studie deuten auf eine klinisch bedeutsame, wenn auch nicht statistisch signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens mit Olaparib-Mainteneance bei Patientinnen mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Eierstockkrebs und einer BRCA-Mutation hin und unterstützen die Verwendung von Maintenance Olaprarib, um eine langfristige Remission in diesem Setting zu erreichen. Während der Langzeitbehandlung wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet.
Gastrointestinale Onkologie: TOPA-1, NICHE-2 (Prof. Martin D. Berger)
In der doppelblinden, placebokontrollierten Phase 3- TOPAZ-1 Studie verbesserte Durvalumab plus Chemotherapie das Gesamtüberleben im Vergleich zu Placebo plus Chemotherapie und zeigte Verbesserungen gegenüber Placebo plus Chemotherapie in vorgegebenen Endpunkten, einschliesslich PFS und objektiver Ansprechrate. Die Sicherheitsprofile der beiden Behandlungsgruppen waren ähnlich.
In NICHE-2 erhielten 112 Patienten mit nicht-metastasiertem dMMR-Kolonkarzinom ≤1 Woche vor der Operation eine Dosis Ipilimumab und 2 Dosen Nivolumab. Die Co-primären-Endpunkte waren die Sicherheit und das Krankheits-freie Überleben, wobei die sekundären Endpunkte das pathologische Ansprechen (MPR) und das pathologische vollständige Ansprechen (pCR) einschlossen. Der primäre Endpunkt der Sicherheit wurde erreicht, wobei 4% der Patienten immuntherapiebedingte Nebenwirkungen der Grade 3-4 und bei 2 Patienten eine Verzögerung der Operation ≥2 Wochen auftraten. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 5.4 Wochen wurde bei 99% der Patienten ein pathologisches Ansprechen beobachtet, wobei MPR und pCR bei 95% bzw. 67% der Patienten erreicht wurde. Ein Wiederrauftreten der Krankheit wurde bei keinem Patienten nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 13.1 Monaten beobachtet.
Lunge: Checkmate 816, Codebreak 200 (Dr. Sabine Schmid)
In der Checkmate 816 Studie führte neoadjuvantes Nivolumab plus Chemotherapie bei Patienten mit resezierbarem NSCLC zu einem signifikant längeren ereignisfreien Überleben und einem höheren Prozentsatz von Patienten mit pathologischem vollständigem Ansprechen als die Chemotherapie allein. Die zusätzliche Gabe von Nivolumab zur neoadjuvanten Chemotherapie erhöhte die Häufigkeit unerwünschter Ergebnisse nicht.
Melanom: SWOG S1801. TIL versus Ipilumumab (Dr. Berna Özdemir)
SWOG S1801 ist eine randomisierte Phase-II-Studie zu adjuvanter versus neoadjuvanter Therapie mit Pembrolizumab bei Patienten mit histologisch bestätigtem, messbarem, klinisch nachweisbarem und resezierbarem kutanem, akralem Melanom im Stadium IIIB-IV ohne Hirnmetastasen. Sie wurden im Verhältnis 1:1 AT oder NAT randomisiert. Eine Strahlentherapie war nach der Operation erlaubt. Mit der Verwendung von single Agent Pembrolizumab verbesserte die neoadjuvante Therapie das ereignisfreie Überleben im Vergleich zur adjuvanten Therapie bei resezierbarem Melanom mit hohem Risiko.
Eine tumorinfiltrierende Lymphozytentherapie (TIL), die in verschiedenen Zentren des niederländischen Krebsforschungsinstituts hergestellt wurde, zeigte eine 50%ige Verringerung des Risikos einer Progression oder eines Todes im Vergleich zu Ipilimumab bei Patienten mit inoperablem, behandlungsrefraktärem Melanom im Stadium IIC/IV, so die Ergebnisse der randomisierten Phase-3- Studie M14TIL.
Urogenital Tumoren: kein Durchbruch 2022 (Prof. Jörg Beyer)
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