- St. Galler Fortbildung Klinische Onkologie 2024
Die Organisatoren der 34. Ausgabe der St. Galler Fortbildung Klinische Onkologie 2024, Prof. Dr. Christoph Driessen, PD Dr. Stefan Diehm und Prof Dr. Dr. Markus Jörger, konnten ein zahlreiches Publikum zu einem äusserst interessanten Programm mit Symposien, einer sehr gelungenen Pro- und Kontra-Session sowie lebhaften und interaktiven Challenge the Expert-Seminaren im Kongresshotel Einstein begrüssen. Der folgende Bericht präsentiert eine Zusammenfassung der beiden Einzelvorträge, der Highlights des Jahres 2023 in der Onkologie und Hämatologie sowie der PRO/KONTRA-Session.
Onkologie und künstliche Intelligenz
Die Frage, ob künstliche Intelligenz (KI) ein Lösungsansatz für Probleme im Gesundheitswesen sein kann, wurde von Prof. Dr. Michael Krauthammer, Bioinformatics Comprehensive Cancer Center, Universitätsspital Zürich, aufgeworfen. Mithilfe von KI könnte das Denken von Experten nachgeahmt werden. Als Beispiel wurde die Diagnosefindung mithilfe von KI/Deep Learning anhand eines Röntgenbildes demonstriert. Das Ergebnis war eine Diagnose, die entweder eine Fraktur oder keine Fraktur anzeigte.
Ein weiteres Beispiel für KI und dialogfähige Agenten ist die Frage eines Nutzers, der einen stechenden Schmerz in seinem linken Arm verspürt und nun wissen möchte, was er tun soll. Die Antwort von Chat GPT lautet: «Wenn Sie plötzlich starke Schmerzen im linken Arm verspüren, ist es wichtig sofort einen Arzt aufzusuchen, da dies ein Anzeichen für einen Herzinfarkt sein könnte. Rufen Sie 911 oder den örtlichen Notdienst an für sofortige Hilfe. Wenn Sie den Notdienst nicht erreichen können, begeben Sie sich in das nächstgelegene Krankenhaus. Zögern Sie nicht, ärztliche Hilfe aufzusuchen.»
KI: Lösung für Probleme im Gesundheitswesen
Die Themenkreise umfassen Qualität von Medikamenten und Therapien (Medikationen, chirurgische Eingriffe, nicht-chirurgische Interventionen, Dosierungsfehler, inkorrekte Therapien), Arbeitskräfte (bis 2030 fehlen in der Schweiz 20’000 Fachkräfte im Gesundheitswesen), Innovation (die Zahl der zugelassenen Medikamente stagniert) sowie die Höhe der Gesundheitskosten pro Kopf, welche in der Schweiz höher sind als in Deutschland und in der EU.
Die künstliche Intelligenz erreicht die diagnostische Leistung auf Arztniveau, so der Referent. Dies wird anhand von Beispielen verdeutlicht, darunter die Melanom-Detektion im Jahr 2017 (besser oder gleichwertig zu 21 Dermatologen), die Radiologie im Jahr 2019/2020 (Brustkrebs-Diagnose) sowie die Pathologie im Jahr 2019/2020 (Prostatakrebs-Diagnose). Die genannten Disziplinen basieren auf der Analyse großer Datenmengen, weshalb KI-Systeme hier besonders hilfreich sind. Seit dem Jahr 2021 sind verschiedene kommerzielle KI-Systeme verfügbar, die Ärzte bei der Verbesserung der Qualität unterstützen. Als Beispiel nannte der Referent das System OsteoDetect zur Diagnose von Knochenfrakturen. Dieses ermöglicht eine Steigerung der ärztlichen Leistung um 4–5 %. Ein weiteres Beispiel ist die Nagelfalten-Kapillaroskopie, welche die frühzeitige Diagnose der systemischen Sklerose ermöglicht.
KI-Vorhersagen über künftige Gesundheitszustände: Die Vorhersage künftiger Gesundheitszustände mittels KI umfasst beispielsweise die Vorhersage eines Deliriums in der Intensivpflegestation, die Vorhersage von Organbeteiligung bei systemischer Sklerose sowie die Vorhersage der Krankheitsaktivität bei entzündlichen Gelenkerkrankungen. Postoperative Komplikationen lassen sich ebenfalls mittels KI vorhersagen. Pneumonie, akute Nierenerkrankung, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Delirium (Frequenz in der Intensivpflegestation (IPS) 31.8%, Postoperative in der IPS bis zu 73%, Länge des Aufenthalts +79%. Die Kosten in der IPS betragen + 39%, die Hospitalisationen + 31%.)
Von der KI-Vorhersage zum KI-Therapie-Vorschlag: Der Referent schlug ein neuartiges System vor, welches auf Basis von KI personalisierte Insulinbehandlungsstrategien mit konditionalen generativen Zeitreihenmodellen generiert. Im weiteren Verlauf wurde die Thematik der Arbeitszufriedenheit im Kontext von KI beleuchtet. Anhand eines Radiologie-Berichts wurden die Möglichkeiten der KI-basierten Erstellung von medizinischen Berichten aufgezeigt.
Ein weiteres Anwendungsgebiet der KI ist die verbesserte Ressourcenallokation in der Krankenpflege.
Klinische KI: Eine Renaissance in der Medizin? Im Buch «Deep Medicine – How AI can make Healthcare human again?» von Eric Topol schreibt der Autor, dass KI dazu beitragen kann, Ärzte von Routineaufgaben zu entlasten, sodass diese mehr Zeit für die Patienten haben, und somit die Medzin wieder «humaner» wird. Zudem wird in dem Artikel dargelegt, dass KI dazu beitragen kann, die Diagnose und Therapieentscheidungen zu verbessern, was zu einer höheren Behandlungsqualität für Patienten führt.
KI zur Beschleunigung der Innovation im Gesundheitswesen: Mit Hilfe der KI können 3D-Strukturen von Proteinen bestimmt werden, was einen entscheidenden Vorteil bei der Arzneimittelenwicklung darstellt. Normalerweise würde dieser Prozess Jahre dauern, da er für jedes Protein einzeln durchgeführt werden müsste.
Die Suche nach Heilmitteln für genetische Krankheiten mittels KI sowie die Wahl des geeigneten CRISPR-Werkzeugs in der Gentechnologie stellen zwei Anwendungsbereiche dar, in denen KI ebenfalls zum Einsatz kommt. In der Onkologie wird die KI unter anderem für folgende Aufgaben eingesetzt: Screening, Diagnose, Überwachung, Therapie, Monitoring und Therapieanpassung. Dabei ist eine Konvergenz der Technologien zu beobachten, bei der KI eine zentrale Rolle einnimmt.
Zu den relevanten Technologien zählen:
– Tiefe Phänotypisierung, Omics, Technologien
– Neue diagnostische Ansätze, Maschinen-Onkologie
– KI-assistierte Onkologie
– Digitalisierung in der Medizin
Neoadjuvante Immuntherapie: the way to go?
Die Immuntherapie im Frühstadium der Krankheit geht einher mit
– Metastasebildung: Immun Escape
– Chemotherapie und Radiotherapie verursachen hämatopoetischen Stress
– Anders als Neutrophile erholen sich NK-T-Zellen viel langsamer.
Dies stellte Prof. Dr. Dr. Sacha Rothschild, Chefarzt Onkologie und Hämatologie, Kantonsspital Baden, eingangs fest. Die adaptive Immunantwort ist im frühesten Stadium am stärksten.
Die Rationale für Neoadjuvante Immuncheckpoint-Inhibitoren sind:
– Robuste Aktivierung des Immunsystems vor der Chirurgie (Neoantigenbelastung, geringe klonale Resistenz)
– Mögliches maximales Ansprechen im Vorfeld und Bewertung des pathologischen Ansprechens zur Steuerung der adjuvanten Therapie
– Schnelles Auslesen der Aktivität anhand von Surrogat-Endpunkte (MPR, pCR)
– Translationale Analysen von Proben vor und nach der Therapie sowie die Entnahme von Blutproben tumorspezifischer CD8+ T-Zellen unmittelbar vor und nach der Operation könnten einen Prädiktor für das Ergebnis darstellen.
Eine grössere therapeutische Wirksamkeit von neoadjuvanten vs. adjuvanten Immuntherapien wurde zur Beseitigung von Fernmetastasen nach primärer Tumorresektion gezeigt. Erhöhte und anhaltende periphere tumorspezifische Immunantworten untermauerten das Ergebnis.
Vorteile der neoadjuvanten (Immun-)Therapie
• Neoadjuvante Systemtherapie
– Frühere Elimination von Mikrometastasen
– Verbesserte R0-Resktionsrate
– In vivo Testung des Ansprechens
• Vorteile für Patient’innen
– Fittere Patienten (Compliance, Toxizität)
• Spezifische Vorteile für die Immuntherapie
– Mehr Tumor-Neo-Antigene
– Intaktes Tumor-Mikromilieu- Antigen-Präsentation, T-Zell-Priming
– LK in-situ – optimale Immunzell-Aktivierung
– Keine immunsuppressivenEffekte der Charge
• Potentielle Nachteile
– Tumorprogression (Inoperabilität)
– Toxizität (Verzögerung der Chirurgie)
Melanom
Die Daten der OPACIN/OPACIN neo Studien bestätigen die hohen Überlebensraten nach einer neoadjuvanten kombinierten Checkpoint-Inhibition bei makroskopischem Melanom im Stadium III, insbesondere mit pathologischem Ansprechen. Das pathologische Ansprechen Stellt den stärksten Surrogatmarker für das langfristige Ergebnis dar.
Die S1801-Studie demonstrierte, dass das ereignisfreie Überleben bei Patienten mit resektablem Stadium III oder IV Melanom signifikant länger anhält, wenn Pembrolizumab sowohl vor als auch nach der Chirurgie verabreicht wird, im Vergleich zu einer adjuvanten Pembrolizumab-Behandlung.
In einer gepoolten Analyse des «International Neoadjuvant Melanoma Consortium» aus sechs verschiedenen Studien konnte die neoadjuvante Immuntherapie ein rezidivfreies Überleben von 75 % im Vergleich zu 47 % bei zielgerichteter Therapie nachweisen. Die Daten einer Studie mit neoadjuvantem Relatlimab und Nivolumab bei resektablem Melanom zeigten, dass neadjuvantes Relatlimab und Nivolumab eine signifikante pCR-Rate induzieren.
Die Sicherheit der neoadjuvanten Therapie ist im Vergleich zu anderen kombinierten Immuntherapie-Regimes günstig. Diese Daten in Kombination mit dem Relativity-047-Trial bestätigen die Wirksamkeit und Sicherheit dieses neuen Immuntherapie-Regimes.
Die PRADO-Erweiterungskohorte der OPACIN-neo-Studie untersuchte die Durchführbarkeit und die Auswirkungen auf das klinische Ergebnis, wenn das pathologische Ansprechen nach der neoadjuvanten Behandlung mit Ipilimumab und Nivolumab als Kriterium für die weitere Personalisierung der Behandlung verwendet wird. Bei Patienten, die ein grosses pathologisches Ansprechen (MPR≤10% lebensfähiger Tumor) in ihrem Index-Lymphknoten erreichten, wurde auf eine therapeutische Lymphknoten-Dissektion (TLND)und eine adjuvante Therapie verzichtet. Bei Patienten mit pathologischem Teilansprechen pPR; >10% bis <50% lebensfähiger Tumor) wurde nur die TLND durchgeführt, während bei Patienten mit pathologischem Nichtansprechen (pNR; >50% lebensfähiger Tumor) die TLND und eine adjuvante systemische Therapie und synchrone Radiotherapie durchgeführt wurde. In der laufenden Phase-3-Studie NADINA werden die Patienten randomisiert nach TLND und einer einjährigen adjuvanten Nivolumab-Behandlung (Kontrollarm) oder zwei neoadjuvanten Therapien mit Ipilimumab + Nivolumab, gefolgt von einer adjuvanten Therapie nur für Nicht-MPR-Patienten.
Kolorektales Karzinom
Im Rahmen der explorativen NICHE-Studie wurde Patienten mit dMMR- oder pMMR-Tumoren eine Einzeldosis Ipilimumab sowie zwei Dosen Nivolumab vor der Operation verabreicht, wobei die pMMR-Gruppe zusätzlich mit Celecoxib behandelt wurde. Primäres Ziel der Studie war die Evaluierung der Sicherheit und Durchführbarkeit der Behandlung. Die Therapie wurde gut vertragen, sodass alle Patienten ohne Verzögerung reseziert werden konnten. Von den Patienten, die eine Kombination aus Ipilimumab und Nivolumab erhielten, wurde bei 100 % der dMMR-Tumoren ein pathologisches Ansprechen beobachtet. Dabei zeigten 22 Patienten (69 %) ein komplettes und ein Patient (3 %) ein partielles pathologisches Ansprechen. Bei den pMMR-Tumoren wurde bei 29 % der Fälle ein pathologisches Ansprechen beobachtet, wobei sieben Fälle von MPR und vier Fälle von partiellem pathologischem Ansprechen auftraten. Bei den dMMR-Tumoren wurde kein pathologisches Ansprechen beobachtet, während dies bei 7 % der pMMR-Tumoren der Fall war. Die CD8+PD-1+T-Zell-Infiltration erwies sich als prädiktiver Faktor für das Ansprechen bei pMMR-Tumoren. Diese Daten legen nahe, dass die neoadjuvante Immuntherapie das Potenzial hat, für eine bestimmte Gruppe von Kolonkrebspatienten zur Standardbehandlung zu werden.
Bronchialkarzinom
Neoadjuvantes Nivolumab – erste klinische Daten:
Die neoadjuvante Behandlung des Bronchialkarzinoms mit Nivolumab war mit nur wenigen Nebenwirkungen verbunden, verzögerte die Operation nicht und führte bei 45 % der resezierten Tumoren zu einem deutlichen pathologischen Ansprechen. Die Mutationslast des Tumors erwies sich als prädiktiv für das pathologische Ansprechen auf die PD-1-Blockade.
SAKK 16/14 – Ereignis-freies Überleben. EFS nach 12 Monaten 73.4%, medianes EFS nicht erreicht. Pneumonektomie 9.1%, R0 Resektionen 90.0%, nodul downstaging 67.3%, pCR 18.2%, MPR 61.8%, postoperative Mortalität 2%.
Langzeit Follow Up medianes EFS 4.0 Jahre, 5 Jahres-EFS 44.5%. Medianes OS nicht erreicht, 5-Jahres OS 67%.
Der Referent präsentierte eine Übersicht über die randomisierten Studien zur neoadjuvanten Immuntherapie, darunter CheckMate 816, Keynote 671, IMpower 030, AEGAN, CheckMate 77T, NEOTORCH, RATIONALE-315, ihre Medikation und die primären Endpunkte, die alle erreicht wurden. Im Anschluss wurde die Frage diskutiert, ob eine adjuvante Immuntherapie nach der neoadjuvanten Immunonkologie erforderlich ist. In der NEOCAST-Studie konnte bei Patienten mit resektablem NSCLC eine Verbesserung der MPR-Raten nach der Behandlung mit Durvalumab plus Oleclumab oder Monalizumab im Vergleich zu Durvalumab allein festgestellt werden. Zudem wurden tumorale transkriptomische Signaturen identifiziert, die auf eine verstärkte Aktivierung und Funktion von Immunzellen hinweisen.
SAKK16/18
Im Rahmen der Studie SAKK 16/18 wird untersucht, ob eine Immun- und Radiotherapie, die zusätzlich zur Standardtherapie erfolgt, die Prognose verbessern kann. teilnehmen. Die im Voraus geplante Sicherheitsanalyse zeigte keine relevante Zunahme von Behandlungs-assoziierten unerwünschten Nebenwirkungen aufgrund der immunmodulatorischen Radiotherapie. Die chirurgische Durchführbarkeit und Sicherheit wurden bestätigt. Die vorläufigen pathologischen Ansprechraten sind vielversprechend und explorative Analysen werden mögliche Unterschiede zwischen den Radiotherapie-Schemata untersuchen, um die potenzielle Rolle der immunmodulatorischen Radiotherapie in der multimodalen Behandlung des resektablen NSCLC im Stadium III zu definieren.
Keynote 522
Bei Patientinnen mit frühem dreifach-negativem Brustkrebs war der Prozentsatz mit einem pathologischen vollständigen Ansprechen bei denjenigen, die Pembrolizumab plus neoadjuvante Chemotherapie erhielten, signifikant höher als bei denjenigen, die Placebo plus neoadjuvante Chemotherapie erhielten.
IMpassion031
Bei Patientinnen mit TNBC im Frühstadium führte die neoadjuvante Behandlung mit Atezolizumab in Kombination mit nab-Paclitaxel und einer Chemotherapie auf Anthrazyklinbasis zu einer signifikanten Verbesserung der pathologischen Gesamtansprechrate bei einem akzeptablen Sicherheitsprofil.
Neoadjuvante Immuntherapie bei anderen Tumortypen
– Merkelzellkarzinom (CheckMate 358 (Tpalian SL et al JCO 2020; 38:2476-67)
– Muskelinvasives Urothelkarzinom (SAKK o6/17, Cathomas R et al. JCO 2023 ;41 :5131-9, NABUCCO van Dijk N et al. Nat. Med. 2020 ;26 :1839-44, PURE-01. Necchi A et al JCO 2018 ;36 :3353-60
– HPV negative Head and Neck Squamous Cell Carcinoma (IMCISION, Schoenfeld JD et al. JAMA Oncol 2020 ;6 :1563-70)
Neoadjuvante Immuntherapie – the way to go?
Für viele Tumorarten mit guter Evidenz belegt
– Melanom (besser als adjuvant)
– NSCLC
– dMMR Rektum-Karzinom (Rolle der Operation?)
– Triple-negatives Mammakarzinom (pCR, EFS)
Offene Fragen
– Selektion von Patienten (Biologie)
– Rolle der Chirurgie
– Rolle der adjuvanten (Immun-) Therapie
– Verbesserung der Immunantwort (Radiotherapie? Kombinationen?)
Pro und Kontra
Der Onkologe der Zukunft – Organonkologe oder onkologische Generalistin?
Der Organonkologe
Prof. Dr. Stefan Aebi, Chefarzt Medizinische Onkologie am Kantonsspital Luzern, argumentiert für den Organonkologen.
Onkologinnen mit Schwerpunkt
(«Organonkologen»)
– Forschung und Entwicklung
– Synthese und Fortbildung
– Betreuung von Patienten mit komplexen Erkrankungen
oder Therapien
Allgemein-Onkologinnen
– Betreuung der Patienten mit häufigen Krankheiten und häufig
eingesetzten Therapien
– Anwendung und Anpassung von Leitlinie
Optimale Weiterbildung?
Die Generalistin
Frau Dr. Isabella Senn-Schönenberger, Tumor- und Brustzentrum Ostschweiz war die Befürworterin der onkologischen Generalistin.
Sie erwähnte zunächst die Geschichte vom Igel und dem Fuchs (Isaiah Berlin). Die Ideengeschichte argumentiert, dass der Igel ein spezialisierter aber starrer Denker ist. Er favorisiert eine tiefe Wahrheit, während der Fuchs multidisziplinär und selbstkritisch im Denken ist. Der Igel fokussiert sich fanatisch auf das Wesentliche. Er entwickelt einfache Lösungen und erreicht durch seine Lautstärke eine grosse Masse. Der Fuchs hingegen verfolgt widersprüchliche Ziele. Er zeigt intellektuelle Demut, hat ein Gespür für Komplexität und ist bescheiden im Auftreten. Zudem kann er mit Ungewissheiten leben, weil er nicht voll in eine Sache investiert ist.
Die onkologische Versorgung der Zukunft erfordert laut der Referentin den Organonkologen als «spezialisierten Opinion Leader» in den großen Zentren sowie in der klinischen Forschung.
Aber
Es braucht mehrheitlich den breiter ausgebildeten behandelnden Onkologen für die Patientenversorgung und auch in der Weiterbildung zukünftiger Onkologinnen.
Moderator der Session war Prof. Dr. Jörg Beyer, Bern
Er machte den Vergleich Schweizermesser oder Präzisionswerkzeug.
Angebotsstrukur
– Regionale Spital-/Praxisnetzwerke
– Übergeordnete onkologsiche Zentren
& personellen Austausch
– Regionale onkologische Gemeindschaftspraxen /Spitäler
– Gemeinsame IT Infrastruktur
Ausbildung
– Allgemeine innere Medizin
– Basiscurriculum allgemeine Onkologie
– Rotation durch onkologische Spezialteams
– Rotation innerhalb eines Spitalnetzwerkes
– Frühzeitige Entscheidung bezüglich Karriereweg
– Mentoring
Seine abschliessende Beurteilung war, dass die Schweiz diesbezüglich gut aufgestellt ist.
Highlights Onkologie 2023
Die Highlights des Jahres 2023 in der Onkologie wurden von Prof. Dr. Martin Früh, Stv. Chefarzt Klinik für Onkologie und Hämatologie am Kantonsspital St. Gallen, ausgewählt.
Lungenkarzinom 2023: Verbesserung der Heilungsrate!
Die adjuvante Behandlung mit Osimertinib brachte einen signifikanten Vorteil für das Gesamtüberleben von Patienten mit vollständig reseziertem EGFR-mutiertem NSCLC im Stadium IB bis IIIA.
Osimertinnib zeigte in der AUDURA, einer Phase III Studie beim EGFR positiven NSCLC eine statistisch signifikante Verbesserung des OS gegenüber Placebo in der Primärpopulation mit Stadium II -IIIA Erkrankung Osimertinib erwies sich bezüglich OS besser in allen Subgruppen (Sex, Alter Raucherstatus, Rasse Stadium , EGFR Mutation und adjuvante Chmeotherapie).Adjuvantes Osimertinib verbesserte das Krankheitsfrie Überleben (DFS) signifikant sowohl in der Primärpopulation (Stadium II-IIIA) als auch der Gesamtpopulation (IB-IIIA).
Ein weiteres Highlight war die 1o-Jahre Beobachtung von adjuvantem Imatinib bei Hchrisisko-GIST Tumoren (10 Jahres-Überleben 36 Monate Imatinib 82% vs. 12 Monate Imatinib 67%, Ereignisfreies Überleben 52%, vs. 44%.
Pembrolizumab plus Chemotherapie PERIOPREATIV beim NSCLC (Keynote-671, Phase *, RCT): Gesamtüberleben Pembrolizumab -Arm 48 Monatsrate 67.1% vs 51.5%, HR 0.72; p=0.00517.
Perioperative Phase 3 Immunchemotherapie Studien
Der PD-L1-Status, pCR und Stadium wirken sich auf das Überleben nach neoadjuvanter/perioperativer The apie mit mmuncheck-Inhibitor (ICI) aus . Die Beschränkung des neoadjuvanten/perioperativen ICI auf PD-L1+ Patienten könnte die pCR und den langfristigen Nutzen in der PD-L1-Untergruppe ausschliessen. Neoadjuvante und perioperative könnten gleichwertige Strategien sein.
Neoadjuvant
– Früh-Metastasen behandeln
– Compliance
–Anpassen der adj Tx aufgrund pCR
– Immunsystem intakt/fitter
– Hohe Tu Antigenlast
Adjuvant
– Effektivste Therapie zuerst
– Weniger Op-Komplikationen
– bis 20% erhalten keine Op
– Bessere Therapieplanung
S1801 Neoadjuvante Immuntherapie beim Melanom: Bei Patienten mit resektablem Melanom im Stadium III oder IV war das ereignisfreie Überleben bei denjenigen , die Pembrolizumab sowohl vor als auch nach der Peration erhielten, signifikant länger (72%) als bei denjenigen die nur adjuvant mit Pembrolizumab behandelt wurden. (49%) Es wurden keine neuen zoxischen Wirkungen festgestellt.
Nadina Phase 3 Studie adjuvant vs. Neoadjuvan: Melanom
Highlight 2024?
Die neoadjuvante Immuntherapie ist ist der neoadjuvanten zielgerichteten Therapie überlegen. Die neoadjuvante Immuntherapie induziert die grösste Vielfalt und Amplitude von T-Zell-Klonen. Die neoajduvante Immuntherapie ist die beste medizinische Praxis für das makroskopische Melanom im Stadium III.
Triple negatives lokalisierte Mammakarzinom:
Neoadjuvant Immun Checkpoint Inhibitors, Keynote-522 Update. Die neoadjuvante Behandlung mit Pembrolizumab in Kombination mit einer platinhaltigen Chemotherapie und anschliessender adjuvanter Behandlung mit Pembrolizumab verbesserte das ereignisfreie Überleben im Vergleich zur alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie bei Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs mit hohem Risiko.
Neoadjuvant versus adjuvant 2023 in der Onkologie.
Antibody-Drug-Conjugates (ADCs)
MIRASOL: Mirvetuximab Soravtansin im Vergleich zu einer Chemotherapie nach Wahl des Prüfarztes bei platinresistentem, fortgeschrittenem hochgradigem epithelialem Eierstockkrebs, primärem Peritonealkrebs oder Eileiterkrebs. Mirvetuximab Soravtansin ist die erste Behandlung , die einen PFS- und OS-Nutzen bei Platin-resistentem Ovarialkarzinom im Vergleich zu IC (Paclitaxel, pegyliertes liposomales Doxorubicin oder Topotecan) gezeigt hat.
EV-302/KEYNOTE-A39: Metastasiertes Blasenkarzinom. Enfortumab-Vedotin in Kombination mit Pembrolizumab versus Chemotherapie bei vorher unbehandeltem lokalfortgeschrittenem metastatschem Urothelkarzinom (Ia/mUC). Enfortunam Vedotin + Pembrolizumab verbesserte die Ereignisse bei Patienten mit zuvor unbehandeltem Ia/mUC signifikant, wobei sich das mediane PFS und OS im Vergleich zur Chemotherapie fast verdoppelte. Das Sicherheitsprofil war i Allgemeinenüberschaubar und es gab keine neuen Sicherheitssignale. Dies Ergebnisse unterstützen EV1P als neue SOC für 1L Ia/mUC.
KEYNOTE-564: Adjuvant Pembrolizumab beim Hellzelligen Nierenzellkarzinom. Die aktualisiserten Ergebnisse von KEYNOTE- 564 unterstützen den Einsatz der adjuvanten Pebrolizumab-Monotherapie als Standardbehandlung für Patienten mit Nierenzellkarzinom, die ein erhöhtes Risiko für ein Wiederauftreten nach einer Nephrektomie haben.
Personalisierte mRNA-Vakzine beim Pankreaskarzinom
Die adjuvante Behandlung mit dem individualisierten mRNA-Neoantigen-Impfstoff Autogen Cevumeran in Kombination mit Atezolizumab und Chemotherapie induzierte eine bemerkenswerte T-Zellaktivität, die mit einem verzögerten Wiederauftreten bei Patienten mit duktalem Adenokarzinom des Pamkreas könnte, so die Ergenisse einer Phase 1-Studie.
Highlights Hämatologie 2023
Myelom – MRD-Negativität, wo stehen wir?
AML -targeted or not?
ALL – wieviel Chemotherapie ist notwendig
NHL – Rolle CAR-T und BITE, dies die von Dr. Thomas Lehman, Leitender Arzt Hämatologie-Onkologie/Pathologie, am Kantonsspital St. Gallen, für das Jahr 2023 ausgewählt wurden.
Myelom -MRD-Negativität, wo stehen wir?
Standardtherapie für ASCT-fähige Patienten:
VRd-Induktion gefolgt von ASCT, VRd Konsolidation und Revlimid-Erhaltung
– Phase 3 Studie IFM 2009, medianes Follow up 43 Monate: Medianes PFS 50 Monate, CR Rate 59%
– Phase 3 DETERMINATION, medianes Follow up 76 Monate; medianes PFS 67.5 Monate, CR Rate 46.8%.
PERSEUS: Die Zugabe von subkutanem Daratumumab zur VRd-Induktions- und Konsolidierungstherapie und zur Lenalidomid-Erhaltungstherapie verbesserte Das PFS signifikant und erhöhte die Tiefe des Ansprechens (≥CR und MRD-Negativität, mit konsistentem PFS-Vortel über klinisch relevante Subgruppen hinweg. Das Sicherheitsprofil stimmte mit den bekannten Sicherheitsprofilen von DARA SC und VRd überein.
Teclistamid: Teclistamid führte bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Multiplem Myelom, die einer Dreifach-Klassenbehandlung ausgesetzt waren, zu einer hohen Rate an tiefem und dauerhaftem Ansprechend. Zytopenien und Infektionen waren häufig, toxische Wirkungen, die mit einer T-Zell-Reduktion einhergingen, waren meist Grad 1 oder 2.
MonumenTAL-2: Talquetamab + Pomalidomid bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Multiplem Myelom, Sicherheit und preliminäre Resultate.
Die ORRs waren konsistent über Patientensubgruppen:
– 100% (3/3) bei CART -exponierten Patienten
– 100% (5/5) in QW, 3/3 in Q2W) bei Pomalidomid-exponierten Patienten
– 50% (1/2 in QW) und 67% (2/3in Q2W) bei Patienten mit EMD
– 80% (4/5 in QW) und 75% (3/4 in Q2W) bei Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik.
Tal 0.4mg/kg QW + Pom:
9 Monate-PFS- Rate 93.8 (63.2 – 99.1)
Medianes DOR (Monate) NR (12.0 – NR)
9 Monate DOR-Rate 100 (100.0-100.0)
Tal 0.8mg/kg Q2W + Pom
9 Monate PFS-Rate (Mo) 75.5 (46.4 – 90.3)
Medianes DOR (Monate) NR (7.4 – NR)
9 Monate DOR-Rate 83.9 (49.4 – 95.7)
ReDIRECTT-1: Teclistamab + Talquetamid gleichzeitig zielgerichtet auf BCMA und GPRC5D bei Patienten mit rezidiviertem/tefraktärem Multiplem Myelom.
In dieser ersten Kombinationsstudie eines BCMA- und GPRC5D-gerichteten bispezifischen Antikörpers weist tec + tal am RP2R ein überschaubares Sicherheitsprofil auf, das mit dem der beiden Monotherapien übereinstimmt. Bei Patienten mit fortgeschrittenem RRMM an der RP2R wurde eine ORR von 92 % beobachtet, und bei Patienten mit EMD, einer Hochrisikopopulation mit ungedecktem Bedarf, wurde eine ORR von 83 % erzielt, was die weitere Bewertung der Kombination unterstützt.
AML zielgerichtet oder nicht?
AML-Ältere Triplette
HMA/Venetoclax plus
– Menininhibitor
– Pegariminase
– Chidamid
– Idarubicin
– Allogene NK-Zellen
– Pivekimab (CD123 AK)
– Magrolimab
– Tagraxofusp (CD 123 AK)
– ICT01 y9õ2 T-cell activating AK
– Quizartinib
– ATRA
– …
Selinexor kombiniert mit Venetoclax und Azacitidin (SAV)bei neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie bei nicht fitten Patienten:
Das SAV-Schema hat sich in dieser Multicenter, Open-Label prospektiven Studie als sicher und wirksam erwiesen mit ermutigenden vollständigen Ansprechraten (CR+Cri Raten =80%, CR, MRD = 35%), bei neu diagnostizierten AML-Patienten, insbesondere bei Patienten mit ungünstigem Risiko.
AML-Menin-Inhibitoren:
Augment-101: Phase II Studie mit Revumenib bei R/R KMT2Ar akuter Leukämie. Diese Phase-1-Daten zeigen ein starkes Ansprechen auf Revumenib und ein überschaubares Sicherheitsprofil bei stark vorbehandelten Patienten mit akuter KMT2Ar-Leukämie über alle Altersgruppen und Subtypen hinweg.
SAVE, Phase II: Orale Kombination von Revumenib mit Decitabin/Cedazuridin und Venetoclax bei R/R AML (n=7):. ORR 100%, CR /CRh / CRp 1/1/3, PR 1, MLFS 1.
ALL wie viel Chemotherapie braucht es?
Philadelphia negative ALL
GMALL Elderly Trial 1/2003 qdn Registry (>55 yrs): MRD-basiertes Blinatumomab bei Standard of Care führt zu signifikanter Verbesserung
GMALL BOLD: Blinatumomab ersetzt drei Zyklen der Standard-Konsolidierung
GMALL BLIVEN: Die Salvage-Therapie mit Blinatumomab und Venetoclax zeigte eine gute Verträglichkeit ohne behandlungsbedingte Mortalität. Weitere Untersuchungen und größere Patientenzahlen sind erforderlich, um den potenziellen Nutzen dieser Therapie festzustellen.
NHL-Rolle CAR T und BITE
Bispezifische AK bei NHL:
– Finale Analyse der ELM-2 Studie mit Odronextamab (CD20 x CD2 AK): mDLBCL ORR 52%, CR-Rate 32.5%, Patienten mit CR medianes PFS 20 Monate
BICAR Studie mit Gofitamab
– rrDLBCL nach CART, CR 36.4%, medianes OS 17.6 Monate
Mosenutuzumab – Polatuzumab bei älzeren unfitten Patienten
– medianes Alter 81 Jahre, CR 56%, PFS nach 9 Monaten 71%.
Epcoritamab SC + R2 (ituximab « Lenalidomid) führte zu dauerhaften Remissionen inkl. bei POD24 Patienten.
Schlussworte
Prof. Dr. Christoph Driessen dankte allen Referenten für ihre hervorragenden und interessanten Vorträge, dem Organisationskomitee für die ausgezeichnete Organisation und den Sponsoren für ihre stete Unterstützung, ohne welche eine derartige Fortbildung nicht möglich wäre. Er schloss mit der beruhigenden Aussicht, dass es im Jahre 2025 eine 35. St. Galler Fortbildung geben werde.
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