- Vier versus sechs Zyklen CHOP-Chemotherapie in Kombination mit sechs Gaben von Rituximab
Vier versus sechs Zyklen CHOP-Chemotherapie in Kombination mit sechs Gaben von Rituximab bei Patienten mit aggressivem B-Zell-Lymphom mit günstiger Prognose (FLYER): eine randomisierte, Phase 3 non-inferiority Studie
Quelle: Porschel V et al. Four versus six cycles of CHOP chemotherapy in combination with six applications of rituximab in patients with aggressive B-cell lymphoma with favourable prognosis (FLYER): a randomised, phase 3, non-inferiority trial. Lancet 2019; 394: 2271–81
Hintergrund
Sechs Zyklen R-CHOP (Rituximab plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison) ist die Standardbehandlung für das aggressive B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom. In der FLYER-Studie wurde untersucht, ob vier Zyklen CHOP plus sechs Gaben von Rituximab bei einer Patientenpopulation mit B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom mit günstiger Prognose nicht schlechter als sechs Zyklen R-CHOP sind.
Methoden
Flyer ist eine zweiarmige, offene, internationale, multizentrische, prospektive, randomisierte Phase 3-non-inferiority Studie, die an 138 Standorten in Dänemark, Israel, Italien, Norwegen und Deutschland durchgeführt wurde. Es wurden Patienten im Alter von 18-60 Jahren mit Krankheitsstadium I-II, normaler Serum-Laktatdehydrogenase, ECOG-Leistungsstatus 0-1, und ohne «bulky disease» (maximaler Tumordurchmesser <7.5 cm) rekrutiert. Die Randomisierung wurde computergestützt und zentral in einem Verhältnis von 1:1 durchgeführt unter Verwendung des Pocock-Minimierungsalgorithmus nach Stratifizierung für Zentren, Stadium (I vs. II) und extralymphatischen Manifestationen (nein vs. ja). Die Patienten erhielten entweder sechs Zyklen R-CHOP oder vier Zyklen R-CHOP plus zwei Dosen Rituximab. CHOP umfasste Cyclophosphamid (750 mg/m²), Doxorubicin (50 mg/m²) und Vincristin (1-4 mg/m²), in einer maximalen Gesamtdosis von 2 mg, die alle am Tag 1 intravenös verabreicht wurden, plus orales Prednison oder Prednisolon nach Ermessen des Prüfarztes (100 mg) an den Tagen 1-5. Rituximab wurde in einer Dosis von 375 mg/m² Körperoberfläche gegeben. Die Zyklen wurden alle 21 Tage wiederholt. Mit Ausnahme der Behandlung des Hodenlymphoms war keine Strahlentherapie geplant. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben nach 3 Jahren. Die primäre Analyse wurde in der Intention To Treat Population durchgeführt. Die Sicherheit wurde bei allen Patienten beurteilt, die mindestens eine Dosis der zugeteilten Behandlung erhielten. Es wurde ein Nicht-Unterlegenheits-Bereich von -5.5% gewählt.
Resultate
Zwischen dem 2. Dezember 2005 und dem 7. Oktober 2016 wurden 592 Patienten eingeschlossen, von denen 295 Patienten zu sechs Zyklen R-CHOP und 297 zu vier Zyklen R-CHOP plus zwei Dosen Rituximab randomisiert wurden. Vier Patienten in der Vier-Zyklen-Gruppe zogen vor Beginn der Behandlung ihre Zustimmung zurück, so dass 588 Patienten in die Intention To Treat Analyse einbezogen werden konnten. Nach einem medianen Follow-up von 66 Monaten (IQR 42-100) betrug das 3 Jahre progressionsfreie Überleben bei Patienten, die vier Zyklen R-CHOP plus zwei Dosen Rituximab erhielten, 96% (95% CI 94-99), was 3% besser war (die Untergrenze des einseitigen 95% CI für die Differenz betrug 0%) als sechs Zyklen R-CHOP. Dies beweist die Nichtunterlegenheit des Vier-Zyklen-Regimes. 294 hämatologische und 1036 nicht hämatologische unerwünschte Ereignisse wurden in der Gruppe mit vier Zyklen im Vergleich zu 426 hämatologischen und 1280 nicht hämatologischen unerwünschten Ereignissen in der Gruppe mit sechs Zyklen dokumentiert. Zwei Patienten, beide in der Sechs-Zyklen-Gruppe, starben während der Studie.
Interpretation
Bei jungen Patienten mit aggressivem B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom und günstiger Prognose sind vier Zyklen R-CHOP nicht schlechter als sechs Zyklen R-CHOP, mit relevanter Reduzierung der toxischen Wirkungen. Somit kann die Chemotherapie reduziert werden, ohne die Ergebnisse in dieser Population zu gefährden.
Fazit
• Verschiedene Studien haben erfolglos versucht, das Ansprechen auf die Standard-Therapie mit R-CHOP beim Diffusen Grosszelligen B-Zelllymphom (DLBCL) weiter zu verbessern. Das suggeriert, dass ein Wirksamkeitsplateau erreicht wurde, insbesondere bei Patienten mit niedrigem Risiko, welche eine exzellente Prognose aufweisen.
• Die FLYER-Studie ist unseres Wissens die erste Studie, welche eine weniger intensive Immun-Chemotherapie bei jüngeren Patienten (18-60 Jahren) mit DLBCL und niedrigem Risiko (keine Risikofaktoren im age-adjusted IPI und kein Bulk; spezifisch: Ann Arbor Stadium I-II, normwertige LDH, ECOG 0-1, max. Tumor-Durchmesser <7.5 cm) untersucht. Ziel war es, die Kurzzeit- und Langzeit-Toxizität zu reduzieren, ohne das Ansprechen zu verschlechtern (Non-Inferiority-Kriterium).
• Die Studie zeigt klar, dass das progressionsfreie und das Gesamtüberleben durch eine Reduktion der Therapie von 6 auf 4 Zyklen R-CHOP-21 (bei 4xR-CHOP-21 zusätzlich 2xR) nicht abnimmt. Zudem hatten Patienten in der Gruppe mit 4 Zyklen R-CHOP weniger nicht-hämatologische Nebenwirkungen und weniger Infektionen. Um eine Aussage über die Langzeit-Toxizität zu machen, ist die Beobachtungszeit zu kurz. Neben der verminderten Toxizität verursacht die kürzere Therapiedauer natürlich auch geringere Kosten. Entsprechend könnten 4 Zyklen R-CHOP mit anschliessender Gabe von zweimal Rituximab der neue Standard für jüngere DLBCL Patienten mit niedrigem Risiko werden.
• Kein Patient in dieser Studie erlitt ein ZNS-Rezidiv. Diese Beobachtung bestätigt und validiert den sog. CNS-IPI, welcher ein null-prozentiges Risiko eines ZNS-Rezidiv in dieser Patientenpopulation voraussagt.
• Ob dieses Regimen, welches in dieser Studie bei Patienten <60 Jahre untersucht wurde, auch bei älteren Patienten eingesetzt werden kann, ohne die Resultate zu verschlechtern bleibt aktuell offen. Eine Reduktion der Toxizität wäre gerade bei älteren Patienten ein klarer Vorteil. Hierzu untersuchen aktuell zwei klinische Studien den Einsatz einer PET-basierten Reduktion der Chemotherapie bei Patienten >60 Jahre mit sonst niedrigem Risiko (siehe auch unten).
• Umgekehrt stellt sich auch die Frage, ob eine PET-basierte Stratifizierung nach 4 Zyklen R-CHOP Patienten identifizieren könnte, welche von weiteren 2 Zyklen R-CHOP oder einer zusätzlichen Radiotherapie profitieren könnten. Eine Studie, welche ein ähnliches Patientenkollektiv in dieser Hinsicht untersucht hat zeigte, dass das Ansprechen von Patienten, welche nach 4 Zyklen PET-positiv waren und eine Radiotherapie erhielten im Vergleich zu Patienten mit einer kompletten Remission (nach 4 Zyklen R-CHOP) nicht schlechter war (1). Das würde eine PET-basierte Stratifizierung nach 4 Zyklen unterstützen. Zwei weitere Studien untersuchen aktuell eine solche Risiko-adaptierte Strategie (LNH 2009-1B9: NCT01285765 und OPTIMAL>60: NCT01478542).
1. Lamy T, Damaj G, Soubeyran P, et al. R-CHOP14 with or without radiotherapy in nonbulky limited-stage diffuse large B-cell lymphoma. Blood 2018; 131: 174–81.
Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich
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- Vol. 10
- Ausgabe 4
- August 2020