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1st International Workshop on Patient and Public Involvement in Cancer Research

Wie lässt sich die Beteiligung von Patient:innen und der Öffentlichkeit an der Krebsforschung verwirklichen?

  • Wie lässt sich die Beteiligung von Patient:innen und der Öffentlichkeit an der Krebsforschung verwirklichen?

m November 2022 fand in Lausanne der erste internationale Workshop zum Thema der Patienten- und Öffentlichkeitsbeteiligung an der Krebsforschung statt. Die Erfahrungen von Krebsbetroffenen und deren Angehörigen werden in der Forschung immer mehr als wertvolle Ressource anerkannt. Am Workshop wurden verschiedene Modelle und Projekte vorgestellt, wie diese Erfahrungen in die Forschung einfliessen und diese bereichern können.



Die Krebsforschung erzielte in den letzten Jahren rasant wachsende wissenschaftliche Erkenntnisse. Doch ohne Beteiligung betroffener Patient:innen und deren Angehörigen wäre klinische Krebsforschung nicht möglich. Wichtig ist, dass Patient:innen mehr zur Krebsforschung beitragen können als nur in der Rolle von passiven Studienteilnehmenden. Ihre Erfahrungen und Kenntnisse sind eine wertvolle Ressource, welche die Forschenden inspirieren und die Forschung bereichern kann.

Doch wie lässt sich die Beteiligung von Patient:innen und der breiten Öffentlichkeit (Patient and Public Involvement, PPI) an der Krebsforschung praktisch verwirklichen? Welche Hindernisse bestehen momentan? Und wie sieht die Situation in der Schweiz im internationalen Vergleich aus? Diese Fragen wurden am Workshop von und mit Schweizer und internationalen Expert:innen aus Forschung und Öffentlichkeit diskutiert.

PPI: die Schweiz steht erst am Beginn

Die Anzahl von Publikationen über Forschungsprojekte, an denen Patient:innen aktiv beteiligt waren, steigt international kontinuierlich an. Während in Ländern wie dem Vereinigten Königreich, in den USA und in Australien das Konzept des PPI schon seit einigen Jahrzehnten bekannt und weit verbreitet ist, steckt PPI in der Schweiz noch in den Kinderschuhen. In den letzten Jahren sind jedoch auch in der Schweiz einige Initiativen entstanden:

  • Die Swiss Clinical Trial Organisation (SCTO) informiert auf ihrer Website ausführlich über PPI und führt ein PPI-Mapping der Schweiz, in dem PPI-Initiativen und -Projekte übersichtlich zusammengestellt sind.
  • Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für klinische Krebsforschung (SAKK) hat einen Patientenrat, der den Blickpunkt von Patient:innen in die Projekte der SAKK einbringt.
  • Das Universitätsspital Genf führt die Plattform «PP + 3P» (patients et partenaires), die über PPI informiert und die Zusammenarbeit zwischen Patient:innen und Forschenden fördert.
  • Swiss Cancer Patient Experiences (SCAPE) ist eine langfristige Studie der grössten Schweizer Spitäler, mit der individuelle Erfahrungen von Krebsbetroffenen während ihrer Erkrankung erhoben werden. Ziel ist, mit Hilfe der Ergebnisse die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern.

PPI in Dänemark und den USA

Prof. Helle Pappot vom Universitätsspital Kopenhagen (Dänemark) präsentierte das Projekt «Kræftværket», dass sie und ihr Team gemeinsam mit von Krebs betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Young and Young Adults, AYA) entwickeln. Dabei steht den Betroffenen im Unispital Kopenhagen ein eigener Raum zur Verfügung, wo sie sich treffen und diskutieren können. Im engen Kontakt mit Forschenden haben die jungen Leute bereits drei Forschungsprojekte angestossen. Eines davon ist die Entwicklung einer Smartphone-App, die den gegenseitigen Austausch und die Symptomkontrolle erleichtert sowie die Lebensqualität verbessert. Die Implementierung der App in die klinische Praxis wurde vom öffentlichen dänischen Gesundheitswesen bezahlt.

Mary E. Cooley, Pflegespezialistin, und Rich Boyajian, Patientenvertreter vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston (USA), informierten über ein Projekt, bei dem Forschende und Patient:innen gemeinsam eine Entscheidungshilfe für Krebsbetroffene entwickelten. Das Tool unterstützt Patient:innen bei klinischen Entscheidungen, zum Beispiel beim Symptommanagement zuhause oder bei der Frage, ob eine ärztliche Kontrolle notwendig ist oder nicht.

Dank PPI schnellere Umsetzung in die Praxis

Bis die Ergebnisse eines Forschungsprojekts in der klinischen Praxis umgesetzt werden, ist es oft ein weiter Weg. Dabei wird geschätzt, dass rund 85% aller Forschungsergebnisse nie in der Praxis ankommen. «Der Einbezug von Patient:innen und Angehörigen kann dazu beitragen, diesen Verlust zu reduzieren», sagte Prof. Sabina De Geest, Leiterin des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Basel. «Durch PPI lassen sich die Forschungsergebnisse verbessern und die Prozesse bis zur praktischen Anwendung beschleunigen.» Sie stellte das SMILE-Projekt vor, das mit Beteiligung von Patient:innen entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um ein eHealth-Tool, das die Betreuung von Personen nach einer allogenen Stammzelltransplantation verbessert.

Alison Reeve, Leiterin des Patientenbeteiligungsprogramms, und Patrick McGuire, Angehörigenpartner bei Cancer Research UK, berichteten in ihrem Vortrag von gelebter PPI-Praxis im Vereinigten Königreich. Im Anschluss stellte Anne-Fleur Guillemin vom Institut national du cancer (Paris) neu geschaffene Initiativen zur PPI-Förderung in der Krebsforschung in Frankreich vor.

PPI fördern und finanzieren

In mehreren Kleingruppen diskutierten Forschende, Patient:innen, Mitglieder von Forschungsorganisationen sowie Vertreter der breiten Öffentlichkeit, wie PPI gefördert und finanziert werden kann, wie man überhaupt Patient:innen oder Angehörige findet, die sich an der Krebsforschung beteiligen wollen, und wie Forschungsinstitutionen im Bereich PPI zusammenarbeiten können.

Dabei wurde von allen Seiten betont, dass die Beteiligung von Patient:innen an der Forschungsarbeit grossen Respekt im Umgang miteinander erfordert, und dass es wichtig ist, die richtige Person für eine bestimmte Aufgabe in einem Forschungsteam zu benennen. Ein Gremium von Patient:innen sollte zudem divers zusammengesetzt sein. Forschende und Institutionen, die PPI in ihre Arbeit implementieren möchten, brauchen zudem fundierte Informationen – zum Beispiel Checklisten zur «Good Practice» – und finanzielle Unterstützung. Zur Frage, ob die Patient:innen für ihre Mitarbeit an der Forschung entlöhnt werden sollen, wurde mehrheitlich die Meinung geäussert, dass eine finanzielle Entschädigung fair und angebracht sei. Dementsprechende institutionelle Empfehlungen sind aktuell in Vorbereitung.

Am Ende des Workshops waren sich Forschende und Patienten­vertreter:innen einig, dass der Schlüssel zur erfolgreichen Zusammenarbeit im engen Austausch und persönlichen Kennenlernen liegt. Zukünftig wünschten sich die Teilnehmenden weitere ähnliche Anlässe, die einen solchen Austausch – auch auf internationaler Ebene – ermöglichen.

Dr. med. Eva Ebnöther

Quelle: 1st International Workshop on Patient and Public Involvement in Cancer Research, Lausanne, 1. November 2022.

Für weitere Infos wenden Sie sich an Dr. Klara Soukup: Klara.Soukup@chuv.ch

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  • Vol. 13
  • Ausgabe 1
  • Februar 2023