- Eine Gletschertour
Wir beginnen unseren Aufstieg (August 2017) beim Parkplatz von Les Magines, der bei der letzten Hahrnadelkurve der Talstrasse nach Arolla gelegen ist. Dieses erste Wegstück, das entlang der Borgne d’Arolla bis zum Vorfeld des Bas Glacier d’Arolla führt, ist leider teils asphaltierte, teils naturbelassene Fahrstrasse. Vor uns dominiert der mächtige Klotz des Mont Collon, der zum Dent Blache-Gebirgssockel gehört und ganz aus dem basischen Eruptivgestein Gabbro besteht. Eher ungewöhnlich ist, dass dieser von sauren Magmen begleitet wird, weshalb wir auf unserer Tour immer wieder auf farbige Granite stossen. Der gesamte Talabschluss wird von mehreren Tunnels durchzogen, die die verschiedenen Stauseen zwischen Zermatt und Grande Dixence verbinden.
Am Ende der Fahrstrasse, beim früheren Parkplatz im Gletschervorfeld, folgen wir gegen Südosten dem Hüttenweg der Cabane de Bertol bis in das Tälchen oberhalb der Zugangsstollen mit der Madonnenstatue, wo der Pfad zum tiefer liegenden südlichen Teil der Plan de Bertol abzweigt. Eine Tafel erinnert hier an den Tod eines Mädchens, das im ersten Schnee verloren ging und in der Blütezeit der ersten Bergblumen des darauffolgenden Jahres wieder gefunden wurde. Auf Plan de Bertol beeindruckt der Blick über den Eisabbruch des Glacier du Mont Collon hinaus zum Petit Mont Collon und Pigne d’Arolla, dessen Normalroute gegenüber früher keine reine Eistour mehr ist (Abb. 1). Seine Nordwand, einst eine bekannte Eiswand, ist mittlerweile vollständig ausgeapert.
In einem kurzen Abstieg erreichen wir das Tal des Haut Glacier d’Arolla zwischen Mont Collon und der Gipfelkette der Bouquetins. Wir passieren zahlreiche Murgänge, die die Instabilität der Moränenhänge unterhalb der Dents de Bertol erkennen lassen. Kurz vor der Gletscherzunge beginnt die blau-weisse Wegmarkierung. Vor vier Jahren erreichte man über den seitlichen Eisrand die Mittelmoräne des Gletschers. Dieses Mal ist der östliche Gletscherrand von Spalten durchzogen, sodass wir eine schmale, von Geröll bedeckte Eisrippe benutzen müssen, um auf den Gletscher zu gelangen.
Wir folgen der Mittelmoräne bis auf Höhe der im Westen gelegenen Mitre de l’Evêque und wenden uns erst dann in Richtung des vom Col de l’Evêque herunterziehenden oberen Teils des Gletschers. So umgehen wir das westlich gelegene Spaltenfeld. Oberer und unterer Teil des Haut Glacier d’Arolla haben ihre Verbindung verloren. Das Gelände dazwischen ist instabil und birgt teilweise noch Eis unter den Geröll- und Schuttmassen (Abb. 2). Deshalb kann der Routenverlauf in Abhängigkeit der aktuellen Verhältnisse stark variieren. Vor vier Jahren stiegen wir über die nördliche Moräne zum Col Collon auf, der südwestlich des Felszackens der La Vierge gelegen ist. Dieses Mal müssen wir das südliche Moränenfeld wählen, da die alte Route unter Muren längst begraben worden ist.
Der Col Collon ist mittlerweile ebenfalls frei von Eis und Firn. Zurück bleibt auf der italienischen Seite ein kleiner Gletschersee. Unmittelbar unterhalb des Passes überraschen uns zwei Steingeissen mit ihren Jungen (Abb. 3). Zuerst beobachten sie uns, dann beginnen sie in atemberaubender Weise herumzuklettern, als wollten Sie uns Zweibeinern zeigen, wie man sich wirklich elegant im schwierigen Gelände bewegt. Nach ausgiebiger Rast kehren wir auf demselben Weg nach Arolla zurück (Abb. 4).
Gutes Wetter vorausgesetzt, handelt es sich um eine einfache Gletschertour. Nebel kann die Orientierung allerdings wesentlich erschweren, da die Stangenmarkierungen auf dem Gletscher wenig zuverlässig sind und diese im Übergang zum oberen Gletscherfeld gänzlich fehlen. Es empfiehlt sich, Eispickel, Steigeisen und Seil dabeizuhaben, da die stetigen Veränderungen des Terrains einzelne Passagen ohne Hilfsmittel deutlich erschweren können. Wer nicht gletscherkundig ist, dem sei der Weg bis zur Gletscherzunge trotzdem empfohlen, da er Einblick in eine gewaltige Gebirgslandschaft bietet. Der Unermüdliche mag auch noch das nicht bewirtete Refuge des Bouquetins besuchen wollen. Zu beachten sind die Spalten westlich der Hütte, die man gegen Süden umgeht. So erreicht man auch den im Süwesten der Schutzhütte beginnenden Pfad, über den man das rund hundert Meter höher gelegene Biwak erreicht. Dieser Umweg beansprucht hin und zurück rund zwei Stunden und sollte in seiner Länge nicht unterschätzt werden.
Aufgepasst
In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1 – 6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.
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