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Ältere Patienten (> 75) mit non-STEMI profitieren nicht mehr von invasiver Therapie

  • Ältere Patienten (> 75) mit non-STEMI profitieren nicht mehr von invasiver Therapie


Das Ziel dieser Studie ist zu untersuchen, ob eine invasive Behandlung mit Koronarangiographie und eventueller Revaskularisation einer alleinigen konservativen Behandlung bei über 75-jährigen Patienten mit non-STEMI – auch gebrechlichen und solchen mit Komorbiditäten – überlegen ist.

Hintergrund

In den meisten klinischen Studien, in denen die Wirksamkeit verschiedener Behandlungen von Patienten mit einem Myokardinfarkt ohne ST-Streckenhebung (non-STEMI) untersucht wurde, sind ältere Patienten unterrepräsentiert. Dementsprechend ist es schwierig, klare Empfehlungen für die Behandlung dieser Patienten zu formulieren. Die Ergebnisse bisheriger Studien sind inkonsistent, und eine Metaanalyse (auf Patientenebene) ergab, dass eine invasive Therapie einer medikamentösen Therapie nicht überlegen ist – bezüglich eines kombinierten Endpunkts, bestehend aus Herzinfarkt oder Tod ein Jahr nach dem Ereignis.

Einschlusskriterien

• Patienten älter als 75 Jahre mit der klinischen Diagnose eines non-STEMI

Ausschlusskriterien

• Patienten mit einer instabilen Angina pectoris oder kardiogenem Schock
• Patienten mit einer geschätzten Lebenserwartung von weniger als einem Jahr
• Gesundheitszustand so fragil, dass von einer Koronarangiographie abgesehen werden musste

Studiendesign und Methode

Randomisierte, multizentrische Studie
Bei allen Patienten wurde für die Beurteilung der Gebrechlichkeit (frailty) der «Fried Frailty Index», für die Erfassung der Komorbiditäten der Charleston-Komorbiditäts-Index und für die kognitiven Einschränkungen der «Montreal Cognitive Assessment»-Fragebogen verwendet.

Studienort

48 Kliniken im Vereinigten Königreich

Interventionen

• Gruppe 1: bestmögliche medikamentöse Therapie (Aspirin 75 mg/Tag, P2Y12-Rezeptoragonist, Statin, Betablocker, AC-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker)
• Gruppe 2: Koronarangiographie, wenn angemessen mit Revaskularisation (innert drei bis 7 Tagen nach Diagnose entweder perkutan oder chirurgisch; gemäss Entscheidung der Kardiologen/Kardiochirurgen), und bestmögliche medikamentöse Therapie

Primärer Outcome

Kombinierter Endpunkt bestehend aus nicht fatalem Myokardinfarkt oder kardiovaskulärem Tod (Zeit bis zum Ereignis)

Sekundäre Outcomes

• Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, spätere Koronarangiographie, spätere Revaskularisation, Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz, Blutungen
• Follow-up: (Telefon oder persönliche Visite) sechs Monate und ein und fünf Jahre nach der Randomisierung

Resultat

• 1518 Patienten wurden randomisiert (753 in die invasive und 765 in die konservative Gruppe).
• Das mittlere Alter betrug 82 Jahre, 45 % waren Frauen; 65 % hatten eine Hypertonie, 30 % einen Diabetes, fast ein Drittel hatte schon einmal einen Myokardinfarkt.
• Etwa 60 % hatten gemäss dem Montreal-Fragebogen eine eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit; etwa ein Drittel war gemäss dem Frailty-Fragebogen gebrechlich.
• Bei etwa der Hälfte der Patienten in der invasiv behandelten Gruppe wurde eine Revaskularisation durchgeführt, etwa 3 % wurden operiert, der Rest erhielt Stents oder in seltenen Fällen eine alleinige Ballondilatation.
• Die mediane Nachbeobachtungsdauer betrug 4.1 Jahre; bei 26.3 % in der nur medikamentös behandelten Gruppe trat der primäre Endpunkt ein und bei 25.6 % in der invasiv und medikamentös behandelten Gruppe. Der Unterschied ist statistisch nicht signifikant.
• Ein Jahr nach der Randomisierung war der primäre Outcome bei 12.8 % der Patienten in der invasiv behandelten Gruppe und bei 14.3 % in der nur medikamentös behandelten Gruppe eingetreten.
• Eine Koronarangiographie im weiteren Beobachtungszeitraum (nach der Randomisierung) wurde bei 24 % in der primär medikamentös behandelten Gruppe und bei 5.6 % in der primär invasiv behandelten Gruppe durchgeführt; eine Revaskularisation im Verlauf bei 3.9 % in der primär schon invasiv behandelten Gruppe und bei 13.7 % in der primär nur medikamentös behandelten Gruppe.
• Bei den sekundären Endpunkten konnten keine signifikanten Unterschiede beobachtet werden.

Prof. em. Dr. med. Johann Steurer

Zürichbergstrasse 7
8032 Zürich

johann.steurer@usz.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Kunadian V et al. Invasive Treatment Strategy for Older Patients with Myocardial Infarction. N Engl J Med DOI: 10.1056/NEJMoa2407791.
ORCID: https://orcid.org/0000-0001-5368-5099