- Chemsex – primär auf ein sexuelles Erlebnis ausgerichteter Drogenkonsum
Drogenkonsum in einem sexualisierten Kontext stellt sowohl spezialisierte Kliniken (psychiatrische Kliniken und Kliniken für sexuelle Gesundheit) als auch die Allgemeinmedizin vor besondere Herausforderungen. Hinzu kommen einige Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung, die zu ungünstigen Auswirkungen in bestimmten Gruppen führen. In diesem Artikel werden evidenzbasierte Strategien zur Schadensminimierung vorgestellt, die in der Primärversorgung leicht angewandt werden können, um Komplikationen zu verringern, Personen mit erhöhtem Risiko zu identifizieren und geeignete Behandlungen einzusetzen.
Einführung
Der Begriff Chemsex entstammt der Gay-Community. Damit bezeichnet wird einerseits der Konsum bestimmter Substanzen (Chems) – meist sind damit Metamphetamin, Gammahydroxybuttersäure (GHB/GBL) und Mephedron gemeint – für ein besseres bzw. intensiveres Erleben der sexuellen Handlungen. Aber auch Arten der Initiierung der Sexualkontakte über spezielle Apps sind mitgemeint. Darüber hinaus umfasst der Begriff ein syndromales Risikoverhalten, ein impulsives Sexualverhalten, körperliche und sexuelle Gewalt, Inkaufnahme der Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten sowie die mit dem Substanzkonsum verbundenen Risiken (1,2,3). Die durch die konsumierten Substanzen induzierte Enthemmung und das gesteigerte Selbstbewusstsein spielen dabei eine wichtige Rolle (4). Chemsex unterscheidet sich von anderen Formen des sexualisierten Drogenkonsums dadurch, dass es primär auf ein sexuelles Erlebnis ausgerichtet ist (2). Die Konsumprävalenz liegt bei 17% der homosexuellen Männer (MSM), welche eine Klinik für sexuelle Gesundheit aufsuchen und bei HIV-Infizierten ist sie höher (5). Viele Autoren schreiben den bekannten erhöhten Substanzkonsum bei homosexuellen Männern zum Teil einem mit sexueller Minderheit verbundenen Stress zu (6, 7). Es handelt sich um Themen wie Stigmatisierung, verinnerlichte Homophobie und gesellschaftliche Ablehnung (8). Angesichts des in der Forschung festgestellten Durchschnittsalters von circa 40 Jahren (9, 10) lässt sich die Hypothese aufstellen, dass Substanzen auch zur Aufrechterhaltung der Sexualität in einer Phase der schwindenden sexuellen Potenz angewendet werden. Die Präferenz der Substanz variiert erheblich je nach Literatur, Kultur und Standort, wobei in der Schweiz eine Neigung zu Methamphetamin und GHB/GBL besteht (11). US-amerikanische Daten zeigen einen Anstieg des Stimulanzienkonsums um 40% allein zwischen 2018 und 2019 sowie einen drastischen Anstieg der Todesfälle durch Stimulanzienüberdosierung (12). Ein deutlicher Anstieg des Metamphetaminkonsums über das letzte Jahrzehnt ist auch für die Schweiz nachweisbar (11).
Die betroffenen Personen sind meist sozial integrierte Männer. Der Konsum ereignet sich in einer Szene, welche für einen nicht involvierten Aussenstehenden kaum bemerkbar ist. Nur ein kleiner Teil der Praktizierenden hält sich für therapiebedürftig (13), spezifische Risiken des Konsums und Verhaltens sind oft schwer adressierbar. Aus diesen Gründen läuft die Gefahr, dass sie in der hausärztlichen Praxis nicht erkannt werden.
Dieser Artikel befasst sich mit Chemsex im Allgemeinen und mit möglichen medizinischen und psychologischen Folgen des Verhaltens. Dargestellt werden zudem Red-Flags, die uns an das Vorhandensein spezifischer Risiken durch Chemsex denken lassen sollten und therapeutische Ansätze werden dargestellt. GHB/GLB verdient angesichts der lebensgefährlichen Überdosierung und der medizinischen Komplexität des Entzugssyndroms seine eigene Diskussion. Aus diesem Grund konzentriert sich der folgende Text auf die in der Schweiz am meisten verbreitete Substanz, Methamphetamin (Crystal Meth).
Methamphetamin
Methamphetamin zählt zu den Stimulanzien, also zu jenen Substanzen, die durch eine erhöhte Verfügbarkeit von Katecholaminen, insbesondere Dopamin, im limbischen System wirken. Die in aller Regel als positiv empfundenen Wirkungen dieser Substanz umfassen eine Euphorisierung, gesteigerte Energie und Konzentration, eine gesteigerte Intensität sozialer Interaktionen, Enthemmung und Neugier. Damit eignet sich die Substanz gut als Faszilitator für sexuelle Experimente, wie es in einer qualitativen Untersuchung zu Konsummotiven von Semple zusammengefasst heisst (14). Aus den Wirkungen lässt sich gut auch die unter Umständen problematische, erhöhte Risikobereitschaft ableiten. Seine Wirkung im Gehirn entfaltet Methamphetamin ähnlich schnell wie Kokain, es hat jedoch mit ca. 10 Stunden eine deutlich längere Halbwertszeit (15). Die Schnelligkeit des Anflutens der Substanz hängt, wie bei allen Substanzen, von der Art der Applikation ab. Intravenöser Konsum führt demnach deutlich schneller zum Einsetzen der Wirkung als z. B. nasaler Konsum. Die Halbwertszeit des Methamphetamins bleibt jedoch unabhängig von der Applikationsform recht konstant (12).
Medizinische Folgen
Die medizinischen Folgen resultieren einerseits aus den direkten Konsequenzen des Substanzgebrauchs, andererseits aus dem sexuellen Verhalten. Häufigste Folgen einer akuten Methamphetaminintoxikation sind Verletzungen, psychische Störungen (siehe unten), Kopf- und Thoraxschmerzen sowie Herzrhythmusstörungen (16,17).
In der medizinischen Akutversorgung kann sich der Methamphetamingebrauch hinter seinen mitunter gravierenden kardiovaskulären Komplikationen verstecken. So finden sich Hypertonie, Aortendissektionen, Infarkte und Arrhythmien sowie Kardiomyopathien als Folge des Konsums (18). Ebenfalls ist ein Zusammenhang zwischen hämorrhagischen Schlaganfällen und Methamphetaminkonsum gezeigt worden (19) und Autopsiestudien an Todesopfern von Methamphetaminüberdosierungen zeigten bei 50% kardiale und bei 20% zerebrovaskuläre Pathologien (20). Neben kardialen Ursachen sind auch das akute Nierenversagen infolge Rhabdomyolyse und Hyperpyrexie als Todesursachen akuter Methamphetaminüberdosierungen dokumentiert (15).
Darüber hinaus finden sich neben den oben bereits erwähnten mikrovaskulären kardialen und zerebralen Schäden auch chronische Nierenschädigungen und Bewegungsstörungen (12). Gewichtsverlust und Mangelernährung aufgrund der appetithemmenden Wirkung des Methamphetamins und der sich bei chronischem Konsum unter Umständen einstellenden Anhedonie sind Symptome, die wahrscheinlich im hausärztlichen Setting am offensichtlichsten sind. Jedoch können diese Symptome bei Unkenntnis des Sexualverhaltens der Patienten fehlinterpretiert werden (15).
Für die Patienten meist schambehaftet sind – als Folge der unter Substanzeinfluss ausgeübten Sexualpraktiken – lokale Traumata und sexuelle Infektionen (5, 21). Gut dokumentiert ist ein Anstieg sexuell übertragbarer Infektionen durch ungeschützten Geschlechtsverkehr (1, 4, 11, 22). Ebenfalls konnte ein Anstieg der Inzidenz an HIV-Serokonversionen unter Chemsex-praktizierenden MSM (oder nur schwule Männer) im Vergleich zu solchen ohne entsprechendes Sexualverhalten gezeigt werden (2). Neben der im Rausch beeinträchtigten Entscheidungsfindung, dem Substanzkonsum als Strategie zum Umgang mit der Stigmatisierung von HIV-Infektionen im Kontext der Sexualität und anderen gemeinsamen Risikofaktoren spielt auch das Übertragungsrisiko durch den intravenösen Methamphetaminkonsum (Slamming) eine Rolle (24). Interessanterweise findet sich bei intravenösem Methamphetaminkonsum im Kontext mit Chemsex ein gegenüber dem intravenösen Konsum anderer Substanzen im Nicht-Chemsex-Kontext erhöhtes Risiko, sich mit HIV zu infizieren (25). Ferner wird Methamphetaminkonsum mit einer schlechten Adhärenz gegenüber antiretroviraler Therapie und Präexpositionsprophylaxe in Verbindung gebracht (26, 27, 28).
Psychische Folgen
Bei Amphetaminkonsum ist das Auftreten psychotischer Zustände und das aggressive Verhalten gut dokumentiert, insbesondere bei Personen mit vorgängiger Veranlagung (17). Schlafmangel und Erschöpfung, die oft mit mehreren Tagen andauernden sexuellen Begegnungen einhergehen, senken die Schwelle für solche Erscheinungen weiter. Bis zu einem Drittel der Amphetaminkonsumenten erfahren psychotische Symptome (29). Als Folge chronischen Stimu-lanziengebrauchs kommt es zu Störungen verschiedener neuroadaptiver Prozesse. Störungen im Serotonin-, Dopamin- und Glutamatsystem sowie Atrophie des präfrontalen Kortex und der Basalganglien führen zu kognitiven Defiziten und eingeschränkten Exekutivfunktionen (17).
Bei chronischem Konsum sowie bei Entzug der Substanzen finden sich vor allem Symptome wie Energie- und Antriebsminderung, die als Ausdruck einer depressiven Episode verkannt werden können. Depressive Syndrome und Angstsymptome sind ebenfalls häufige Folgen vor allem bei chronischem Methamphetamingebrauch. Im Entzug kommt es ferner zu Gefühlen der Wertlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Anhedonie und gelegentlich sogar Suizidalität (17). Rund ein Viertel der Befragten gab an, dass sich der Konsum negativ auf ihre sozialen Beziehungen auswirkt (10) und dies schwächt einen wichtigen Schutzfaktor für psychische Erkrankungen. Die depressiven und Erschöpfungssyndrome, welche nach Phasen intensiven Konsums (oftmals Wochenbeginn nach durchgefeiertem Wochenende) auftreten, können Arbeitsunfähigkeit bedingen und einen Anlass zur Konsultation des Hausarztes / der Hausärztin darstellen.
Die wichtigsten Komplikationen sind in Tabelle 1 aufgeführt.
Schadensminderung
Trotz der hohen Anzahl selbst berichteter Schäden durch Chemsex-Praktiken hält sich nur ein kleiner Teil der Betroffenen für tatsächlich therapiebedürftig (13). Wie bei anderen Substanzen auch ist Abstinenz nur selten als Option vorstellbar und die meisten Betroffenen stehen der Expertise von suchtmedizinischen Einrichtungen skeptisch gegenüber (21). Somit erstaunt die Therapieabbruchrate von bis zu 50% kaum (30).
Betroffene mit einem aus medizinischer Sicht interventionsbedürftigen Sexual- und Konsumverhalten einer geeigneten und akzeptierten Therapie hinzuführen, stellt also eine grosse Herausforderung dar. Dieser Interventionsbedarf wird weiter unter dem Abschnitt ‚Red-Flags‘ definiert. Nochmals erschwert wird diese Herausforderung durch den ohnehin nicht deckenden Bedarf an spezialisierten Therapieplätzen (31). Denn nicht jeder Psychotherapeut hat Ahnung von den spezifischen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit Chemsex offenbaren. Dies wiederum reduziert die Akzeptanz der Angebote bei den Betroffenen.
Dem hausärztlichen Grundversorger kommt somit auch hier eine entscheidende Bedeutung zu. Wie beim Konsum anderer Substanzen auch, können schadenmindernde Massnahmen (Harm-Reduction) einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz von Behandlungen und zur Reduktion von gravierenden Folgeerkrankungen leisten.
Die sorgfältige Erstellung eines kardiovaskulären Risikoprofils spielt in Anbetracht der hohen Prävalenz und Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse in dieser Population eine entscheidende Rolle, einschliesslich der daraus abzuleitenden Behandlungen der Folgeerkrankungen (z. B. Hypertonietherapie).
Informationen zu Safer-Use sollten angeboten werden, insbesondere, wenn bekannt ist, dass die Patienten „Slamming“ praktizieren. Auch sollte die Adhärenz an bestehende antiretrovirale Therapien unterstützt und der Zugang zu Prä- und Postexpositionsprophylaxe (PrEP und PEP) hergestellt werden. Die Behandlung in auf HIV-Erkrankungen spezialisierten Kliniken kann signifikant zur Adhärenz beitragen (9). Weitere venerische Infektionen können durch regelmässige Screenings und niederschwellige Partnerbehandlung reduziert werden. Die antibiotische Chemoprophylaxe gegen bakterielle Infektionen wird mancherorts propagiert, bleibt jedoch aufgrund der Risiken der Resistenzentwicklung kontrovers diskutiert (32). Die Konsumenten sind sich in der Regel der Infektionsrisiken bewusst. Hierfür stehen Kliniken, die ein Screening für sexuell übertragbare Infektionen (STI) anbieten, an vorderster Stelle der Screening-, Behandlungs- und Präventionsstrategien (2, 30, 31).
Neben der hier beschriebenen Schadensminimierung sollte auch der psychosoziale Kontext mitberücksichtigt werden. Soziales Engagement hat sich als eindeutiger Schutzfaktor gegen Diskriminierung und Stigmatisierung erwiesen und kann damit das Konsumverhalten sowie die damit verbundenen Schäden verringern (1, 31, 33, 34, 35). Ferner sollte eine klare und offene Kommunikation über Präferenzen, Wünsche und Grenzen gefördert werden, um psychologischen Folgen und Schamgefühlen vorzubeugen und dem Zustandekommen nicht einvernehmlicher Sexualkontakte entgegenzuwirken.
Weitere Ansatzpunkte für Schadensminderung zeigt die Abbildung 1.
Psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungen
Dem Screening für eigenständige psychische Erkrankungen, insbesondere solcher, deren Symptome auf die Einnahme von Stimulanzien ansprechen (z. B. Depressionen, Ängste, Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität) kommt eine weitere wichtige Bedeutung zu und es kann wegweisend für die Auswahl der richtigen fachärztlichen Behandlung sein (36). Dies kann auch die „Notwendigkeit“ des Stimulanzienkonsums im Sinne einer Selbstmedikation reduzieren.
Bezüglich der psychologischen Therapien gibt es Evidenz für kognitive Verhaltenstherapien, motivierende Gesprächsführung sowie Matrix-Modell-Interventionen mit einer gewissen Superiorität für Kontingenzmanagement (37). Hier geht es darum, die Konsequenzen auf kognitiver Ebene zu modifizieren, um die Abstinenz in einem sozialen Kontext zu erreichen. Brown und DeFulio (38) bestätigen ebenfalls den Nutzen des Kontingenzmanagements mit längeren Abstinenzphasen, verbesserter Therapiecompliance und reduziertem riskanten Sexualverhalten.
Pharmakotherapie
Angesichts der Schwierigkeiten diese Patienten in das Gesundheitssystem einzubinden und die Therapien aufrechtzuerhalten, wären evidenzbasierte Pharmakotherapien interessant, jedoch sind diese nach wie vor spärlich vorhanden. Substitutionstherapie mit amphetaminbasierten beziehungsweise Dopamin-Agonist-Präparaten haben bisher noch keinen Hinweis auf eine Verringerung des Konsums ergeben (39). Vielversprechend sind der Einsatz von Mirtazepin (40) sowie einer Kombination aus Bupropion und Natrexon (41) mit entsprechender Reduktion des Verbrauchs. Die jeweiligen Stichprobengrössen in den Untersuchungen sind jedoch zu klein und die Patientengruppe ist zu heterogen, um die Therapie breitflächig anwenden zu können. Eine wichtige Entwicklung in der Immuntherapie eröffnet die Möglichkeit von methamphetaminspezifischen Therapien, welche die pharmakologische Wirkung eines Konsums verringern könnte (42)
Red-Flags, die jedem Arzt / jeder Ärztin auffallen sollten
- Dem „Anfangsverdacht“ durch den Hausarzt / die Hausärztin kommt wie bei vielen risikoreichen Verhaltensweisen und Erkrankungen eine wichtige Bedeutung zu, ist dies doch ein Moment, in dem das Thema ergebnisoffen angesprochen und medizinische Unterstützung angeboten werden kann. Gehäufte Krankschreibungen zu Wochenbeginn, Behandlungen auf Notfallstationen aufgrund oben genannter Symptome bei sonst kardiovaskulär gesunden Patienten und Abszesse oder Einstichstellen sollten den Grundversorger hellhörig werden lassen.
Idealerweise entwickelt sich daraus ein Dialog mit der Chance auf eine ausführliche Sexualanamnese und die Möglichkeit zu schadenmindernden Interventionen. Sofern mit dem Patienten ein offener Dialog über das Sexual- und Konsumverhalten besteht, sollten folgende, von Herrijgers und Kollegen (43) zusammengefasste Veränderungen Anlass zur Kontaktaufnahme mit einem Spezialisten sein: - Zunehmende Chemsex-Episoden
- Weniger Geschlechtsverkehr ohne „Chems“
- Kardiovaskuläre Folgeerkrankungen
- HIV-Infektion
- Schwindende soziale Netzwerke, sozialer Rückzug, Bruch von Partnerschaften
- Verlust des Arbeitsplatzes
Schlussfolgerung
Erst jüngst stellte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) noch immer bestehende Ungleichheiten zwischen der physischen und psychischen Gesundheit heterosexueller Menschen im Vergleich mit Menschen des LGBTQ+ Spektrums insbesonders im Hinblick auf Substanzgebrauch fest (44). Sorge vor Stigmatisierung und Diskriminierung bilden weiterhin Barrieren für eine angemessene medizinische Betreuung (44). Eine offene, vorurteilsfreie und sichere Umgebung sollte in der medizinischen Versorgung flächendeckend gewährleistet sein und bildet die Grundlage für sorgfältige Diagnostik und individualisierte Therapien.
Nicht jeder Drogenkonsum (z.B. Cannabis, …) in einem sexualisierten Kontext hat automatisch Krankheitswert. Aus der Sicht der Konsumenten können durch den Chemsex auch positive Effekte verbunden sein, wie die Zugehörigkeit zur entsprechenden Community und die Möglichkeit Ängste in Bezug auf sexuelle Beziehungen zu überwinden (45). Den Moment, in dem sich ein Konsummuster jedoch zu einem problematischen oder relevant gesundheitsschädigenden Verhalten entwickelt, gilt es zu erkennen und mit dem Patienten zu thematisieren. Den Grundversorgern kommt hier eine tragende Rolle zu: So können motivierende und schadensmindernde Interventionen durch die Grundversorger selbst aber auch die Triagierung und Vermittlung an geeignete Therapiestellen zur psychotherapeutischen und/oder medikamentösen Weiter- und Mitbehandlung entscheidend und enorm hilfreich sein.
Obwohl soziale Medien und Netzwerk-Apps die Verbreitung von Chems erleichtern, können die Informationsvermittlung und die Mobilisierung dieser Unterstützungsnetze auch effektive therapeutische Strategien vermitteln. Schlussendlich stellt Chemsex das Gesundheitssystem vor zahlreiche Herausforderungen und erfordert einen multidisziplinären Ansatz zum Management der vielfältigen physischen und psychischen Folgen und Begleiterscheinungen.
StockerDocs
Stockerstrasse 42
8002 Zürich
Es bestehen keine Interessenskonflikte
Historie:
Manuskript eingereicht: 23.08.2023
Manuskript akzeptiert: 20.02.2024
- Chemsex betrifft nicht nur Männer, die Sex mit Männern haben, sondern auch andere soziale Gruppen der LGBTQ+. Sexualisierter Drogenkonsum ist jedoch auch bei heterosexuellen Menschen umfassend dokumentiert.
- Methamphetamin und GHB/GBL sind häufige Substanzen die bei Chemsex in der Schweiz angewendet werden.
- Psychische Störungen sowie Herz-Kreislauf und zerebrovaskuläre Komplikationen gilt es unter Methamphetaminkonsum besonders zu achten.
- Die Therapien sind hauptsächlich psychologisch-psychotherapeutisch, aber einige pharmakologische Therapien zeigen in kleinen Studien vielversprechende Ergebnisse bei der Reduzierung des Konsums.
- Der Hausarzt / die Hausärztin spielt eine wichtige Rolle bei der Identifizierung von Fällen, der Bewertung des Schweregrads und der Koordinierung der Versorgung. Noch wichtiger ist seine Rolle bei der Schadensminderung.
- Anhand der hier dargelegten Red-Flags können Menschen identifiziert werden, die diese spezialisierte
Therapie benötigen.
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PRAXIS
- Vol. 113
- Ausgabe 3
- März 2024