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Chlorthalidon oder Hydrochlorothiazid als erste Wahl bei der Behandlung von Personen mit Hypertonie

  • Chlorthalidon oder Hydrochlorothiazid als erste Wahl bei der Behandlung von Personen mit Hypertonie


Frage

Ist Chlorthalidon wirksamer als Hydrochlorothiazid bei der Behandlung der arteriellen Hypertonie?

Hintergrund

Menschen mit einer arteriellen Hypertonie wird als Erst­linienmedikament ein Thiaziddiuretikum empfohlen. Damit wird der Blutdruck gesenkt und das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen reduziert. Die Ergebnisse früherer Studien deuteten darauf hin, dass der Benefit von Chlor­thalidon grösser ist als der von Hydrochlorothiazid. Chlor­thalidon hat eventuell mehr Nebenwirkungen, insbesondere Hypokaliämien.
In den USA wird laut einer Statistik von 2020 Hy­drochlorothiazid etwa sechsmal häufiger verschrieben als Chlortalidon, obwohl in den Guidelines Chlorthalidon als erste Therapie empfohlen wird.
Das Ziel dieser Studie war, zu untersuchen, ob der BenefitReduktion des Risikos kardiovaskulärer Erkrankungen – der beiden Medikamente unterschiedlich ist.

Einschlusskriterien

– Patientinnen und Patienten über 65 Jahre alt,
– mit einer Hypertonie, die mit Hydrochlorothiazid (25 oder 50 mg/Tag) behandelt wurde und die einen systolischen Blutdruck von mindestens 120 mmHg hatten

Studiendesign und Methode

Pragmatische Studie; randomisiert, nicht verblindet

Studienort

Veterans Administration Gesundheitssystem; 537 Zentren

Interventionen

– Gruppe 1: Teilnehmende wurden weiterhin mit Hydrochlorothiazid 25 oder 50 mg/Tag behandelt
– Gruppe 2: Teilnehmende, die in die Chlorthalidon-Gruppe randomisiert wurden, erhielten 12,5 oder 25 mg/dieses Medikaments

Outcome

Primärer Outcome

– Kombinierter Outcome bestehend aus nicht-fatalem kardiovaskulärem Ereignis (nicht fataler Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz, not­fallmässige koronare Revaskularisation wegen instabiler Angina pectoris) oder Nicht-Malignom-assoziiertem Tod

Sekundäre Outcomes

– Die einzelnen Komponenten des primären Outcomes
– Elektrolytstörungen
– Hospitalisationen

Resultate

– Etwas mehr als 16 500 Personen erklärten sich bereit, an der Studie teilzunehmen; 13 523 Personen wurden randomisiert.
– Das mittlere Alter betrug 72 Jahre; 11 % hatten gemäss Anamnese einen Schlaganfall oder Myokardinfarkt; 94,5 % waren vor Einschluss in die Studie mit Hydrochlorothiazid behandelt; der mittlere systolische Blutdruckwert lag bei 139 mm Hg.
– Die mittlere Anzahl an blutdrucksenkenden Medikamenten war 2,6. Etwa 13 % der Teilnehmenden wurden vor Einschluss in die Studie nur mit einem Diuretikum behandelt.
– Nach einer medianen Nachbeobachtungsphase von 2,4 Jahren waren keine signifikanten Unterschiede im primären Outcome und auch nicht bei den einzelnen Komponenten des primären Outcomes nachweisbar. Der primäre Outcome trat bei 10,4 % in der Chlorthalidon-Gruppe und bei 10,0 % in der Hydrochlorothiazid-Gruppe auf. Die jährliche Eventrate war 4,5 % in der Chlorthalidon-Gruppe und 4,0 % in der Hydrochlorothiazid-Gruppe.
– Subgruppenanalyse: Personen mit einem Schlaganfall oder Myokardinfarkt in der Anamnese hatten in der Chlorthalidon-Gruppe (14,3 %) einen besseren primären Outcome als die in der Hydrochlorothiazid-Gruppe (19,4 %). Der Unterschied ist statistisch signifikant. Bei Teilnehmenden ohne Schlaganfall oder Myokardinfarkt schnitt die Hydrochlorothiazid-Gruppe signifikant besser ab. Diese Unterschiede sind nach Angaben der Autorinnen und Autoren möglicherweise dem Zufall geschuldet und sollten nicht überinterpretiert werden.
– Nebenwirkungen: Bei Patientinnen und Patienten der Chlorthalidon-Gruppe wurden im ersten Jahr der Studie mehr Elektrolytbestimmungen durchgeführt, und die Hospitalisierungsrate wegen einer Hypokaliämie war in der Chlorthalidon-Gruppe etwas höher als in der anderen Gruppe – 1,5 versus 1,1 %.

Kommentar

In dieser vergleichenden Wirksamkeitsstudie sind die beiden Medikamente, was den primären Outcome betrifft, gleichwertig.
Patientinnen und Patienten in der Chlorthalidon-Gruppe hatten ein etwas höheres Risiko für eine Hypokaliämie, aber fast alle Personen mit einer Hypokaliämie konnten ambulant behandelt werden.

Prof. em. Dr. med. Johann Steurer

Zürichbergstrasse 7
8032 Zürich

johann.steurer@usz.ch

ORCID
Johann Steurer
https://orcid.org/0000-0001-5368-5099

PRAXIS

  • Vol. 112
  • Ausgabe 10
  • August 2023