Frauen und Sport



Frauen können und sollen sich in jeder Lebensphase regelmässig bewegen und sportlich aktiv sein. Zum Glück hat sich diese Erkenntnis in den vergangenen Jahren klar durchgesetzt. Noch vor weniger als hundert Jahren wurde Frauen aus medizinischer und gesellschaftlicher Sicht von Sport abgeraten und die Teilnahme an Wettkämpfen war nur in sehr wenigen Sportarten erlaubt (z.B. Golf). 1932 wurde in einer Zeitschrift für Gynäkologie [1] festgehalten, dass etwas gegen die «Ausartung des weiblichen Sportes gemacht werden muss», da bei der Frau «grosse Energiemengen für die normale biologische Funktion verbraucht werden, welche dem Mann als überschüssige Muskelkraft zur Verfügung stehen».
Mittlerweile ist es erwiesen, dass Sport und Bewegung auch bei Frauen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben. Die positiven Auswirkungen sind jedoch je nach Art und Intensität der Bewegung sowie dem sport­lichen Niveau für Frauen und Männer unterschiedlich [2].
Für die Beratung von Frauen in der Sprechstunde braucht es demnach angepasste Empfehlungen in verschiedenen medizinischen Bereichen. So zum Beispiel zur Art und Intensität einer Aktivität, der Trainierbarkeit des kardiopulmonalen Systems oder den Einflüssen von Ak­tivität während der Schwangerschaft. In der (sport)medizinischen Literatur fehlen noch immer spezifische Erkenntnisse, die sich auf Frauen beziehen. Eine aktuelle Übersicht von Paul [3] zeigt auf, dass zwischen 2017 und 2021 in den sechs besten Sportmedizin-Journals in über 70 % der Studien isoliert Männer betrachtet wurden, in knapp 9 % nur Frauen und in den restlichen Studien jeweils beide Geschlechter. Sucht man in PubMed nach Literatur zu den beiden Begriffen «Menstrual Cycle» AND «Athlete», so findet sich ein Artikel aus 1963 und dann erst wieder einige ab 2009. 2021 wurden erstmals mehr als 20 Artikel dazu publiziert.
Nora Wieloch und Johannes Scherr beschreiben in einer Mini-Review [4] die aktuellen Kenntnisse zu internistischen, muskuloskelettalen und leistungsrelevanten Bereichen, die für die Beratung von Sportlerinnen in der Praxis hilfreich sind. Zudem zeigen sie auf, welche Faktoren beachtet werden sollen, um Schwangere bezüglich Sport und Bewegung adäquat beraten zu können. Dies ist wichtig, da Sport während einer Schwangerschaft ohne Komplikationen sowohl für die Mutter als auch für das Kind positive Auswirkungen hat. Sportliche Aktivität hat zum Beispiel einen präven­tiven Effekt auf die Entstehung eines Gestationsdiabetes oder einer Hypertonie. Aber noch heute wird schwangeren Frauen viel zu häufig von Bewegung und Sport ab­geraten, obwohl es keinen medizinischen Grund dafür gibt. Der aktuelle Artikel hilft, die bestehenden Vorurteile abzubauen.
Damit wünsche ich Ihnen eine gute Lektüre und hoffe, die Erkenntnisse daraus unterstützen Sie in der sportmedizinischen Beratung ihrer Patientinnen.
Dr. med. Sibylle Matter Brügger

Leitende Ärztin Sportmedizin
Medbase Bern Zentrum
Sports Medical Center
Schwanengasse 10
3011 Bern
Schweiz

sibylle.matter@medbase.ch

1. Vaubel H. Frauensport und Gesundheit. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. 1932;92:173–177. DOI: 10.1159/000309628.
2. Hands BP, Parker H, Larkin D, Cantell M, Rose E. Male and female differences in health benefits derived from physical activity: implications for exercise prescription. Journal of Women’s Health, Issues and Care. 2016;5:4. DOI: 10.4172/23 25-9795.1000238.
3. Paul RW, Sonnier JH, Johnson EE, et al. Inequalities in the Evaluation of Male Versus Female Athletes in Sports Medicine Research: A Systematic Review. Am J Sports Med. 2022; DOI: 10.1177/03635465221131281. Epub ahead of print.
4. Wieloch N, Scherr J. Geschlechtsspezifische Unterschiede der Sportme­dizin. Praxis (Bern 1994). 2023;112(12):582–588.