- Sportverletzungen an Handgelenk und Fingern
Etwa ein Fünftel aller Sportunfälle betrifft die Hand. Viele Verletzungen können einfach diagnostiziert und behandelt werden. Einige davon aber, wie die Skaphoidfraktur oder die Hamulus-ossis-hamati-Fraktur, sind konventionell radiologisch schwierig zu erkennen und werden ohne CT häufig verpasst. Bandverletzungen wie der Skidaumen müssen erkannt und richtig, oft operativ, behandelt werden. Dazu gibt es sportartspezifische Verletzungen wie die geschlossene Ringbandruptur bei Kletternden, die sonst kaum vorkommen und wenig bekannt sind. Darauf wird in dem Artikel eingegangen, Pitfalls und Tricks werden diskutiert.
Einleitung
Die meisten Sportverletzungen an der Hand können einfach diagnostiziert und behandelt werden. Das Ziel dieses Artikels ist es, auf «Pitfalls» hinzuweisen, weniger bekannte Verletzungsmuster aufzuzeigen und auf die «Hitliste» häufig verpasster Diagnosen hinzuweisen. Eine topografische Differenzialdiagnose (Abb. 1) und radiologische Beispiele (Abb. 2) sollen Klarheit schaffen und an Vergessenes erinnern.
Notfallstationen wie auch Allgemeinpraktiker sind in den letzten Dekaden mit einer im Verhältnis zu Arbeitsunfällen zunehmenden Anzahl von Sportverletzungen konfrontiert. Gemäss Unfallstatistik der Suva [1] gab es im Jahr 2021 in der Schweiz über 803 000 gemeldete Unfälle, wovon 552 000 Freizeitunfälle waren. 193 000 davon waren Sportunfälle. Der Grossteil davon findet im Ballsport (36 %) und im Wintersport (25 %) statt. Weitere 10 % gehen auf Turnen und Laufsport, 7 % auf Wassersport, 5 % auf Bergsport und jeweils weniger als 5 % auf Kampfsport, Motorrennsport sowie Wurf- und Schlagspiele zurück. Weiter sind über 20 000 Fahrradsport- und Mountainbike-Unfälle zu verzeichnen, die in der Kategorie der Strassenverkehrsunfälle gelistet werden.
Von allen Freizeit- und Sportunfällen betreffen ca. 15–20 % die Hand, dabei wurden mehr als 12 000 Frakturen, über 23 000 Gelenk- und Bandverletzungen, 28 000 offene Wunden, 17 000 oberflächliche Verletzungen und Prellungen sowie 471 Nervenverletzungen verzeichnet.
Sportartspezifisch werden beim Wintersport (Skifahren, Snowboardfahren) vor allem Frakturen und Bandverletzungen im Bereich des Handgelenks sowie der Skidaumen (Ruptur des ulnaren Seitenbands des Daumengrundgelenks) beobachtet. Im Ballsport sehen wir vor allem Frakturen, Kapselband- und Sehnenverletzungen der Fingermittel-/und Endgelenke. Beim Fahrrad- und Mountainbike-Sport zeigen sich ähnlich wie beim Wintersport vor allem Handgelenksverletzungen und Frakturen, aber auch Knochenbrüche im Bereich der Mittelhand und Finger. Des Weiteren sind spezielle sportartspezifische Verletzungsmuster wie beim Sportklettern [2] (Ringbandriss, Ringbandentzündung, Epiphysenfugenverletzung), bei Racket-Sportarten wie Golf oder Tennis (Extensor-carpi-ulnaris-Tendinopathien, Kapselbandläsionen des distalen Radioulnargelenks oder Hamulus-ossis-hamati-Ermüdungsfrakturen) zu beobachten.
Finger und Fingergelenke
Bei Sportverletzungen im Bereich der Finger sind neben Frakturen meist der Kapselbandapparat (Kollateralbänder), die Strecksehnen, weniger die Beugesehnen betroffen. Inspektorisch ist bei Fehlstellungen, starker Schwellung, Achsenstossschmerz und Bewegungseinschränkung eine konventionell radiologische Abklärung zum Frakturausschluss indiziert. Dabei ist insbesondere auf eine exakte Exposition der seitlichen Projektion zu achten, um eine Impressionsfraktur der Basis des Mittelglieds ausschliessen zu können. Im Zweifelsfall muss eine CT-Untersuchung Klarheit schaffen. Undislozierte Frakturen ohne Gelenkbeteiligung können konservativ behandelt werden (sechs Wochen Intrinsic-plus-Schiene mit Einschluss der angrenzenden Gelenke).
Bei Schmerzen im Bereich des Daumen-Sattelgelenks sollte immer eine konventionell-radiologische Untersuchung (Daumen ap/seitlich mit Zentrierung auf das Sattelgelenk) durchgeführt werden und bei Unsicherheit ein CT erfolgen. Frakturen im Bereich der Basis des Metacarpale I (Bennet-, Rolando-, Winterstein-Fraktur) sind immer instabil und müssen operativ versorgt werden.
Ausser der ulnaren Seitenbandverletzung am Daumengrundgelenk (Skidaumen) können alle Kapselbandverletzungen, insofern früh erkannt und richtig behandelt, konservativ therapiert werden. Seitenbandverletzungen der MP-Gelenke (Stabilitätsprüfung in 90 ° Flexion) sowie der PIP-Gelenke (Stabilitätsprüfung in 10 ° Flexion) können mit einem Zwillingstape zum Nachbar-Finger für sechs Wochen ohne Ruhigstellung nachbehandelt werden. In gleicher Weise werden Hyperextensionsverletzungen (Läsion palmare Platte) der PIP-Gelenke behandelt.
Der Skidaumen, die ulnare Seitenbandverletzung des Daumengrundgelenks (Metacarpophalangealgelenk) wird klinisch durch eine vermehrte ulnarseitige Aufklappbarkeit verdächtigt und muss oft operativ behandelt werden. Dabei kann das distal ausgerissene Kollateralband nach proximal umschlagen und die interponierte Adduktoraponeurose eine Reposition des Bands verhindern. Diese sogenannte Stener-Läsion [3] muss MR-tomografisch oder ultrasonografisch ausgeschlossen werden, da nur durch eine Operation die Reposition und Re-Insertion des Bands möglich ist, um wieder ein stabiles zu Gelenk erreichen.
Die häufigste Läsion im Bereich der Strecksehnen ist eine Ruptur des Terminalzügels über dem DIP-Gelenk, auch Mallet-Finger genannt. Die Diagnose kann durch das sichtbar hängende Fingerendglied bereits klinisch gestellt werden. Es erfolgt eine konsequente Ruhigstellung des DIP-Gelenks in leichter Hyperextension in einer am besten durch die Ergotherapie angefertigten Schiene (Stack’sche Schiene) für acht bis zehn Wochen. Auch ossäre Strecksehnenausrisse können konservativ behandelt werden, wenn das Fragment weniger als 25 % der Gelenksfläche beträgt. Ist es allerdings grösser, disloziert oder das DIP-Gelenk subluxiert, muss eine Osteosynthese erfolgen. Weniger offensichtlich ist die Zentralzügelverletzung über dem PIP-Gelenk, die mit dem Elson-Test [4] (paradoxe Hyperextension des DIP-Gelenks bei Extension des flektierten PIP-Gelenks gegen Widerstand über dem Mittelglied) nachgewiesen werden kann. Es erfolgt eine konsequente Ruhigstellung mit einer PIP-Streckschiene für sechs Wochen. Bei verpasster Verletzung kann eine (fixierte) Knopflochdeformität mit zunehmender Flexionsfehlstellung in PIP- und Hyperextensionsfehlstellung im DIP-Gelenk resultieren, die nur mehr schwierig operativ behandelt werden kann.
Bei Schlägen im Kampfsport kann es zu Rupturen der seitlichen Führung (Sagittalbänder) der Strecksehnen über dem MP-Gelenk kommen, sodass die Sehnen im Faustschluss seitlich des Metakarpal-Köpfchens nach palmar rutschen können (Klinik, Ultraschall) und es so zu einem aktiven Extensionsdefizit kommen kann. Frisch diagnostiziert werden diese Verletzungen mit einer MP-Gelenkstreckschiene behandelt, bei chronischen Verletzungen muss das Sagittalband rekonstruiert werden. Bei ambitionierten Sportlerinnen und Sportlern werden subkapitale metakarpale Frakturen (Boxerfraktur), die auch intraartikulär verlaufen können (CT), möglichst anatomisch reponiert und meist operativ behandelt.
Deutlich seltener sind geschlossene Beugesehnenläsionen, wobei der distale Ausriss einer FDP-Sehne (Jersey-Finger) am häufigsten ist. Klinisch fällt dies durch ein aktives Flexionsdefizit im DIP-Gelenk auf, radiologisch findet sich meist ein ossäres Fragment im Bereich des Beugesehnenkanals, das immer operativ re-inseriert werden muss [5].
Im trendigen Klettersport, bei dem sehr hohe Belastungen an den Fingern auftreten, werden neue, in anderen Sportarten nicht vorkommende Verletzungsmuster beobachtet [1]. Die häufigste Pathologie ist der Riss eines Ringbands der Beugesehnenscheide (A2-Ringband über dem Grundglied, A4-Ringband über dem Mittelglied). Der Athlet kommt mit der Anamnese, einen Knall oder Schnalzen im Finger beim Halten eines kleinen Griffs während eines schwierigen Kletterzugs bemerkt zu haben. Bei der Flexion des Fingers gegen Widerstand kann ein vermehrtes Abheben der Beugesehnen (Bogensehneneffekt) palpiert werden, die Verletzung ist ultrasonografisch erkennbar und kann gut mit einer sogenannten Ringbandschutzschiene (Ergotherapie) konservativ behandelt werden [6]. Lediglich multiple Ringbandrupturen (A2- und A4-Ringband) an einem Finger müssen bisweilen operativ (Ringbandrekonstruktion) angegangen werden. Des Weiteren sind die A2- und A4-Ringbänder auch häufig von einer schmerzhaften Synovialitis betroffen, führen aber nicht wie beim A1-Ringband zu einem Schnappfinger. Die Spontanheilung und Prognose sind sehr gut (funktionelle Nachbehandlung). Bei jugendlichen Kletternden im Wachstum ist die Ermüdungsfraktur der Epiphyse/Epiphysenfuge am PIP-Gelenk die häufigste Verletzung und kann, wenn nicht erkannt (BV mit Ausprojektion, CT) zu Sekundärschäden und Präarthrose führen.
Handgelenk
Die Skaphoidfraktur ist die am häufigsten verpasste Fraktur und resultiert unbehandelt meist in einer Pseudoarthrose und längerfristig in einer Arthrose (SNAC wrist). Schmerzen nach einem Sturz auf das Handgelenk, die länger als zwei bis drei Wochen anhalten, sollten daher ernst genommen und abgeklärt werden. Bei Verdacht auf eine Skaphoidfraktur (Druckschmerzhaftigkeit in der Tabatière, distaler Skaphoidpol und dorsal-zentraler Druckschmerz) sollte mittels CT (oder MRT) eine Kahnbeinfraktur ausgeschlossen werden [7], da diese im konventionellen Röntgen oft nicht sichtbar ist. Eine nicht dislozierte Fraktur im mittleren oder distalen Drittel kann konservativ, alle anderen Frakturtypen (proximales Drittel, dislozierte Frakturen) müssen operativ behandelt werden. Im Fall einer konservativen Behandlung erfolgt eine Ruhigstellung im Skaphoidgips (Handgelenk und Daumeneinschluss) für acht Wochen mit folgender Konsolidationskontrolle im CT.
Deutlich seltener als die Skaphoidfraktur mit 68 % aller karapalen Frakturen sind die Triquetrumfraktur mit 18 %, die Trapeziumfraktur mit 5 %, die Lunatumfraktur mit 4 % sowie Capitatum-, Hamatum- und Pisiforme-Frakturen mit je 1–2 %. Alle diese Verletzungen können nur sicher mittels CT ausgeschlossen werden. Bei Schmerzen über dem Hypothenar muss an eine Fraktur des Hamulus ossis hamati (direkte Kontusion bei Sturz oder Ermüdungsfraktur) gedacht werden, da diese unbehandelt häufig in einer Pseudoarthrose resultiert und langfristig zu Beugesehnenrupturen des Klein- und Ringfingers führen kann. Die übrigen karpalen Frakturen können, wenn isoliert und nicht disloziert, mit Gipsruhigstellung für sechs Wochen konservativ behandelt werden. Komplexe Kombinationsverletzungen wie die perilunäre Luxation sind «handchirurgische Notfälle».
Bei einer distalen Radiusfraktur wird bei Sportlerinnen und Sportlern keine Fehlstellung toleriert, lediglich undislozierte Frakturen können konservativ behandelt werden. Da konventionell radiologisch eine intraartikuläre Beteiligung nicht immer sichtbar ist oder unterschätzt wird, sollte die Abklärung CT-tomografisch liberal indiziert werden. Ist eine konservative Behandlung indiziert, erfolgt nach 7–10 Tagen und nach sechs Wochen immer eine radiologische Stellungskontrolle. So lange bleibt der Unterarm im Gips oder in der thermoplastischen Schiene. Alle auch wenig dislozierten Frakturen sollten operativ behandelt werden (meist palmare Plattenosteosynthese), auch mit dem Vorteil einer funktionellen Nachbehandlung.
Die am häufigsten verpasste Bandverletzung im Bereich des Karpus ist die Ruptur des skapholunären Bands, da diese initial meist nur kurzfristig schmerzhaft ist. Nach einem schmerzarmen Intervall von mehreren Monaten resultiert ein karpaler Kollaps in zunehmenden Schmerzen und Arthrose (SLAC wrist). Bei einer Anamnese mit Handgelenkschmerzen dorsal zentral (auch Palpationsschmerz) sowie Blockadeerscheinungen und Schnappepisoden sowie positivem Watson-Test (schmerzhafte Ulnar-Radialduktion im Handgelenk, während Druck auf den distalen Skaphoidpol ausgeübt wird und dabei auftretende Krepitationsphänomene) sollte zum Ausschluss oder Nachweis dieser Verletzung ein Arthro-MRT durchgeführt werden. Konventionell-radiologisch besteht der Verdacht auf eine skaphoulnäre Bandruptur beim Auseinanderweichen von Skaphoid und Lunatum im pa-Bild sowie bei zunehmender Extensionsstellung des Lunatum und Flexionsstellung des Skaphoid im Seitenbild. Die Verletzung muss operativ mittels Bandnaht (erste drei bis sechs Wochen) oder mit einer Bandrekonstruktion behandelt werden.
Die Ruptur des Bandapparates zwischen Ulnakopf und distalem Radius (TFCC) kann zu einer Instabilität im distalen Radioulnargelenk (DRUG) führen. Klinisch äussert sich diese durch eine Druckschmerzhaftigkeit distal des Ulnakopfes, Schmerzen bei Pro-Supination sowie vergrösserter Schublade (dorso-palmare Translation zwischen Radius und Ulna). Die Verletzung wird mittels Arthro-MRT nachgewiesen und kann, wenn frisch entdeckt, konservativ mit einer Oberarmhandgelenkschiene in 20 ° Supinationsstellung konservativ behandelt werden. Bei chronischer Instabilität muss eine Bandnaht oder Bandrekonstruktion in Betracht bezogen werden. Weitere Schmerzursachen im Bereich des Ulnakopfs können eine Entzündung oder Ruptur des 6. Strecksehnenfachs (ECU-Sehne), Überbelastung und Entzündung des DRUG oder eine traumatisierte Ulnaplusvariante (Ulnaimpaktionssyndrom) sein. Bei ausgeschöpfter konservativer Therapie kann eine Rekonstruktion des 6. Strecksehnenfachs, eine Steroidinfiltration ins DRUG oder eine Ulnaverkürzungsosteotomie indiziert sein.
Im Artikel verwendete Abkürzungen
CT Computertomogramm
DRUG Distales Radioulnargelenk
EDC Extensor digitorum communis
EPL Extensor pollicis longus
FCR Flexor carpi radialis
FCU Flexor carpi ulnaris
Fx Fraktur
MRT Magnetresonanztomografie
RC Radiocarpal
SL Scapholunär
SLAC Scapholunate Advanced Collapse
SNAC Scaphoid Nonunion Advanced Collapse
STT Scapho-trapezoid Trapezium
TFCC Triangular Fibroä-Cartilage Complex
Universitätsklinik Balgrist Forchstrasse 340, 8008 Zürich
andreas.schweizer@balgrist.ch
Historie
Manuskript eingereicht: 30.12.2022
Manuskript akzeptiert: 30.01.2023
Interessenskonflikte
Es bestehen keine Interessenskonflikte.
- Sportverletzungen an der Hand werden immer häufiger. Genaue Diagnostik und Bildgebung, z.B. bei Frakturen mit CT, ist wichtig für eine optimal Behandlungsentscheidung.
- Bei Frakturen werden weniger Fehlstellungen toleriert und es wird weniger oft konservativ behandelt.
- Achtung bei tückischen Verletzungen wie Skaphoidfraktur und Hamulus ossis hamati Fraktur (CT), Skidaumen und Ringbandverletzungen bei Kletternden (Ultraschall) oder skapholunärer Bandruptur und TFCC-Läsionen (MRT).
1. Koordinationsgruppe für die Statistik der Unfallversicherung UVG (KSUV) c/o Suva. https://www.unfallstatistik.ch/d/publik/unfstat/pdf/Ts21.pdf.
2. Schweizer A. Sport climbing from a medical point of view. Swiss Med Wkly. 2012;142:w13688.
3. Stener B. Displacement of the ruptured ulnar collateral ligament of the metacarpophalangeal joint of the thumb. A clinical and anatomical study. J Bone Joint Surg. 1962;44B:872.
4. Elson RA. Rupture of the central slip of the extensor hood of the finger: a test for early diagnosis. J Bone Joint Surg Br. 1986;68:229–231.
5. Leddy JP, Packer JW: Avulsion of the profundus tendon insertion in athletes. J Hand Surg Am. 1977;2(1):66–69.
6. Schneeberger M, Schweizer A. Pulley ruptures in Rock climbers: outcome of conservative treatment with the pulley-protection splint-a series of 47 cases. Wilderness Environ Med. 2016;27(2): 211–218.
PRAXIS
- Vol. 112
- Ausgabe 12
- Oktober 2023